Sind Wissenschaftler Handlanger des christlichen Nationalismus?

Eine Antwort auf die Behauptung säkularer Gruppen

Sind Wissenschaftler Handlanger des christlichen Nationalismus?

Das Center for Inquiry (CFI) steht für Vernunft, Wissenschaft und Säkularismus, und das seit fast fünfzig Jahren.

Wir sprechen oft unbequemer Wahrheiten aus: Es gibt keinen Beweis dafür, dass Sie Ihren verstorbenen Angehörigen an einem Ort namens Himmel wiedersehen werden. Es gibt keine Beweise dafür, dass ein liebender Gott Ihre Gebete erhört. Die alte indigene Medizin ist der westlichen Medizin nicht ebenbürtig. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sind nicht per se schädlich, sondern können von großem Nutzen sein.

In letzter Zeit gab es unter säkularen Gruppen Unstimmigkeiten in Bezug auf den Transgender-Aktivismus. Im Vergleich zu anderen Meinungsverschiedenheiten ist diese eher geringfügig, auch wenn sie als übergroß dargestellt wird.

Die Biowissenschaft geht davon aus, dass es zwei biologische Geschlechter gibt, eine Tatsache, die sich durch die gesamte Tierwelt zieht, zu der auch der Mensch gehört. Es gibt auch ein fließenderes Konzept von Geschlecht, das ein komplexeres Bild der menschlichen Sexualität ermöglicht. Beides kann gleichzeitig der Fall sein. Es kann zwei biologische Geschlechter und mehrere Geschlechtsidentitäten geben. Und wenn öffentliche Politik gemacht wird, sollte sie sowohl auf das eine als auch auf das andere reagieren.

Dies scheint eine unbequeme Wahrheit zu sein, wenn man die Reaktion einiger säkularer Gruppen betrachtet.

Einige säkulare Gruppen vertreten den Standpunkt, dass jede Diskussion über biologische Fakten transphob ist und eine Verweigerung von Bürger- und Menschenrechten darstellt. Sie vertreten die Auffassung, dass die Begründung für das Verständnis der natürlichen Welt als einen Ort, der in biologisch männliche und weibliche Mitglieder der Arten unterteilt ist, nicht nur eine wissenschaftliche Diskussion, sondern eine Tarnung für einen hundertprozentigen christlichen Nationalismus ist.

Das CFI wendet sich gegen christlichen Nationalismus in all seinen Erscheinungsformen. Und in dem Maße, in dem christliche Nationalisten Transgender-Themen benutzt haben, um Empörung zu schüren und politisch für ihre Agenda zu nutzen, Religion in die öffentliche Politik einzubringen, sind wir dagegen.

All das ändert nichts an den biologischen Tatsachen oder der Komplexität der damit verbundenen Fragen. Menschen guten Willens sollten bereit sein, sich mit diesen komplexen Sachverhalten auseinanderzusetzen, ohne denen, die abweichenden Ansichten vertreten, schlechte Motive zu unterstellen.

Wenn zum Beispiel eine medizinische klinische Studie für Frauen durchgeführt wird, um festzustellen, ob ein Medikament bei Frauen anders wirkt als bei Männern, sollten dann Transgender-Frauen daran teilnehmen? Wenn Transgender-Frauen als dasselbe wie gebürtige Frauen betrachtet werden, lautet die Antwort „ja“, sie sollten teilnehmen. Die Wissenschaft geht jedoch vom Gegenteil aus, da sie biologisch nicht gleich sind.

Das zu sagen, macht Sie nicht zu einem Handlanger des christlichen Nationalismus.

Es gibt noch andere Bereiche, in denen die Biologie des Geschlechts eine wichtige Rolle spielt. Im Sport zum Beispiel. Sobald die männliche Pubertät eingetreten ist, ist es physiologisch nicht mehr fair, wenn derjenige, der davon profitiert, in einer Sportart bei den Frauen antritt. Zumindest zeigen das die Wissenschaft und die Beweise.

Einer der umstrittensten Bereiche ist die Transition von Minderjährigen vor Erreichen der Volljährigkeit. Angesichts der neuesten Forschungsergebnisse und der Maßnahmen mehrerer europäischer Länder, die sich von solchen medizinischen Eingriffen zurückgezogen haben, wird die Art und Weise, wie die „geschlechtsangleichende Behandlung“ in den Vereinigten Staaten praktiziert wird, nicht mehr allgemein als der vorteilhafteste Ansatz akzeptiert. Ob Transgender-Aktivisten es nun glauben wollen oder nicht, die Zahl derer, die die die Transition rückgängig machen, steigt, und diese Geschichten können ebenso herzzerreißend sein wie die von Kindern, die sich als Transgender identifizieren und medizinische Eingriffe wünschen.

Diesen komplexen Themen auszulassen und zu behaupten, dass es nur auf einer Seite um Bürger- und Menschenrechte geht, ist einfach falsch. Auch Athleten, die gebürtige Frauen sind, haben Bürgerrechte. Kinder haben Menschenrechte, zu denen auch gehört, dass sie sich nicht Operationen unterziehen müssen, die sie dauerhaft zum Invaliden machen, bevor sie die Folgen wirklich verstehen.

Diejenigen, die der Meinung sind, dass diese und andere Bereiche einer rationalen, wissenschaftlichen, evidenzbasierten Debatte zugänglich sind, betreiben kein Weißwaschen der Lügenmärchen des christlichen Nationalismus, das ihnen vorgeworfen wurde. Sie erkennen an, dass es hier nicht einfach um Recht und Unrecht geht, und dass die gesamte Bandbreite der auf dem Spiel stehenden Interessen berücksichtigt werden sollte.

Aber wenn das Gespräch schon zu Ende ist, bevor es überhaupt begonnen hat, wenn auch nur der kleinste Unterschied zwischen dem eigenen Standpunkt und dem des extremsten Transgender-Aktivisten als hasserfüllte Bigotterie angesehen wird und nicht ohne die Gefahr geäußert werden darf, gecancelt zu werden, dann ist das ein Ort, an dem Vernunft und Wissenschaft abhandenkommen sind und alles, was bleibt, Giftigkeit, Wut und Selbstgerechtigkeit ist.

Das wird am CFI nicht passieren.

Das CFI wird sich weiterhin für die Trennung von Kirche und Staat, für die Rechte von Ungläubigen hier und in der ganzen Welt und für die Beendigung von Pseudowissenschaft einsetzen, wo immer sie auftaucht. Und wir widersprechen entschieden Personen oder Gruppen, die meinen, Diskussionen seien gefährlich, Biologie sei Bigotterie und Wissenschaft sei verkappter christlicher Nationalismus.

Robyn E. Blumner
Geschäftsführer und Präsidentin, Center for Inquiry
Geschäftsführende Direktorin, Richard Dawkins Foundation for Reason & Science

Jerry Coyne hat die Hintergrümde und Robyn Blumners Antwort in einem Artikel ausführlich kommentiert.

Richard Dawkins hat Blumners Stellungnahme auf X geteilt.

Übersetzung: Jörg Elbe

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    RPGNo1

    Ich habe die Ereignisse um Jerry Coyne auf seinem Blog (https://whyevolutionistrue.com/) verfolgt, wo er Artikel zu seiner Auseinandersetzung mit der FFRF und die darauf folgenden Reaktionen der säkularen/humanistischen/atheistischen Organisationen verfasst hat.

    Das Verhalten der genannten Organisationen, die Agressivität einzelner Mitglieder gegenüber renommierten Personen wie Jerry Coyne, Richard Dawkins und Steven Pinker und das Einknicken vor identitätspolitischem Aktivismus ist einfach nur beschämend.

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    1. userpic
      Andreas Edmüller

      👍👍👍

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    2. userpic
      Matthias Freyberg

      Man kann dem Artikel nur zustimmen. Der Autor sieht sich in einem wissenschaftlichen Umfeld genötigt, an den "Guten Willen" der Beteiligten zu appellieren. Ein sehr bedenkenswerter Vorgang.

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