Theologische Taschenspielertricks (Teil 2)

Aus der Trickkiste der Theologen

Wenn Theologen sich mit dem Atheismus beschäftigen, dann tun sie es oft auf eine intellektuell unredliche Art und Weise. Im Folgenden beschreibe ich beispielhaft, wie man nicht gegen Atheisten argumentieren sollte. Es sei denn, man möchte sich und seinen Glauben gerne lächerlich machen.

Theologische Taschenspielertricks (Teil 2)

Atheist per Definition

Dies ist eine weitere, allgemein gebräuchliche Variante der vorigen »Argumente«:

(P1) Um Atheist zu sein, müsste man beweisen, dass es keinen Gott gibt.
(P2) Ich weigere mich, zu definieren, was ich unter «Gott» verstehe.
(P3) Du kannst nicht widerlegen, was nicht definiert wurde!
(S1) Folglich ist der Atheismus unlogisch.«

(P1): Das hatte ich schon behandelt. Du kannst nur Monotheist sein, wenn Du beweist, dass keine anderen Götter existieren. Wie, das kannst Du nicht? Dann ist der Monotheismus falsch!

(P2): Diese Weigerung ist allgemein üblich. Damit liefert man dem Atheisten keine Möglichkeit einer Widerlegung. Ich frage mich allerdings, wie man an etwas glauben kann, von dem man nicht auch sagen kann, was es ist?

(P3): Klar hat man Gott nun unwiderlegbar gemacht, aber das spielt keine Rolle, da (P1) sowieso falsch ist. Aber im Grunde genommen hat der Gläubige seinen eigenen Glauben unanehmbar gemacht! Und damit ist der Atheismus bereits ausreichend gerechtfertigt – ich glaube nicht an etwas, von dem keiner weiß, was es ist.

Es gibt noch die Variante, die Definition so vage und nebulös zu machen, dass niemand etwas damit anfangen kann. Küng exerziert das vor in [Küng 2001b] _1_.

Die Falle der Beweisbarkeit

Dies ist eine weitere Variante der oben schon erwähnten Pseudoargumente. Es gibt nämlich keine einhundertprozentigen , unbezweifelbaren Beweise. Dies folgt einerseits aus dem Münchhausentrilemma , andererseits aus der folgenden Aussage:

Aus jeder Aussage folgen unendlich viele weitere Aussagen.

Um nun mit Sicherheit wissen zu können, dass eine Aussage wahr ist, müsste man alle möglichen Konsequenzen kennen. Da man dies aus rein praktischen Gründen nicht kann, kann man nicht wissen, ob die Aussage wahr ist. Damit ist jeglicher Dogmatismus widerlegt.

Ein dritter Grund ist der, den sich Theologen gerne zunutze machen. Man kann für jede Aussage unendlich viele Gründe anführen, warum diese wahr ist – und unendlich viele, die dagegen sprechen. Man kann zu allen bekannten Daten daher unendlich viele Theorien anführen, die alle Daten »erklären«. Was in Konsequenz bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Aussage über die Welt wahr ist _2_, ist eins zu der Anzahl der möglichen Aussagen, also eins zu unendlich, was eine Wahrscheinlichkeit von null ergibt.

Das bedeutet zweierlei: Kein Beweis für eine Theorie ist endgültig, man kann immer Zweifel anführen. Außerdem, dass man mit unbewiesenen Annahmen sehr sparsam umgehen sollte, selbst wenn diese plausibel erscheinen. Jede unbewiesene Zusatzannahme senkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine darauf basierende Theorie wahr ist!

In der Wissenschaft bedeutet dies, dass jede Theorie prinzipiell revidierbar sein muss, und dass man überflüssige Annahmen vermeidet (das nennt man »Ockhams Rasiermesser«).

In der Theologie und der Esoterik hat dies zur Folge, dass man allem beliebige Zusatzannahmen unterschieben kann, weil man sich nicht darum kümmert, ob es damit wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher wird! »Gott war es« ist so eine Vermutung, mit der man prinzipiell? alles erklären kann (und sein Gegenteil), was wiederum besagt, dass man eigentlich überhaupt nichts erklärt. Man hat sogar einen zusätzlichen Grund geliefert, die Aussage für falsch zu halten! Das wird ignoriert.

»Gott war es« braucht nun die Wissenschaft so sehr als Zusatzannahme wie ein Meteorologe die Aussage »Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist« für seine Wettervorhersage benötigt.

Auch folgt daraus, dass man nichts zu 100% widerlegen kann. Daraus saugen Theologen und andere Esoteriker ihren »Honig«. Denn ein Atheist müsste ja – sagen sie – zu 100% beweisen können, dass es Gott nicht gibt. Da es nicht geht, ist der Atheismus unlogisch.

Allerdings ist das ein klassisches Eigentor. Denn dies spricht gegen buchstäblich Alles, deswegen gebietet es die Vernunft, die Anzahl unbewiesener Annahmen so stark zu minimieren wie nur möglich.

Zudem kann man Beweise immer noch ignorieren. D. h., auch wenn ein Atheist einen solchen liefert, man kann immer noch zwei Finger in die Ohren stecken und laut singen »Großer Gott, wir loben Dich«, bis die Bude wackelt. Die Nichtexistenz Gottes lässt sich nicht zu 100% beweisen – aber sie lässt sich unwahrscheinlicher machen.

Exkurs: Was ist Rationalität?

Rationalität bedeutet, dass ich von zwei konkurrierenden Vermutungen diejenige auswähle, für die ein Übergewicht an Beweisen und Argumenten spricht. Wenn wir uns zwischen A und B entscheiden müssen, dann …

1. … legen wir alle Argumente für A auf die eine (sagen wir mal: linke) Waagschale und alle dagegen auf die rechte.
2. … legen wir alle Argumente für B auf die rechte Waagschale und alle dagegen auf die linke.

Dann wägen wir ab. Die Waagschalen können sich nach links neigen, dann ist es rational, A zu wählen, oder nach rechts, dann nehmen wir B. Sie können auch im Gleichgewicht bleiben, dann ist es rational, sich nicht zu entscheiden. Man muss dann nach weiteren Beweisen und Argumenten forschen, bis die Waage ausschlägt.

Das Abwägen ist nicht immer einfach, vor allem nicht, wenn einem Irrationalisten Sand in das Getriebe der Waage werfen oder in die Augen streuen!

Irrationalismus

Zu 100% gültige Beweise zu fordern ist ganz klar irrational.

Nun wägen wir das für Gott ab:

Gott existiert (linke Waagschale).
Gott existiert nicht (rechte Waagschale).

Da es keine Beweise für Gott gibt und alle Argumente widerlegt worden, kommt hier nichts auf die linke Waagschale. Rechts legen wir die Fülle der atheologischen Argumente _3_ auf. Links kommen die Einwände dagegen.

Wohin die Waage ausschlägt, kann man sich leicht vorstellen, und das reicht, um zum Schluss zu kommen »Gott existiert nicht« – ohne dass an auf einen hundertprozentigen Beweis warten muss, wie es einige Theologen gerne hätten.

Nur bei maximalem Wohlwollen (oder bei Ignoranz) kann man so zu dem Schluss kommen, hier gäbe es ein Patt (Waage bleibt in der ausgewogenen Mitte stehen).

Gott ist die Basis für den Atheismus

Dieses Argument ist ziemlich schräg, dennoch wird es ab und zu verwendet. In seiner einfachen Form ist es ein linguistischer Trick (ein Sprachspiel):

A-Theismus ist die Negation von Theismus. Folglich gäbe es den Atheismus nicht, wenn es nicht den Theismus gäbe! Das kann man noch recht einfach demontieren: Nichtraucher ist die Negation des Begriffs Raucher. Daher gäbe es keine Nichtraucher ohne Raucher!

Manchmal entstehen Worte erst durch eine Negation. Das ist aber kein Hinweis darauf, dass der Ursprung auch der »Naturzustand« ist, wie das Beispiel mit dem Raucher zeigt. Gäbe es keine Raucher, dann gäbe es auch den Begriff »Nichtraucher« nicht. Aber: Dann müsste man auch kein Wort dafür haben – wir haben keine Negation von etwas, das keine Bedeutung hat. Gäbe es niemanden, der an Gott glaubt, dann würde auch niemand auf die Idee kommen, dafür einen speziellen Begriff zu erfinden. Deswegen gibt es z. B. kein Wort für jemanden, der nicht an den Osterhasen glaubt. Würde die Mehrheit daran glauben, könnte sich das ändern.

Präsuppositionalismus

Während das eben nur ein sprachlicher Trick war, gibt es eine ernst gemeinte philosophische Diskussion unter Christen, bei der versucht wird, Gott allem zu unterschieben. Damit wird Gott zur Basis des Atheismus. Dies bezeichnet man als Präsuppositionalismus. Wörtlich: Das Aufstellen von Vorannahmen.

Man könnte ohnehin Gott definieren als »das, was allem Sein als Basis untergeschoben wird«. Was soll Gott nicht alles erschaffen haben: die Logik, die Naturgesetze sowie alles andere.

Das Hauptargument des Präsuppositionalismus sieht so aus:

(P1) Gott hat die Logik erschaffen – ohne ihn gäbe es keine Logik.
(P2) Wenn ein Atheist logisch argumentiert, setzt er damit die Existenz Gottes voraus.
(S1) Damit widerspricht sich der Atheist selbst: Er setzt Gott voraus, um damit Gott zu bestreiten.

Jetzt kann der Atheist argumentieren, wie er will, sobald dies logisch geschieht, widerspricht er der Auffassung, dass es keinen Gott gibt (oder dass es unlogisch ist, an ihn zu glauben). Verzichtet er auf die Logik, dann ist er irrational.

(P1): Diese Voraussetzung ist falsch. Dafür gibt es mehrere Argumente, eines hatte ich im Zusammenhang mit Kalams kosmologischen Argument schon erwähnt:

(P3) Logik existiert zeitlos-ewig.
(P4) Nichts, was zeitlos oder ewig existiert, kann erschaffen worden sein.
(S2) Daher wurde die Logik nicht erschaffen.

Die Logik folgt aus der Mathematik. Die ganze Mathematik basiert auf dem Umstand, dass es die Zahl »1« gibt. Wenn man also sagt, dass es nur einen Gott gab, setzt man damit bereits die ganze Mathematik und die Logik voraus! Es ist also genau umgekehrt: Ich muss die Logik voraussetzen, um überhaupt von einem? Gott reden zu können – oder von der Dreifaltigkeit.

Logik besteht aus Tautologien. Eine Tautologie ist immer und unter allen Umständen wahr. Dazu muss man überhaupt nichts voraussetzen – auch nicht Gott. Folglich muss man ihn auch nicht voraussetzen, um logisch argumentieren zu können.

Zweites Argument:

(P4) Nichts, was rein geistig existiert, kann erschaffen worden sein (denn sonst müsste man fragen: «Wer hat Gott erschaffen?»).
(P5) Logik ist rein geistig.
(S2) Daher wurde die Logik nicht erschaffen.

Drittes Argument:

(P6) Gott wird als allwissend bezeichnet.
(P7) Das bedeutet, dass er schon immer, von Anfang an, von der Logik wusste.
(S3) Gott kann nicht der Schöpfer der Logik sein.

Ein Allwissender kann nichts Neues erfinden, wenn es rein geistig existiert. Denn das würde bedeutet, dass es einen Zeitpunkt gab, an dem er nichts davon wusste.

Man kann auch fragen: Nach welcher Logik oder Regel kann Gott etwas erschaffen? Wenn die Logik nicht galt, dann gab es keine Logik, mit der Gott die Logik hätte erschaffen können.

(P8) Wenn Gott existiert, muss es Regeln geben, nach denen er handeln kann, z. B. um die Logik zu erschaffen.
(P9) Damit setzt man die Logik voraus, damit Gott die Logik erschaffen könnte.
(S4) Folglich kann kein Gott existieren, der die Logik erschaffen hat.«

Es ist also genau umgekehrt: Um für Gott argumentieren zu können, muss man die Logik voraussetzen. Für die Logik muss man hingegen nichts vorher annehmen. Damit zeigt sich, dass der Präsuppositionalismus zirkulär argumentiert: Man setzt die Logik voraus, um für Gott zu argumentieren, und sagt, dass man Gott voraussetzen muss, um für die Logik argumentieren zu können! Aber um überhaupt Argumente haben zu können, ist man darauf angewiesen, dass die Logik bereits gilt.

Damit kann ein Atheist die Logik benutzen, ohne damit wiederum einen Schöpfergott zu akzeptieren. Der Präsuppositionalismus kehrt sich gegen seine Schöpfer. Immerhin, das ist der Gegensatz zu der sonst üblichen Strategie, die Logik außer Kraft zu setzen, um für Gott »argumentieren« zu können. Was nicht funktionieren kann, weil alle Argumente die Logik voraussetzen.

(Wird fortgesetzt)

Hier geht's zum Originalartikel...

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