Über den Vorwurf der Islamophobie

Eine irrationale Angst?

Über den Vorwurf der Islamophobie

Bild: The Poetry of Reality, Richard Dawkins

Wenn Ihr Glaube nicht zu verteidigen ist, besteht Ihre unehrenhafte letzte Zuflucht darin, Ihre Kritiker der „-phobie“ zu bezichtigen. Ich kritisiere seit langem alle Religionen als irrational und alle Glaubensrichtungen als gefährlich. Die meisten meiner Angriffe richteten sich gegen das Christentum, weil ich es am besten kenne. Trotzdem hat man mir noch nie Christophobie vorgeworfen. Ich werde aber regelmäßig der Islamophobie geziehen, und in Kalifornien wurde sogar eine Radiosendung (über ein völlig anderes Thema) abgesagt, weil ich für „Islamophobie“ bekannt sei. Abgesagt, wohlgemerkt, nicht von Muslimen, sondern von so genannten amerikanischen „Liberalen“.

Phobie ist definiert als irrationale Angst, wie z. B. Arachnophobie, Agoraphobie usw. Wenn Salman Rushdie sich vor dem Islam fürchtet, ist das keine irrationale Angst, sondern eine äußerst rationale. Auf Gutdünken eines bösen, bigotten alten Mannes im Iran (in einer Gestalt, die dem abrahamitischen Gott stark ähnelt) hat Rushdie einen Großteil seines Lebens mit einem massiven Kopfgeld gelebt, das auf ihn ausgesetzt war. Vor kurzem wurde er Opfer einer religiös motivierten Messerstecherei, durch die er auf einem Auge blind wurde. Rationale Angst ist keine Phobie. In der Tat hat Sir Salman beispielhaften Mut bewiesen. Die britische Verleihung der Ritterwürde wurde zwar oft kritisiert, aber mit seiner Ehrung durch die verstorbene Königin hat es sich vollauf gerechtfertigt.

Die Rushdie-Fatwa verleitet Journalisten dazu, Interviewpartner zu fragen, ob sie Todesdrohungen erhalten. Interviewer, die über ein Mindestmaß an Intelligenz verfügen, können sich selbst ausrechnen, warum dies eine unverantwortliche Frage ist, die natürlich nicht gestellt werden sollte. Leider sind nicht alle Interviewer intelligent.

Ich bin nicht islamfeindlich. Ich bin gewiss nicht muslimfeindlich. Ich betrachte die Muslime sogar als die hauptsächlichen Opfer des Islam und es dringend erforderlich, dass sie sich gegen ihre eigene Religion verteidigen.

Wenn wir den Begriff „phobisch“ vorübergehend nicht als irrationale Angst, sondern als rationale Verabscheuung definieren, dann bin ich phobisch gegen Folgendes:

Homosexuelle von hohen Gebäuden zu werfen oder sie unter einer einstürzenden Mauer zu zerschmettern: CNN, Dailymail, Hindustan Times.

Oder sie öffentlich mit Schlägen zu bestrafen (man beachte das Gelächter des Publikums, einschließlich der Kinder): VICE News.

Auspeitschen von Frauen für das Verbrechen vergewaltigt worden zu sein, oder für das Verbrechen, in der Öffentlichkeit mit einem Mann gesehen zu werden, mit dem sie nicht verheiratet sind: The Guardian, TORONTO STAR.

Steinigung von Frauen, die des Ehebruchs beschuldigt werden: THE WEEK.

Weibliche Genitalverstümmelung: Nursery World.

Frauen werden gezwungen, ihr Haar und ihr Gesicht zu verhüllen und nur einen Schlitz für die Augen zu lassen.

Mädchen müssen im Haus bleiben, während die Jungen frei herumlaufen.

Schulen, in denen Jungen nichts anderes als das Auswendiglernen des Korans gelehrt wird, und Mädchen noch weniger.

Schriftsteller für das, was Schriftsteller tun, einen Roman zu schreiben, als Verbrechen zum Tode zu verurteilen.

Karikaturisten für das Zeichnen einer Karikatur zu töten.

Todesstrafe für Apostasie. Eine Religion, die so argumentationslos ist, dass sie auf Todesdrohungen zurückgreifen muss, um ihre Mitglieder zu halten, ist entwürdigend erbärmlich. Selbst das Christentum macht sich nicht mehr so beschämend klein.

„Ehrenmord“.

Sie können die Liste wahrscheinlich selbst fortsetzen.

Wenn alles oder auch nur ein Teil dieser Liste irgendeiner Religion angelastet werden könnte, dann ließe sich eine tiefe Abneigung gegen diese Religion rechtfertigen. Es ist sicher nicht so, dass die meisten einzelnen Muslime die Liste befürworten würden - obwohl zugegebenermaßen mehr als ein Viertel der britischen Muslime (Harris-Umfrage 1989) wollten, dass Salman Rushdie getötet wird und fast zwei Drittel waren der Meinung, dass die Satanischen Verse verbrannt werden sollten.

Es wird oft darauf hingewiesen, dass das Christentum früher genauso schlimm war und immer noch genauso irrational ist. Die schlimmsten Auswüchse des Christentums gehören heute aber zum Glück der Vergangenheit an. Wenn man das nur auch vom Islam sagen könnte. Besonders ärgerlich sind jene westlichen „Liberalen", die den Islam für eine Rasse halten und so große Angst davor haben, für rassistisch gehalten zu werden, dass sie es unterlassen, die oben genannten Gräueltaten zu kritisieren, selbst die an Frauen und Schwulen begangenen.

„Islamophobie“ ist ein zutiefst absurder und bösartiger Missbrauch der Sprache. Und es ist nicht das einzige Modewort mit der Endung „-phobie“, das sich als letzte Zuflucht gegen eine rationale Diskussion selbst disqualifiziert. In all diesen Fällen empfehle ich die Hitchens-Replik: „Ich warte immer noch auf Ihr Argument.“

Übersetzung: Jörg Elbe

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    Achim Stößer

    Hier mein Cartoon zur »Islamophobie«: Islamophobie.

    Antworten

    Neuer Kommentar

    (Mögliche Formatierungen**dies** für fett; _dies_ für kursiv und [dies](http://de.richarddawkins.net) für einen Link)

    Ich möchte bei Antworten zu meinen Kommentaren benachrichtigt werden.

    * Eingabe erforderlich