Gender-Ideologen machen den Fehler, dass sie „Mann“ und „Frau“ rein kulturell verstehen. Zunächst einmal unterscheiden sich Männer und Frauen jedoch biologisch. Kulturelle Studien sind legitim, müssen aber von biologischen Grundlagen ausgehen.
Es gibt auch Frauen mit XY-Chromosomen. Das teilte man mir vor kurzem mit. Und ich Naivling meinte, Männer hätten XY-Chromosomen und Frauen XX-Chromosomen. Das Phänomen der XY-Frauen erklärt sich allerdings durch eine partielle oder komplette Testosteronblockade, zum Beispiel bei Fehlen des TDF-Proteins. Mit anderen Worten ist das nicht normal. Eine biologische Fehlfunktion führt zu diesem seltenen Phänomen der XY-Frauen. Das ist kein Vorwurf an die XY-Frauen oder an XX-Männer, es ist einfach so. Und dieses „die Dinge sind, wie sie sind“, die wissenschaftlich erkundbaren Tatsachen der Realität, drohen der politischen Korrektheit und dem Relativismus geopfert zu werden.
Es ist sinnvoll, „männlich“ und „weiblich“ biologisch zu definieren und voneinander abzugrenzen. Bereits Charles Darwin setzte sich in seinem „Ursprung der Arten“ mit dem Problem der zahlreichen Grenz-, Übergangs- und Ausnahmefälle in der Natur auseinander. Er schrieb, es sei manchmal schwierig, Arten eindeutig voneinander zu unterscheiden. Manche Forscher betrachteten eine Lebensform als Art, andere nur als Rasse. Und trotz der Grenz-, Übergangs- und Ausnahmefälle leugnen Biologen nicht, dass es Arten gibt.
Doch genau das ist die Tendenz unseres Zeitgeistes. An die Stelle der Unterscheidung – wozu klar definierte Begriffe dienen – tritt die Gleichmacherei. Letzten Endes sind dann aber nicht alle Menschen gleich, sondern alles ist gleich. Und somit ist alles nichts Bestimmtes. Ist es ein Mann? Ist es eine Frau? Warum nicht etwas dazwischen, warum nicht beides zugleich? Letztlich ist dann alles im Grunde nichts.
„An die Stelle der Unterscheidung tritt die Gleichmacherei.“
Die Kritiker meiner Artikel über Transgender sehen sich dem Problem ausgesetzt, dass sie im Namen der heiligen politischen Korrektheit, des gesegneten Relativismus, in die Richtung argumentieren: Es gibt keine Geschlechter. Wenn sie nämlich einräumen, dass es voneinander abgrenzbare Geschlechter gibt, dann kann sich nicht jeder einfach als „Frau“ oder „Mann“ definieren, weil er sich besser dabei fühlt. Schließlich müssen ihrer Weltanschauung zufolge auch biologische Frauen „eigentlich“ Männer sein dürfen und andersherum.
„Alles fließt“, wie Heraklit es ausdrückte. Mit anderen Worten gibt es keine Kontinuität und somit keine Attribute und somit keine Entitäten und somit – gibt es gar nichts. Ein Mann ist demzufolge nicht von Natur aus ein Mann, weil er natürliche männliche Eigenschaften einfach ablegen oder sie wegoperieren lassen kann. Und gibt es keine männlichen Eigenschaften, so gibt es auch keine Männer – wodurch sollen sich diese ohne Eigenschaften schließlich auszeichnen? Und wir können uns jede Diskussion über das gar nichts, was übrigbleibt, ersparen, alleine schon deshalb, weil wir dieser Logik zufolge selbst auch nicht existieren. Oder gibt es etwa doch Frauen und Männer?
Wozu dienen Begriffe?
Die Zuweisung von Begriffen mit bestimmten Definitionen ist eine erkenntnistheoretische Herangehensweise. Das heißt: Wir teilen das, was wir beobachten, in bestimmte Kategorien ein, damit wir es besser verstehen können. Sofern man sorgfältig Begriffe zuweist, funktioniert unsere Erkenntnismethode sehr gut, trotz aller Herausforderungen. Verzichten wir auf Begriffe und Definitionen, so verzichten wir auf die Erkenntnis selbst. Denn mit Begriffen beschreiben wir die Dinge da draußen, sie beziehen sich auf etwas, das wirklich existiert („Realismus“).
Begriffe haben also eine erkenntnistheoretische Funktion, nämlich die Beschreibung der Realität auf eine Art, sodass sie dem Menschen verständlich ist. Man kann die unterschiedliche Sinneswahrnehmung von Menschen und zum Beispiel Bienen mit dem Begriffsgebrauch als Erkenntnismethode vergleichen: Bienen sehen etwa UV-Licht und wir nicht, aber sie nehmen auf ihre Art auch die Realität wahr. Sie nehmen nicht eine andere Dimension wahr als wir, sondern sie nehmen dieselbe Realität auf eine ihren Sinnen zugängliche Weise wahr. Wir Menschen verwenden derweil nicht nur unsere Sinne, sondern wir identifizieren sprachlich bewusst, was wir wahrnehmen.
Begriffe sind eine ökonomische, abstrahierende Beschreibung der Realität. „Mann“ bezeichnet nicht einen konkreten Mann, sondern die Gesamtheit aller Menschen, die Männer sind. Männer unterscheiden sich durch bestimmte Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Nicht-Männern.
Eine Definition ist eine Aussage, welche die Natur der Einheiten – das Wesen von echten Männern und Frauen in der Welt da draußen – identifiziert, die unter einem Begriff zusammengefasst sind. Der Zweck einer Definition ist die Unterscheidung eines Begriffs – wie „Mann“ oder „Frau“ – von anderen Begriffen und somit die Unterscheidung der Einheiten von allem anderen, was existiert. Die hier von mir erläuterte Begriffstheorie stammt übrigens von der amerikanischen Philosophin Ayn Rand. Ihre eigene Darlegung findet man in ihrem Fachbuch Introduction to Objectivist Epistemology.
„Verzichten wir auf Begriffe und Definitionen, so verzichten wir auf die Erkenntnis selbst.“
Was sind die essenziellen Gemeinsamkeiten von allen Männern? Welche Definition trifft das Wesen des Mannes – nicht als Mensch, sondern im Unterschied zur Frau – am besten? Die genetische Zusammensetzung, die unterschiedlichen Chromosomenpaare, das ist eine denkbare Unterscheidung. Man kann es auch riskieren, wie Wikipedia, die primären Geschlechtsmerkmale Penis, Samenleiter, Hoden und Hodensack und das Sexualhormon Testosteron dazuzählen, wobei mit der Zunahme an Elementen die Frage schwerer wiegt, ob wirklich all diese Eigenschaften von essenzieller Bedeutung sind?
Jedenfalls kann man Begriffe nie durch Sonderfälle definieren – wie Mutationen oder Krankheiten. Die Kritik, es gäbe doch auch XY-Frauen und XX-Männer, entspricht dem Einwand, dass ja nicht alle Rotkehlchen fliegen können, weshalb es da draußen keine abgrenzbare Vogelart namens „Rotkehlchen“ geben soll. Es gibt demnach nur ein paar Vögel, die etwas anders aussehen, aber es gibt nicht wirklich Rotkehlchen. Wie es angeblich, aus Sicht der Gender-Ideologen, nicht wirklich „Männer“ gibt. Einige „Rotkehlchen“ sind schließlich mit deformierten Flügeln geboren, wie manche Männer ihre Hoden durch Krebs verloren haben. Wer kann bei so vielen Variationen und Unterschieden noch von fixierten „Rotkehlchen“ und „Männern“ sprechen?
Man geht bei Definitionen stets vom Normalfall aus. Fehlt einem konkreten, da draußen existierenden Rotkehlchen eine bestimmte Eigenschaft, muss man sich überlegen, ob sie essenziell ist. Ich denke, dass ein Rotkehlchen mit deformierten Flügeln noch immer ein Rotkehlchen ist. Und ein Mann ohne Hoden ist noch immer ein Mann, nur eben nicht mehr zeugungsfähig.
Man sollte Definitionen neuen Erkenntnissen anpassen, neues Wissen mit aufnehmen. Dadurch werden sie präziser, aber nicht revidiert. Es gibt auch verschiedene Definitionen, die etwa an einen bestimmten Fachbereich angepasst sein können und die sich von alltäglichen Definitionen unterscheiden (ihnen aber nicht widersprechen). Generell kann man sagen, dass Männer XY-Chromosomen haben und, sofern es im Kontext relevant ist, ergänzen, dass dies für XX-Männer aber ausnahmsweise nicht gilt. Das wäre aber ein sehr spezifischer Kontext, etwa eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema XX-Männer und XY-Frauen. Als normaler Diskussionspartner in gewöhnlichen Diskussionen kann man legitim sagen, dass Männer XY-Chromosomen haben und Frauen XX-Chromosomen. Im fachlichen Zusammenhang wäre das eine Vereinfachung. Aber das muss niemanden außerhalb der Fachkonferenzen beunruhigen.
„Bestimmt man ‚Männlichkeit‘ rein kulturell, so gibt es keine Männer.“
Die Gender-Fraktion gebraucht eine rein kulturelle Definition von Mann, beziehungsweise geht sie von wandelnden Definitionen aus. Was ein Mann ist, wird demnach alleine durch die Kultur bestimmt. Bestimmt man Männlichkeit rein kulturell („kulturalistisch“), so gibt es keine Männer, sondern nur etwas, das in bestimmten Kulturen „Mann“ genannt wird. In anderen Kulturen bist du vielleicht kein Mann, weil du ein bestimmtes Übergangsritual nicht absolviert hast.
Ich sage, es wird essenziell biologisch bestimmt. Kulturell bedingte Männlichkeitsbilder und Rollenvorstellungen gibt es schon, die kulturellen Auffassungen über die Männlichkeit sind also real und haben echte Auswirkungen – aber das ist eine von den essenziellen biologischen Eigenschaften unabhängige Frage. Und die biologischen Gegebenheiten über die Geschlechter muss man zunächst anerkennen, wenn man ernsthaft kulturelle Unterschiede erforschen möchte. Wenn man nicht einmal ansatzweise weiß, was „Männlichkeit“ ist, kann man auch keine Männlichkeit erforschen. Angenommen, die Gender-Ideologen hätten recht und man könnte „Männlichkeit“ nie eindeutig bestimmen. Dann wäre „Männlichkeit“ ein zunächst bedeutungsloser Begriff. So ähnlich wie der Begriff „Glupplplumpf“. Aber kein Mensch kann ernsthaft Glupplplumpf erforschen.
Kurz gesagt kann ein Geisteswissenschaftler (und ich selbst habe einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund) durchaus die verschiedenen Männer- und Frauenbilder verschiedener Kulturen untersuchen. Er sollte nur nicht so weitgehen und leugnen, dass es von Natur aus Männer und Frauen gibt. Ansonsten gerät er in einen Konflikt mit der Biologie – und mit der Realität. Eigentlich könnte also Frieden herrschen zwischen Geistes- und Naturwissenschaftlern. Sie müssten sich jeweils nur an die Forderung halten, die Archimedes zugesprochen wird: Noli turbare circulos meos. Störe meine Kreise nicht.
Kurz gesagt: Es gibt Frauen und Männer. Dies wird aufgrund einer Ideologie bezweifelt, die besagt, dass der freie Wille vor metaphysischen Tatsachen Vorrang hat. Wir können demnach frei entscheiden, wie die Dinge sind. Die Dinge sind nicht, wie sie sind. Die Dinge sind, wie wir sie haben wollen. Das ist übrigens eine treffende Umschreibung von „Magisches Denken“. Das, was die abergläubischen Bauern im Mittelalter gemacht haben.
Wenn ich heute sage, dass ich eine Frau bin, „bin“ ich eine Frau und muss als solche anerkannt werden. So der pseudo-liberale Konsens, der Freiheit als Willkür versteht, als Freischein, sich nicht um die Wahrheit zu scheren. In der Praxis heißt das, dass jeder mich als Frau akzeptieren müsste, dass niemand sagen dürfte: Der Kaiser ist nackt! Ich bin doch eigentlich ein Mann! Niemand dürfte mich auslachen oder „diskriminieren“ oder für verblödet erklären.
Willkür als Angriff auf die Freiheit
Der Wille gilt heute als absolut. Nicht der Wille Gottes. Der Wille jedes Individuums. Die Philosophie, die das besagt, heißt „Existenzialismus“. Der existenzialistische Philosoph Jean-Paul Sartre drückte den Gedanken in seinem Werk „Ist der Existenzialismus ein Humanismus?“ wie folgt aus: „Der atheistische Existentialismus […] erklärt, dass, wenn Gott nicht existiert, es mindestens ein Wesen gibt, bei dem die Existenz der Essenz vorausgeht, ein Wesen, das existiert, bevor es durch irgendeinen Begriff definiert werden kann, und dass dieses Wesen der Mensch oder, wie Heidegger sagt, die menschliche Wirklichkeit ist. Was bedeutet hier, dass die Existenz der Essenz vorausgeht? Es bedeutet, dass der Mensch zuerst existiert, sich begegnet, in der Welt auftaucht und sich danach definiert.“
Die menschliche Identität ist also den Existenzialisten zufolge nicht von Natur aus festgelegt – der Mensch hat keine Natur, außer jener, keine Natur zu haben. Jeder individuelle Mensch definiert sich vollkommen selbst, auch über gegebene Tatsachen hinweg. Dazu passt der Gedanke, dass sich jeder beliebig als „Frau“ oder „Mann“ definieren kann. Wie Sartre bin ich ebenso Atheist und auch ich gehe von der Willensfreiheit aus. Zudem bin ich von der Bedeutung der politischen Freiheit des Individuums überzeugt – übrigens im Gegensatz zu vielen Existenzialisten, die mit dem totalitären Kommunismus sympathisiert haben.
Die Willensfreiheit kann jedoch nicht das metaphysisch Gegebene überwinden, sie kann keinen Menschen ohne Hilfsmittel fliegen lassen, sie kann uns nicht zu Frauen machen, wenn wir Männer sind. Männer können sich nur verstümmeln, aber nicht magisch verwandeln wie das Biest in einen Prinzen. Männer sind Männer. Und Frauen sind Frauen. Jede sinnvolle Diskussion kann erst beginnen, wenn wir grundlegende Tatsachen anerkannt haben.
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