Was ist eine „wahre“ Religion?

Während sich ISIS schlachtend einen Weg durch Syrien und den Irak bahnt, bekommen wir die unvermeidbaren Behauptungen der Apologeten zu hören, ISIS sei in Wahrheit nicht der „wahre“ Islam, und seine Verwüstungen beruhten nicht auf religiösen Motiven. Seine Motive, so die Apologeten, seien politischer Natur (üblicherweise wird der westliche Kolonialismus als Urheber der Ablehnung gesehen), kultureller Natur (gesellschaftliche Tradition) oder was auch immer, nur nicht die Religion.

Diese Apologeten, unter denen sich nunmehr natürlich auch Präsident Obama befindet, haben zwei Beweggründe. Der erste ist das Anliegen, Religionskritik unter allen Umständen zu vermeiden – besonders Kritik am Islam, unter dessen Anhängern es so manchen gibt, der bereit wäre, mit extremer Gewalt Vergeltung zu üben. Kritik an Religionen wäre in Amerika außerdem politischer Selbstmord. Überdies messen die Apologeten mit zweierlei Maß, da von Muslimen aus Nahost nicht erwartet wird, dass sie sich an dieselben Verhaltensregeln halten wie etwa die Israelis. Man behandelt sie wie kleine Kinder, deren Wutanfälle einfach mit ihrem Alter erklärt werden oder, wie hier, mit ihrer Volkszugehörigkeit.
Sam Harris widerlegt in einem Beitrag auf seiner Website die aberwitzige Behauptung, die Handlungen von Jihadisten wie jenen von ISIS hätten keine religiösen Beweggründe. Er merkt an:

„Unsere Institute für Geisteswissenschaften und Gesellschaftskunde sind mit Gelehrten und Pseudo-Gelehrten gefüllt, die als Experten für Terrorismus, Religion, islamische Gerichtsbarkeit, Anthropologie, Politikwissenschaften und vieles mehr gelten, welche behaupten, dass bei Fragen zu muslimischer Intoleranz und Gewalt nichts jemals so ist, wie es zu sein scheint. Vor allem behaupten diese Experten, dass man Islamisten und Jihadisten nicht beim Wort nehmen darf: Ihre unablässigen Aussagen zu Gott, dem Paradies, Märtyrertum und dem Übel des Abfallens vom Glauben sind nur eine Maske, hinter der sich ihre wahren Motive verbergen.“

Einem meiner Kollegen aus Chicago, der meinte, dass die islamische Gewalt vom Kolonialismus herrühre, erwiderte ich folgendes: „Höre ihnen zu, wenn sie dir sagen, was ihre Motive sind! Was müssen sie sagen, um dich davon zu überzeugen, dass ihre Motive wirklich von ihrer Religion stammen?“ In seinem Fall nichts, da der Mann seine Schwäche für den Glauben wie Scheuklappen trug.

Die Apologeten unterliegen einer weiteren Art von Verleugnung. Ja, sagen sie, Jihadisten werden vielleicht vom Islam motiviert, aber es ist nicht der „wahre“ Islam. Der wahre Islam ist friedvoll, und seine Anhänger würden niemals Abtrünnige schlachten, Journalisten enthaupten, oder Nicht-Muslime gewaltsam konvertieren. Ihre Religion ist einfach eine Perversion der „wahren“ Religion. Folgendes sagte Obama, als er seine Pläne darlegte, um ISIS (oder „ISIL“, wie er ihn nannte) zu vernichten:

„Zwei Dinge sollten klar sein: ISIL ist nicht islamisch. Keine Religion billigt das Töten Unschuldiger, und die große Mehrheit der Opfer von ISIL sind Muslime… ISIL ist schlicht und einfach eine Terrororganisation.“

Und dies war Obamas Reaktion auf die Enthauptung des Journalisten James Foley:

„ISIL spricht im Namen keiner Religion… und kein Glaube lehrt die Menschen, Unschuldige abzuschlachten. Kein gerechter Gott würde hinnehmen, was sie gestern getan haben und was sie jeden einzelnen Tag tun.“

Nun, die Enthauptung geschah, was entweder bedeutet, dass Gott nicht gerecht ist oder dass es keinen Gott gibt – was Obama eindeutig nicht bejaht. Die noch beängstigendere Alternative wäre, dass Amerika von Gott beauftragt werden muss, sich der Terrorgruppe ISIS anzunehmen. (Wir werden an dieser Stelle nicht darauf eingehen, dass sowohl der Koran als auch die Bibel die Menschen in der Tat lehren, Unschuldige abzuschlachten.)

Die Behauptung, ISIS sei keine Ausformung des wahren Islam, wird unablässig von jenen wiederholt, die Religionen verharmlosen. So erklären Igor Volsky und Jack Jenkins, „Warum ISIS tatsächlich nicht islamisch ist“. Nachdem sie einen der wenigen Koranverse zitieren, die anscheinend zur Harmonie aller Völker auf der Erde aufrufen, schreiben sie:

„Aber ISIS nimmt darauf und auf andere fundamentale Grundsätze des Islam eindeutig keine Rücksicht. Er hat den Zorn irakischer Muslime entfacht, indem er achtlos Ausgaben des Koran zerstörte und seine muslimischen Mitbürger töteten, sowohl Sunniten als auch Schiiten. Sogar extremistische Muslims, die in den Krieg ziehen, haben strenge Einsatzregeln und Verbote, etwa zum Schutz von Frauen und Kindern, doch ISIS hat sich dafür entschieden, sogar dies zu missachten, indem die Terrororganisation unschuldige Kinder abschlachtet und Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei als Waffen einsetzt.“

Sie zitieren Senator Rand Paul:

„Ich glaube, dass es sowohl für die amerikanische Öffentlichkeit als auch für die gesamte Welt, einschließlich der islamischen Welt, wichtig ist zu betonen, dass es sich hier nicht um eine wahre Form des Islam handelt. Es ist eine abnorme Form, die nicht den Großteil der zivilisierten islamischen Welt repräsentieren sollte.“

Volsky und Jenkins schließen daraus, offenbar nach Gutsherrenart, dass ISIS kein „wahrer“ Glaube ist:

„Schlussendlich liegt die Entscheidung darüber, ob jemand religiös ist oder nicht, bei Gott. Aber wir sind alle mit einem religiösen Leben hier auf Erden beauftragt, wo die Meinung der religiösen Gemeinschaft den Ausschlag geben sollte, und Muslime auf der ganzen Welt haben ihre Ansicht klar kundgetan: Egal, wie viele Menschen sie töten, um ihre Macht auszubauen, wie viele muslimische Mitbürger sie terrorisieren, bis sie sich unterwerfen, oder wie laut sie ihre selbstgerechte Blasphemie gen Himmel schreien, ISIS ist nicht islamisch – und wird es auch nie sein.“

Nun, wenn der ISIS nicht islamisch ist, dann war die Inquisition auch nicht katholisch. Es gibt nun einmal keine vertretbaren Kriterien dafür, ob eine Glaubenshaltung „wahr“ ist, da sie alle von Menschen gemacht sind und als integralen Bestandteil über eine Anhäufung von Glaubenssätzen verfügen, die von Gott stammen sollen und doch nur von Menschen erdacht wurden. Was auch immer „wahrer“ Glaube bedeuten soll, es bedeutet jedenfalls nicht „Die richtige Religion: Die, deren Gott es tatsächlich gibt und deren Lehren korrekt sind“. Denn wenn es so wäre, würde niemand aus der westlichen Welt versuchen, uns zu erklären, was der „wahre Islam“ ist.

Nein, wenn „wahr“ hier eine Bedeutung hat, dann nur im Sinne von „den Grundsätzen getreu“. Soweit ich erkennen kann, gibt es nur zwei solcher Grundsätze: Entweder getreu der Heiligen Schrift oder irgendeinem Verhaltenscodex, der dem Schreiber genehm ist. Diese Definitionen widersprechen sich jedoch oft, daher kann keine „wahre“ Religion festgelegt werden.

Erstens könnte die wahrste Religion diejenige sein, die sich am meisten an der Heiligen Schrift orientiert. In diesem Fall wär das „wahrste“ Christentum (ebenso wie das Judentum) ein schrifttreues und fundamentalistisches. Es würde an dem Kreationismus festhalten, wie ihn die Genesis darlegt, wie auch an den unmoralischen Taten, die der alttestamentarische Gott billigte. Dazu zählen etwa das Töten von Kindern, die ihre Eltern beschimpfen, von Ehebrechern und jenen, die am Sabbat arbeiten. Obwohl dies eindeutige moralische, von Gott auferlegte Gebote sind, hält sich kein moderner Christ oder Jude daran, da sie verwerflich sind. Trotzdem lässt sich die These aufstellen, dass ein fundamentalistischer Südlicher Baptist in den USA eher ein „wahrer“ Christ ist als ein Vertreter des liberaleren Unitarismus (dieser lehnt u.a. das Dogma der Trinität ab, Anm. d. Übers.), und ein frauenfeindlicher orthodoxer Jude wäre eher ein wahrhaft Glaubender als ein moderner Anhänger des Reformjudentums.

Da die meisten Moslems den Koran buchstäblich als die Wahrheit ansehen, greift diese Unterscheidung bezüglich des Islam nicht wirklich, daher müssen die “wahren“ Versionen auf andere Art eruiert werden. Nichtsdestotrotz kann man sich aus dem Koran ebenso leicht wie aus der Bibel die Rosinen herauspicken: Beide sind voll von Aufrufen zu Gewalt und Völkermord, die uns Sorge bereiten. Obwohl Volsky und Jenkins einen Koranvers zitieren, der zur Harmonie aufruft, gibt es weit mehr Koranverse, die zur Gewalt aufrufen, Juden als „Schweine und Affen“ bezeichnen, das Töten von Ungläubigen und Abtrünnigen vorschreiben und Ungläubige zur Hölle verdammen. Warum sollte man jene, die an diesen Ansichten festhalten, nicht als „wahre“ Muslime bezeichnen?

Letzen Endes ist für Leute wie Obama, Paul, Volsky und Jenkins jener Glaube „wahr“, der „die Art von Verhalten vorschreibt, die mir gefällt“. Also suchen sich die Apologeten – wie das alle Gläubigen machen – aus den Heiligen Schriften die Gebote aus, die ihnen genehm sind, und ignorieren die „schlechten“.

Es finden sich jedoch bei jeder Religion Theologen und Gläubige, die entweder solche Gebote akzeptieren oder die moralisch zweifelhaften Interpretationen, die aus ihnen hervorgingen. William Lane Craig, ein Christ, sagt etwa, dass der von Gott dekretierte Völkermord an den Kanaanitern gerecht war – einschließlich der Morde an den Frauen und Kindern. Konservative Christen rechtfertigen die Dämonisierung von Abteibungen und Homosexualität wie auch die Unterdrückung der Frauen mithilfe der Interpretation von Bibelstellen. Denn das sind ihre Glaubenssätze und Offenbarungen, und wer könnte sagen, dass ihr Glaube nicht „wahr“ sei?

Viele Überzeugungen mancher muslimischer Sekten, etwa weibliche Genitalverstümmelung und die Abwertung der Zeugenaussagen von Frauen vor Gericht (nach dem Gesetz der Scharia sind sie nur halb so viel wert wie die von Männern), finden sich nicht explizit im Koran, dem Wort Allahs, wie es angeblich Mohammed diktiert wurde. Sie wurden vielmehr mit dem Islam aufgrund der Hadithe und der Sunna (überlieferte Aussprüche, Handlungsweisen und Überzeugungen Mohammeds) bzw. einfach aufgrund der Tradition verknüpft. Die Terrormiliz ISIS leitet eine extreme und fundamentalistische Interpretation der muslimischen Lehre. Aber auf genau dieselbe Art wurden Dogmen über die Unmoral bezüglich Abtreibung, Homosexualität, vorehelichem Geschlechtsverkehr und Scheidung ein Teil des Katholizismus. Sie sind theologische Interpretationen der Heiligen Schrift, die bei manchen Menschen aufgrund ihrer moralischen Anschauungen Anklang finden. Andere sind anderer Meinung. Wessen Glaube ist „wahrer“?

Jeder religiöse Mensch wählt die ihm genehmen moralischen Anweisungen aus der entsprechenden Heiligen Schrift aus. Und mithilfe derselben Kriterien erwählen religiöse Apologeten die „wahren“ Religionen: Jene, die ihrer Vorstellung von einem „guten“ Verhalten am meisten entsprechen. So wie die Bibel ist auch der Koran voll widerwärtiger moralischer Aussagen, die angeblich von Gott stammen. Wir treffen unsere Auswahl abhängig von unserer Gesinnung, unserer politischen Ansichten und unserer Erziehung.

Letzen Endes gibt es keine „wahre“ Religion im faktischen Sinn, da es keine überzeugenden Beweise gibt, die ihre Wahrheitsansprüche stützen. Ebenso wenig gibt es „wahre“ Religionen im moralischen Sinn. Jede Glaubensrichtung rechtfertigt sich selbst und ihre Praktiken mittels Berufung auf Autorität, Offenbarung und Dogma. Wir ziehen manche Religionen anderen nur aufgrund ihrer realen Konsequenzen vor. Wenn es das ist, was wir mit „wahr“ meinen, dann sollten wir das einfach zugeben. Dies stellt keine Schande dar, da es sicherlich so ist, dass manche Gesellschaften je nach der ihnen zugrunde liegenden Religion dysfunktionaler sind als andere. Moralität an sich ist weder objektiv „wahr“ noch „falsch“, sondern beruht im Grunde genommen auf subjektiven Vorlieben: Auf den Pflichten, die wir anhand der unterschiedlichen Konsequenzen erkennen, die verschiedene Handlungen haben. Wir können auf jeden Fall sagen, dass ISIS eine barbarische und dysfunktionale Ausformung des Islam ist, aber verweigern wir uns der unsinnigen Behauptung, er sei eine „falsche Religion“. ISIS stützt sich wie jede religiöse Bewegung auf Gläubigkeit; und Gläubigkeit, nämlich Glaube in Abwesenheit überzeugender Beweise, ist weder wahr noch falsch, sondern schlichtweg irrational.

 

Übersetzung: Daniela Bartl, Elisabeth Mathes

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Kommentare

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    Joseph Wolsing

    Wie kann etwas wahr sein, wenn es auf einer Annahme beruht, die jeglichen Beleg schuldig bleibt? Die Argumentation des nicht “wahren Gläubigen” ist hinreichend als das “no true Scottsman” Argument bekannt. Ein Versuch von Anhängern einer Ideologie andere Anhänger der gleichen Ideologie, die sich nicht den eigenen Vorstellungen gemäß verhalten zu diskreditieren. Oder auch sich selbst, oder die eigene Gruppe vor Repressalien zu schützen, die der gesamten Anhängerschaft einer Ideologie in Folge des Verhaltens einer Untergruppe dieser Ideologie (im Falle der drei großen Monotheismen der fundamentalistischen, orthodoxen bzw. evangelikalen Gruppen) drohen.

    Die sog. „Heiligen Schriften“ der Religionen sind allesamt interpretierbare Texte, die darüber hinaus auch Veränderungen, sowie Ergänzungen über die Jahrhunderte, bzw. Jahrtausende erfahren haben. Das Politiker wie Obama versuchen, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, indem sie Gruppen wie der IS dergestalt brandmarken, dass diese nicht die „wahre“ Religion vertreten, oder darstellen, ist in Anbetracht der Tatsache, dass auch unsere grundsätzlich säkularen Gesellschaften eine durch Religion geprägte Geschichte haben, die sich mehr oder weniger stark auch heute noch in unseren Rechtssystemen und in unserem Verständnis von Moral widerspiegeln.

    Ich stimme allerdings nicht mit dem Autor darin überein, dass „Moralität weder objektiv „wahr“ oder falsch“ sein kann. Moral ist nicht etwa ein von Gott gegebenes a priori vorhandenes Ding, sondern eine Reihe von Vorstellungen, die sich mit Hilfe von Diskurs im Laufe der Menschheitsgeschichte als FÜR MENSCHEN UND IHRE UMWELT als wahr manifestiert haben. Sie lassen sich schon anhand dessen als objektiviert erkennen, dass einseitig Auslegungen (ich habe a priori ein Existenzrecht, Du aber a priori nicht ...) von der Mehrheit als unlogisch und widersprüchlich erkannt werden. Dies ändert jedoch nichts an der grundlegenden Feststellung des Textes, dass die Vorstellung von der „wahren“ Religion eine Schutzbehauptung und ein Betrug an sich selbst sowie an anderen darstellt!

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      Bernd Kammermeier

      Laut Luther lebten die Juden seiner Zeit nicht das "wahre" Judentum. Er hasste und verdammte sie dafür, wollte ihre Synagogen verbrannt sehen, ihr Vermögen eingezogen und ihr Leben beendet. ("Von den Jüden und iren Lügen", 1543).

      Hatte Luther Recht? Er begründete in diversen Büchern völlig theologisch, warum Juden sogar Lügner seien und Gott lästerten durch ihre Art der Religionsausübung. Nein, Luther hatte nicht Recht, sondern er tappte in die gleiche Falle, wie Obama und die anderen Apologeten: Religion wird IMMER vom eigenen Standpunkt aus bewertet. Die Standpunkt ist die Summe aus Zeit, Ort, Erziehung und persönlichem Umfeld. Eventuell mag Bildung hier ein gewisses Korrektiv darstellen, doch letztlich nicht wirksam - siehe Luther, der nun unbestritten ein großer Kirchenlehrer war und die Bibel nicht nur übersetzte, sondern sicher auch verstand. Natürlich verstand er sie in seinem Sinne, entsprechend seines Standpunktes. Die theologische Ausbildung hatte auch keinen objektivierenden Effekt gehabt, der bei ihm zu der Erkenntnis geführt hätte, dass Juden zwar eine andere Auslegung der Bibel (zumindest den als AT bekannten Teil des Tanach) pflegen, doch dass diese aus Sicht der Juden "wahr" ist.

      Dies zeigt unter anderem sehr anschaulich, dass das Kernproblem des Monotheismus eben jenes ist, dass es ein Monotheismus ist. Es kann nur einer Recht haben. Daher diese intolerante, ja unversöhnliche Verteidigung der eigenen Position. Obamas Position ist von seinem Standpunkt aus "wahr", die von IS jedoch von dessen Standpunkt aus ebenfalls. Und jede andere individuelle Religionsauslegung ebenfalls, da es keine "objektive" Religion gibt. Dies hängt natürlich schwerpunktmäßig damit zusammen, dass es weder offenbarende Götter, noch geoffenbarte Heilige Texte, noch echte Propheten gibt. Gäbe es dies alles, würde sich jede Diskussion erübrigen, was nun die "wahre" Religion ist. Gott selbst als oberster Souverän würde die Menschheit mit geeigneten Mitteln darüber aufklären.

      Allerdings ist diese Erkenntnis für Religionsangehörige kein zwingender Grund, gegenüber anderen Religionsauslegungen Milde walten zu lassen. Schließlich sind sie aus subjektiv gutem Grund davon überzeugt, die einzig "wahre" Religion zu kennen und in genau der richtigen Art und Weise zu praktizieren. Jeder andere irrt sich also. Da dies jeder so sieht, haben wir im besten Fall ein heilloses Durcheinander und im schlimmsten Fall Krieg!

      Die Welt wird nur auf eine Weise die Chance auf Frieden erhalten: Religionen und alle politischen Ideologien aus den Köpfen der Menschen als Optionen löschen. Wenn einflussreiche Politiker dieses Ansinnen selbst als Ideologie bezeichnen, dann werden wir auf finstere Zeiten zusteuern.

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        Lucia Tentrop

        Ich bin auf dieser Internet-Seite gelandet, weil ich eine theologische Schrift über die "einzig wahre Religion" gelesen hatte und mir die Diskussion darum, ob man die wahre oder die falsche Religion hat, unsinnig erscheint. Religion ist keine Sammlung von Glaubenswahrheiten, die man in die Tasche stecken und wie einen
        festen Besitz zu Beweis-Zwecken vorzeigen kann. Religion ist etwas Lebendiges, sie ist Beziehung, ist Verbindung zu seelischen Kräften, zum Ursprung des Lebens, den wir Gott nennen. Natürlich sind die Grundsätze der Religionen nicht gleich. Man hat sich noch nicht auf Kriterien geeinigt. Aber letztlich kommt es darauf an, wie Einer seine Religion lebt. Ein Kind wird die Bibel anders lesen als ein Theologe; auch die seelische Verfassung, spielt eine Rolle dabei, die Zeit, in der man lebt, und die gesellschaftliche Prägung. Und wem nützen die schönsten Glaubenswahrheiten, wenn der "Besitzer" nur darauf sitzt
        wie auf einem Thron und sich lautstark für besser hält als er es dem Rest der Menschheit erlaubt? Es ist anmaßend und lieblos, von sich zu behaupten, man habe den einzig wahren Glauben, denn 1. kann man es nicht beweisen und 2. erklärt man damit alle anderen Wege zu Gott für "falsch". Was muss das für ein engstirnig mickriger Gott sein, der sowas Mitmacht? Da hatte Lessing mit seiner Ringparabel doch wirklich mehr Liebe als dieser Gott der Paragraphen...

        Stellen Sie sich mal vor, die Führer aller Religionen würden sich zu einem Friedensgespräch in Rom (ich bin Christ) treffen und jeder würde von sich behaupten, er habe die einzig richtige Religion - weil er das
        glaubt, denn sonst hätte er sie nicht. Was würde dann aus diesem
        Gespräch? Es würde ein Hauen und Stechen auf der ganzen Welt auslösen, weil Jeder es plötzlich wichtig fände, seine Religion zu verteidigen, koste es, was es wolle, und wenn es ein Weltkrieg wäre.
        Solche Kriege können wir uns nicht mehr leisten!
        Im Alten Testament konnte man das noch.
        Wir wissen heute, dass wir auf einem einzigartigen Stern leben. Um uns herum finden wir im Universum keinen weiteren, der so voller Leben ist wie unsere schöne Welt. Unser wunderbarer Planet ist bedroht. Wenn uns ein Meteorit auf den Kopf fällt oder ein Atomkraftwerk explodiert, kann es das Ende sein.
        Haben wir da eigentlich nichts Besseres zu tun, als uns um diesen
        bigotten Killefitt von Leuten zu kümmern, die nichts Anderes im Kopf
        haben, als ihre eitle Machtposition zu vergöttlichen?
        Ich bin Christ; ich glaube an die Liebe.

        .

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