Was ist fair?

Transgender-Frauen im Frauensport

Was ist fair?

Foto: Pexels.com / Pixabay

Der Frauensport ist im Kommen. Bei der diesjährigen Frauenfußball-WM gab es 110 Millionen Dollar zu gewinnen - das ist das Vierfache des Preisgeldes des letzten Turniers im Jahr 2019. Das Medieninstitut Nielsen berichtet, dass die Zuschauerzahlen im Frauensport „kometenhaft“ ansteigen, und nennt neben anderen ermutigenden Zahlen einen 103-prozentigen Anstieg der Zuschauerzahlen beim NCAA-Basketball-Finale 2023, das fast 10 Millionen Zuschauer anlockte (Nielsen 2023).

Fünfzig Jahre nach der Verabschiedung des Title IX, der die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sport verbot, machen Frauen laut NCAA heute 44 Prozent der College-Sportler aus. Seit Generationen haben Frauen auf diesen Anteil im Vergleich zu Männern hingearbeitet. Das ist ein Grund zum Feiern.

Es ist aber ein Problem aufgetaucht, das uns zwingt, etwas, das wir für selbstverständlich hielten, genauer zu betrachten: Ist es wirklich notwendig, den Sport nach Geschlechtern zu trennen? Die Frage stellt sich, weil Transgender-Sportlerinnen, die die männliche Pubertät durchlaufen haben, mit einheimischen Sportlerinnen konkurrieren wollen. Sollte dies im Namen der Rechte von Transgendern erlaubt sein, oder untergräbt es grundsätzlich die gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen, die der Sport verlangt?

Die Frage ist legitim, und die Menschen, die sie stellen, sollten nicht als Transphobe und Fanatiker verunglimpft werden. Wir müssen diese Diskussionen weniger emotional führen. Es stehen konkurrierende Interessen auf dem Spiel. Für Transgender-Frauen ist es eine Möglichkeit, als Frau betrachtet zu werden - und zwar ohne Einschränkung. Für gebürtige Frauen ist es eine Frage der Fairness. Es gibt unbestreitbare biologische Unterschiede zwischen biologischen Männern und Frauen, die die Frage von Transgender-Frauen im Sport nicht nur in den Bereich der öffentlichen Politik, sondern auch in den der Wissenschaft rücken.

Aus der Wissenschaft wissen wir, dass Männer bei Wettkämpfen, bei denen es um Schnelligkeit und Kraft geht, einen physiologischen Vorteil gegenüber Frauen haben. Der Mensch ist eine geschlechtsdimorphe Spezies. Vor allem aus diesem Grund sind die Sportarten nach Geschlechtern getrennt. Ungefähr 10.000 männliche Läufer haben schnellere Zeiten erzielt als die amtierende Olympiasiegerin im 100-Meter-Lauf. Der Tennisstar Serena Williams gab zu Zeiten ihrer Bestform zu, dass sie keinen einzigen Mann unter den Top 100 im Herrentennis schlagen könnte.

Wenn wir die Geschlechterkategorien für die meisten Sportarten abschaffen würden, gäbe es kaum weibliche Sieger. Damit gebürtige Frauen auf eine Weise konkurrieren können, die ihnen eine faire Chance auf Siege gibt, muss es nach Geschlechtern getrennte Sportarten geben.

Dann stellt sich die Frage, ob dieser Vorteil durch Testosteronsuppression abgeschwächt werden kann. Das ist eine Frage der wissenschaftlichen Untersuchung, und die bisherigen biomedizinischen Längsschnittbefunde deuten darauf hin, dass „die Auswirkungen der Testosteronsuppression im männlichen Erwachsenenalter nur sehr geringe Auswirkungen“ auf physiologische Ergebnisse wie Muskelkraft, Muskelmasse oder eine schlanke Körpermasse haben, heißt es in einer Abhandlung mit dem Titel „When Ideology Trumps Science“ (Wenn Ideologie über Wissenschaft siegt) von sechs international führenden Forschern (Devine et al. 2022). Sie zitieren eine Querschnittsstudie aus dem Jahr 2022, in der die Leistung von Transgender-Frauen gemessen wurde und die ergab, dass der „Vorteil nach 14 Jahren Testosteronunterdrückung erhalten bleiben kann“. (Für eine gründliche Überprüfung des Themas lesen Sie bitte „Transgender Women in the Female Category of Sport: Perspectives on Testosterone Suppression and Performance Advantage“ der Forscher Emma Hilton und Tommy Lundberg, veröffentlicht in der Zeitschrift Sports Medicine [Hilton und Lundberg 2021].)

Das bedeutet natürlich nicht, dass jede Transgender-Sportlerin gegen alle gebürtigen Frauen gewinnt, so wie viele gebürtige männliche Sportler gegen bessere Sportlerinnen verlieren würden. Im Fall von Serena Williams würden alle, außer vielleicht die 100 besten männlichen Tennisspieler, in einem Match gegen sie verlieren. Es ist nur so, dass die angeborenen Vorteile, die die männliche Pubertät mit sich bringt, durch die Hormonanpassung nicht wesentlich abgebaut werden. Der ursprüngliche Grund für die Geschlechtertrennung im Sport ist also nach wie vor gültig: Es geht darum, den Frauen eine faire Chance zu geben, an Wettkämpfen teilzunehmen und potenziell Meisterschaften zu gewinnen.

Ein weiteres Argument dafür, Transgender-Frauen die Möglichkeit einzuräumen, mit einheimischen Frauen zu konkurrieren, ist die Vorstellung, dass die Zahl der Transgender-Sportlerinnen so gering ist, dass die Gewährung dieser Möglichkeit keine nennenswerten Auswirkungen auf den Frauensport haben würde. Dies würde jedoch zu einer Situation führen, in der Transgender-Sportlerinnen gegen gebürtige Frauen antreten könnten, bis ihre Zahl wächst und/oder sie anfangen zu gewinnen. Wie fair ist das, vor allem gegenüber den Transgender-Sportlerinnen, die bereits in der sportlichen Vorbereitung sind?

Wir haben dies bereits im Frauenradsport gesehen. Berichten zufolge gibt es inzwischen Dutzende von Transgender-Frauen, die im Frauenradsport antreten, und sie fangen an, Spitzenplätze zu belegen und Geldpreise zu gewinnen - darunter die amerikanische Transgender-Radfahrerin Austin Killips, die ein Frauen-Etappenrennen bei der Tour of Gila gewann.

Und was ist passiert?

Kurz darauf beschloss die Union Cycliste Internationale (UCI), der Dachverband des Radsports, im Juli, Transgender-Frauen, die die männliche Pubertät durchlaufen haben, von Frauenrennen auszuschließen. Sie können stattdessen in einer Kategorie „Männer/andere“ antreten. Dies folgt auf eine Entscheidung von British Cycling vom Mai, die Transgender-Frauen von Frauenwettbewerben ausschloss.

Bis dahin waren in den Regeln für den internationalen Radsport Grenzwerte für den Testosterongehalt festgelegt worden. Doch das reichte nicht aus, um gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen für alle zu schaffen. Einige Spitzenradsportlerinnen wie Hannah Arensmen, eine fünfunddreißigfache Siegerin auf der nationalen Cyclocross-Strecke, kündigten wegen dieser Ungerechtigkeit an, den Sport aufzugeben. Arensmen wurde wiederholt von Transgender-Radfahrerinnen geschlagen, darunter eine, die fast doppelt so alt war wie sie, und sie hatte die Nase voll davon.

Der internationale Dachverband des Schwimmsports, World Aquatics, kündigte im Juli an, eine „offene“ Kategorie einzurichten, die allen Transgender-Athleten offen steht, so dass gebürtige Frauen eine eigene Wettkampfkategorie erhalten.

Diese Regeländerungen sind ein Hinweis auf die Realität und eine Anerkennung der Tatsache, dass die Regeln für Sportarten klar und allgemein gültig sein müssen, damit aufstrebende Sportler entscheiden können, ob sie Zeit in das Training investieren wollen. Spitzensportler, selbst auf College-Ebene, verbringen viel Zeit damit, auf Spitzenleistungen hinzuarbeiten. Sie müssen im Voraus wissen, in welchem Bereich sie konkurrieren werden, um zu wissen, ob sie wirklich konkurrenzfähig sein werden. Aus diesem Grund müssen alle Sportarten, in denen die männliche Körperlichkeit ein angeborener Vorteil ist, den gebürtigen Frauen im Sport eindeutig eine eigene Kategorie zugestehen. Andernfalls werden sich die Frauen irgendwann nicht mehr darum bemühen.

Ich habe Verständnis für das Argument, dass Transgender-Frauen gesellschaftlich benachteiligt und stigmatisiert sind. Und der Weg, dies zu bekämpfen, besteht darin, sie in das Frausein zu integrieren, ohne zwischen gebürtigen Frauen und Transgender-Frauen zu unterscheiden. Ich frage mich aber, ob das wirklich der Fall ist und ob die Öffnung des Frauensports für Transgender-Frauen das Problem nicht noch verschärft hat.

Eine kürzlich durchgeführte Gallup-Umfrage zeigt, dass eine größere Mehrheit der Amerikaner als in den Vorjahren der Meinung ist, dass Transgender-Sportler nur in Mannschaften antreten sollten, die ihrer Zuordnung bei der Geburt entsprechen. Neunundsechzig Prozent sind jetzt gegen transsexuelle Frauen im Frauensport, verglichen mit 62 Prozent, die sich 2021 dagegen aussprachen. Und nur 26 Prozent der Befragten befürworten die Idee, dass Transgender-Sportler in Mannschaften spielen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Das ist ein Rückgang gegenüber 34 Prozent im Jahr 2021. Das Auftreten von Transgender-Sportlerinnen, die in weiblichen Sportkategorien antreten - und manchmal auch gewinnen -, trägt nicht dazu bei, das soziale Stigma zu verringern. Wenn überhaupt, dann führt es dazu, dass die Menschen nicht mehr mit Transgender-Rechten sympathisieren.

Christliche Nationalisten und einige republikanische Gesetzgeber hetzen gegen die Transgender-Bewegung, um ihre Basis zu festigen und zu stärken. Auf der anderen Seite dämonisiert die identitäre Linke jeden, der nicht mit jedem Element der Transgender-Rechte-Agenda übereinstimmt, einschließlich Transgender-Frauen im Frauensport.

Anspruchsvolle Menschen, denen sowohl die Wissenschaft als auch die soziale Gerechtigkeit am Herzen liegt, müssen die Spreu vom Weizen trennen. Dies sind komplizierte Themen, die so analysiert werden müssen, dass sie den meisten Menschen möglichst wenig Schaden zufügen. Bei dieser Einschätzung stehe ich auf der Seite der gebürtigen Frauen, die im Sport gegeneinander antreten wollen.

Robyn E. Blumner ist Präsidentin und CEO des Center for Inquiry und Geschäftsführerin der Richard Dawkins Foundation for Reason & Science. Sie ist Juristin und war zuvor als Kolumnistin und Redakteurin bei der Tampa Bay Times sowie als Geschäftsführerin der ACLU of Florida und der ACLU of Utah (American Civil Liberties Union) tätig.

Übersetzung: Jörg Elbe

Quellenangaben

Devine, Cathy, Emma Hilton, Leslie Howe, et al. 2022. When ideology trumps science: A response to the Canadian Centre for Ethics in Sport’s Review on Transwomen Athletes in the Female Category. idrottsforum.org (November 29).

Hilton, Emma N., and Tommy R. Lundberg. 2021. Transgender women in the female category of sport: Perspectives on testosterone suppression and performance advantage. Sports Medicine 51(2): 199–214.

Nielsen. 2023. Women’s Sports Viewership on the Rise.

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