Laizismus ist in Frankreich so deutlich festgeschrieben wie kaum in einer anderen Nation.
Die Verfassung sieht die klare Trennung von Kirche und Staat vor – und ist damit viel weiter als die anderer westlicher Länder, in denen nicht einmal von Säkularismus zu lesen ist. Doch wie weit darf diese eigentlich gnadenlose Distanz zwischen dem irdischen und dem klerikalen und geistlichen Leben gehen, wie weit muss sie sogar gehen, wenn man sie befolgt? Das musste ein Pariser Gericht entscheiden, nachdem Vorinstanzen sich uneinig darüber waren, ob in einem Vorort der Hauptstadt eine Weihnachtskrippe im Rathaus aufgestellt werden darf. Die jetzige Entscheidung scheint ein Kompromiss: Eine Krippe ja, aber ohne religiösen Bezug. Viel eher müsse sie so gestaltet sein, dass ein kultureller Hintergrund zu vermuten sei, nicht aber ein christliches Bekenntnis.
Kann solch ein Spagat gelingen – und ist er überhaupt sinnvoll? Betrachtet man heute viele Weihnachtskrippen, so dürften viele von ihnen die Vorgaben des Gerichts bereits erfüllen. Die Interpretationen gehen so weit, dass von Hirten oder Eseln, schon gar nicht von Maria, Josef und Jesus überhaupt etwas zu erkennen ist. Von den Kirchen werden solche Kunstobjekte verpönt, haben sie nur noch bedingt etwas mit der Weihnachtsgeschichte aus der Bibel zu tun. Und das kann ich wiederum verstehen. Aber ist es nicht gerade das, was die Richter auch einforderten? Wozu braucht man eine Krippe, wenn vom Anlass, für den sie eigentlich einsteht, nichts mehr zu erkennen ist? Und wäre es nicht konsequenter, dann auch vollständig auf sie zu verzichten, wenn man das Gebot vom laizistischen Staat wirklich ernst nimmt?
Es erinnert mich ein bisschen an die Verrenkungen, die derzeit aufgrund des Reformationsjubiläums versucht werden. Da wird einem kirchlichen Ereignis durch ein möglichst langes Deuteln eine historische Bedeutung aufgedrückt, um den Staat daran zu beteiligen – ohne aber gleichzeitig dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, man schmiege sich noch stärker an die Religion heran als bisher bereits. Weihnachtskrippen, die so lange bearbeitet werden, bis sie säkular sind? Kann ein solcher Dialog zwischen privatem Glauben und öffentlicher Einrichtung überhaupt funktionieren? Und ist damit nicht auch das Gebot von Religionsfreiheit verletzt, das zugestehen sollte, religiöse Darstellungen in ihrem Rahmen als solche unangetastet zu lassen? Überschreitet es nicht gerade diese Grenze des Laizismus, wenn ein christliches Symbol zum kulturellen Schmuckstück fast „verstaatlicht“ werden soll? Es mag nett sein, wenn das Rathaus durch eine Neuschöpfung verschönert wird, hinter der jeder sofort doch die Krippenszene aus Bethlehem erkennt, aber eigentlich nicht daran denken darf. Logisch ist es nicht!
Ein verlegener Entscheid des Gerichts, der sich nicht für eine klare Position aussprechen konnte. Natürlich kann man mit viel Deutungsvielfalt schlussendlich versuchen, aus einer abstrakten Weihnachtskrippe auch die gesellschaftliche Botschaft des Christfestes abzulesen, die für jeden Menschen von Bedeutung sein mag. Aber warum stellen wir in Rathäusern dann nicht das aus, was uns allen, ob Atheisten, Christen, Juden oder Muslimen, etwas gibt – nämlich abseits unseres religiösen Bekenntnisses, ein staatliches Symbol mit humanistischem Hintergrund, der über die Weltanschauungsgemeinschaften hinaus die friedliebenden und demokratisch denkenden Menschen verbindet? Warum religiöse Symbole wie die Krippe, die die Christen in ihren Kirchen doch gern in ihrer ursprünglichen Form aufstellen und auch anbeten können, ohne sie krampfhaft verunstalten zu müssen, damit Religion dorthin gepresst wird, wo sie nicht hingehört – in die öffentlichen Strukturen?
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