Wie Orwells “Animal Farm” einen radikalen Moslem dazu angeleitet hat moderat zu werden

Als Maadid Nawaz in den 1990ern in Essex in England aufwuchs, als Sohn pakistanischer Eltern, war die erste Ausdrucksform für die rebellische Seite in ihm der Hip Hop.

Wie Orwells “Animal Farm” einen radikalen Moslem dazu angeleitet hat moderat zu werden

Mit freundlicher Genehmigung der Quilliam Foundation

„Er gab mir das Gefühl, dass meine Identität von Bedeutung sein könnte – und von Bedeutung war – während ich als Britischer Pakistani im Angesicht des Rassismus der weißen Gesellschaft aufwuchs,“ erzählt Nawaz Terry Goss von Fresh Air, „aber er verwirrte mich auch bezüglich der Frage, woher meine Familie kam und warum sie in keine von beiden Kulturen wirklich passte.“

Im Alter von 16 wurde Nawaz von einem desinteressierten britischen Teenager in einen islamistischen Rekrutierer verwandelt, als er der Islamistengruppe Hizb ut-Tahrir beitrat. Nawaz setzte sein Hochschulstudium fort und verbrachte ein Jahr im ägyptischen Ausland, wo er seine Rekrutierungsarbeit fortsetzte. In Folge wurde er von 2002 an für vier Jahre eingesperrt.

In dieser Zeit im Gefängnis, umgeben von einigen prominenten Dschihadistenanführern, merkte Nawaz, dass er einen anderen Weg einschlagen wollte. Er las George Orwells „Animal Farm“ und erlangte ein neues Verständnis dafür, „was passiert, wenn jemand versucht ein Utopia zu erschaffen.“

„Ich fing an, die Bruchstücke zu einem Bild zusammen zu setzten, und dachte, 'Mein Gott, wenn diese Leute, mit denen ich hier einsitze an die Macht kämen, wären sie das islamistische Gegenstück zu Animal Farm,“ sagt Nawaz.

Er sagt, dass er anfing zu erkennen, dass es „unmöglich ist, ein Utopia zu erschaffen.“ “Ich lebe in unmittelbarer Nähe der Radikalen und sah die Alltagsgewohnheiten und den Lebensstil [der Radikalen], ich dachte, 'Oh mein Gott, ich würde diesen Leuten nicht trauen, wenn sie an der Macht wären', weil ich damals dachte, 'wenn dieses Kalifat, dieses theokratische Kalifat jemals erreichtet werden würde, wäre es die Hölle auf Erden.“, sagt Nawaz.

Ein Jahr nach seiner Entlassung, im Alter von 24 Jahren, verließ Nawaz die Islamistengruppe und ihre Ideologie. Später wurde er Mitbegründer des Think Tanks Quilliam, der sich dem Entgegenwirken extremistischen Gedankenguts gewidmet hat.

„Wenn wir jetzt sehen, was ISIS [der selbsternannte Islamische Staat] im Namen dieses theokratischen Kalifats tut, glaube ich, dass ich Recht damit hatte, dass diese Leute, jeder von ihnen, wenn sie je an die Macht kommen, massenhaft Gräueltaten vollbringen würden.“, sagt Nawaz.

Nawaz ist der Autor des Erlebnisberichts Radical: My Journey Out of Islamist Extremism. Er kandidiert jetzt für das Parlament in England, als Kandidat der Liberalen Partei.

Höhepunkte des Interviews

Darüber, was ursächlich zu seinem Interesse am radikalen Islam geführt hat

In meinem Fall begann es damit, dass ich einen Groll verspürte, im Besonderen im Rahmen des Rassismus, mit dem ich zu Hause im County von Essex in England konfrontiert wurde und im Ausland mit dem Genozid, der sich in Bosnien ausbreitete, der, wenn Sie sich einen Genozid auf dem Kontinent auf dem Sie leben vorstellen können, einen sehr, sehr bleibenden Endruck auf jemandes Psyche hat.

Der Fall in Bosnien war der, dass weiße, blonde, blauäugige Moslems als Moslems abgeschlachtet und  identifiziert wurden. Das hat mich wirklich tief berührt.

Aber ich bin wirklich nicht religiös aufgewachsen und ich wuchs auch nicht mit dem Bewusstsein für meine moslemische Identität auf. Für mich war ich ein britischer Pakistani. Folglich waren Bosnien und der Rassismus zu Hause nicht ausreichend, um mich dem Islamismus zuzuwenden.

Aber zu selben Zeit kam ich zum amerikanischen Hip Hop und hörte amerikanischen Hip Hop, tatsächlich ein bisschen so wie die Kouachi Brüder, [die Brüder, die die Attacke auf Charlie Hebdo in Paris vollführten], ich hörte stark politisierten amerikanischen Rap aus der Zeit, die als „die goldene Ära“ in den Neunzigern bekannt ist.

Ich traf auf Gruppen wie Public Enemy und Chuck D. … und ich kam zu N. W. A. Ich kam auf alle Sorten von Hip Hop, die heftig die soziale Situation kommentierten, sei es nun N. W. A. und die sich stark zu manchen der Verbrechen, den Gangs und dem Rassismus, denen sie auf den Straßen von Compton begegneten, äußerten, oder Public Enemy, die sehr politisch waren. Und der Hip Hop der Neunziger fing an, sich in Richtung des nationalen Islam zu bewegen. Die „5 percenters“, schwarze nationalistische Bewegungen, diese Bewegungen huldigten nun einer Form des Islam, Malcom Xs Form des Islam, vor seinem Wandel.

Was diese Musik für mich tat war, sie gab mir ein Gefühl der Stärke. Sie gab mir eine Stimme.

Zu den vier Jahren, die er in Ägypten im Gefängnis verbracht hat

Ich saß mit dem Who is who der Dschihadisten- und Islamistenszene Ägyptens dieser Zeit im Gefängnis, und Ägypten war die Wiege des Islamismus der Welt – der Ort, wo es begann und wo auch der Dschihadismus begann.

Ich saß mit den Attentätern des ehemaligen Ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat im Gefängnis, der 1981 ermordet wurde. Die, die nicht exekutiert wurden, erhielten in diesem Fall eine lebenslange Freiheitsstrafe, und zwei von denen saßen mit mir im Gefängnis.

Ich saß mit dem Führer der Muslim Bruderschaft im Gefängnis … dieser Generalstyp, sein Name ist Dr. Mohamed Badie, und er sitzt inzwischen wieder im Gefängnis.

Ich saß mit dem Führer von Hizb ut-Tahrir, meiner eigenen Gruppe, im Gefängnis. Ich saß außerdem mit einigen anderen Dschihadisten, die professionelle Bombenbauer waren und anderen, die Al Qaida angehörten, im Gefängnis und einigen, die dem [ägyptischen islamischen] Dschihad oder anderen ägyptischen Gruppen dieser Art angehörten, aber ich hatte interessanterweise darüber hinaus auch liberale und darüber hinausgehende politische Gefangene bei mir in Ägypten.

Da gab es diese Gruppe „Queen Boat Case“, die homosexuelle Ägypter waren und deshalb in Gefangenschaft waren. Und dann gab es da Christen, die zum Islam konvertiert und Muslime, die zum Christentum konvertiert waren. Es gab diesen Dauerwitz im Gefängnis unter [dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten] Hosni Mubarak und der lautete: Wenn Du in Ägypten deine Ansichten von was auch immer zu was auch immer änderst, landest Du im Knast. …

Sie können sich die Art von Gesprächen vorstellen, die die homosexuellen Männer mit den Attentätern von Sadat hatten. So war es im Verlauf dieser vier Jahre in gewissem Sinne eine sehr umfassende Bildung – politische Bildung – für mich.

Darüber, wie schwierig es war, Hizb ut-Tahrir zu verlassen und neu zu beginnen

Alles fiel auseinander. Ich verlor all meine Freunde. Es gibt Mitglieder– sehr, sehr nahe und geschätzte Mitglieder meiner Familie. Ich spreche von allernächster Familie, die einfach nicht mehr mit mir sprechen und dies auch seit Jahren nicht getan haben. Meine Ehe ging in die Brüche. Ich erlitt meine zweite Identitätskrise und ich hatte großes Glück, dass ich das durchstanden habe.

Es gab Leute, die haben meine Stimme aufgenommen als ich als Islamist Reden gehalten hatte und haben sie zum Refrain von pro-islamistischen Rap Songs gemacht, die nun anfingen, von mir als Apostat zu sprechen. Alles wurde auf den Kopf gestellt und ich musste mein Leben neu aufbauen. Ich musste meinen Abschluss machen, da ich natürlich noch immer ein Jahr an der Universität zu absolvieren hatte. Und ich musste eine Arbeit finden, und die Herausforderung war natürlich, dass die Leute niemanden einstellen wollten, der im Krieg gegen den Terror politischer Gefangener war.

Übersetzung: Joseph Wolsing, Andreas Metlen


 

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