Blasphemie und andere „Hassrede“

Ihr habt doch wohl nicht den Internationalen Tag des Rechts auf Blasphemie (International Blasphemy Rights Day – IBRD) vergessen, oder?

Blasphemie und andere „Hassrede“

Foto: pixabay.com

Er ist in ein paar Tagen - am 30. September (Anmerk. d. Red.: Der Originalartikel erschien am 28. September 2017) - nur für den Fall, dass ihr diesen Tag bizarrerweise vergessen haben sollten.

Das Center for Inquiry (CFI), eine Nonprofit-Organisation, der ich früher vorsaß, hat den IBRD 2009 ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Kritik an religiösen Glaubensinhalten an vielen Orten auf der Welt durch gesetzliche Maßnahmen oder gesellschaftlichen Druck unterbunden wird. Unglücklicherweise gibt es viele Länder, insbesondere solche mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, die an Gesetzen festhalten, die harte Strafen für Blasphemie fordern – obwohl es mittlerweile eine formale Kampagne gibt, diese Blasphemiegesetze abzuschaffen, die auch erste Erfolge zeigte – so hat Dänemark im Juni sein jahrhundertealtes Blasphemiegesetz abgeschafft. Pakistan, um nur ein Beispiel zu nennen, verhandelt jährlich über mehrere Fälle von Blasphemie, die oft religiöse Minderheiten betreffen und manchmal mit Todesurteilen enden.

Selbst wenn keine Blasphemiegesetze durch den Staat verhängt werden, führt die zugrundeliegende Mentalität hinter diesen Gesetzen oft zu einem sozialen Druck, der davon abhält, die Ansichten der zugrundeliegenden Religion zu hinterfragen. Dieser Druck reicht bis hin zu tödlicher Gewalt derer, die durch das Infragestellen ihres Glaubens aufgebracht sind. Denken wir nur an die vielen Blogger in Bangladesch, die in den vergangenen Jahren von religiösen Extremisten zerhackt wurden.

Der Zweck der Blasphemiegesetze ist klar: Sie schüchtern religiöse Minderheiten ein, stillzuhalten und sie helfen der Mehrheitsreligion sich vor Kritik zu immunisieren. Was als heilig gilt, darf nicht infrage gestellt werden.

Natürlich formulieren die Länder, mit Gesetzen, die religiösen Widerspruch kriminalisieren, ihre Gesetze üblicherweise nicht so. Sie verbieten religiösen Widerspruch nicht ausdrücklich. Stattdessen verbieten sie Verhalten, das „Verachtung“ für religiösen Glauben erkennen lässt oder Worte, die Religion herabwürdigen. Aber Gesetze mit dem Ziel zu erlassen, religiöse Gefühle zu schützen, kann die Tatsache nicht verschleiern, dass die Gesetze die freien Äußerungen von Meinungen, die der Mehrheitsreligion widersprechen, unterdrücken. Außerdem ist die angebliche Begründung für diese Gesetze moralisch unhaltbar: Es gibt kein Recht, dass die eigenen religiösen Glaubenssätze – ebenso wie politische oder philosophische – vor Fragen oder Kritik schützt, egal wie sehr man sich von solchen Fragen oder Kritik beleidigt fühlt.

Begriffe, die jegliche Bedeutung zu verlieren drohen

Zurück zu den Vereinigten Staaten. Nein, die Vereinigten Staaten haben derzeit keine Blasphemiegesetze. Ebensowenig haben wir Gesetze, die ausdrücklich die Kritik an politischen oder philosophischen Weltanschauungen einschränken. Die Verfassung verbietet es der Regierung (derzeit) sich in die Meinungsäußerung einzumischen. Dennoch gab es in der jüngeren Zeit einen beunruhigenden Anstieg an Intoleranz denen gegenüber, dessen Äußerungen bestimmte Personen beleidigen. Die Beleidigten können auf beiden Seiten des politischen Spektrum gefunden werden. So hat zum Beispiel der Präsident (!) Athleten, die ihren Protest friedfertig ausdrücken „Hurensöhne” genannt und verlangt, sie zu feuern. Auf der linken Seite gibt es Mobs an Universitäten, die jeden bedrängen, den sie als „Faschist“ oder „Rassist” betrachten – Begriffe, die mittlerweile so wahllos verwendet werden, dass sie jegliche Bedeutung zu verlieren drohen.

Die Entschuldigung, die für dieses Verhalten vorgebracht wird, lautet, dass die jeweiligen Äußerungen zu beleidigend oder hasserfüllt sind. „Hate speech is not free speech“ (Keine Meinungsfreiheit für Hassrede) ist ein Slogan, dem sich nicht wenige angeschlossen haben. Aber man kann nicht konsequent das Recht beanspruchen, Äußerungen, die man nicht mag, zu unterdrücken, ohne gleichzeitig die gleiche weitgefasste Lizenz zur Meinungsunterdrückung an jeden anderen weiterzugeben. "Hate speech is not free speech", ist ein Slogan den die Extremisten in Bangladesh ohne Zweifel genauso mögen würden. Für sie ist das Hinterfragen des Islam eine Art hate speech, genauso wie Trumps Unterstützer behaupten, dass die protestierenden Athleten ihr eigenes Land hassen. Zugegeben: Niemand in den USA wurde bislang zu Tode gehackt – noch nicht – aber es wurde ernsthaft darüber diskutiert, ob es zulässig ist, „einen Nazi zu schlagen“.

Es gibt Menschen, die Ansichten vertreten, die für die meisten von uns absolut abstoßend sind. Ich bin mir nicht sicher ob es eine einheitliche Naziideologie gibt, oder ob sie jemals gab, aber die Naziideologie, im weitesten Sinne, ist ein heißer Kandidat für die unmoralischsten, abstoßendsten und einfach blödesten Ideen, die jemals vorgetragen wurden. Aber selbst Nazis haben ein Recht darauf, ihre Meinung abzusondern, sofern sie dies friedlich tun.

Es ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke und Zuversicht, dass die eigenen Ansichten derart gut fundiert sind, dass sie einer Herausforderung standhalten, wenn man allen Menschen die Meinungsfreiheit zuspricht.

Am kommenden IBRD sollten wir nicht nur diejenigen unterstützen, denen das Recht versagt wird, die jeweilige Mehrheitsreligion zu kritisieren, sondern sollten uns vornehmen, dass keine Weltanschauung so heilig ist, dass sie nicht friedfertig kritisiert werden darf, weder in anderen Ländern, noch unserem eigenen.

Hier geht's zum Originalartikel...

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