Forscher entschlüsseln „Sprache“ der Schimpansen

Nachdem sie Tausende von Gesten wild-lebender Schimpansen analysiert haben, glauben Wissenschaftler von der Universität St. Andrews nun, die Bedeutung von 36 Gesten entschlüsseln zu können, die die Tiere zur Kommunikation untereinander verwenden. Nach Aussage der Forscher ist es damit erstmalig gelungen, kommunikativen Akten von Tieren konkrete Bedeutungen zuzuweisen. Die neuen Erkenntnisse könnten darüber hinaus Rückschlüsse auf die Entwicklung der menschlichen Sprache gestatten. Die Studie wurde im Fachblatt "Current Biology“ veröffentlicht.

Obwohl Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet bereits zu dem Schluss gekommen waren, dass (Menschen-)Affen den Lautäußerungen ihrer Artgenossen Informationen entnehmen können, fanden sich bisher kaum Hinweise darauf, dass Laute intentional zur Übermittlung von Botschaften eingesetzt werden. „Darin besteht der entscheidende Unterschied zwischen Lauten und Gesten“, so Catherine Hobaiter, die Leiterin des Forschungsteams. Schimpansen nutzen Gesten nämlich als Kommunikationssystem, um Informationen untereinander auszutauschen.

„Das ist das Erstaunliche an den Gesten der Schimpansen“, unterstreicht Hobaiter. „Sie stellen das einzige tierische Kommunikationssystem dar, das der menschlichen Sprache in dieser Hinsicht ähnelt."

Für ihre Untersuchung beobachtete Hobaiter eine Horde wild-lebender Schimpansen im Budongo-Wald im Nordwesten Ugandas über einen Zeitraum von 18 Monaten. Zusammen mit ihrem Kollegen Richard Byrne analysierte sie mehr als 4500 von Gesten begleitete Interaktionen, um der Bedeutung der jeweiligen Gesten auf den Grund zu gehen.

Sie fanden heraus, dass die Schimpansen 66 Gesten nutzten, um damit bewusst 19 Bedeutungen zu kommunizieren. Die Forscher konnten außerdem 36 dieser Gesten konkrete Bedeutungen zuweisen: Die Tiere stampften zum Beispiel mit beiden Füßen auf, wenn sie spielen wollten, oder deuteten eine „Luft-Umarmung“ an, wenn sie Körperkontakt wünschten.

Manche Gesten hatten dabei nur eine bestimmte Bedeutung – wie das „leaf clipping“ (Zerreißen von Blättern mit den Schneidezähnen), das die Aufmerksamkeit potenzieller Sexualpartner erregen soll –, während andere mit mehreren Bedeutungen verknüpft waren. So kann das Anstupsen oder Anfassen eines anderen Tiers mit der Hand „Hör auf damit“, „Klettere auf mich drauf“ oder „Geh weg“ bedeuten. Anders herum wurden auch mehrere unterschiedliche Gesten für die Übermittlung ein und derselben Information verwendet.

„Wir sind auf ein umfangreiches Kommunikationssystem zur Übermittlung zahlreicher verschiedener Bedeutungen gestoßen“, berichtet Byrne. „Etwas der menschlichen Sprache Ähnlicheres hat man in der Natur bisher noch nicht gefunden.“

Wie die Wissenschaftler einräumen, konnten sie nur solchen Gesten eine Bedeutung zuweisen, die ein aktives Handeln nach sich zogen. Das heißt, dass es vielleicht noch andere, subtilere Gesten gibt, die sich der Interpretation entziehen. Betont wurde auch, dass die Vagheit einiger Bedeutungen darauf schließen lässt, dass ein erheblicher Teil der in den entsprechenden Gesten enthaltenen Informationen noch nicht entschlüsselt ist.

Die Forscher sind dennoch vom Wert ihrer Arbeit überzeugt. „Die wichtige Erkenntnis ist, dass außer uns noch eine andere Spezies bedeutungsvoll kommunizieren kann“, so Hobaiter. „Ich glaube nicht, dass wir so einzigartig sind, wie wir es uns gerne vorstellen.“

Übersetzt von Martin Uhlenbrock

[Via BBCCurrent Biology und Wired]


Originalartikel unter  http://www.iflscience.com/plants-and-animals/researchers-translate-chimpanzee-language#B4xFkc0VrTqLieWK.99

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