Atheismus für Anfänger - Richard Dawkins

Rezension zu Richard Dawkins´ neuem Buch

Atheismus für Anfänger - Richard Dawkins

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Wer merkt nicht auf, wenn Richard Dawkins ein neues Buch veröffentlicht? Gilt er doch als einer der bekanntesten, wenn nicht der bekannteste Vertreter des sog. Neuen Atheismus. Schon 2007 wurde er vom Magazin Time als einer der 100 einflussreichsten Menschen überhaupt bezeichnet.

Sein neuestes Buch, das den Untertitel trägt „Warum wir Gott für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen“, wendet sich vor allem an Jugendliche. In einfacher und verständlicher Sprache, aber keineswegs in trivialer Argumentation befasst er sich im ersten Teil des Buches mit den religiösen Mythen, insbesondere der Bibel. Also mit jenem Buch, dass für einen immer noch großen Teil der Menschheit die Grundlage ihrer Weltanschauung darstellt. Im zweiten Teil setzt er eine Weltsicht dagegen, die dem heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht und Grundlage einer religionsfreien und aufgeklärten Weltanschauung bildet. In diesem zweiten Teil wird die „Schöpfung“ naturwissenschaftlich, also in ihrem natürlichen Entstehen allgemeinverständlich und geduldig erklärt, als ein grandioses Werk, das zu erschaffen, Christen nur Gott zutrauen.

In den ersten sechs Kapiteln beschäftigt sich Dawkins mit der inzwischen untergegangenen Götterwelt der früheren Zeiten und fragt nicht ohne Ironie, wie ein einst unbedeutender Wettergott vom Nordsinai zum heute allmächtigen Jahwe aufsteigen konnte. Er erklärt, wie Mythen entstehen und dass ihnen kein tatsächliches Geschehen zugrunde liegt, dass sie aber dennoch von großer gesellschaftlicher Bedeutung sein können. Er bringt Beispiel über Beispiel, mit welchen einfachen gedanklichen Mitteln die biblischen Geschichten ad absurdum geführt werden können. So klopft er die Erzählung von der Arche Noah, die Leidensgeschichte des Hiob oder die Opferung des Isaak auf ihre Logik und Moral ab und legt deren Un-Logik und Un-Moral bloß. Er resümiert, dass die Bibel, von wenigen Stellen abgesehen, in keiner Weise eine historische Berichtssammlung darstellt. Von Jesus, dessen Name damals ein sehr verbreiteter war, gibt es so gut wie keine handfesten historischen Belege. Die Mehrheit der Forscher, so Dawkins, nimmt aber dennoch an, dass der biblische Jesus tatsächlich gelebt hat.

Dawkins thematisiert ausführlich die Frage nach „gut“ und „böse“ und fragt nach den Kriterien, die uns eine Entscheidung ermöglichen würden. Sollen wir gut sein, weil Gott uns beobachtet? Oder sollen wir einfach nur gut sein, weil unsere Handlungen anderen Menschen gut tun? Aber was ist überhaupt „gut«? Gut ist, was sich an den fundamentalen Bedürfnissen und Interessen der Menschen orientiert und sich evolutionär herausgebildet hat, weil ein solches Verhalten letztlich einen Überlebensvorteil für zusammenlebende Menschen darstellte. Brauchen wir also Religion und Kirchen, um zu wissen, was gut und böse ist? (Der Atheist Gregor Gysi meint: Ohne Kirche keine Moral!) Nein, meint Dawkins und stellt unmissverständlich fest und belegt es mit vielen Bibelzitaten, dass der eifersüchtige, rachsüchtige und erbarmungslose Gott der Bibel absolut kein Vorbild für moralisches Verhalten darstellt. Er anerkennt aber, dass Jesus wenigstens in einigen seiner moralischen Forderungen seiner Zeit voraus war.

Dawkins weist nach, dass Ungereimtheiten, Unlogiken und Widersprüchlichkeiten die gesamte Bibel durchziehen. So macht er am Beispiel des biblischen Judas auf einen grundlegenden Widerspruch aufmerksam. Gottes Plan war es, Jesus kreuzigen zu lassen. Er sollte die Sünden der Welt auf sich nehmen, also musste er geopfert werden. (Der Rezensent erinnert sich an seinen Konfirmandenunterricht: „Also hat Gott die Welt geliebet, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, …“) Judas hatte somit eine von Gott vorgesehene Rolle. Dann aber sei es unverständlich, dass Christen in Judas einen zu ächtenden Verräter sehen, überhaupt das jüdische Volk für den Tod von Jesus verantwortlich machten und über die Jahrhunderte blutig verfolgten. So wie berichtet, lief es eigentlich nach Gottes Heilsplan ab: Verrat, Verurteilung, Hinrichtung, Jesus als Opfer. Für der Menschen Schuld sei Jesus gestorben, schuld aber an seinem Tod seien Judas und die Juden, heißt es. Oder stellt sich das alles ganz anders dar? Ist der biblische Text später „angepasst“ worden, fragt Dawkins, um nachträglich den Tod von Jesus als Opfer darzustellen? Welche höchst fragwürdige Geschichte präsentiert uns da die Bibel!

Die Kapitel 7 bis 10 des zweiten Teils des Buches sind der Frage gewidmet, wie es der Natur möglich ist, die Vielgestaltigkeit des Lebens hervorzubringen. Dawkins macht deutlich, dass es eines göttlichen „Gestalters“, eines „Uhrmachers“ nicht bedurfte, um das entstehen zu lassen, was gläubige Christen mit Staunen und Ehrfurcht die Schöpfung nennen. Dawkins erläutert ausführlich an den Prinzipien Mutation und Selektion den Gang der Evolution. Und er zeigt auf, dass hier eben keine intelligente Kraft planvoll „gestaltet“ hat, sondern allein entscheidend ist, ob eine durch Mutation zufällig veränderte Funktion besser ihren Zweck erfüllt als vorher. Am Beispiel des menschlichen Auges, das einen regelrechten „Konstruktionsfehler“ gegenüber dem Auge des Tintenfisches aufweist, das diesen Fehler nicht hat, kann er zeigen, dass hier kein „intelligenter Designer“ am Werke gewesen sein kann. Es zählt eben nur, ob ein neues durch Zufall entstandenes Merkmal vorteilhafter ist als ein vorangegangenes. Perfekt sind die Ergebnisse der Evolution in vielen Fällen eben nicht. Perfektion allerdings würde man zurecht von einem göttlichen, allwissenden und allmächtigen Schöpfer erwarten.

Anweisungen von „unten nach oben“

Dawkins räumt mit einem weiteren Irrtum auf. Die DNA ist anders als in unserer Vorstellung kein Bauplan, lediglich eine Serie von Anweisungen. Ein Bauplan schreibt die Konstruktion aufgrund einer Idee vom Ganzen vor, verlangt eine Gestaltung von „oben nach unten“. Die DNA dagegen enthält lediglich Anweisungen zur Gestaltung eines Organismus – Mensch, Tier, Pflanze – von „unten nach oben“. Das Endergebnis einer solchen Gestaltung ist nicht durch einen Plan vom Ganzen festgelegt, es entscheiden jeweils nur „lokale Regeln auf einer unteren Ebene“. Eine Zelle orientiert sich in ihrem Verhalten nur an den Nachbarzellen, nicht an einem vorgegebenen Ziel. Über die Tauglichkeit, sprich Überlebensfähigkeit des Ergebnisses, entscheidet dann die Umwelt, in die der jeweilige Organismus hineingeboren wird. Die – zunächst nicht leicht verstehbare – Entstehung eines Organismus von „unten nach oben“ wird ausführlich anhand verschiedener Beispiele gezeigt, etwa an der Entwicklung eines Babys und verschiedener Tiere. Erstaunlich ist, so Dawkins, wie leistungsfähig eine Gestaltung von „unten nach oben“ sein kann, obwohl es keinen „Architekten“ gibt, keinen planenden Gestalter, wie zum Beispiel beim Bau eines Hauses.

Zum Ende seines Buches stellt Dawkins fest: „Heute wissen wir, dass Darwin recht hatte … Ein paar Einzelheiten bleiben noch zu klären. Zum Beispiel wissen wir bisher nicht genau, wie der Prozess der Evolution vor etwa vier Milliarden Jahren erstmals in Gang kam. Aber das wichtigste Rätsel allen Lebens – die Frage, wie es so komplex, so vielgestaltig und so wunderschön ›gestaltet‹ werden konnte, ist gelöst.“

Die Natur kennt keine Ziele, sie folgt nur Ursachen und löst Wirkungen aus nach den Gesetzmäßigkeiten dieser materiellen Welt. Der Irrtum der Anhänger eines „intelligenten Designers“ besteht darin, dass sie die Existenz von Tieren und Pflanzen und das aufeinander abgestimmte Leben von Pflanzen und Tieren sich nur begreiflich machen können durch eine zielorientiert und planvoll vorgehende übernatürliche Kraft, gemeinhin Gott genannt. Aber die Evolution kennt keine Ziele. Deswegen verfängt auch das Argument nicht, dass Gott sich der Evolution bedient habe, um den Menschen zu erschaffen. Anhänger des „intelligent design“ projizieren ihr gewohntes Denken in den Kategorien von Ziel und Plan beziehungsweise Absicht und Zweck in die Natur hinein. Was existiert, das erscheint ihnen aufgrund der beobachtbaren Perfektion und Ästhetik als gewollt und geplant, eine andere Erklärung widerspricht ihrer täglichen Erfahrung. Tatsächlich ist aber das, was unter Zufallseinfluss entstand und vorhanden ist, nur das, was unter den jeweils gegebenen Umständen „funktionierte“, sich in die vorhandene Umwelt eingepasst und folglich überlebt hatte. Alles andere ist längst wieder untergegangen und allenfalls in Form von Fossilien noch erhalten.

Das alles wird in einer lockeren, oft auch humorigen, aber gut verstehbaren Erzählweise dargestellt. Aus guten Gründen hatte Dawkins, nach einer Zeit höchst erfolgreicher Forschertätigkeit, von 1997 bis 2008 eine Professur inne, die einer interessierten Öffentlichkeit komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse einleuchtend vermitteln sollte. Der Leser wird im vorliegenden Buch nicht in zweifelhafte theologische Diskussionen verwickelt. Zu Recht! Basiert doch Theologie als gedankliche Konstruktion auf bloßen Legenden; Legenden, die dennoch gesellschaftlich einst wohl sehr nützlich waren.

Dawkins führt in das wissenschaftliche Denken ein mit dem Ziel, vor allem junge Menschen anzuregen, sich von überlieferten und nur geglaubten Auffassungen zu befreien und sich für ein selbstbestimmtes und sinnerfülltes Leben zu entscheiden. Das dürfte ihm hervorragend gelungen sein.

Univ.-Prof. Dr. Uwe Lehnert ist emeritierter Professor für Bildungsinformatik und Bildungsorganisation, der an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie tätig war.

Bekannt geworden ist er vor allem durch sein Buch „Warum ich kein Christ sein will“. Im Oktober 2018 erschien die 7., vollst. überarb. Auflage, Hardcover, 490  S. im Tectum-Verlag Baden-Baden (innerhalb der Nomos Verlagsgesellschaft).

Webseite: http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/

Dawkins, Richard: Atheismus für Anfänger – Warum wir Gott für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Ullstein Verlag, Berlin 2019, 320 S. 18,00 Euro.

 

Kommentare

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    Klaus Steiner

    Hallo Herr Lehnert,

    hat denn Richard Dawkins in dem Buch auch begründet, warum der Glaube bzw. "Legenden" früher nützlich waren?

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      Uwe Lehnert

      Ja, Dawkins geht an verschiedenen Stellen auf »Mythen« ein. Zunächst stellt er fest, dass Mythen keine historischen Ereignisse wiedergeben, allenfalls in ganz groben Zügen und dann mit inzwischen nicht mehr erkennbarer Botschaft. Es gelte vielmehr die Erkenntnis, dass sie, so wie sie weitergegeben werden, einfach nicht stimmen (S. 85).

      Dennoch gibt es viele Mythen, die von erstaunlicher Verbreitung sind. Dazu zählen zum Beispiel die weltweit existierenden Schöpfungsmythen. Dawkins erklärt sie mit der Neugier der Menschen und aus deren Bedürfnis zu wissen, woher sie kommen, wie die Tiere entstanden und wie Sonne, Mond und Sterne ins Dasein getreten sind. Dawkins vermutet sogar, dass »tief im Unterbewusstsein des Menschen bestimmte Gesetzmäßigkeiten verankert seien, die in Form von Mythen an die Oberfläche kommen« (S. 83f). Und er verweist auf den Schweizer Psychologen C.G. Jung, der solche unbewussten Muster als »Archetypen« bezeichnete (also als Urbilder und Urformen des Seienden).

      Und was die Nützlichkeit der Mythen anbelangt, so verweist er darauf, dass gemeinsame Mythen, Rituale und Traditionen, vor allem eine gemeinsame Religion den Zusammenhalt des Stammes bzw. einer Gesellschaft förderten, was wiederum deren Überleben im Kampf mit Feinden begünstigte (S. 268).

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        Klaus Steiner

        Der Biologe Andreas Kilian sieht in der Religion ein "kulturell verselbständigtes Balz-Imponiergehabe". Nun wäre nur noch zu diskutieren, wie viel Biologie da drin steckt.

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          Klarsicht(ig)

          Ich denke, dass durch den Untertitel „Warum wir Gott für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen“ in Kurzfassung die Auffassung zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Wirklichkeit objektiv keinesfalls so beschaffen ist, dass nur dann ein sinnvoller Lebensvollzug gewährleistet ist, wenn in ihm der Protagonist aus dem Inhalt der religiösen Schriften, die priesterlichen Denk- und Fantasiewelten entstammenden, kontinuierlich oder wenigstens punktuell die tragende Rolle spielt. Leider sind jedoch immer noch viele Menschen subjektiv anderer Meinung, womit sie sich im 21. Jahrhundert in dem Falle selbst ein partielles, intellektuelles Armutszeugnis ausstellen, wenn ihre Meinung nicht ursächlich auf einem Wahn beruhen sollte.

          Gut gefallen hätte mir auch der Untertitel „Warum wir die Protagonisten aus Bibel und Koran für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen“.

          Einen Beweis dafür, dass ein sinnerfülltes Leben ohne „Gott“ möglich ist, lieferte z. B. Herr Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow (Loriot) 1. Denn er hielt nur ein Leben ohne Mops für sinnlos 2 -:).

          Verweise:
          1 Loriot: https://de.wikipedia.org/wiki/Loriot
          2 „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“:
          https://www.welt.de/regionales/stuttgart/article127701474/Ein-Leben-ohne-Mops-ist-moeglich-aber-sinnlos.html

          20. 11. 2019, 15,25 Uhr.

          Gruß von
          Klarsicht(ig)

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            Klarsicht(ig)

            Begriffserklärung:

            Zum Inhalt des Begriffs Wirklichkeit gehört nach meinem Verständnis alles, was jemals existiert hat und gegenwärtig auf irgendeine Art und Weise in Raum und Zeit existiert (Materie, Energie, Denken, Verhalten, Handlungen, Prozessabläufe, Produktionen, usw. usf.). Dazu gehören selbstverständlich auch die notwendiger- und natürlicherweise kontinuierlich oder punktuell auftretenden Zustandsänderungen jedweder Art (z. B. auf der Quantenebene).

            Der gesamte Umfang der Wirklichkeit (oder Weltwirklichkeit) und die Anzahl aller Einzelheiten, die zu ihr gehören, ist von uns nicht überschaubar. Die Wirklichkeit ist von uns nur insoweit überschaubar, wie unsere sinnliche Wahrnehmung und unsere technischen Möglichkeiten es uns subjektiv und intersubjektiv gestatten.

            Nachträglich denke ich, dass es wohl besser gewesen wäre, wenn ich den Begriff Erfahrungswirklichkeit verwendet hätte.

            Gruß von
            Klarsicht(ig)

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            Klarsicht(ig)

            Zitat:Deswegen verfängt auch das Argument nicht, dass Gott sich der Evolution bedient habe, um den Menschen zu erschaffen.

            Der Vorgänger des jetzigen „Chefs des katholischen Glaubenskonzerns" besaß 2004 die Chuzpe, genau dieses Argument zu verwenden und die Big-Bang-Theorie der Kosmologen zur Stützung seiner „religiösen Ideologie“ zu missbrauchen, wie aus dem nachstehenden Auszug aus einem Buch (siehe Quelle unten) des ehemaligen katholischen Klerikers Dr. Eugen Drewermann zu ersehen ist.

            Vor diesem Hintergrund bedeutet es eher eine geistige Kapitulation als das Anzeichen einer gedanklichen Konversion, wenn der derzeitige Papst Benedikt XVI. noch als Vorsitzender der römischen Glaubenskongregation, Kardinal JOSEPH RATZINGER, im November 2004 ein Schreiben der Internationalen Theologenkommission des Vatikans mit dem Titel Gemeinschaft und Dienst unterzeichnete, in dem es hieß, die Big-Bang-Theorie zur Entstehung des Kosmos widerspreche nicht der Annahme, daß die Materie auch vor dem Urknall in anderer Form als Schöpfung Gottes existiert habe, und wenn die Materie sich nach dem Urknall in einer Weise organisiert habe, welche die Entstehung des Lebens begünstigte, so habe durch diese Entwicklung 'Gott (verursacht), dass die Bedingungen verwirklicht werden, die für die Entstehung und den Bestand lebender Organismen notwendig waren'. Selbst wenn der Selektionsprozeß der Evolution auf reinen Zufallsprinzipien beruhe, so könne dieser Prozeß nur zustande kommen, weil er von Gott geschaffen sei. Dasselbe gelte auch für die evolutive Entstehung des Menschen. Auch dieser 'ontologische (sc. Griech.: seinsmäßige, d. V.) Sprung' sei letztlich auf Gott zurückzuführen, der 'indirekt über Kausalketten handelt, die seit Beginn des Universums am Werke sind.' (La Civilta Cattolica, Nov. 2004; Der Dom, Nr. 48,28. Nov. 2004)

            Herr Dr. Drewermann äußert sich dann kritisch wie folgt:

            Demnach steht also hinter allem, was geschieht, 'indirekt' (besser wohl: 'transzendental') Gott; ein solcher Gott aber ist weder 'direkt' noch 'indirekt' (weder naturwissenschaftlich noch metaphysisch) erkennbar, - man muß an ihn bereits glauben, um die Lehre von der Welt als einer Schöpfung Gottes aufstellen zu können; **und vor allem: ein Gott, der in vollkommener Gleichgültigkeit eine ganze Welt dem Zufall überläßt, verrät keine einzige der Eigenschaften mehr, für welche die Gläubigen ihn in ihren 'Gottesdiensten' preisen: Güte, Vorsehung, Weisheit ...

            In ähnlich kritischer Weise hatte sich auch schon Herr Prof. Bernulf Kanitscheider geäußert (1).

            Und weiter kritisiert Herr Dr. Drewermann wie folgt:

            Ein solcher Gott ist reduziert auf eine einzige Behauptung: die der bloßen Macht und des absoluten Willens; mit einem Wort, ein solcher Gott ist die reine Projektionsgestalt einer kirchlich verwalteten Theologie, die (immer noch) glaubt (und glauben machen will), ihr gehöre nach wie vor die ganze Welt, obwohl diese sich in ihren Prinzipien längst als von ihr getrennt gezeigt hat.** Dabei offenbart sich der Grundfehler in allem, daß der Glaube der Christen, damit er 'lehramtlich' werde, in eine 'Dogmatik' verwandelt wird und daß dann, mit SÖREN KIERKEGAARD (1813-1855) zu reden, 'die Dogmatik metaphysisch und die Metaphysik dogmatisch behandelt' werden muß. (Der Begriff Angst, Kapitel 11§ I, S. 56, Anm. I)

            [...] So viel jedenfalls steht fest: Man kann nicht gleichzeitig die Kirchengläubigen in aller Welt bezüglich der Grundlagen ihrer Existenz kreationistisch indoktrinieren und dann so tun, als sei die Evolutionslehre, egal in welcher Form, nur eine Art der Kostümierung, in welcher die Gottheit sich zu (ver)hüllen beliebt habe. [...] ein Lehramt, das glaubt, keine Wirklichkeit mehr scheuen zu müssen, nur weil es buchstäblich alles für möglich und mit dem 'Glauben' für vereinbar erklärt
            .“

            Quelle: Buch „Atem des Lebens“ […], Band 1: Das Gehirn, S. 20-22, von Dr. Eugen Drewermann,
            https://books.google.de/booksid=UQ14DwAAQBAJ&pg=PA20&lpg=PA20&dq=gedanklichen+Konversion&source=bl&ots=DV6IC55Om&sig=ACfU3U34X3Ul6txAYh62KFI4bHhUqe0LcQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwid09-3pPnlAhWC-6QKHTUTCZIQ6AEwBnoECAoQAQ#v=onepage&q=gedanklichen%20Konversion&f=false

            Verweis:
            (1) Siehe mein Post, das wie folgt beginnt: „Als Ergänzung zu meinem Kommentar vom 27. 08. 2019, 14,00 Uhr, zitiere ich wie folgt aus dem Buch „Im Innern der Natur, Philosophie und moderne Physik“, S. 169 u. 170, von Herrn Prof. Bernulf Kanitscheider:“
            Gotteserfahrungen als »Beweis«:
            https://de.richarddawkins.net/articles/gotteserfahrungen-als-beweis

            20. 11. 2019, 19,45 Uhr.

            Gruß von
            Klarsicht(ig)

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              Uwe Lehnert

              Ich äußere mich in meinem Buch „Warum ich kein Christ sein will – Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung“ (Tectum Wissenschaftsverlag, 2018, 7. Auflage) dazu wie folgt:

              „Die DARWINsche Evolutionstheorie war in den Augen der Kirche Teufelswerk, wurde schließlich aber im Jahr 1996 von der katholischen Kirche als wissenschaftliche Erklärung für die Entwicklung der Arten und letztlich des Menschen anerkannt. Diese Anerkennung erfolgte allerdings nur unter der Bedingung, dass Gott die Entwicklung auf den Menschen als Ziel gelenkt und ihm im Gegensatz zum Tier eine unsterbliche Seele verliehen habe.

              Zwischenfrage: Ab wann eigentlich verfügte der aus dem Tierreich sich entwickelnde »ebenbildliche« Mensch über eine Seele? Schon vor einer Million Jahren, erst als Neandertaler oder noch später, als der Homo sapiens auf der Weltbühne erschien?

              Rückblickend betrachtet hat die Kirche in ihren Auseinandersetzungen mit der Wissenschaft ein Rückzugsgefecht nach dem anderen angetreten und stets endgültig verloren. Papst BENEDIKT XVI. (*1927) ist vorsichtiger geworden. In einer Rede im September 2006 in der Universität Regensburg über Glauben und Vernunft beanspruchte er für Gott nur noch die Rolle als Erstbeweger und Sinnstifter.“ … (S. 321) ...

              „Der wesentliche Vorbehalt [der Kirchen bezüglich der Evolution] besteht in der Behauptung, dass hinter aller Entwicklung, ja selbst im Wirken des Zufalls, dennoch die lenkende Hand Gottes im Spiel sei: Sie steuerte die Schöpfung auf den Menschen hin, machte ihn zum Ebenbild des Schöpfers, gab ihm eine unsterbliche Seele und verlieh auf diese Weise diesem grandiosen Geschehen erst Sinn und Würde.

              Der äußere Anschein spricht zunächst nicht gegen diese Deutung. Die Schönheit der uns über unsere Augen sichtbaren Natur, das fein abgestimmte Zusammenspiel zwischen Pflanzen- und Tierwelt oder die unerreichte Perfektion zum Beispiel des menschlichen Blutkreislaufs mit seinen präzise arbeitenden, raffiniert ineinandergreifenden Regelkreisen, alles das deutet durch-aus auf einen »Uhrmacher« hin, ohne den dieses »Räderwerk« nicht existieren und funktionieren könnte.

              Erkenntnisfortschritte und Entwicklungssprünge gab es in den Naturwissenschaften immer dann, wenn durch Änderung des Standpunkts ein Perspektivwechsel möglich wurde oder überkommene Deutungsmuster aufgegeben wurden. BRUNO und KEPLER revolutionierten die Astronomie, weil sie die Vorstellung aufgaben, dass die Erde der Mittelpunkt der Welt sei. DARWIN und seine damaligen Mitstreiter HUXLEY, HAECKEL und WALLACE befreiten die Biologie von einem Erklärungsmuster, das eigentlich gar keines war, sondern die Naturwissenschaft bis dahin nur daran gehindert hat, nach natürlichen, also innerweltlichen Triebkräften zu suchen.

              Die DARWINsche Botschaft lautet: In der Pflanzen- und Tierwelt existiert das, was sich aus dem Zusammenspiel von zufälliger Variation und Einwirkung der Umwelt ergeben hat und fortpflanzen konnte, alles andere hat sich nicht durchgesetzt und ist folglich nicht vorhanden. Selbst die komplexesten Organismen mit den raffiniertesten internen Regel- und Informationsverabeitungssystemen sind nicht das Ergebnis beabsichtigter und planvoller Schöpfung, sie sind die in einem Millionen Jahre währenden Prozess von Merkmalsvariation und Auslese geformten Resultate. Diese Organismen sind unter allen anderen denkbaren und versuchten Kreationen die einzigen, die existieren, weil nur bei ihnen zufallsgesteuerte Merkmalausstattung und je-weils vorgefundene Umwelt zueinander passten.“ (S.96)

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              Klarsicht(ig)

              Zitat: „In einfacher und verständlicher Sprache, aber keineswegs in trivialer Argumentation befasst er sich im ersten Teil des Buches mit den religiösen Mythen, insbesondere der Bibel. Also mit jenem Buch, dass für einen immer noch großen Teil der Menschheit die Grundlage ihrer Weltanschauung darstellt.

              Im Kontext einiger Diskussionen habe ich mich hier ja auch schon mit ein paar biblischen Mythen kritisch befasst. Das tat ich dann auch in ein paar „Text-Videos“ mit musikalischer Untermalung.

              Nachstehend geht’s zu den „Text-Videos“. Ich hoffe, dass sie Spaß bereiten.

              Die Intelligenz des angeblich existierenden „intelligenten Designers“ weist schädliche Mängel auf:
              https://www.youtube.com/watch?v=zoOQ5Qaxn-k

              Die „Versuchung“ Abrahams und seine Bereitschaft, seinen Sohn [...] für den „Bibeldämon“ zu grillen:
              https://www.youtube.com/watch?v=P69YwZgVqm4

              Die unterschiedliche Bewertung der Opfer von Kain und Abel durch den „Bibeldämon“ […] !:
              https://www.youtube.com/watch?v=WXjT0xKtAQ0

              21. 11. 2019, 16,00 Uhr.

              Gruß von
              Klarsicht(ig)

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              1. userpic
                Jörg Jaskolka

                Liebe Diskutanten, mich würde doch sehr interessieren, wie der anthroposophischen Sichtweise der Verwirklichung des Gottesplanes „Mensch“ als Urform aller Lebewesen begegnet wird. Herr Prof. Dr. Heuck versucht in sehr anschaulichen Videos den Beweis anzutreten, dass sich alles als metamorphosischer Ablauf darstellt und somit beweisen lässt. (Säuglingskopfe aller Primaten und“Mensch“ sind gestaltgleicher als ausgewachsene Varianten). Die Fünfgliedrigkeit der Flug-/Greif-/Huf-Ausbildungen sind manifester und ließen eine Handbildung nicht zu. Umgekehrt sehr wohl. Wo ist der Haken in der Argumentationskette, wenn nicht in dem guten Grund der „Zeit“, der Sonderformausbildung und der zwingenden Notwendigkeit der Handgestaltung auf Grund des Werkens?- !!

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                  Klaus Steiner

                  Hallo Herr Jaskolka,
                  der "Mensch" ist nicht die Urform aller Lebewesen. Er ist aus tierischen Vorfahren hervorgegangen. Einen Plan Gottes gibt es auch nicht, Evolution hat kein Ziel. Mit dem aufrechten Gang wurden auch die Hände frei und "ihre Greiffunktion" passte sich an diese neue Gegebenheit an. Dass die Fuenfgliedrigkeit keine Handbildung zuliesse, verstehe ich nicht. Es handelt sich hierbei um eine Homologie. Was Sie unter der "zwingenden Handgestaltung aufgrund des Werkes" meinen, verstehe ich auch nicht. Ein Werk Gottes ist äußerst unplausibel (siehe z. B. die "fehlkonstruierte" Netzhaut mit ihrem blinde Fleck, sie ist umfunktioniert, eine Ausstuelpung des Neuralrohrs und daher invers).

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                    Dörte Faatz

                    Die Übersetzung des Titels "Outgrowing God" mit "Atheismus für Anfänger" ist m. E. völlig daneben. Zum Glück gibt es noch einen Untertitel.

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                      Losian

                      Vielleicht ist "über den Kopf gewachsen" besser übersetzt.

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                      Jörg Jaskolka

                      Hallo Herr Steiner,
                      ich teile doch Ihre Meinung! Die Antrophosophen haben nach deren Auffassung die Evolutionstheorie in ihren Gottesbeweis implantiert. (Sie stützen sich auf Goethe und seine Metamorhposen-Lehre) Mir scheint, dass Glaube und Wissenschaft auf diesem Weg zu unrecht eine Verbindung erhalten soll.
                      Prof. Dr. Hueck erläutert in seinem Video eine dritten Weg (Kreationisten/Religionen zum einen, Darwinisten/ Evolutionstheorie zum anderen), nach dem Gott ein durch zielgerichtetes Handeln zur Konstruktion des Homo sapiens alle Lebewesen erschuf. (Ich las „Blinder Urmacher“) In seiner Beweisführung weißt Prof. Dr. Hueck auf die Unmöglichkeit einer Entwicklung von z.B. Huf und Flügel zu einer Hand hin und schlussfolgert, dass die Hand als Idee Gottes zuerst da gewesen sein muss. Wie ich letztlich erwähnte, sind so auch seine Ausführungen zur Kopfform.
                      Natürlich machte der aufrechte Gang die Hände frei zur Bearbeitung und Führen von Dingen. Sie bildeten sich so zur feinmotorischen „Hand-habung“ aus und dienten nicht nur zum Baumhangeln und Nüsse knacken.
                      Aber ich glaube, dass ich mich nur wiederhole. Freue mich auf die Lektüre ‚Atheismus für Anfänger‘.

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                        Jörg Jaskolka

                        Sorry, liebe Leser.
                        Hier spielte Freud sein Spiel. Natürlich nicht der Urmacher, sondern der Uhrmacher.

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                          Jörg Jaskolka

                          Nun habe ich „Atheismus für Anfänger“ von meiner Frau geschenkt bekommen und gelesen.
                          Mich würde doch interessieren, ob es nur ein kleiner Übersetzungsfehler ist, dass die Geparden „Klauen“ haben oder mein Wissen hier Lücke hat.
                          Ferner kann ich nicht „glauben“, dass sich evolutionswirklich eine Nettigkeit über die eigene genetische Vervielfälltigung hinaus heute zeigt. Seit der Etablierung der kleinen und großen Religionen und Gesellschaftsysteme schlägt die Menschheit sich die Köpfe ein und geifert nach Ressourcen zur Machterhaltung der eigenen Gruppe. Der Genozid und nachfolgende Gräueltaten sind nur Beleg für keine Auswirkung eines genetischen Verstärkers für „Nettigkeit“. Vielleicht wird ein Restmensch aus einer langen Kette von „ tit for tat -lernen“ lernen. Die Nettigkeit gegenüber der eigenen oder vermeintlich eigenen Brut schreibe ich auch nur den egoistischen Genen zu.

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