Auferstehung, Gottes- und Nächstenliebe – alles Unsinn?

Kann man ein Wesen, das sinnlich gar nicht zugänglich, das vielleicht gar nicht existent, dennoch lieben?

Auferstehung, Gottes- und Nächstenliebe – alles Unsinn?

Können Götter, die frei von jedem Mangel, lieben? Kann man Liebe gebieten? Gab es tatsächlich eine Auferstehung?

Warum man Gott nicht lieben und Liebe nicht gebieten kann

Der Nazarener, dessen Auferstehung heute gefeiert wird, war bekanntlich ein sehr lieber, herzensguter Kerl, wahrscheinlich auch ein sehr empathischer Charismatiker, aber kaum ein großer Denker. Deswegen kam er beim einfachen Volk wohl auch so gut an. Das Gerede von Gottes- und Nächstenliebe erscheint zunächst einmal als genau das: Gerede. Denn offensichtlich wurde hier der Begriff der Liebe gar nicht recht verstanden.

„Aber Liebe zu Gott als Neigung (pathologische Liebe) ist unmöglich; denn er ist kein Gegenstand der Sinne. Eben dieselbe gegen Menschen ist zwar möglich, kann aber nicht geboten werden; denn es steht in keines Menschen Vermögen, jemanden bloß auf Befehl zu lieben.“ – Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, A 149.

Lieben bedeutet auch, das Wohl des Geliebten zu wollen

Außerdem bedeutet lieben nicht nur a) sich zu dem Objekt der Liebe hingezogen fühlen, sich nach ihm zu verzehren, Sehnsucht nach ihm zu haben und zu leiden, wenn man ihm allzu lange fern ist – ein Gefühl, welches man nicht erzeugen kann, das einem vielmehr widerfährt, das man „erleidet“ -, sondern lieben bedeutet b) zugleich auch – und nur dann ist es lieben und nicht nur begehren -, dass einem das Wohl des Geliebten am Herzen liegt, dass man sich um ihn sorgt.

Auch das ist bei einem unendlich mächtigen, perfekten Wesen aber nicht möglich. Wie sollte man sich um dieses sorgen und sich wünschen, dass es ihm möglichst gut gehen möge? Das wäre paradox, denn dem Juden-, Christen- und Muslime-Gott geht es ja immer gut. Sonst wäre er ja nicht perfekt. So aber wurde er ja gerade postuliert.

Die tiefe Sehnsucht, geliebt zu werden

Man kann sich höchstens wünschen, von solch einem Wesen geliebt zu werden. Dann ist die Liebesrichtung aber eine andere. Gott wäre dann eben nicht Objekt der Liebe, sondern das Subjekt dieser und man selbst das Objekt seiner Liebe.

In Wirklichkeit liebt man also nicht einen perfekten Gott, sondern stellt sich a) vor, dies zu tun, was sich für einen selbst gut anfühlt, weil man die Vorstellung von Gott in sich aufnimmt und emotional besetzt, so dass keine Leere in einem entstehen kann, und b) stellt man sich vor, von diesem besonderen Wesen geliebt zu werden. Die Vorstellung, dass Letzteres der Fall ist, vermag dann wiederum angenehme Gefühle in einem selbst zu evozieren, da man sich nun geliebt fühlt, was sich immer toll anfühlt.

Da dieses Wesen in der eigenen Phantasie aber als das höchste und als perfekt ausgemalt wird, macht es „seine Liebe“ zu einem selbst ganz besonders wertvoll. Wie könnte die Liebe eines perfekten Wesens zu einem selbst noch getoppt werden? Für das Selbstwertgefühl ist diese Vorstellung so wohltuend und dadurch so mächtig, dass logische Gedankengänge, ja überhaupt jegliches Denken dagegen kaum eine Chance hat.

Warum perfekte Götter nicht lieben können

Tatsächlich könnten aber sowohl der Juden-, als auch der Christengott und Allah, so es sie gäbe, ihre von ihnen vorgeblich geschaffenen Geschöpfe gar nicht lieben, da Liebe immer auch einen Mangel, nämlich die Sehnsucht nach dem Geliebten inkludiert und die drei Genannten per Defitionem als von jedem Mangel frei postuliert werden. Sie können also weder Objekt noch Subjekt der Liebe sein, es sei denn sie wären doch nicht frei von jedem Mangel. Dann könnten sie auch liebesfähig sein.

Alleine diese Überlegungen zeigen schon, womit wir es hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu tun haben: mit Projektionen, die aber sehr viel über uns und unseren tiefen Sehnsüchte verraten.

Die Weisheit des Nazareners und deren Auferstehung

Gleichwohl steckt in dem Gerede des Nazareners doch auch eine tiefe Weisheit und deshalb ist er nicht vergessen, ist „auferstanden“. Denn was es geben kann und auch gibt, ist Empathie und Wohlwollen jedem anderen fühlenden Wesen gegenüber sowohl als grundsätzliche Haltung wie als akutes (schwankendes) Gefühl. Dieses Wohlwollen zu kultivieren und diese Haltung immer tiefer in sich zu fundieren, erscheint im höchsten Grade sinnvoll und gut und könnte als Zivilisierungs- und Bildungsprozeß, als ein überragendes Ziel von (Selbst-)Erziehung angesehen werden. Indem wir diese Weisheit, die das Abendland seit zweitausend Jahren als mentales Kulturgut mitprägt, tradieren und pflegen, halten wir etwas von dem Nazarener lebendig und tragen es in uns. Vielleicht sogar das Wesentliche.

Der Artikel erschien zuerst im Blog von Jürgen Fritz, wo er „Politische Beiträge und philosophische Essays“ veröffentlicht.

Jürgen Fritz studierte in Heidelberg Philosophie (Schwerpunkte: Erkenntnis-/Wissenschaftstheorie und Ethik), Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik und Geschichte (Lehramt). Für seine philosophisch-erziehungswissenschaftliche Abschlussarbeit wurde er mit dem Michael-Raubal-Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet.

Nach dem zweiten Staatsexamen absolvierte er eine zusätzliche Ausbildung zum Financial Consultant (Finanzmathematik, Grundlagen der Volks- und Betriebswirtschaft, Steuern und Recht …) unter anderem an der heutigen MLP Corporate University. Er arbeitete etliche Jahre als unabhängiger Finanzspezialist. Außerdem ist er seit Jahren als freier Autor tätig. 2007 erschien seine preisgekrönte philosophische Abhandlung „Das Kartenhaus der Erkenntnis - Warum wir Gründe brauchen und weshalb wir glauben müssen“ als Buch, 2012 in zweiter Auflage.

In den letzten Jahren beschäftigt er sich verstärkt mit Fragen der Ontologie, der Ästhetik, der Philosophie der Emotionen, der Ethik, der Religionsphilosophie und mit politischen Religionen (totalitäre Herrschaftsideologien), insbesondere dem Islam.

Zurzeit arbeitet er an zwei weiteren Buchprojekten, die sich zum einen mit der Frage nach dem Sinn des Lebens beschäftigen, zum anderen mit der Frage, ob der Islam tatsächlich zu Deutschland und zu Europa gehört respektive überhaupt gehören kann.

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

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    Norbert Schönecker

    "dem Juden-, Christen- und Muslime-Gott geht es ja immer gut. Sonst wäre er ja nicht perfekt."

    Hier liegt der Fehler! Im Alten Testament wird Gott nicht so geschildert, als ginge es ihm immer gut. Auch als perfekt wird er nicht geschildert. Das sind platonische Gedanken vom einer perfekten Ideenwelt. Dem Judentum, dem Islam und mit kleinen Abstrichen dem Christentum ist dieser Platonismus aber fremd.

    Im Alten Testament wird ein Gott geschildert, der mit seiner Schöpfung mitleidet. Der zornig wird. Der seinen eigenen Zorn bereut. Der also nicht so statisch-perfekt ist, wie Herr Fritz sich ihn vorstellt.

    Für gläubige Christen, Juden und Muslime ist das Alte Testament wichtiger als die Vorstellungen des Herrn Fritz. Sogar wichtiger als die des Herrn Kant.

    Wer sich auch nur ein kleines bisschen mit dem Christentum beschäftigt, wird bald auf den Opfertod des Gottessohnes stoßen. Dann wird man merken, dass es dem Christen-Gott eben nicht immer gut gegangen ist.

    Und dann ist der Großteil der obigen Argumentation auch schon dahin.

    Zum Begriff "Liebe": Eine emotionale Gottesliebe - äquivalent zum "Verliebt-sein" - ist weitgehend der Minderheit der Mystiker vorbehalten. Für den Großteil der Christen entspricht die Gottesliebe eher dem, was im Mittelalter der Liebe zu einem gütigen Lehensherren entsprach. Da steckt viel Pflichtbewusstsein, Willenskraft, Ehrfurcht und Anhänglichkeit darin.

    Wer es weniger mittelalterlich mag, kann auch auf die Analogie der erwachsenen Kinder zu ihren Eltern zurückgreifen. Deshalb beten Christen ja auch "Vater Unser".

    Kurze Bemerkung: Sehnsucht als Mangel zu definieren erscheint mir aus psychologischer Sicht nicht richtig. Eher umgekehrt: Ein Mensch, der nie Sehnsucht verspürt hat, hat einen Mangel.

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      Holger Gronwaldt

      @Norbert Schönecker,

      "Im Alten Testament wird Gott nicht so geschildert, als ginge es ihm immer gut."

      Mag sein, aber im Christentum wird der Gott als allmächtig, allwissend und allgütig betrachtet, auch wenn das allein aus logischen Gründen schon nicht haltbar ist.

      "Für gläubige Christen, Juden und Muslime ist das Alte Testament wichtiger als die Vorstellungen des Herrn Fritz."

      Ja, weil sie seinen Inhalt nicht wirklich kennen. Denn der Gott des AT ist ein Stümper, der seine Schöpfung so komplett in den Sand setzt, dass er sie fast total vernichten muss, dann aber trotzdem zu keinem besseren Ergebnis kommt.

      Angeblich sind die Menschen des AT böse, der Schlimmste von allen ist aber ihr Gott, der als Massenmörder nicht nur befiehlt, unschuldige alte Männer, Frauen (mit Ausnahme der Jungfrauen) und Kinder zu töten, sondern der auch ganze Völker ausrotten lässt um "Lebensraum" für "sein" "auserwähltes Volk zu schaffen.

      "Wer sich auch nur ein kleines bisschen mit dem Christentum beschäftigt, wird bald auf den Opfertod des Gottessohnes stoßen."

      Falsch formuliert. Es muss heißen: "... dem wird der angebliche Opfertod des Nazareners sauer aufstoßen."

      Es ist für einen normalen Menschen, der nicht jahrzehntelang mit der christlichen Irrlehre indoktriniert wurde, in keiner Weise nachvollzioehbar, warum ein "liebender" Gott seinen Sohn, der mit ihm identisch ist, umbringen lässt, also quasi Selbstmord begeht, um Menschen Dinge vergeben zu können, für die nicht verantwortlich sind, denn die Geschichte mit der Erbsünde ergibt keinen Sinn, da Adam und Eva, die putativen Urheber der Erbsünde nachweislich nie existiert haben.

      Und damit ist nicht ur ein Großteil Ihrer Argumente, sondern der gesamte christliche Glaube dahin.

      "Für den Großteil der Christen entspricht die Gottesliebe eher dem, was im Mittelalter der Liebe zu einem gütigen Lehensherren entsprach. Da steckt viel Pflichtbewusstsein, Willenskraft, Ehrfurcht und Anhänglichkeit darin."

      Und genau da gehört die christliche Religion und Religion überhaupt auch hin: ins Mittelalter.

      "Sehnsucht als Mangel zu definieren erscheint mir aus psychologischer Sicht nicht richtig. Eher umgekehrt: Ein Mensch, der nie Sehnsucht verspürt hat, hat einen Mangel."

      Klassisches Beispiel von Sophisterei: Man dreht und wendet die "Argumente" so lange hin und her, bis sie passend erscheinen und glaubt dann auch noch, der andere merkt es nicht.

      Herr Fritz hat im Gegensatz zu Ihnen sein Argument auf den Punkt gebracht: die Gottesvorstellung von Judentum, Islam und Christentum ist in sich widersprüchlich und damit unhaltbar, ein so beschriebener Gott kann also nicht existieren.

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        Norbert Schönecker

        @Holger Gronwaldt:

        Sie haben es geschafft, in Ihrer Antwort kein einziges Mal auf den Punkt einzugehen, den ich bei Herrn Fritz kritisiert habe.

        Also, nochmal:
        Nein, Gott geht es NICHT immer gut.
        Doch, Gott KANN Sehnsucht - auch unerfüllte Sehnsucht - haben.
        Gott KANN leiden.
        Damit ist auch eine beidseitige Liebesbeziehung möglich.

        Herr Fritz arbeitet also mit falschen Prämissen. Deshalb stimmt auch das Ergebnis nicht.

        Mit der Allmacht kollidiert das überhaupt nicht. Gerade ein allmächtiger Gott kann sich auch entscheiden, Mitleid zu haben. Er kann sich auch entscheiden, seine Macht an Menschen zu übertragen, indem er ihnen die Freiheit gibt, an ihn zu glauben und ihn zu lieben - oder ihn nicht zu lieben. Wie es in der Natur der Liebe liegt.

        Die von Ihnen angeschnittenen Themen "Gott ordnet Morde an" und "Gott lässt seinen eigenen Sohn sterben" wären zwar interessant, passen aber nicht zum Thema. Vielleicht ein anderes Mal.

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        Holger Gronwaldt

        @Norbert Schönecker,
        Sie sagen: "Nein, Gott geht es NICHT immer gut.
        Doch, Gott KANN Sehnsucht - auch unerfüllte Sehnsucht - haben.
        Gott KANN leiden."

        Woher wollen Sie so etwas überhaupt wissen können?

        "Im Alten Testament wird ein Gott geschildert, der mit seiner Schöpfung mitleidet. Der zornig wird. Der seinen eigenen Zorn bereut. "

        Als Theologe sollte Ihnen bekannt sein, dass die Bibel auch nur ein Buch (bzw. eine Schriftenansammlung) ist, das lediglich wiedergibt, wie sich die Menschen der damaligen Zeit ihren Gott vorgestellt haben, sie also überhaupt nichts Konkretes über ein zweifelhaftes höheres Wesen aussagen kann.

        Alle Attribute, die dem jüdischen oder auch dem christlichen Gott zugesprochen werden, sind rein hypothetisch, da dieses imaginäre Wesen nicht erfahrbar ist. So genannte "Gotteserfahrungen" beruhen auf Fehlfunktionen des Gehirns, wie neurologisch inzwischen hundertfach erwiesen ist.

        " indem er ihnen die Freiheit gibt, an ihn zu glauben und ihn zu lieben - oder ihn nicht zu lieben. "

        Das ist Unfug, wie Herr Fritz und auch Kant schon belegt haben: Einen Glauben kann man sich vielleicht noch rational herbeireden, wenn man wie bei religiösem Glauben die Logik über Bord wirft, aber Liebe ist keine freie Entscheidung sondern eine Gefühlsregung. Kein Mensch kann willentlich beschließen, etwas oder jemanden zu lieben oder zu hassen, es ist immer eine unfreiwillige Reaktion auf eine Begegnung oder ein Ereignis. Sie scheinen einer reichlich merkwürdigen Definition von Liebe anzuhängen.

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