Aus Liebe zur Wissenschaft

Wissenschaftsverweigerung mit der Freude an der Wissenschaft bekämpfen

Aus Liebe zur Wissenschaft

Foto: pixabay.com / geralt

Dass Konservative an wissenschaftlichen Erkenntnissen und Theorien zweifeln, die ihren politischen und religiösen Überzeugungen widersprechen, zeigt sich schon bei einem flüchtigen Blick auf rechtsorientierte Medien. Die Leugnung der Evolution und der globalen Erwärmung sowie der Pushback gegen die Stammzellenforschung sind die ungeheuerlichsten Beispiele der letzten Jahrzehnte. Das ist nicht verwunderlich, denn wir erwarten von den Rechten, dass ihre politischen Ansichten die Wissenschaft ausstechen – gleichsam einer „Hund beißt Mann“ Geschichte.

Dass Liberale ebenso der anti-wissenschaftlichen Voreingenommenheit schuldig sind, hat mehr mit der Ansicht über Menschen, die Hunde essen, zu tun und dennoch sind Linke genauso skeptisch gegenüber sauber fundierter Wissenschaft, wenn sie mit ihrer politischen Ideologie kollidiert. Es betrifft Themen wie Gentechnik, Kernkraft und Evolutionäre Psychologie. Ein Skeptizismus, den ich „kognitiven Kreationismus“ nenne, weil er ein Modell des unbeschriebenen Blattes vertritt, in dem natürliche Selektion bei Menschen nur vom Hals abwärts stattfindet.

Tatsächlich werden anti-wissenschaftliche Einstellungen in sehr engen kognitiven Rahmen geformt – solche in denen Wissenschaft bestimmten politischen oder religiösen Vorstellungen zu widersprechen scheint. Die meisten Leute akzeptieren die meiste Zeit den größten Teil der Wissenschaft.

Wer ist skeptisch gegenüber der Wissenschaft und wann?

Diese Frage war der Titel eines Vortrags von Asheley R. Landrum, einer Psychologin an der Texas Tech University, an dem ich im Oktober 2017 teilnahm. Sie untersuchte, welche Faktoren das öffentliche Verständnis und die Wahrnehmung von Wissenschaft, Medizin und neuer Technologie beeinflussen. Sie zitierte gleich zu Beginn Umfragen, die besagten, dass mehr als 90% aller Demokraten und Republikaner den Aussagen „Wissenschaft und Technik bieten uns neue Möglichkeiten“ und „Wissenschaft macht unser Leben besser“ zustimmten. Sie untersuchte auch die Beweislage für die „Wissenslückenhypothese“, die besagt, dass öffentliche Zweifel an der Wissenschaft das Resultat schlechter wissenschaftlicher Bildung seien. Wer etwas besser über Meteorologie Bescheid weiß, wird beispielsweise etwas häufiger anerkennen, dass der Klimawandelt real ist und von Menschen verursacht wird, als derjenige, der sich weniger gut mit der Thematik auskennt.

Aber dieser geringe Effekt verschwindet nicht nur, wenn man die politische Ideologie berücksichtigt, sondern hat einen entgegengesetzten Effekt an einem Ende des politischen Spektrums. Je mehr Wissen Republikaner über Meteorologie haben, desto seltener akzeptieren sie die Theorie vom menschengemachten Klimawandel (während Demokraten häufiger daran glauben.) „Menschen mit mehr Wissen akzeptieren Wissenschaft nur dann, wenn sie nicht ihren vorherigen Glaubensätzen und Werten widerspricht“, erklärte Landrum. „Außerdem nutzen sie ihr Wissen, um ihre Position noch vehementer zu vertreten.“

Landrum und ihre Mitarbeiter wiesen diesen Effekt in einem Experiment nach und berichten 2017 im „Journal für Risikoforschung“ unter dem Titel „Kulturell gegensätzliche Meme und das Zika-Virus: Ein Experiment“, über eine Versuchsanordnung, in der die Teilnehmer einen Nachrichtenartikel über die gesundheitlichen Risiken des Zika-Virus lasen, das entweder mit Klimawandel oder Einwanderung assoziiert wurde. Wie vorauszusehen war, waren Demokraten besorgt, wenn Zika mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wurde und Republikaner weniger. Wenn aber Zika mit Einwanderung assoziiert wurde, kehrte sich dieser Effekt um. Es scheint, dass Skeptizismus vom Kontext abhängt. „Wir sind gute Skeptiker, wenn die Information mit unseren vorherigen Glaubenssätzen und Werten kollidiert“, so Landrum. „Wir sind nicht sehr skeptisch, wenn die Information mit unseren vorherigen Glaubenssätzen und Werten übereinstimmt.“

In einer anderen Studie aus dem Jahr 2017, veröffentlicht in „ Advances in Political Psychology“, mit dem Titel „Wissenschaftliche Neugier und politische Informationsverarbeitung“, fanden Landrum und ihre Mitarbeiter heraus, dass liberale Demokraten viel seltener dazu bereit waren einen „für sie überraschend skeptischen Artikel zum Klimawandel“ zu lesen, als strenge Republikaner, während ein „für sie überraschend besorgniserregender Artikel über den Klimawandel“ viel eher von Linken als von Rechten gelesen wurde. Ein ermutigender mäßigender Faktor war „wissenschaftliche Neugier“ oder die „Motivation wissenschaftliche Information aus Spaß zu lesen“, der „anscheinend die Charakteristika politisch motivierten Denkens ausschaltet, statt sie zu verstärken.“

Die Autoren schlossen daraus, dass „Individuen, die Gefallen daran finden, neue wissenschaftliche Informationen zu erfahren, die sich darüber freuen, wenn sie bemerken, dass die Welt sich nicht so verhält, wie sie es erwarten, diese Charaktereigenschaft nicht ausschalten, wenn sie politischen Informationen einbeziehen. Sie geben vielmehr dieser Eigenschaft nach, und setzen sich daher bereitwilliger mit Informationen auseinander, die ihren Erwartungen von Fakten bei strittigen Themen widersprechen. Resultat ist, dass diese Bürger, im Gegensatz zu ihren weniger neugierigen Pendants, viel aufgeschlossener sind und über alle politischen Grenzen hinweg einheitlicher auf die besten wissenschaftlichen Argumente reagieren.“

Mit anderen Worten, Wissenschaft aus Freude wertzuschätzen ist eher ein Bollwerk gegen die Politisierung der Wissenschaft, als es Fakten allein wären.

Übersetzung: Lukas Mihr und Jörg Elbe

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    Peter Grimm

    Ein exzellenter Artikel in Form und Inhalt. Herzlichen Dank dafür.

    Antworten

    1. userpic
      Norbert Schönecker

      Mir scheint, in diesem Artikel kommt einiges durcheinander.
      Es ist ein großer Unterschied, ob ein Mensch wissenschaftliche Erkenntnisse akzepiert (wie z.B. die Evolution) oder ob er den Einsatz bestimmter technischer Innovationen gutheißt (wie z.B. die Kernenergie (nicht mehr so ganz neu, ich weiß, wird aber im Artikel erwähnt)).
      Das eine ist eine Frage der intellektuellen Redlichkeit, das andere eine Frage der Risikoabschätzung oder der Ethik.
      Ich würde die Haltung gegenüber der wissenschaftlichen Forschung von der Haltung gegenüber neuen Technologien sauber trennen.

      Antworten

      Neuer Kommentar

      (Mögliche Formatierungen**dies** für fett; _dies_ für kursiv und [dies](http://de.richarddawkins.net) für einen Link)

      Ich möchte bei Antworten zu meinen Kommentaren benachrichtigt werden.

      * Eingabe erforderlich