Behindert Gottesglauben ein wissenschaftliches Verständnis der Realität?

Ich meine, das gilt nicht für Kreationisten, die einen relevanten Teil der wissenschaftlich beleuchteten Realität einfach ausblenden.

Behindert Gottesglauben ein wissenschaftliches Verständnis der Realität?

Es trifft auf praktisch alle Gläubigen zu. Beispiele:

1. Nach wissenschaftlichem Verständnis ist die Evolution der Arten ein ungerichteter Prozess. Das widerspricht dem Dogma einer absichtlichen Erschaffung des Menschen nach „Gottes Ebenbild“ - wie metaphorisch man das auch immer auslegen will. Gläubige müssen diese Erkenntnis abstreiten oder ignorieren.

2. Wissenschaftlicher Konsens: Bewusstsein, Kognition, Emotion sind emergente Phänomene aus neuronaler Datenverarbeitung, welche in einem lückenlosen evolutionären Kontinuum entstanden sind. Das widerspricht dem Konzept einer unsterblichen menschlichen Seele, welche den Menschen über alle anderen Tiere auszichnet. Gläubige müssen diese Erkenntnis abstreiten oder ignorieren.

3. Wissenschaftlicher Konsens: Emergente Phänomene wie Bewusstsein, Kognition, Emotion, Erinnerung enden, sobald ihre materielle Grundlage endet. Ein Lied endet, wenn der Sänger seine Stimme verliert. Ein Bewusstsein endet, wenn die geordnete, neuronale Datenverarbeitung verloren geht (Schlaf, Narkose, Tod). Das widerspricht dem Konzept einer unsterblichen menschlichen Seele, wie die Theologie ihn fordert. Gläubige müssen diese Erkenntnis abstreiten oder ignorieren.

4. Wissenschaftlicher Konsens: Ein freier Wille, die autonome Urheberschaft eines Individuums an ihren Gedanken und Handlungen (wie die Theologie sie voraussetzt) kann es nicht geben. Gedanken sind Ergebnisse neuronaler Prozesse, die nicht unserer Steuerung unterliegen. Also können auch die Ergebnisse dieser Prozesse (unsere Gedanken und Handlungen) nicht unserer Steuerung unterliegen. Das widerspricht dem Konzept einer libertaristischen Willensfreiheit, wie die Theologie ihn voraussetzt. Gläubige müssen diese Erkenntnis abstreiten oder ignorieren.

5. Wissenschaftlicher Konsens: Christentum und Islam sind kulturelle Erzeugnisse, die aus einfacheren Vorläufern hervorgegangen sind (aus Animismus, Polytheismus). Der Jahwe-Kult (der spätere Gott Abrahams) nahm seinen Anfang als althebräischer Wettergott in einem Kanon verschiedener Götter, die ihrerseits auf frühere, lokale Kulte zurückgehen. Die nachfolgende Priorisierung Jahwes über andere Götter entspringt willkürlichen psychologischen, historischen, kulturellen und politischen Variablen - nicht aber seiner ontologischen Sonderstellung über andere Gottes-Ideen. Gläubige müssen diese Erkenntnis abstreiten oder ignorieren.

6. Wissenschaftlicher Konsens: Menschliches Denken ist stark anfällig für kognitive Verzerrungen wie Bestätigungsfehler, identitär begründete Überzeugungen, Vermenschlichung der unbelebten Umwelt, Verfügbarkeits-Heuristik usw. Die wissenschaftliche Methode versucht, für diese Denkfehler zu korrigieren. Der Gottesglaube aber beruht praktisch auf dem Wirksamwerden dieser kognitiven Fehler. Gläubige müssen diese Erkenntnis abstreiten oder ignorieren.

Ich meine, wo immer wissenschaftliche Erkenntnisse mit religiösen Dogmen in Konflikt treten, wird ein wissenschaftliches Verständnis der Realität erheblich behindert.

Ich frag mich oft beim Lesen: Wie gehen Gläubige mit aktuellen populärwissenschaftlichen Büchern um, z.B. mit Psychologen wie Daniel Kahnemann oder Steven Pinker, mit Kognitionswissenschaftlern (egal wem), mit Biologen wie Neil Shubin oder Jerry Coyne - mit Historikern wie Yuval Noah Harari, mit Physikern wie Stephen Hawking oder David Deutsch - mit Mathematikern wie Max Tegmark und vielen anderen? Die allesamt ein wissenschaftliches Verständnis der Realität voraussetzen, welches mit einer religiös-dogmatischen Weltanschauung überhaupt nicht mehr vereinbar ist.

Die wichtigsten Erkenntnisse über die Realität und über den Menschen basieren auf einem Weltbild, das (unbeabsichtigt) die religiösen Dogmen als absurd nachweist.

Mir fällt auf: beinahe jedes populärwissenschaftliche Buch irgendeines renommierten Forschers unterminiert (völlig unbeabsichtigt) eine christliche oder islamische Weltanschauung. Nicht, weil Atheismus methodisch oder paradigmatisch vorausgesetzt wird - sondern weil die Forschungsergebnisse den religiösen Dogmen komplett widersprechen.

Ist ein wissenschaftlich begründetes Verständnis der Realität überhaupt möglich, solange man an religiösen Dogmen (allgemeiner: an realitätsbeschreibenden Dogmen) festhält?

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Kommentare

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    Norbert Schönecker

    Antwort auf Ihre Überschrift: Nein!

    Zu den Punkten 1 - 4: Die lassen sich zusammenfassen mit der Erwiderung: Ein religiös gläubiger Mensch glaubt, dass es in der Welt mehr gibt, als sich naturwissenschaftlich erforschen lässt. Das zu bestreiten ist genauso dogmatisch, wie es zu behaupten.

    Fakt ist: Wie jede Wissenschaft haben auch Physik und Neurologie ihre begrenzten Forschungsgebiete. Götter und Seelen gehören nicht dazu. Deshalb werden diese Wissenschaften auch keine Götter und Seelen finden. Daraus zu schließen, dass es sie nicht gäbe, wäre aber wissenschaftlicher Humbug.

    Ihre Behauptung, dass die Nichtexistenz eines freien Willens wissenschaftlicher Konsens sei, wage ich als Laie zu bezweifeln. Hier gilt dasselbe wie bei den ersten drei Punkten: Wissenschaftler beschäftigen sich mit dem, was sie wissenschaftlich erforschen können. Ein Neorologe beschäftigt sich mit der neuronalen Verarbeitung von Wahrnehmungen. Andere Einflüsse interessieren ihn als Neurologe nicht. Psychologen sehen das schon etwas anders.

    zu Punkt 5: Historisch wird das an guten theologischen Fakultäten fast genau so gelehrt (mein Alttestamentler sprach von einem Berg- statt eines Wettergottes, was in diesem zusammenhang keine Rolle spielt). Nur der Ausdruck "willkürlich" - ja, der ist von Ihnen willkürlich. Jedenfalls hat die Tatsache, dass die Hebräer nach und nach draufgekommen sind, dass Jahweh einzig ist, und dass sie diese Erkenntnis in Geschichten verpackt haben, die nicht immer historisch haltbar sind, in keiner Weise an meinem Glauben gerüttelt. Warum auch? Jede Erkenntnis kommt stückweise. Die Gotteserkenntnis auch.

    Zu Punkt 6: "Der Gottesglaube aber beruht praktisch auf dem Wirksamwerden dieser kognitiven Fehler." Das bestreite ich. Der Gottesglaube sucht stets die Wahrheit. Er sucht sie halt auch und gerade dort, wo die Naturwissenschaft sie nicht sucht.

    Zu dem, was Sie sich fragen:
    Naturwissenschaftliche Kompetenz bedeutet nicht notwendig theologische und philosphische Kompetenz. Nicht jeder Künstler ist ein guter Politiker, nicht jeder Sportler ein guter Wirtschaftsexperte, nicht jeder Biologe ein guter Theologe. Warum auch?

    Es gibt aber auch fromme Forscher, die sogar ganz entscheidend zum Fortschritt der naturwissenschaftlichen Erkenntnis beigetragen haben. Zum Beispiel die Priester Breuil (Erforschung der Altsteinzeit), Mendel (Begründer der Vererbungslehre), Lemaitre (Begründer der Urknalltheorie), Kneipp (Erfinder der Kneippkur), Kues (ein Wegbereiter der Experimentalwissenschaft). Und das sind ausschließlich katholische Priester. Gläubige Wissenschaftler gibt es unzählige - ich kann alleine vier Physik- oder Astronomieprofessoren in Wien aufzählen (Maitzen, Zeillinger, Thirring, Pietschmann). Die behindern das wissenschaftliche Verständnis der Realität sicher nicht.

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      Volker Dittmar

      "Zu den Punkten 1 - 4: Die lassen sich zusammenfassen mit der Erwiderung: Ein religiös gläubiger Mensch glaubt, dass es in der Welt mehr gibt, als sich naturwissenschaftlich erforschen lässt. Das zu bestreiten ist genauso dogmatisch, wie es zu behaupten."

      Diese typische Erwiderung ist fehlerhaft. Es gibt zu jeder möglichen dogmatischen gegen Kritik immunisierten Behauptung zwar eine spiegelbildliche Gegenposition, die ebenso unwiderlegbar ist. Aber die Projektion der eigenen gläubigen Haltung auf die wissenschaftliche Ansicht ist unsinnig.

      Es ist keineswegs so, dass die Wissenschaft von der Grundposition ausgeht, es ginge alles in der Welt mit natürlichen Dingen zu. Sondern: Man nimmt die vorläufige Position ein, dass es im Universum mit rechten Dingen zugeht und sieht, wie weit man mit dieser Perspektive kommt. Die Position ist widerlegbar, wenn jemand zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Eine durch Beobachtungen widerlegbare Theorie ist nur die bestmögliche Erklärung, besser als die konkurrierenden Hypothesen. Eine widerlegbare Ansicht ist jedoch nicht dogmatisch, sie ist kein symmetrisches Spiegelbild der gegenteiligen dogmatischen Ansicht, da sie nicht gegen Kritik immunisiert wurde.

      Beispiel - Behauptung: Um den Sirius kreist eine Teekanne. Diese Behauptung ist nicht widerlegbar, es gibt aber auch keine Methode, sie zu bestätigen, wenn sie wahr wäre. Es gibt drei verschiedene mögliche Ansichten zur Teekanne:

      1. Es kreist eine Teekanne um den Sirius (dogmatisch, unwiderlegbar, gegen Kritik immunisiert).
      2. Es kreist keine Teekanne um den Sirius (dogmatisch, unwiderlegbar, gegen Kritik immunisiert), symmetrisches Spiegelbild zu 1.
      3. Wir können nicht wissen, ob eine Teekanne um den Sirius kreist, wir haben keine Beweise dafür, oder Indizien, oder Hinweise. oder Argument dafür.

      Aber auch ein Agnostiker wird es für extrem unwahrscheinlich halten, dass um den Sirius eine Teekanne kreist. Er wird also nicht glauben, dass dies der Fall ist, und Annahmen 1. und 2. für unsinnig halten. Sinnvoll ist lediglich 3.

      Wir reden hier aber nicht über so etwas wie die Teekanne. Denn: Wir reden von einer Haltung, die, wenn sie wahr wäre, nachweisbare Spuren hinterlassen würde. Wir reden über eine Teekanne, die, wenn sie existieren würde, auch (indirekt) beobachtbar wäre. Man hätte also Indizien finden müssen, diese existieren nicht, folglich existiert mit hoher Wahrscheinlichkeit die Teekanne nicht. Es wird aber nicht dogmatisch ausgeschlossen, dass es sie nicht gibt. Sondern: Bis zum vorliegen eines konkreten Nachweises ist es nicht sinnvoll, davon auszugehen, dass besagtes Objekt um den Sirius kreist.

      Wenn es einen Einfluss auf die Evolution gegeben hätte, müsste man Spuren davon gefunden haben. Man hat solche Spuren nicht gefunden, obwohl es dazu Millionen an Gelegenheiten gegeben hätte. Folglich ist es unsinnig, an der dogmatischen Behauptung eines übernatürlichen Einflusses festzuhalten.

      Wovon die Gläubigen reden ist stets ein "Einfluss, der prinzipiell nicht nachweisbar ist". Die Wissenschaft hingegen sagt: Wenn es einen Einfluss gibt, ist dieser auch nachweisbar. Einfluss ist Einfluss.

      Andere Analogie: Ich habe 100 Euro in meiner Brieftasche. Ich behaupte, dass mir jemand 20 Euro gestohlen hat. Ich zähle nach, es sind 100 Euro. Analog behauptet der Gläubige, dass trotzdem auf "übernatürlichem Wege" mir 20 Euro gestohlen wurden, und dass es dogmatisch sei, wenn ich dies ausschließe. Das ist es nicht, ich habe nachgezählt - es ist auch nicht dogmatisch, wenn ich davon ausgehe, dass ich es merken müsste, wenn ich tatsächlich bestohlen worden wäre.

      Dieser Fehler zieht sich durch den kompletten Einwand, wie ein roter Faden. Was natürlich zeigt, dass das Argument #6 korrekt ist: Der Gläubige begeht Denkfehler, wenn er an seiner Ansicht festhält. Er konstruiert eine Schein-Gegenposition, deren Widerlegung er betreiben müsste, um seine Ansicht zu untermauern. Eine Position zu akzeptieren weil man das Gegenteil nicht beweisen kann, ist purer Unsinn. Noch mehr, wenn man deutlich macht, dass man ohnehin keine Gegenbeweise akzeptiert. Wissenschaftler jedoch akzeptieren eine Widerlegung, dass ist ein Riesenunterschied.

      Was die Gläubigen machen: Sie schließen dogmatisch aus, dass eine andere als ihre Ansicht beweisbar ist. Sie ignorieren tausende von Beweisen und konzentrieren sich auf die "fehlenden Gegenbeweise". Das ist das, was man in der Psychologie als "Bestätigungsfehler" bezeichnet. Man zählt die Treffer und ignoriert die Fehlschläge. Das ist die Wurzel allen Aberglaubens, wie schon Francis Bacon wusste. Aber im Prinzip ist jeder Beweis, dass es in der Welt natürlich zugeht, ein Gegenbeweis zu der supernaturalistischen Grundhaltung der Gläubigen. Noch mehr wenn man zugibt, dass es prinzipiell keine Beweise für die eigene Position geben kann. Was nur bedeutet, dass der Supernaturalismus prinzipiell sinnlos ist, reiner Unsinn.

      Man kann Unsinn nicht widerlegen. Wenn man einen Einfluss behauptet, der sich nicht nachweisen lässt, kann man jeden Unfug glauben, z. B., dass die Erde sich bewegt, weil Kobolde sie schieben. Ich kann diese Kobolde so definieren, dass ihr übernatürlicher Einfluss sich von keinem nachgewiesenen natürlichen Einfluss unterscheidet. Nur unterscheidet sich das prinzipiell nicht von der Position, dass es keine Kobolde gibt, die die Erde schieben. Wir nennen gleich, was wir nicht unterscheiden können. Was der Gläubige sagt: "Es gibt einen Unterschied, nur können wir den nicht feststellen, weil Du keine Beweise finden kannst oder wirst, oder keine bisher gefunden hast, die meine Position beweisen. Ich werde Deine Beweise nicht akzeptieren, so dass Du prinzipiell nie wirst zeigen können, dass es keinen Unterschied gibt. Denn es ist mir gleich, wie viele Beweise Du für Deine Ansicht auch immer finden wirst, ich halte dogmatisch an meiner Meinung fest."

      Es würde aber EIN Beweis reichen, und dieser würde von der Wissenschaft akzeptiert, um zu zeigen, dass eine supernaturalistische Ansicht einen Unterschied macht. Wir haben also eine Position, die beliebig viele Beweise ignoriert, versus einer, bei der schon EIN EINZIGER Beweis ausreicht, sie zu widerlegen. Da ist es purer Unsinn, zu behaupten, beide wären "gleichwertig dogmatisch".

      Und wenn man nicht mehr als solchen Unsinn hat, um an seiner Ansicht festzuhalten, dann ist das ein starkes Argument für Position #6.

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        Norbert Schönecker

        Sie gehen davon aus, dass ein Eingriff Gottes in die Welt nachweisbar sein müsste. Das stimmt so nicht immer.
        Es gibt in der Welt Zufälle. Für den Physiker ist das das Quantenverhalten, für den Evolutionsbiologen die Mutation.
        "Der Zufall ist eine Möglichkeit, bei dem Gott in die Welt eingreifen könnte, ohne dass wir es ihm ihn nachweisen könnten."
        Dieser Satz stammt nicht von mir. Er stammt von Prof. Zeilinger. (http://diepresse.com/home/presseamsonntag/1379827/Zufall-ist-wo-Gott-inkognito-agiert) Das ist Österreichs bekanntester Quantenphysiker.
        Ich, als Theologe, würde das auch nicht so sagen. Es besteht die Gefahr, dass am Rückzugsgefecht Gottes teilnehme - von "Gott lässt es donnern" über "Gott hat die Augen designt" bis zum letzten Zufluchtsort "Gott bestimmt das Quantenverhalten". Da möchte ich nicht mittun.
        Es handelt ich also nicht um eine Aussage eines Theologen, sondern um die eines Physikers: Nicht jeder Eingriff eines übernatürlichen Wesens in die Natur wäre für uns als solche erkennbar. Dabei ist noch nicht gesagt, ob es sich um Jahweh, Wotan, ein Wesen aus einem Paralleluniversum, um Q aus "Star Trek" oder um das Fliegende Spaghettimonster handelt.

        Für die Arbeit des Naturwissenschaftlers spielt das auch keine Rolle. Im selben Interview sagt Zeilinger: "Als Naturwissenschaftler bin ich Agnostiker, weil ich naturwissenschaftlich Gott nicht beweisen kann. Aber als Mensch bin ich weder Agnostiker noch Atheist." Das halte ich für sehr vernünftig.
        Ein Neurologe, der Hormone erforscht, soll sich ja auch nicht in seiner Arbeit beeinflussen lassen, je nachdem, ob er gerade verliebt ist oder nicht. Oder ob er grundsätzlich an wahre Liebe glaubt oder sie nur als zweckmäßiges Verhaltensmuster betrachtet.

        Mit der Erfahrung von Liebe - oder von Glück, oder Sinn, oder Güte, oder Schönheit - kommen Menschen dem christlichen Gott auch viel leichter nahe als mit Naturwissenschaft oder Logik. All das sind Erfahrungen, die fast jeder Mensch regelmäßig macht. Ein Mensch hört erhebende Musik .. er verliebt sich ... er erfährt Freundschaft ... er wird Vater/Mutter .. all das erfahren wir intuitiv als mehr als bloße elektrochemische Reaktion im Gehirn.

        Intuition ist natürlich kein Beweis. Aber Erfahrungen, die von 99% aller Menschen gemacht werden, sind ein Argument. Kein naturwissenschaftliches, schon gar kein mathematisches. Aber ich ja in erster Linie ein Mensch und kein Logiker.

        Wenn ich behaupte, dass eine Symphonie Beethovens mehr ist als die Schallwellen, dass Kunst die Realität transzendiert - behindere ich dann das wissenschaftliche Verständnis der Realität?

        Ich sage im Gegenteil: Die Behauptung, dass es diese Transzendenz nicht gäbe, ist dogmatisch.

        Dass die wissenschaftliche Methode sinnvollerweise so arbeiten MUSS, wie Sie es beschrieben haben (schauen wir einmal, wie weit wir ohne übernatürliche Annahemen kommen) - da bin ich ganz bei Ihnen. Deshalb betrachte ich meinen Gottesglauben (und den von Zeilinger, Maitzen und Co.) nicht als Behinderung des wissenschaftlichen Verständnisses der Realität.

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        Konrad Schiemert

        Nur eine kurze Benrkung über gläubige Naturwissenschaftler. Meinen diese Leute tatsächlich ernst, dass sie an Existenz der Götter glauben? Oder sind sie nur sonntags zwischen 10 und 11 Uhr gläubig? Ich persönlich sehe so, dass heute Glaube und Naturwissenschaft sich gegebseitig ausschließen, wenn man als Wissenschaftler auch über den Tellerrand guckt um Zusammenhänge auch zu verstehen. Oder nennen wir Wissenschaftler jemanden, der in einem engem Bereich nur viel Wissen hat ohne Interesse für das "globale Bild"?
        Wie erklärt ein gläubiger Astronome die Schöpfung? Schuf Gott gleich am ersten Tag alle 100 bis 300 Sterne der Milchstraße? Über die anderen "Gott weiß" wie viele Galaxien müssen wir gar nicht reden. Oder "leidet" der gläubige Astronome an selektiven Wahrnehmung? Oder kommt der klassische Erklärungsversuch: "Wir müssen nicht alles was in der Bibel (oder wo auch immer) steht wörtlich nehmen"? Wenn ja, welcher gläubiger Astronom übernimmt die ungeheuer große Verantwortung uns zu sagen, was wir wörtlich und was wir nur symbolisch verstehen müssen?
        Für mich sind diese Fragen genug Grund um nochmal zu behaupten: Glaube und Naturwissenschaften schließen sich aus.

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          Norbert Schönecker

          Ich nehme an, dass ein Mensch, der sich selbst in einem Zeitungsinterview oder im Fernsehen als gläubig oder sogar explizit als Christ bezeichnet, das auch ernst meint. Und das taten die von mir oben genannten.
          In der Wiener Kirchenzeitung vom 11.2. ist außerdem ein Interview mit Martin Nowak. Er ist Mathematiker und Evolutionsexperte, Universitätsprofessor in Harvard. Link: https://www.erzdioezese-wien.at/site/home/nachrichten/article/55312.html Für ihn schließen Glaube und Naturwissenschaft einander offenbar nicht aus.

          Zu unterscheiden, welche Bibelpassagen wortwörtlich und welche symbolisch zu verstehen sind, ist keine Aufgabe für Astronomen. Dazu gibt es Theologen und Literaturwissenschaftler. Niemand, der sich mit literarischen Gattungen auskennt, käme auf die Idee, das erste Kapitel des Buches Genesis als naturwissenschaftliches Lehrbuch zu interpretieren. Es handelt sich um einen Hymnus. Gerade ein Naturwissenschaftler, der über den Tellerrand guckt, weiß das auch.

          Dass es in der Bibel Mythen, Hymnen, Liedertexte, Märchen, Fabeln, Sagen, Gleichnisse, Listen, historische Berichte, Kriegsberichterstattungen (wie immer parteiisch), Briefe, Romane, Parodien, gesetztestexte und auch sonst noch einiges gibt, ist übrigens kein wohlgehütetes Geheimnis, sondern Lehrplanstoff in Gymnasien.

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        Konrad Schiemert

        Danke für Ihre Antwort.
        Ich habe das Interview gelesen. Die wichtigste Frage "Und gibt es einen wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes?" wird mit "...die Anwesenheit Gottes etwas sehr Vernünftiges ist." Das ist keine Antwort was man von einem Wissenschaftler erwartet. Meine Antwort ist auf die Titelfrage bleibt also "Nein".

        Was die Bibel betrifft, Sie haben natürlich Recht. Ich habe sie vom Anfang bis Ende gelesen. Was mich beschäftigt ist die Einstellung der Gläubigen: etwa "Jedes Wort der Bibel ist wahr!" (Und wer daran gezweifelt hat, war vor paar Hundert Jahren reif für den Scheiterhaufen.) Wenn man über die Widersprüche in der Bibel redet, sie werden von streng Gläubigen einfach ignoriert.

        Wenn "aufgeklärte" oder "moderate" Christen die Bibel nicht so wortwörtlich lesen und verstehen, wie wollen sie trotzdem die Bibel als Beweis für Existenz Gottes betrachten? Sie interpretieren Teile rein symbolisch, aber die Existenz der Götter (des Gottes) wird nie symbolisch interpretiert. "Dies und das in der Bibel kann Märchen sein, aber Gott existiert mit Sicherheit." Dieser Einstellung ist das was ich nie akzeptieren kann.

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          Volker Dittmar

          Norbert Schönecker: "Sie gehen davon aus, dass ein Eingriff Gottes in die Welt nachweisbar sein müsste. Das stimmt so nicht immer."

          Das muss es auch nicht - es reicht ein minimaler Einfluss. Neutrinos kann man nachweisen, obwohl die so gut wie nie mit unserer materiellen Welt kollidieren. "So gut wie nie" heißt: Wenn man mehrere Millionen Liter Wasser in einem Tank hat, dann kollidiert im Durchschnitt alle zwei Jahre einmal ein Neutrino mit einem Atomkern und löst einen charakteristischen Lichtblitz aus. Den Wissenschaftlern reicht das.

          Als Psychologe bin ich es gewöhnt, dass sich menschliches Verhalten meist nur mit Statistik erfassen lässt. Weil wir es oft mit subtilen Einflüssen zu tun haben, die sich schwer nachweisen lassen. Schwer - aber nicht unmöglich. Anfang des vorigen Jahrhunderts hat Francis Galton folgenden Versuch unternommen: Er hat die Statistiken der Schiffsversicherer durchforstet. Wenn man annimmt, dass für Schiffe, die der Kirche gehören, oder bei denen Priester oder Mönche an Bord sind, häufiger gebetet wird als für Schiffe, bei denen das nicht der Fall ist, müsste sich ein Einfluss Gottes statistisch nachweisen lassen - sie dürften weniger häufig sinken. Tatsächlich gibt es aber keine Unterschiede. Drei große Versuche zur Wirkung des Betens in letzter Zeit haben bewiesen, dass bei vergleichbaren Operationen Menschen, für die gebetet wird, nicht besser abschneiden.

          Kein Theologe hätte darauf gewettet, dass es anders ausgeht. Stattdessen hört man dieselben Ausreden: Gott will nicht, dass man ihn beweisen kann, also sabotiert er derlei Tests, indem er sich zurückhält. Das nenne ich den "Roßtäuschergott". Er sagt sich: "Klar könnte ich den Menschen helfen - ich tue es aber nicht, um sie über meinen Einfluss zu täuschen". Kurz, er lässt Menschen krepieren, weil er sonst seinen Gläubigen ein Argument für ihren Glauben liefern könnte. Er lässt Schiffe mit Priestern absaufen, weil er wusste, dass eines Tages Francis Galton nachprüfen würde, ob die Anwesenheit von Priestern etwas über seinen Einfluss verrät. Dass es keinen Gott gibt, der einen Einfluss bewirkt, ist aber die glaubwürdigere Hypothese.

          Dass es Wissenschaftler gibt, die an Gott glauben, zeigt auch nichts. Wir Menschen neigen allgemein zu einer Reihe von kognitiven Fehlern, die die Basis für Religion sind. Wissenschaftler sind darauf trainiert, diese Fehler während der Arbeit zu vermeiden, aber in ihrer Freizeit sind sie Menschen wie wir und ebenso anfällig wie wir. Manchmal sogar bei ihrer Arbeit, was man auch sehr schön in Statistiken zeigen kann.

          Ich halte Religion für ein Epiphänomen kognitiver Fehler, die sich im Verlauf der Evolution unserer Vorfahren als nicht lebensbedrohend erwiesen haben - einige davon, wie die Tendenz zur Überbewertung von Mustern und der häufige Fehlalarm bei der Entdeckung des Wirkens intentionaler Agenten waren dem Überleben sogar förderlich. Religion beutet diese Schwächen aus.

          Beispiel: Nehmen wir an, ein Flugzeug mit 100 Insassen stürzt ab. "Wie durch ein Wunder" gibt es keine Toten. Preiset Gott ...

          Gab es 50 Tote und 50 Überlebende, preisen die Überlebenden Gott, der ihre Gebete erhört hat und sie verschonte. Niemand weiß, ob die Toten vor dem Absturz nicht noch inbrünstiger gebetet haben ...

          Gab es 99 Tote und einen Überlebenden, dann ist das ein Wunder Gottes - der bewirkt hat, dass einer überlebte.

          Gab es keine Überlebenden, dann preiset Gott, weil er das Flugzeug nicht in die nah gelegene Schule hat stürzen lassen. Wenn es in die Schule stürzte, dann preiset Gott, weil nicht alle Schüler umgekommen sind. Wenn alle anwesenden Schüler umkommen, dann ist es ein Wunder, dass einige verschont wurden, weil sie aus verschiedenen Gründen nicht anwesend waren. Wir können hier aufhören, weil es nur wenige Tage in einer Dekade gibt, an der wirklich alle Schüler in einer Schule anwesend sind. Wenn das dennoch der Fall wäre, dann preiset Gott, weil er - nicht die Feuerwehrleute, die unter Einsatz ihres Lebens das Feuer bekämpft haben - verhindert hat, dass das Krankenhaus neben dem Gelände auch noch in Brand geriet ... usw. usf.

          Die Treffer zählen und die Fehlschläge ignorieren ist die Wurzel allen Aberglaubens, wusste schon Francis Bacon. So kommt man dann auf einen Einfluss Gottes, ganz gleich, was passiert - aber nie darauf, dass es einen solchen nicht gibt. Und dann nennt man die dogmatisch, die auf den korrekten logischen Schluss kommen! Wenn ich es als Hypnosetherapeut nicht gewöhnt wäre, täglich mit Menschen und ihren kognitiven Defekten umzugehen, dann würde mich das sehr wundern.

          Wissenschaftler, die an Gott glauben, sind ein Argument für Gott - die Mehrheit der Wissenschaftler, die nicht an Gott glauben, sind aber kein Argument dagegen. Treffer zählen, Fehlschläge ignorieren - Aberglauben. Verhinderte Katastrophen zählen für Gott, eingetretene Katastrophen nicht dagegen - Aberglauben. Eingetroffene Gebetserhörungen sprechen für Gott, das Gegenteil nicht dagegen - Aberglauben. Ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. Theologen kennen zwar alle Argumente für Gott (Gottesbeweise darf man die ja nicht mehr nennen, weil Hume und Kant ihre Fehlerhaftigkeit bewiesen haben), aber kaum eines gegen Gott, außer dem Theodizeeproblem. Aber das drängt sich auch geradezu auf ... es springt einem ins Gesicht, aber auch das kann man ja ignorieren. Aberglauben ...

          Zufälle werden also ins Feld für Gott geführt, aber nur, wenn sie positive Effekte hatten. Negative Zufälle ignoriert man. Aberglauben ...

          Kein Wissenschaftler könnte so arbeiten, oder nicht lange. Aber wenn man beide Seiten betrachtet, Treffer und Fehlschläge, dann kann man von da aus nicht auf Gott kommen. Weil sich erst dann zeigt, dass es keinen gibt. Solange ich aber nur die Treffer zähle, komme ich mühelos auf Gott. Denken Sie darüber nach, lassen Sie sich Zeit - ich habe über zehn Jahre gebraucht, das zu verstehen. Denn ich war früher sehr gläubig, ich kenne also beide Seiten.

          Sie sind jetzt übrigens bei der zweiten Verteidigungslinie angekommen. Die erste ist: Religion ist wahr. Von der haben Sie sich zurückgezogen, allerdings ohne den letzten Halt aufzugeben, den angeblichen Dogmatismus. Aber da habe ich gezeigt, dass dies unhaltbar ist. Die zweite lautet: Religion ist nützlich (für das Individuum und/oder die Gesellschaft). Aber das ist ein anderes Thema, das uns hier nicht zu interessieren braucht. Ich denke, ich könnte Sie auch hier ganz schnell zum Rückzug bringen - ich kenne nämlich die meisten psychologischen Studien zur Religion, da haben Sie keine Ahnung, wie schlecht Ihre Karten sind. Und Moral ist die Achillesferse des Monotheismus, dort ist er am leichtesten verwundbar, denn es gibt neun Probleme, von denen ein jedes für sich genommen schon ausreicht.

          Wir können auch gleich bei der dritten Linie weitermachen: Atheismus schadet der Gesellschaft. Aber was machen Sie, wenn Sie auch diese Position verlieren?

          Ich kenne die Antwort schon: Weiterhin die Treffer zählen und die Fehlschläge ignorieren. Ich weiß auch warum. Aber es nützt nichts, wenn ich Ihnen das erkläre, da müssen Sie selbst durch.

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            Konrad Schiemert

            Korrektur: Meine Antwort ist auf die Titelfrage bleibt also "Ja".

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              Volker Dittmar

              Norbert Schönecker: "Zu unterscheiden, welche Bibelpassagen wortwörtlich und welche symbolisch zu verstehen sind, ist keine Aufgabe für Astronomen. Dazu gibt es Theologen und Literaturwissenschaftler. Niemand, der sich mit literarischen Gattungen auskennt, käme auf die Idee, das erste Kapitel des Buches Genesis als naturwissenschaftliches Lehrbuch zu interpretieren. Es handelt sich um einen Hymnus."

              Dann erklären Sie uns doch mal, wie ein Theologe oder Literaturwissenschaftler anhand der Bibel darauf kommen soll, dass die Erde als Kugel um die Sonne kreist, und die Sterne ähnliche Sonnen sind wie unsere. Also, woher sollte man durch rein literarische Studien wissen, dass alles, was in der Bibel dazu steht, rein metaphorisch zu verstehen ist?

              Sehen Sie - die ersten Christen wussten das nicht. Giordano Bruno, der u. a. behauptet hat, die Sterne seien Sonnen, wurde u. a. dafür bei lebendigem Leib verbrannt. Weil man doch aus der Bibel wusste, dass er Unrecht hatte (hatte er aber nicht). Die ganze Grundlage des Christentums beruht auf den falschen Vorstellungen der frühen Christen - das ist ihr Fundament.

              Denn, eines will ich Ihnen sagen: Wenn die Erde im Zentrum des Sonnensystems stünde, es nur eine Sonne gäbe, unser Sonnensystem von einer Kuppel umgeben wäre, an der nachts Lampen leuchten, und die Erde knapp 10.000 Jahre alt wäre - also alles so ist, wie in der Bibel beschrieben - ich würde nicht eine Sekunde zweifeln, dass dies alles von Gott geschaffen wurde. Dann gäbe es diese Website nicht.

              Dass man es "metaphorisch" verstehen muss, darauf kam man erst lange nachdem sich erwiesen hat, dass es falsch ist. Vorher ist auf diese Idee keiner gekommen, und danach hat es dann noch meist Jahrhunderte gedauert. Bis auf die, die immer noch daran festhalten. Es sind nur weniger geworden, und sie halten sich zäh, weil die Formel "Sobald etwas in der Bibel als falsch bewiesen wurde, zählen wir es automatisch zu den Dingen, die metaphorisch gemeint sind" so verdammt unplausibel ist. Aber mehr ist das doch nicht. Es läuft immer nach demselben Schema ab:

              Die Bibel behauptet, dass Moses sein Volk aus Ägypten geführt hat - das ist geschichtlich wahr - die Archäologen kommen darauf, dass es dieses Ereignis nie gegeben hat - man bekämpft die Archäologen - die behalten recht - und sobald man es eingesehen hat, die einen früher, die anderen später - schwupps! Hokus, Pokus, Fidibus - ist es "von Anfang an" metaphorisch gemeint gewesen, schon immer. Dieser lächerliche Prozess zieht sich schon seit Jahrhunderten wie ein roter Faden durch die Auseinandersetzungen.

              Erkennen Sie das Muster? Behauptet die Bibel, dass etwas wahr ist, und man hält es für wahr - ein Treffer, der beweist, wie gut die Bibel ist. Stellt sich bedauerlicherweise heraus, dass es falsch ist - aber erst, wenn man es mit Zähnen und Klauen verteidigt hat und die eigene Position unhaltbar wurde - dann ist das kein Argument gegen die Bibel oder den Glauben, denn man kann es ignorieren - man muss es nur metaphorisch deuten. Treffer zählen, Fehlschläge ignorieren ... Aber glauben kann man es trotzdem

              Nur ist alles ganz anders, und zwar so, wie man es erwarten würde, wenn es keinen Gott gibt, der alles erschaffen hat. Glaubt man es trotzdem, muss man nur 99,9999999999999999999...999% des Universums ignorieren. Darin ist man geübt, darauf ist man stolz!

              Fazit: Ohne Astronomen wüssten Theologen doch nicht, was man wörtlich und was man metaphorisch deuten müsste. Das gilt für jede Behauptung in der Bibel. Mythologien muss man metaphorisch deuten, das ist klar - und die Bibel ist reine Mythologie. Warum deutet man Gott nicht metaphorisch, oder Jesus, oder letzteren nur teilweise?

              Im Heidentum lautet die (vorchristliche!) Definition für Götter so: Götter sind in Mythen (von Menschen erfundenen Geschichten) moralische Leitbilder. Deswegen muss man die Geschichten auch metaphorisch deuten. Jahwe, Jesus - das sind Götter im heidnischen Sinne. Sie stehen - für Heiden - auf einer Stufe mit Thor, Odin, Freya u. v. a. m. Ich sympathisiere übrigens sehr stark mit dem Heidentum, meine Freundin ist Heidin. Ich halte den Monotheismus für einen gewaltigen Rückfall hinter das Heidentum, obwohl die Monotheisten es gerne andersherum darstellen. Alles, was am Monotheismus was taugt, ist heidnischen Ursprungs - wie auch die ganzen Werte unserer Gesellschaft, beispielsweise Demokratie - nicht nur Weihnachten und Ostern.

              Warum nimmt man die ganze Jesus-Legende nicht rein metaphorisch? Ah, weil noch nicht von allem akribisch nachgewiesen wurde, dass es falsch ist ... Obwohl, eigentlich schon, literarisch sind die Evangelien Romane, die auf romanhafte Weise eine Geschichte erzählen, die aus anderen Bausteinen zusammengesetzt wurde.

              Der ewige Kampf des Gläubigen gegen seine Zweifel, verschlimmert noch um die Zweifel anderer - das bindet intellektuelle Kräfte. Sich von dieser Bindung zu befreien heißt, Kraft zu gewinnen.

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                Norbert Schönecker

                S.g. Herr Dittmar!

                Zum Thema Bibel:
                Das Erkennen und Unterscheiden literarischer Gattungen ist v.a. eine Sache von Literaturexperten. Diese Wissenschaft hat sein den Tagen Giordano Brunos große Fortschritte gemacht. Die Kirche hat, mit der ihr eigenen längeren Verzögerung, die Erkenntnisse der Literaturwissenschaft aufgegriffen.

                Dass das erste Kapitel von Genesis ein Hymnus ist, erkenne ich nicht daran, dass es naturwissenschaftlich falsch ist. Ich erkenne es daran, dass es in Strophen gegliedert ist und einen Refrain hat. Diese Strophen und den Refrain hatte es schon immer. Sie wurden nur lange nicht beachtet. Aber: Es war immer schon ein Hymnus. Und die Psalmen waren immer schon Lieder. Und Hymnen und Lieder wollten noch nie astronomisch gedeutet werden. Wer das getan hat, tat es aus Mangel an literarischer Kenntnis. Nicht aus Mangel an Astronomie.

                In der (überaus schönen) österreichischen Bundeshymne heißt es: "Heiß umfehdet, wild umstritten, / liegst dem Erdteil du inmitten" Das ist falsch. Österreich liegt nicht in der Mitte Europas. In einem Geographieexamen wäre das ein übler Fehler. Aber es ist kein Geographiebuch, es ist ein Hymnus, und wer das missversteht, hat entweder keine Ahnung von Literatur, oder er versteht es absichtlich falsch.

                Die Bischöfe zur Zeit Brunos haben es, denke ich, absichtlich falsch verstanden, um ihn loszuwerden. Es war purer Mord. Bei Galilei ist das sogar ziemlich sicher, nur war es erfreulicherweise kein Mord.

                Die Evangelien könnte man literarkritisch als Romane oder Erzählungen deuten - so wie Tobit oder Jona es sicher sind. Bei den Evangelien spricht dagegen, dass die Apostel (die reichlich sicher als historisch anzunehmen sind, besonders Petrus) für die Echtheit der Auferstehung gestorben sind. Wenn Petrus gesagt hätte: "Jesus lebt in seinen Lehren weiter, sein Körper aber verwest im Grab" - dann hätten die Hohepriester keinen Grund für eine derart heftige Verfolgung gehabt. Er aber beharrte auf dem historischen Jesus, genauso wie viele andere Augenzeugen. Er setzte sein Leben dafür ein. Aus diesem Grund halte ich die Evangelien im Kern für eine Biographie, keinen Roman.
                Die Weihnachtsgeschichte hingegen scheint im Nachhinein dazugedichtet worden zu sein; aus theologischen Motiven. Genau deshalb wird sie von den meisten Theologen für unhistorisch gehalten; und das, obwohl sie keineswegs wissenschaftlich widerlegt wäre. Sie ist aber derart durchkonstruiert, mit derart vielen theologischen Anspielungen, dass sie offensichtlich ein theologisches Lehrstück ist.
                Denkbar wäre für einen gläubigen Menschen auch, dass Christus absichtlich seine Geburt nach Bethlehem verlegt und den Kindermord inszeniert hat, um Parallelen zu Moses und David herzustellen. Nur: das spielt dann keine Rolle mehr. Dem gläubigen Leser wird mitgeteilt: Jesus ist der Erlöser und König. Ob in Form eines Märchens oder eines Tatsachenberichts - das ist egal. Auf die Botschaft kommt es an, nicht auf deren Form.

                Die Botschaften der Bibel versuchen grundsätzlich Antworten zu geben auf die alten fragen der Menschen: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was ist gut und böse? Was darf ich hoffen? Wer in der Bibel liest, um etwas über Astronomie oder Vorgeschichte zu erfahren, ist sowieso auf dem Holzweg.

                Wie viel von der Bibel historisch korrekt ist, das ist für meinen Glauben relativ egal. Ich bin auch überzeugt, dass in Exuperys "Kleinem Prinzen" nicht der kleinste Funke korrekter Astronomie steckt. Und doch ist in diesem wunderbaren Märchen viel Wahrheit. So ähnlich lese ich auch die Bibel.
                Der Unterschied ist: Den dreifaltigen Gott selbst halte ich nicht für eine Märchengestalt, sondern für real gegenwärtig. Bei mir kam aber der Glaube an Gott vor der Bibellektüre, und er wurde in meinem Leben durch viele persönliche Erfahrungen bestätigt. Wie das mit persönlichen Erfahrungen nun mal ist: die sind selten beweisbar. Aber sie sind für die Lebensführung viel entscheidender als wiederholbare Experimente.

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                  Hard Frost

                  Ich empfinde Ihre Argumente entweder als nicht stichhaltig oder irgendwie am Thema vorbei.
                  Indes, Ihre Hartnäckigkeit führt zu interessanten Kommentaren. Ohne diese wäre es sicherlich nur halb so spannend auf dieser Seite.

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                    Volker Dittmar

                    Norbert Schönecker: "Die Evangelien könnte man literarkritisch als Romane oder Erzählungen deuten - so wie Tobit oder Jona es sicher sind. Bei den Evangelien spricht dagegen, dass die Apostel (die reichlich sicher als historisch anzunehmen sind, besonders Petrus) für die Echtheit der Auferstehung gestorben sind."

                    Für die Existenz der Apostel gibt es keinerlei historische Belege, so wenig wie für Jesus oder Paulus. Da keiner weiß, ob sie überhaupt gelebt haben, kann auch niemand wissen, wie und wofür sie gestorben sind. Wie wir wissen sind von der frühen Kirche viele solcher Märtyrerlegenden gestrickt worden.

                    Für die Sekte "Heavens Gate" sind auch viele Menschen gestorben. Macht dies den UFO-Unsinn, den sie verbreitet haben, auch nur einen Deut wahrer? Keine Idee wird dadurch wahr, dass jemand dafür stirbt. Kaum jemand nimmt an, dass der Tod der Attentäter vom 11. September irgendwie ein Indiz dafür ist, dass es ein Paradies gibt, in dem 72 Jungfrauen auf den Dschihadisten warten. Nur Christen würden für ihre Ansichten gerne eine Ausnahme machen. Gut, Muslime auch, wenn auch für eine widersprechende Meinung.

                    Wie soll ich aufgrund von Toten entscheiden, die sich für eine Sache geopfert haben, ob die Idee, für die sie starben, wahr ist? Soll ich die Zahl derer zählen, die sich geopfert haben? Dann liegt der Islam momentan vorne.

                    Das "Argument" ist von purer Verzweiflung gekennzeichnet. Wir wissen zudem, dass Anhänger von Kulten nach dem Fehlschlag von Prophezeiungen ihre Ideen umso stärker vertreten, siehe: Festinger, L., H. Riecken, und S. Schachter. When Prophecy Fails: A Social and Psychological Study of a Modern Group That Predicted the Destruction of the World. Mansfield Centre, CT: Martino Fine Books, 2011.

                    Das kommende "Reich Gottes" ist so eine falsche Prophezeiung. D. h., selbst wenn man die Legenden für bare Münze nimmt, kann man hier dieselbe Psychologie am Werk sehen.

                    "Die Weihnachtsgeschichte hingegen scheint im Nachhinein dazugedichtet worden zu sein; aus theologischen Motiven. Genau deshalb wird sie von den meisten Theologen für unhistorisch gehalten; und das, obwohl sie keineswegs wissenschaftlich widerlegt wäre. Sie ist aber derart durchkonstruiert, mit derart vielen theologischen Anspielungen, dass sie offensichtlich ein theologisches Lehrstück ist."

                    Wenn man sich die Evangelien ansieht, so sind diese auch in sehr stringenter Weise durchkonstruiert. Mehr noch als die Weihnachtsgeschichte. Siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=2e7uhaed594&t=1795s, da wird das ausführlich erläutert. Das ist ein guter Grund, sie für reine literarische Fiktionen zu halten.

                    Die frühen gebildeten Heiden waren schon so schlau, zwischen "Mythos" und "wahren Erzählungen" zu unterscheiden. Das wird deutlich, wenn man die frühe Kritik der Heiden Porphyrios und Celsus aus den Schriften der christlichen Apologeten rekonstruiert: Der Mythos des sterbenden und auferstehenden Gottes war ihnen wohlbekannt, sie wussten aber auch, wie er gedeutet werden muss: Als Metapher für das Sterben der Natur im Winter und ihre Auferstehung im Frühjahr. Sie warfen beide den Christen ein "literalistisches Missverständnis" vor.

                    Der Vorwurf ist berechtigt. Viele Christen haben die Bibel wirklich wie ein Astronomiebuch gelesen. Nach der Kosmologie der Bibel ist die Existenz eines Schöpfers auch hoch plausibel (siehe vorige Antwort von mir).

                    Schritt für Schritt hat man sich von dieser Position zurückziehen müssen. Damals wie heute hat man die Wissenschaft mit denselben Argumenten bekämpft. Diese sind immer noch falsch, immer noch hofft man, wenigstens einen kleinen Kern aufrecht erhalten zu können. Aber dieser Kern weist nur eine Tendenz auf: Er schrumpft. Je genauer man hinsieht, umso mehr schrumpft er. Man braucht keine prophetische Gabe, um zu sehen, worauf das hinausläuft.

                    Jetzt ist man wenigstens schon so weit, den mythologischen Charakter von großen Teilen der Bibel anzuerkennen. Der letzte historische Teil des AT, der von jüdischen Archäologen noch verteidigt wird, ist dieser: David könnte möglicherweise die einzige historische Gestalt des AT sein. Er war aber kein großer König oder Fürst, sondern ein Warlord, der über ein paar Dörfer herrschte. Alles andere an der Historie des AT ist falsch. Moses gab es nicht, Salomon hat nie existiert, wohin man auch sieht: Legenden.

                    Auf dieser Basis stehen sowohl das NT als auch der Koran.

                    Verteidigt wird immer der Teil, den man noch so gerade eben gegen Widerlegung immunisieren kann. Die alten Heiden waren klüger, für sie stellte sich die Frage nach einem historischen Kern nicht.

                    Denn der Mythos beschreibt nicht die Welt, wie sie ist - dafür ist die Wissenschaft zuständig. Sondern der Mythos beschreibt unser Verhältnis zur Welt, unseren Umgang, unsere Hoffnungen und Träume. Das kann beträchtlichen Einfluss auf unser Leben haben: Ich bin Hypnosetherapeut, wir nennen das "Life changing short stories", kurze Geschichten zur Änderung des Lebens. Wir erzählen solche erfundenen Geschichten - ob erfunden oder nicht, darauf kommt es nicht an - um Anregungen zu geben, Denkanstöße. Es geht nie um "Wahrheit", es geht um die subjektive Verarbeitung der eigenen Stellung im Leben. Aber sich an einen "wahren Kern" solcher Geschichten zu klammern ist lächerlich. Es ist auch nicht notwendig. Daraus abzuleiten, wie die Welt wirklich ist, wäre eher das Thema von Sitcoms.

                    Die "Bestätigung durch persönliche Erfahrungen" ist deswegen nicht beweisbar, weil auch fiktive Charaktere, erfundene Geschichten, sogar Lügen unser Leben in einer Weise verändern können, die das alles real erscheinen lassen. Ja, das kann für die Lebensführung entscheidend sein, aber dies deutet nicht auf irgendeine "Wahrheit". Wenn uns erzählt wird, von Kindesbeinen an, dass Regen durch Elfen verursacht wird, werden wir fortan jeden Regen als eine Bestätigung der Existenz von Elfen deuten. Dieser Art sind die "persönlichen Erfahrungen". Woher ich das weiß? Weil mich solche Erfahrungen auch lange in meinem Glauben gefangen hielten.

                    Aber: Keine einzige mögliche persönliche Erfahrung lässt logisch den Schluss auf einen mächtigen Schöpfer des Universums zu. Es ist ja ohnehin erstaunlich, dass Gläubige einem auf der einen Seite erzählen, man könne logisch nicht auf Gott schließen, um dann logisch von ihrer persönlichen Erfahrung auf Gott zu schließen ... Da fragt man sich: Was denn nun? Kann man von Erfahrungen logisch auf Gott schließen oder nicht? Warum wird es kategorisch ausgeschlossen, aber wenn es um persönliche Erfahrungen geht, sagt man "April, April! Gilt alles nicht! Geht ja doch!".

                    Wenn man nicht logisch von Erfahrungen auf Gott schließen kann, kann man es auch nicht, wenn man es auf persönliche Erfahrungen verengt. In dem man die Perspektive verkleinert, die Anzahl der Erfahrungen, soll plötzlich möglich sein, was unmöglich ist? Das wäre ja, als wenn man Rätsel dadurch lösen könnte, dass man einen Teil der Informationen, die man bekam, streicht.

                    Man zieht sich auf seine verengte Sichtweise zurück, weil man hofft, da von Argumenten verschont zu werden, um sich gegen Kritik zu immunisieren. Das funktioniert nicht. Wenn der Sprung von Milliarden Informationen, die wir haben, die kollektiv gesammelt wurden, auf einen Gott nicht möglich ist, ist es auch dann nicht möglich, wenn man sich aus diesen Erfahrungen seinen winzigen, kleinen, persönlichen Anteil von vielleicht einem Dutzend heraussucht. Um dann von dieser beschränkten Sichtweise auf etwas zu schließen, was außerordentlicher Beweise bedarf.

                    Analogie: Das ist so, als wenn ein Richter bei der Urteilsfindung ohne Not zwei Dutzend Beweise betrachtet und feststellt, dass man N. N. deswegen nicht zum Mörder verurteilen kann, weil die Mehrheit der Beweise gegen seine Schuld spricht. Er findet aber einen "genialen" Ausweg. Er betrachtet nur den einen Beweis, der seiner persönlichen Erfahrung entspricht und verurteilt N. N. wegen Mordes zu lebenslanger Haft.

                    Nur dass man sich hier als Richter in eigener Sache zu "lebenslang Glauben" verurteilt. Ich weiß nicht, was schlimmer ist ...

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                  Gila Weßling

                  "Dass die Apostel (die reichlich sicher als historisch anzunehmen sind, besonders Petrus) für die Echtheit der Auferstehung gestorben sind. "

                  Der Apostel Paulus wird von keinem griech. oder röm. Chronisten erwähnt. Einige seiner Briefe werden selbst von Theologen als Fälschung eingestuft (Pfarrer H. Detering:"der gefälschte Paulus"). Vermutlich stammt auch die Apostelgeschichte aus dem 2. Jhdt.
                  Was haben uns die Apostel Paulus u Petrus zu erzählen:
                  Paulus war ein Dogmatiker (1.Kor. 16,22: "Wenn jemand den Herrn nicht lieb hat, der sei verflucht")
                  In keiner Weise kümmert ihn der historische Jesus, falls es den überhaupt gab: in seinen Briefen erzählt er nichts über dessen Geburt, Kindheit, der Mutter, den Weggefährten und auch nichts über die Todesumstände.
                  Dafür lehrt er aber Frauenhass: "Und Adam wurde nicht verführt, die Frau hat sich zur Übertretung verführen lassen". Na klar, die Frau hat schuld, obwohl Adam daneben stand. Mal abgesehen, dass Paulus also auch an sprechende Schlangen glaubte. Der Mann dagegen war das Abbild Gottes (1 Kor.11,7). Paulus würde wohl heute sehr überrascht sein, dass die Wissenschaft festgestellt hat, dass die Frau genauso viele Rippen hat wie der Mann und dass der Mann aus der Frau entstanden ist ( bis zur 6. Woche sind alle Menschenembryonen weiblich)
                  Und der gute Petrus war wohl sehr um Macht und Geld bemüht, von daher ist er wohl der echte Kirchengründer. In der Apg. 5,5 tötet er einen Mann Namens Hananias u später auch dessen Frau, weil diese die Einnahmen aus den Verkauf eines Ackers nicht an die Gemeinde abgeführt haben.
                  Im Fazit kann man also die Wahrheit der Apostelgeschichten und auch deren moralischen Nutzen in Zweifel ziehen.

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                    Niko

                    Wenn es absolut keinen freien Willen gibt, dann ist jede Argumentation determiniert (bzw. auch von quantenmechanischen Zufällen beeinflusst) und damit letztlich vergleichbar mit einer „Diskussion“ zwischen zwei unterschiedlich programmierten KI‘s. Dabei ist es durchaus denkbar, dass durch Programmfehler logische Fehlschlüsse entstehen die eben durch das Programm selbst nicht erkannt werden…Auf diese Diskussion übertragen: Jeder der Autoren hält in „seiner Welt“ (sein Programm) für logisch, kann aber sein Programm nicht von außen betrachten um Fehler zu erkennen.(quasi ein geschlossenes System)

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