Das Ende des Glaubens - Teil 2

Anfang 2011 hatte Andrew Zak Williams Personen des öffentlichen Lebens zu ihren Gründen befragt, weshalb sie an Gott glauben. Nun ist es an der Zeit, bekannte Persönlichkeiten nach ihren Gründen zu fragen, weshalb sie nicht glauben.

Das Ende des Glaubens - Teil 2

Paula Kirby – Schriftstellerin

„Ich habe aufgehört an Gott zu glauben, als mir klar wurde, dass die verschiedenen Versionen der Christenheit sich gegenseitig widersprechen, und dass keine dieser Versionen empirische Beweise zu ihrer Untermauerung anführen kann. Ausgehend von der Erkenntnis dass das „im Herzen wissen“ ein unverlässlicher Leitfaden für die Realität ist, begann ich damit, andere Arten von Erklärungen für das Leben, das Universum und den ganzen Rest zu untersuchen. Und in der Wissenschaft – Biologie, Chemie, Physik, Geologie, Psychologie – habe ich Antworten gefunden, die wirkliche Erklärungen anbieten, im Gegensatz zu den Antworten der Religion, die darauf abzielen, ihren Mangel an Substanz in einen Mantel aus Geheimnissen und Metaphern zu hüllen.

Ganz wichtig ist, dass diese wissenschaftlichen Antworten – selbst wenn sie provisorisch sind - durch Beweise gestützt werden; und dass sie viel aufregender, viel ehrfurchtgebietender sind als dasm was die Religion im Angebot hat; und dass ich das Leben als voller, reicher und befriedigender empfinde, wenn ich ihm genau ins Auge schaue, mich mit ganzem Herzen eingebunden fühle in das flüchtige und endliche Wunder, das es ist: Das ist für mich ein Glücksbonus.“

Sam Harris – Neurowissenschaftler

„Das üblichste Hemmnis vor klarem Denken, dem ein Nicht-Gläubiger gegenübertreten muss, ist die Vorstellung, dass es angemessen ist, ihm die Beweispflicht aufzubürden: „Wie kannst du wissen, dass es keinen Gott gibt? Kannst du das beweisen? Ihr Atheisten seid genau so dogmatisch wie die Fundamentalisten, die ihr kritisiert.“ - Das ist Unsinn: Selbst die Strenggläubigen lehnen stillschweigend Tausende von Göttern ab, gemeinsam mit den in Ehren gehaltenen Glaubenssätzen sämtlicher Religionen außer der eigenen. Jeder Christ kann mit Gewissheit den Gott von Zoroaster als eine fiktive Gestalt beurteilen, ohne zuvor das Universum auf der Suche nach Beweisen für seine Absenz zu durchstreifen. Das Fehlen von Beweisen ist alles, was man braucht, um sich falsches Wissen aus dem Kopf zu schlagen. Und schlechte Beweise, die in einer Ohnmacht aus Wunschdenken angeboten werden, sind genauso wenig wert.

Doch aufrichtige Schlussfolgerungen können uns weiter in Richtung Atheismus führen, da wir beweisen können, dass Bücher wie die Bibel oder der Koran keinerlei Spuren göttlicher Autorschaft tragen. Wir wissen viel zu viel über die Geschichte dieser Texte, als dass wir akzeptieren könnten, was sie über ihre eigenen Ursprünge behaupten. Und stellen Sie sich nur einmal vor, wie gut ein Buch sein würde, wenn es von einem allwissenden Wesen geschrieben worden wäre.

Sobald man den Inhalt der Heiligen Schriften in diesem Licht betrachtet, kann man die Lehren des Judentums, Christentums und Islams endgültig zurückweisen. Die wahren Autoren von Gottes ewigem Wort wussten nichts über die Ursprünge des Lebens, die Beziehung zwischen Verstand und Gehirn, die Ursachen von Krankheit oder darüber, wie man am besten eine überlebensfähige globale Zivilisation im 21. Jahrhundert schafft. Dieser Tatbestand alleine sollte bis zum Ende der Zeit jeglichen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft zugunsten der letzteren auflösen.

In der Tat erhält der Gedanke, dass irgendein antikes Buch ein unfehlbarer Leitfaden für das Leben in der Gegenwart sein könnte, meine Stimme für die gefahrbringendste und dümmste Idee auf der Welt.

Was es für uns heute und immer zu entdecken gilt, das sind jene Wahrheiten über die Welt, die es uns erlauben zu überleben und völlig aufzublühen. Hierfür brauchen wir lediglich gutgemeinte und ehrliche Nachforschung – Liebe und Verstand. Wenn der Glaube je einmal richtig liegt, dann aus Zufall.“

Daniel Dennett – Philosoph

„Das Konzept von Gott hat sich schrittweise gewandelt von dem Konzept einer menschenartigen Schöpfergestalt, Richter und Aufpasser hin zu einem – von Rätseln umwobenen – wundervollen „Irgendetwas“, das vollkommen jenseits des menschlichen Horizonts liegt. Für mich ist es unmöglich, an irgendeinen der menschenartigen Götter zu glauben, da sie einfach lächerlich sind und so offensichtlich die Fantasie-Projektionen von unwissenschaftlichen Gemütern sind, die versuchen, die Welt zu verstehen. Es ist für mich unmöglich, an die verwaschenen Versionen von Gott zu glauben, da sie systematisch unverständlich sind. Es wäre wie der Versuch an die Existenz von „Wodgifoop“ zu glauben – „Was ist das?“ – „Frag nicht; das kann man nicht in Worte fassen!“

Aber warum überhaupt erst versuchen? Es gibt keine Pflicht zu versuchen, an Gott zu glauben; das ist ein besonders schädlicher Mythos, der aus jenen Tagen stammt, als die organisierte Religion den Glauben an den Glauben geschaffen hat. Man kann ganz offensichtlich auch ohne Gott gut sein.

Viele Menschen vertreten vehement den Standpunkt, dass man versuchen sollte an Gott zu glauben, zum Beispiel um die Oma nicht zu verärgern oder um andere zu überzeugen, es auch zu tun, oder weil es sie netter oder nobler macht. Also tun sie so, als ob. Üblicherweise funktioniert es nicht.

Ich bin von dem Universum selbst begeistert, und ich bin sehr dankbar, ein Teil von ihm zu sein. Das ist genug.“

A. C. Grayling – Philosoph

„Ich glaube nicht, dass es irgendwelche Wesen wie Götter und Göttinnen gibt, und zwar aus exakt denselben Gründen, aus denen ich nicht daran glaube, dass es Feen, Kobolde oder Elfen gibt; und diese Gründe sollte für jeden, der älter als 10 Jahre alt ist, offensichtlich sein.“

Steven Weinberg – Nobelpreisträger der Physik

„Ich glaube nicht an Gott – ein intelligentes, allmächtiges Wesen, das sich um die Menschen sorgt – da mir die Idee albern erscheint. Jene Argumente, die für den Glauben an Gott angeführt worden sind, erscheinen mir allesamt genauso albern wie die Behauptung, die sie beweisen sollen. Glücklicherweise ist der religiöse Glaube in manchen Teilen der Welt schwach genug geworden, sodass die Menschen sich nicht mehr wegen der Unterschiede in ihren Albernheiten gegenseitig töten.

Es ist längst an der Zeit, dass die Menschheit erwachsen wird und das Gute am Leben genießt, einschließlich das Vergnügen, darüber zu lernen, wie die Welt funktioniert, und dass wir uns ein für alle Mal von der Albernheit, an Übernatürliches zu glauben, loslösen, indem wir uns den wirklichen Problemen und Tragödien in unserem Leben stellen.“

Peter Atkins – Chemiker

„Teils, weil es keine Beweise für einen Gott gibt (sentimentale Sehnsucht, Verzweiflung, Unwissenheit und Angst sind keine Beweise) und teils, weil die Wissenschaft uns zeigt, dass sie all jene Fragen beantworten kann, von denen die religiösen Menschen behauptet haben, dass sie ohne Beweise die Tätigkeiten eines Gottes brauchen; daher lehne ich die Heilige Schrift als Beweis ab. Auch das Argument dass eine Mehrheit der Menschen auf dieser Erde behauptet sie seien Gläubige lehne ich ab, denn die Wahrheit wird nicht von der Mehrheit entschieden.

Ich bin mir der Macht kultureller Konditionierung bewusst, insbesondere, wenn die Jugendlichen und leicht zu Beeindruckenden damit gespickt werden, und ich kann sogar akzeptieren, dass im Glauben ein evolutionärer Vorteil liegen könnte. Doch keiner dieser Punkte ist ein Argument für die Existenz eines Gottes. Außerdem überzeugen mich die persönlichen und gesellschaftlichen Gräuel dieser Welt nicht davon, dass die Schöpfung ein Akt unendlicher Güte ist.“

Jim al-Khalili – Theoretischer Physiker

„Es wird oft behauptet, dass es beim religiösen Glauben um die Suche der Menschheit nach einer tieferen Bedeutung ihrer Existenz geht. Doch nur, dass wir danach suchen, bedeutet nicht, dass es sie gibt. Mein Glaube gilt der Menschlichkeit selbst, ohne sie in irgendeiner Form metaphysisch aufzuladen.“

Sir Roger Penrose – Physiker

„Ich glaube nicht an die Dogmen irgendeiner Religion (zumindest keiner Religion, die mir bekannt ist), da die damit verbundenen Mythen meiner Meinung nach bei Weitem zu abstrus und arbiträr klingen, als dass sie irgendwie glaubwürdig wären. Wenn Sie mich nach einem Glauben an irgendeine eher abstrakte Vorstellung von „Gott“ befragten, dann müsste ich natürlich wissen, was Sie mit diesem Begriff meinen.

Ich schätze, was für mich irgendeiner Art von Vorstellung zu den Begriff „Gott“ am nähesten kommen würde, wäre etwas im Sinne des Platonischen Ideals. Das könnte eine Art objektiven moralischen Standpunkt einschließen, der unabhängig von uns ist, und der nicht einfach in dem Sinne definierbar wäre, was der menschlichen Gesellschaft zuträglich ist. Das würde beispielsweise bedeuten, dass Lebewesen, die sich ihrer selbst bewusst sind, wie etwa Elefanten, Rechte hätten, ebenso wie die Menschen.

Ich bin auch bereit zu akzeptieren, dass bei künstlerischen Leistungen objektive („Platonische“) Elemente eingebunden sein könnten, und zweifellos weise ich der Wahrheit (insbesondere der unmissverständlichen mathematischen Wahrheit) eine Platonische Objektivität zu. Aber ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob es hilfreich ist, irgendeinem dieser Gedanken den Begriff „Gott“ zuzuordnen. Außerdem ist es besonders irreführend, sich Gott als einem gutmütigen Schöpfer vorzustellen, und das wird meiner Meinung nach deutlich durch das Problem, dass es das Böse gibt -  oder natürliches, willkürliches Unheil.

Wenn „Gott“ in irgendeiner Form ein empfindungsfähiges Wesen sein soll, dann finde ich auch das unglaublich. Ein bewusstes Wesen müsste eines sein, von dem ich mir vorstellen könnte, es selbst zu sein. Und ich kann mir bestimmt nicht vorstellen, „Gott“ zu sein.“

Ben Goldacre – Wissenschaftsautor

„Ich denke, dass die Hauptantwort auf Ihre Frage wahrscheinlich lautet: Es interessiert mich so oder so nicht, aber ich würde ungern unterbetont lassen, wie wenig es mich interessiert. Es ist immer noch keine Bezeichnung für Menschen wie mich erfunden worden, deren Hauptempfindung beim Ansprechen dieses Themas das überwältigende, erstaunliche, intergalaktische Gefühl ist, etwas Interessanteres zum Nachdenken zu haben. Ich bin mir nicht sicher,, ob das mit Wörtern wie „Atheist“, und ganz bestimmt nicht mit solchen wie „Agnostiker“ hinreichend abgedeckt ist. Es kümmert mich einfach nicht.“

Polly Toynbee – Journalistin und Präsidentin der British Humanist Association

„Die einzigen Momente, in denen ich jemals kurzzeitig versucht bin, an einen Gott zu glauben, sind jene, wenn ich ihm für ein ungeheures, völlig grundloses Leid, das die Welt heimsucht, mit einer wütenden Faust gen Himmel drohe. Die Griechen und die Römer und andere Heidenvölker haben wahrscheinlich die überzeugendsten Götter hervorgebracht – Launenhaft, kindisch, selbstsüchtig – die aus Eitelkeit Opfer einforderten und den Menschen mit wahllosen Wutausbrüchen zusetzten. Wenigstens ist das eine logische Erklärung. Doch ein allmächtiger Gott der Güte und Liebe ist offenkundig unmöglich. Er wäre ein Monster. Das hat Voltaire nach dem Erdbeben in Lissabon gesagt.“

Hier geht es zu Teil 1 und Teil 3.

Übersetzung: Robert Keller, Daniela Bartl

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    manumaid

    Ich bin schon mit 13 Jahren zur Atheistin geworden. Wenn mit anderen das Gespräch auf Glaube oder nicht Glaube kommt, und das Gespräch kommt üblicherweise darauf, wenn es um die Entscheidung vieler anderer geht, ihre Kinder taufen lassen zu wollen, dann höre ich oft: na, ich denke, dass ich schon irgendwie glaube und taufen finde ich auch irgendwie wichtig.

    Nun stellt sich mir die Frage: warum tun Menschen dies so reflexhaft? Eine Überlegung ist, dass sie einer Tradition folgen, nach dem Motto "Das machen ja alle, dann ist das wohl so."

    Meine Antwort darauf: es gibt eine Alternative. Ja, ganz in echt, du hast eine Wahl. Warum ist diese Wahl so bedeutsam?

    Weil die Logik und Moral der Religionen (Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, etc.) mehr als brüchig ist. Weil es auf schwierige Fragen keine einfachen Antworten geben kann. Manchmal gar keine Antworten, manchmal NOCH keine Antworten.

    Ein sehr simpler Grund für das Verharren im Tradierten ist der Wunsch nach Sicherheit und Trost. Ganz ehrlich, es gibt keine vollkommene Sicherheit und keinen vollkommenen Trost. Das zu wünschen ist kindlich und kindisch.

    Wir sind unseren Kindern schuldig NICHT so große Fragen wie die nach dem, was nach dem Sterben passiert, mit billigen Floskeln zu bedienen wie "dann kommst du in den Himmel und wirst ein Engel". Das ist zum einen beschämend und zum anderen nicht durchzuhalten.

    Ich habe als Kind immer weiter gefragt: Woher weißt du das? Bist du schon einmal tot gewesen? Was genau sind Engel? Warum beerdigt man dann die Toten? Wie kommt der tote Körper in den Himmel? Was ist mit der matschigen totgefahrenen Katze? Wird die ein Matscheengel?

    Wir Erwachsenen müssen uns fragen, ob wir unseren Kindern diesen infantilen Quatsch zumuten, weil wir selber zu feige sind, uns mit unserer Sterblichkeit auseinander zu setzen.

    Ich stimme zu, dass es verdammt schwierig ist, mit Kindern über so große Fragen zu sprechen, aber ein Abkanzeln und eine billige Geschichte sind doch wohl nicht das Mittel der Wahl.

    Und überhaupt, ab welchem Zeitpunkt sage ich denn dann meinen Kindern, dass das alles nur Schmuh ist. Denn ganz im Ernst glaubt doch wohl keiner von uns diesen Mist. Wie entsetzlich für diese Kinder, so von ihren Eltern belogen worden zu sein.

    Wir dürfen unseren Kindern graduell das Leben und den Tod zumuten. Das heißt natürlich nicht, unseren Kindern aufzuhalsen, dass wir verrotten und aufgefressen werden. Die Wortwahl und gute Beispiel aus dem biologischen Kreislauf des Lebens helfen.

    Einen Vogel zu Grabe zu tragen, denn Rituale sind wichtig. Aber auch zu erlauben, dass die Kinder den Vogel wieder ausbuddeln wollen, um zu gucken, wie der nach zwei Wochen aussieht. Dass ich natürlich für gemeinsame Rituale bin ist unzweifelhaft.

    Anzunehmen, dass eine humanistische, vernünftige, biologische Haltung zum Leben und zum Sterben mich zum kalten Monster hat werden lassen, ist unsinnig und beleidigend. Die Lebenden benötigen durchaus die Möglichkeit zu trauern und sich zu erinnern. Aber das ist viel weniger religiös oder spirituell, als vielmehr einfach menschlich.

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