Zum Gedenken an Daniel Dennett
Die religiöse Falschmeldung, dass Atheisten nicht an ein höheres Wesen glauben, weil sie vordergründig gegen Autoritätspersonen rebellieren oder Probleme mit übermächtigen Vätern haben, bricht zusammen, wenn man sie mit den fundierten Argumenten atheistischer Philosophen und Wissenschaftler konfrontiert. Daniel Dennett, der kürzlich im Alter von zweiundachtzig Jahren verstarb (April 2024), verwendete diese analytische Präzision für die Argumentation, dass der Naturalismus wahr und der Übernatürliche falsch ist.
Nach einem im Jahre 2007 aufgezeichneten Gespräch mit Richard Dawkins, Sam Harris und Christopher Hitchens[1] wurde Dennett Mitglied der so genannten „Vier Reiter des Neuen Atheismus“ (The Four Horseman of the New Atheism). Er war der Autor mehrerer Bücher. In Consciousness Explained[2] (Philosophie des menschlichen Bewußtseins) vertrat er die Ansicht, dass es keine nichtphysikalischen Komponenten gibt, die an der Zusammensetzung unseres Bewusstseins beteiligt sind. Es hat nie einen Beweis für eine körperlose Intelligenz gegeben. Wir haben noch nie mit einem nachweislich immateriellen Wesen kommuniziert, das denken, Entscheidungen treffen und sich in einer für uns verständlichen Weise ausdrücken kann, so wie wir mit verkörperten empfindungsfähigen Wesen kommunizieren.
Dennetts Fokus auf die Natur des Bewusstseins war ein Schlüsselelement bei der Entwicklung seiner atheistischen Ansichten. Er wies darauf hin, dass es bei jeder Art von geistiger Aktivität, einschließlich Wahrnehmung und Denken, eine parallele, vielschichtige Aktivität im Gehirn gibt, die die Verarbeitung von Sinneseindrücken beinhaltet.[3] Je mehr gezeigt werden kann, dass das Bewusstsein in seiner Existenz von einem funktionierenden physischen Gehirn abhängig ist, desto unwahrscheinlicher ist die Existenz einer körperlosen, sich seiner selbst bewussten Supermacht. Das Gleiche gilt für die Behauptung, dass das menschliche Bewusstsein die Zerstörung des physischen Körpers und Gehirns überlebt.
In Darwin's Dangerous Idea[4] (Darwins gefährliches Erbe) macht Dennett geltend, dass die natürliche Auslese - auch wenn es sich um einen blinden Prozess handelt - die Evolution von allem, was mit dem Leben und dem Geist zu tun hat, erklären kann. Zu der Zeit, als Darwin mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit ging, wurden seine Ideen von religiösen Apologeten als gefährlich angesehen und werden es auch heute noch, weil sie den Versuch untergraben, die Notwendigkeit eines superintelligenten Geistes zu beweisen, der den Lauf des Lebens, einschließlich der menschlichen Entwicklung, lenkt und erhält.
Dennett schlug eine Lösung für das vor, was viele als unüberwindbare Kluft zwischen freiem Willen und Determinismus ansehen. In Freedom Evolves[5] definierte er Determinismus als die These, dass es zu jedem Zeitpunkt genau eine physikalisch mögliche Zukunft gibt. Kompatibilismus ist die Ansicht, dass der freie Wille, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen, gleichzeitig mit Determinismus existieren kann. Dennetts Version des Kompatibilismus ist von der Evolution geprägt. Er argumentiert, dass wir, selbst wenn unsere Handlungen in einem strengen physikalischen Sinne determiniert sind, aufgrund unserer entwickelten Fähigkeiten dennoch frei sein können, unzählige wichtige Entscheidungen zu treffen. Dennett sagte, wir sollten die Verantwortung für unser Handeln übernehmen wollen, denn wenn wir das nicht tun, muss die Gesellschaft uns bestimmte Freiheiten nehmen, die wir missbrauchen könnten, um anderen zu schaden.[6] Er argumentiert, dass letztlich weder der freie Wille noch der Determinismus in allen Fällen absolut wahr sind. Es gibt Fälle, in denen wir die Freiheit haben, zu entscheiden, wie wir handeln wollen, und Situationen, in denen wir das nicht können.[7]
In Breaking the Spell[8] (Den Bann brechen], das den Untertitel „Religion als natürliches Phänomen“ trägt, versucht Dennett, religiösen Behauptungen jede besondere Verschonung vor kritischer Prüfung und Zweifeln zu entziehen, die soziale Normen allzu oft als Schutzschild für religiöse Behauptungen bieten. Es gibt nichts an der Religion, das sie berechtigt, sich einer strengen philosophischen und wissenschaftlichen Analyse zu entziehen, so wie es auch für jede andere Art von Behauptung gelten würde. In der Tat gibt es kein vertretbares Argument dafür, warum religiöse Gläubige im Gegensatz zu Menschen, die Ansichten zu jedem anderen Thema vertreten, ein besonderes Recht darauf haben sollten, in einer schalldichten Umgebung zu leben und sich niemals anhören zu müssen, dass ihre Überzeugungen in Frage gestellt werden.
Dennett lieferte eine vorläufige Definition von Religionen. Er sagte, es handele sich um „soziale Systeme, deren Mitglieder sich zum Glauben an einen oder mehrere übernatürliche Akteure bekennen, um deren Anerkennung man sich bemühen muss“.[9] Der letzte Teil dieser Definition war schon immer eine Quelle großer Gefahren. Die Geschichte hat gezeigt, dass viele religiöse Gläubige nur allzu bereit sind, andere zu unterdrücken und sogar zu töten, um die Zustimmung der Gottheit zu erhalten, an die sie glauben. Dennett fragte sich, wie ein allgütiges und allmächtiges Wesen so viel Böses zulassen konnte. Er beschränkte sich bei seinen Beispielen nicht nur auf menschliches Leid. Er ging darauf ein, wie die Natur in der Tierwelt mit Zähnen und Klauen wütet. Das Überleben so vieler Tiere hängt von ihrer Fähigkeit ab, anderen Tieren Schmerzen zuzufügen und sie zu verschlingen.[10]
Daniel Dennett wird als ein Beispiel dafür in Erinnerung bleiben, was ein hochentwickeltes menschliches Gehirn zu leisten vermag.
Edward Tabash ist Verfassungsrechtler im Großraum Los Angeles und Vorstandsvorsitzender des Center for Inquiry. Er ist bekannt für seine juristische Expertise im Bereich der Trennung von Kirche und Staat. Außerdem ist er einer der bekannteren atheistischen Debattierer in den Vereinigten Staaten.
Übersetzung: Jörg Elbe
Fußnoten
[1] Richard Dawkins Foundation for Reason & Science: The Four Horseman HD, 22. Februar 2009.
[2] Daniel Dennett, Consciousness Explained. New York, NY: Little Brown & Company, 1991.
[3] Ebenda., p. 111.
[4] Daniel Dennett, Darwin’s Dangerous Idea. New York, NY: Simon & Schuster, 1995.
[5] Daniel Dennett, Freedom Evolves. New York, NY: Viking (Penguin), 2003, p. 25.
[6] Closer to Truth: Daniel Dennett – What is Free Will?, 13August 2023.
[7] Ebenda.
[8] Daniel Dennett, Breaking the Spell. New York, NY: Viking (Penguin), New York, 2006.
[9] Ebenda., p. 9.
[10] Closer to Truth: Daniel Dennett – Arguments for Atheism?, 29 Januar 2016.
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