Prof. Kutschera scheut keine deutlichen Worte, wenn er Kritik am Kreationsmus und der Gender-Ideologie übt. Nun steht er selbst im Kreuzfeuer der Kritik. Eine Stellungnahme.
Zwei Artikel, in der Hessische Niedersächsische Allgemeine und nun bei Spiegel Online, befassen sich jüngst mit Prof. Kutscheras Engangement gegen das Gender Mainstreaming. Auslöser waren Radiointerviews mit dem RBB-Inforadio und KingFM. Dass der wissenschaftliche Berater der Richard Dawkins Foundation Deutschland griffige Formulierungen verwendet, ist durch seine Auseinandersetzungen mit dem voranschreitenden Kreationismus in Deutschland hinlängig bekannt. Er prangert hier die Darstellungen jenseites der wissenschaftlichen, vornehmlich biologischen, Fakten an. Der in Kassel und Stanford, USA, lehrende Hochschulprofessor sieht den Genderismus dabei unter diesem Gesichtspunkt als Universitäre Pseudowissenschaft. Als Autor des wichtigsten Fachbuches über Evolutionsbiologie sieht er eine wichtigte Aufgabe in der Vermittlung der wissenschaftliche Forschung. Er erfährt dabei viel Zuspruch, sieht sich aber ebenso vielen Anfeindungen ausgesetzt. Nun hat sich der Asta mit einem Scheiben an die Hochschulleitung der Universität Kassel gewendet. Zu dieser Vorgehensweise veröffentlicht Prof. Kutschera nachfolgende Stellungnahme. Für 2016 ist ein Buch über den Genderismus geplant.
„Gender-Forschung“ ist keine Wissenschaft
Am 26. August 2015 wurde ich von einem Wirtschaftswissenschaftler aus Niedersachsen darüber informiert, dass zwei Tage zuvor die Hochschulleitung der Universität Kassel auf eine mir unbekannte Beschwerde des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) reagiert hat. Diese hinterhältige Vorgehensweise, sich an die Uni-Leitung zu wenden ohne mich vorher anzusprechen, ist ärgerlich. Die Studierenden warfen mir in ihrem undatierten Brief vor, ich hätte in einem Interview (rbb, 11.07.2015) die „Gender-Forschung“ diffamiert und „beleidigende Aussagen über Kolleg*innen“ verbreitet. Weiterhin wird mir vorgeworfen, ich hätte die Sozial- und Geisteswissenschaften nicht den Realwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Geologie) gleichgestellt und diese in abwertenden Worten gekennzeichnet.
Im Antwortschreiben der Hochschulleitung, das mir ebenfalls von dritter Seite verspätet zugesandt worden ist, verweist das Präsidium auf ihren Entwicklungsplan, in dem die Gleichberechtigung und eine Förderung qualifizierter Frauen festgeschrieben ist. Zu diesen Punkten möchte ich mich wie folgt äußern:
1. Ein Berliner Journalist (Ingo Kahle) hat mich im rbb zu einer naturwissenschaftlichen Stellungnahme bzgl. der „Gender-Studies“ befragt und hierbei die ihm vorliegende 4. Auflage meines UTB-Lehrbuchs Evolutionsbiologie 2015 zugrunde gelegt. Ich habe somit mit Bezug zu diesem Lehrwerk argumentiert. Gemäß der „Gender-Theorie“ kommen Menschen als geschlechtsneutrale Unisex-Wesen auf die Welt und werden danach gesellschaftlich in eine männliche bzw. weibliche Richtung geprägt. Man benötigt kein biologisches Spezialwissen, um die Unsinnigkeit dieses geisteswissenschaftlichen Fundamental-Dogmas durchschauen zu können. Da ich von Herrn Kahle 30 Minuten lang mit derart widersinnigen Thesen (z. B. auch zur angeblich frei wählbaren homoerotischen Veranlagung) konfrontiert worden bin, habe ich, als forschender Biologe mit ca. 10 Buchveröffentlichungen und über 250 Fachpublikationen, so reagiert. Diese Fragen waren offensichtlich als Provokation eingebracht worden.
2. Als international ausgewiesener Biowissenschaftler argumentiere ich ausschließlich auf Grundlage der aktuellen Fachliteratur: Private Meinungsäußerungen kommen in derartigen wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht vor. Wie den Lehrenden und Studierenden bekannt ist, sind heute im Rahmen des Open-Access-Systems viele referierte Fachjournale, wie z. B. PLoS One oder Evolutionary Psychology, frei verfügbar (die Autoren zahlen horrende Page charges, um ihre Leser weltweit kostenfrei informieren zu können). Daher kann sich jeder Interessierte über all jene Punkte informieren, die ich im rbb-Interview, über das Lehrbuchswissen hinaus, geäußert habe – man benötigt nur einen Computer bzw. ein Handy sowie die entsprechenden Suchworte in englischer Sprache und findet sofort alle Fakten.
3. Als ausgewiesener Frauenförderer und Befürworter der Gleichberechtigung qualifizierter Forscherinnen (belegt durch eine Urkunde des Präsidenten der Uni Frankfurt) muss ich Anschuldigungen bzgl. einer angeblichen „Anti-Gleichheits-Politik“ zurückweisen. Ich habe im Interview lediglich biologische Fakten dargelegt und die Geschlechteridentität hormonellchromosomal begründet. Weiterhin habe ich darauf hingewiesen, dass kulturell-gesellschaftliche Faktoren zu berücksichtigen sind und dargelegt, dass jegliche Form von Diskriminierung biologisch nicht zu rechtfertigen ist.
4. Ich stimme mit meinen Kritikern überein, dass es ungeschickt ist, sich zuerst auf Interviews einzulassen, und erst im zweiten Schritt die Faktenlage in Buchform darzulegen. Sämtliche Aussagen im rbb-Interview kann ich durch solide Quellenangaben (UTB-Lehrbuch plus Fachbeiträge, z. B. in PLoS One oder Evolutionary Psychology) belegen. Es war von mir nicht korrekt, im humanistischen Pressedienst Anfang dieses Jahres die „Gender-Forschung“ als „Universitäre Pseudowissenschaft“ zu bezeichnen und erst 2016 mit einem Kompakt-Fachbuch die Argumente, Punkt für Punkt ausformuliert und mit Quellen belegt, nachzureichen. Inzwischen habe ich die relevante sozialwissenschaftliche Gender-Literatur durchgearbeitet (bis zur Urquelle „John Money et al. 1955“) und bin entsetzt und verärgert über das, was dort geschrieben steht. Dies ist ein Frontalangriff gegen rational-naturwissenschaftliches Denken, die Biomedizin als Ganzes sowie unsere naturalistische Wissenschaftstheorie. Nur durch eine umfangreiche Darlegung aller Behauptungen sowie deren Widerlegung kann dieser akademische Wildwuchs, den ich mit dem Kreationismus auf eine Stufe stelle, verbal in die Schranken gewiesen werden.
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Kommentare
Ja, die frauenfeindliche Bronzezeit und die folgende religiöse Zementierung selbiger macht uns bis heute zu schaffen. Erst 1948/49 bekam die Gleichstellung von Mann und Frau Dank Elisabeth Selbert einen grundgesetzlichen Rahmen.
Wie mühsam war der folgende Weg, Stück für Stück die Hürden aus dem Weg zu räumen, um Frauen gleiche Chancen zu geben. Dieser Weg ist noch nicht zu Ende gegangen, aber die Bronzezeit spürt man fast nur noch beim kirchlichen Arbeitsrecht.
Doch ist Genderismus der logische nächste Schritt dieser Emanzipation? Müssen wir gegen Naturwissenschaften argumentieren? Mit welchem Ziel? Sprachliche Gleichmacherei? Wir sagen nicht mehr "Studenten", sondern "Studierende". Warum? Das Englische kennt weder maskulkine, noch feminine Berufsbezeichnungen, außer,das Geschlecht spielt eine Rolle. Z.B. ist es entscheidend, ob ich einen "actor" (Schauspieler) oder eine "actress" (Schauspielerin) suche. Aber ob beim Film ein "director" (Regisseur) männlich oder weiblich ist, kann egal sein und ist es auch. In der Tat entscheidet hier viel eher die Qualifikation und Neigung des Betroffenen. Dass dies in Zeiten patriarchalischer Kontrolle in einer Männerwirtschaft anders gehandhabt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Doch Menschen sind lernfähig.
Das Deutsche macht Frauen sprachlich zu Anhängseln: Aus dem Regisseur (Beruf) wird die Regisseur-in, damit auch jeder genau weiß, dass es eine Anhängselfrau ist. Ich als Frau würde mich dafür einsetzen, dass diese diskriminierenden Anhängsel verschwinden und nur in Fällen beibehalten werden sollten, wenn das Geschlecht wirklich bedeutsam ist.
Doch was machen Genderisten? Sie machen jetzt aus allen Menschen Anhängsel! Offenbar wird nicht verstanden, dass es keine männliche Endung gibt. Oder was macht einen Regisseur zum männlichen Regisseur? Das "seur"? Oder reicht das "ur"? Aber wäre dann die weibliche Form nicht "Regisin" oder "Regissein"? Ist das wirklich so schwer zu verstehen, dass es kaum männliche Berufsbezeichnungen gibt (ev. Tormann, Mannschaft, Bergmann etc. und einiges mit "r" wie "Auszubildender")?
Auch die Marotte, das "man" durch "frau" zu ersetzen, lässt lediglich auf mangelnde Bildung schließen, da dieses "man" von "Mensch" stammt und zum weiblichen Menschen wird ja wohl niemand "Menschin" sagen, oder? Und dann hieße es auch "manin" und nicht "frau".
Dies ist nur eine Facette aus dem Genderismus-Dschungel, dessen Ziel mir unklar ist. Menschen sind nicht gleich. Sie unterscheiden sich nach Geschlecht, Körpergröße, Gewicht, Haarfarbe, sexueller Orientierung, Muttersprache, Neigung, Beruf und Familenstand. Leider allzuoft auch nach Religion. Wenn es eine Sozialforschung geben sollte, dann in diese Richtung gehend und nicht einebnend. Jeder - egal wer er oder sie ist - entwickelt bestimmte Fähigkeiten, die andere nicht haben. Innerhalb dieser Möglichkeiten wird jeder im Idealfall seinen Lebensweg gehen und Freude und Zufriedenheit empfinden. Unsere Gesellsachaft und unser Rechtssystem sollten so aufgebaut sein, dass es dabei keine Stolperfallen gibt, keine dauerhaft verschlossenen Türen. Die Männerbünde müssen entmachtet werden, damit theoretisch jede Frau jeden Aufsichtsratposten bekommen kann. Aber darüber sollte eben nicht ihr Geschlecht entscheiden, sondern ihre Qualifikation und ihre Fähigkeiten, auch ihre sozialen Kompetenzen - und nicht zuletzt auch ihr Wunsch, diesen Posten überhaupt übernehmen zu wollen.
In einer solchen Welt ist Genderismus oder Gender Übereinenkammbürsting überflüssig.
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"Gemäß der „Gender-Theorie“ kommen Menschen als geschlechtsneutrale Unisex-Wesen auf die Welt und werden danach gesellschaftlich in eine männliche bzw. weibliche Richtung geprägt." - Nein. Die Queer-Theorie (Gender-Theorie ist der Name der Disziplin, der sich noch deutlich weniger auf einheitliche Thesen fixieren lässt, als die in ihr entwickelte Queer-Theorie selbst.) behauptet, dass die naturgemäße Einteilung in "Mann" und "Frau", inklusive der Annahme, dass bei den Eingeteilten biologisches Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung grundsätzlich miteinander verbunden sind, falsch ist. "geschlechtsneutrale Unisex-Wesen" hätten überhaupt keine biologischen Unterschiede; die Queer-Theorie leugnet das Vorhandensein dieser Unterschiede nicht, sondern hinterfragt die Notwendigkeit und Korrektheit der Einteilung in exakt zwei Varianten. Das Ziel davon ist, in der Untersuchung der konstruierten Binarität die gesellschaftliche Realität der Ungleichbehandlung von Frauen, Homosexuellen und Transgendern zu verstehen und zu kritisieren. Dabei geht die Queer-Theorie über die Erkenntnisse und das Gebiet der Biologie hinaus (Wann war Gesellschaftskritik ein Feld der Biologie?), aber ignoriert diese keineswegs. Allerdings setzt sie sich durchaus auch kritisch damit auseinander, inwieweit die Naturwissenschaft tatsächlich ihrem wissenschaftstheoretischen Anspruch gerecht wird.
Bezüglich der in der Binarität unterschätzten Komplexität biologischen Geschlechts ist Anfang des Jahres sogar ein Artikel in "Nature" erschienen. Und im "Guardian" eine Antwort, in der gesagt wird, dass die Erkenntnisse des Artikels längst nicht so neu seien, wie behauptet (http://www.nature.com/news/sex-redefined-1.16943; http://www.theguardian.com/science/the-h-word/2015/feb/19/nature-sex-redefined-we-have-never-been-binary).
Bezüglich der Annahme der ständigen Übereinstimmens der drei Aspekte sollten die Tatsachen, dass es Transgender und Homosexuelle gibt dem Autor (dem dies hoffentlich nicht entgangen ist) als Widerlegung genügen.
All das, einschließlich des korrekten Namens der Theorie, lässt sich aber auch auf Wikipedia nachschlagen: https://de.wikipedia.org/wiki/Queer-Theorie
Selbstverständlich sind nicht alle Thesen, die im Diskurs der Gender Studies aufgestellt werden, sinnvoll. Darum wird dort ja auch - wie in allen Wissenschaften - fleißig darüber diskutiert, was der Fall ist. Dass irgendjemand in ihr falsche Thesen aufgestellt hat, hat aber noch nie bedeutet, dass eine gesamte Wissenschaftsdisziplin Quatsch ist. Oder hat die Phrenologie die Neurowissenschaften etwa endgültig als Pseudowissenschaft enttarnt?
Ich freue mich, falls nach erneutem Studium der scheinbar nicht verstandenen Literatur in dem angekündigten Buch mehr zu finden sein wird, als die vom Autor selbst richtigerweise als "widersinnige Thesen" erkannten Strohmannargumente, die hier aufgeführt wurden.
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