Bundespräsident Steinmeier war sichtlich überrascht, als er das Kreuz überreicht bekam, das die beiden Konfessionen durch das Lutherjahr getragen haben.
Zum Abschluss des Reformationsjubiläums in der Schlosskirche Wittenberg überreichten EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, das Symbol der Einigkeit an den „ersten Mann im Staate“. Freude hätte anders ausgesehen, Steinmeiers erste Frage im Leisen war, ob es denn schwer sei. Ja, so wohl schien es dem Bundespräsidenten nicht mit dem, was er da mit auf den Weg bekam. Es sollte ein Zeichen der Christen sein, dass sie sich als aktive Bürger engagiert in die Politik einbrächten und als Teil der Gesellschaft Verantwortung in der Mitgestaltung des Landes übernehmen wollten. So oder so ähnlich begründeten die beiden Kirchenobersten die recht plötzlich kommende Geschenkübergabe, mit der man auch als kritischer Beobachter nicht unbedingt gerechnet hatte.
Doch war das ein bisschen viel von Kirche und Staat? Der Bundespräsident, der das Kreuz der Christenheit tragen muss? Ein Bild, das man nur schwer wieder aus den Köpfen bekommt. Steinmeier schien es wie eine Last, die er da aufgebürdet bekam. Es erinnerte ein wenig an den verurteilten Jesus, der sein Kreuz zur eigenen Grabesstätte schleppen musste. War dieses Signal einfach das falsche? Hat man hier eine symbolische Handlung ausgesucht, die so gar nicht in das säkulare Verhältnis zwischen den kirchlichen und staatlichen Würdenträgern passt? Bischof und Kardinal beschweren den Bundespräsidenten mit dem Gewicht des Christentums, das hat etwas Sonderbares an sich. Und eigentlich wusste niemand so genau, wie man die Geste der zwei im Ökumene-Hype verbundenen Kleriker interpretieren sollte. Sie hatten zuvor ihren Wunsch nach Annäherung bekundet, gaben die Verantwortung für das Gelingen der christlichen Zweisamkeit aber wie selbstverständlich an die Hände der Politik ab.
Deutlicher hätte eine Botschaft nicht sein können. Doch was macht ein Bundespräsident nun mit solch einem Kreuz? Erinnert es ihn daran, dass der Weg mit den Religionen eben nicht immer einfach ist, gerade dann nicht, wenn sie sich – wie während des Lutherjahres – allzu sehr in die Tagespolitik einzumischen versuchen? Wenn sie die „Freiheit eines Christenmenschen“ politisch deuten wollen und nicht nur ihren Schäfchen, sondern auch dem Wähler indirekte Hinweise vermitteln, was gut für das Land ist? Bedford-Strohm tat es in seiner Predigt erneut. Mut zur Reform wäre wichtig für die Bundesrepublik. Was an sich an Allgemeinheit nicht zu überbieten ist, das stellt in Wahrheit einen Eingriff in das politische Geschehen dar. Ob bei den Sondierungsgesprächen in Berlin nun Barmherzigkeit beim Familiennachzug von Flüchtlingen vereinbart wird, ob Deutschland sich offen zeigen sollte für das Fremde und das Neue, ob wir Courage beweisen müssen, wenn es darum geht, uns gegen staatliche Zwänge zu wehren – all diese verschleierten Ermahnungen hätte man aus den Worten des Ratspräsidenten ablesen können.
Was macht ein Bundespräsident nun mit solch einem Kreuz?
Und dann wären sie mehr gewesen als ein „Mitreden“ und „Einmischen“. Dann wären sie ein politischer Aufruf gewesen, der den Kirchen im 21. Jahrhundert nicht mehr zusteht. Als wenn es nicht schon genug gewesen wäre, dass man mit Festakten unter Beteiligung von Bundeskanzlerin, Bundespräsident und Staatsministerin die Grenzen zwischen dem öffentlichen und dem religiösen Leben unter dem Vorwand der kulturellen Bedeutung der Reformation für das Land verschwimmen ließ, musste es zum Ende des Jubiläumsjahres nochmals ein kräftiger Schluck aus der Pulle politischer Mitsprache sein, den sich die Protestanten da vor den Kameras der Republik genehmigten. Es mag schwer zu deuten sein, dem Bundespräsidenten schmeckte er allerdings nicht. Steinmeier weiß um seine Funktion, um seine Neutralität – und das nicht nur politisch. Wer sich von einer Weltanschauungsgemeinschaft mehr oder weniger wider Willen vereinnahmen lässt, der macht sich leicht abhängig von ihren Einflüsterungen, die wir ab morgen wieder mehr oder weniger laut von allen Kanzeln, in allen Interviews hören werden, ob von Bedford-Strohm, Marx oder all den Anderen, die die Kirche in die Mitte des politischen Daseins rücken wollen.
Das Kreuz als Symbol für Tod und Auferstehung, als das Zeichen des Christentums, es hat nicht nur verbindenden Charakter. Es kann auch spalten. Gerade wegen seiner hohen Bedeutungskraft stoßen sich nicht nur viele Nicht-Christen an ihm. Dass das gusseisern wirkende Objekt in den Händen des Bundespräsidenten nicht nur schwer wog, sondern ihm auch schwer auf dem Magen gelegen haben dürfte, das mag man gern glauben. Da stellt sich nicht nur die Frage, wohin mit diesem Ding, um die amtliche Bekenntnisferne aufrecht erhalten zu können. Da bleibt auch die Unklarheit, was ein Staatsoberhaupt, was die über Fernsehen und Radio verbundene Bevölkerung aus dieser Geste schließen sollen. Ansporn zur Wiedergeburt, Vergebung der Sünden oder Ewiges Leben – Steinmeier mag sich seine eigenen Gedanken gemacht haben. Unpassend war die Aktion allemal. Sie unterstrich das Selbstbewusstsein der Konfessionen, die Politik in der Hand zu haben. Für jeden, der sich Trennung zwischen Staat und Kirche wünscht, wird das 3D-Kreuz aus Wittenberg zum Symbol für den Abschied der Vision einer Säkularisierung Deutschlands.
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