Die dunkle Seite des Klimawandels

Auswirkungen auf die weltweite Migration

Die dunkle Seite des Klimawandels

Foto: Pixabay.com / jeffbalbalosa

Der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat) der Vereinten Nationen warnte davor, dass der Klimawandel derzeit die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung der Welt gefährdet. Es überrascht nicht, dass die Nahrungsmittelknappheit die ärmeren Gegenden der Welt weitaus drastischer treffen dürfte als die reicheren Gegenden. Während die humanitäre Katastrophe, die sich mit einer halben Milliarde Menschen, die an Orten leben, die sich in Wüste verwandeln, ergeben könnte, wirklich tragisch ist, haben die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen Folgen bereits Auswirkungen auf die Destabilisierung politischer Systeme in der Ersten Welt.

Einwanderung ist zu einem zentralen Streitpunkt für die Rechten im gesamten Westen geworden, die gegen den Zustrom von Einwanderern aus Teilen der Welt, die unter Hungersnöten oder Krieg leiden, kämpfen, mit populistischen Führern von Donald Trump über Boris Johnson bis hin zu Marine Le Pen. Leider führt die Politik der Angst, die den Aufstieg autokratischer Politiker fördert, zu einer Politik, die die Probleme wahrscheinlich noch verschlimmert. Es ist kaum zu erkennen, wie dieser Teufelskreis auf einfache Weise beendet werden kann.

Betrachten wir die Situation in Mittelamerika. Vor anderthalb Jahren habe ich eine Veranstaltung in Mexiko-Stadt einberufen, um über die Auswirkungen des Klimawandels zu diskutieren, und darüber, was wir tun können, um die damit verbundenen Probleme anzugehen.

Laut CIA World Factbook sind 13,4 Prozent der mexikanischen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig, während nur 0,7 Prozent der US-Bevölkerung in diesem Sektor arbeiten. Von allen Branchen reagiert die Landwirtschaft vielleicht am empfindlichsten auf Klimaänderungen, insbesondere auf die Menge der Niederschläge und die Verfügbarkeit von Süßwasser.

Wenn es aktuell einen Puffer gäbe, dann wäre die Anfälligkeit für zunehmende Dürren in Mexiko weniger problematisch. Allerdings ist das Wasser bereits sehr knapp. Das Land hat mit jahrzehntelangen Dürren gelebt, und mehrere Studien haben einen signifikanten Zusammenhang zwischen Niederschlagsrückgang und Migration festgestellt.

Und das Problem lässt sich nicht einfach durch eine Migration von den ländlichen in die städtischen Gebiete innerhalb des Landes lösen. Mexiko-Stadt wurde auf einem alten Lehmboden gebaut und die ständigen Bohrungen, die notwendig sind, um nur einen Bruchteil der mehr als 20 Millionen Menschen in der Region der Hauptstadt mit frischem Wasser zu versorgen, lassen die Stadt buchstäblich untergehen. Zwischen 2014 und 2015 sanken die Gebiete in der Nähe des Stadtzentrums durch den anhaltenden Durst nach Wasser bis zu 20 Zentimeter. Trotzdem nimmt die Regierung es hin, dass sich fast 20 Prozent der Einwohner von Mexiko-Stadt nicht darauf verlassen können, Wasser zu erhalten, wenn sie jeden Tag ihren Wasserhahn aufdrehen.

Diese Probleme und der Druck, den sie auf die illegale Migration nach Norden ausüben, werden durch den Klimawandel noch verschärft. Schwere Dürren, die durch regelmäßig wiederkehrende intensive Stürme und Überschwemmungen unterbrochen werden, stellen eine große Herausforderung dar. Eine Studie geht davon aus, dass durch Rückgänge in der Landwirtschaft bis 2080 1,4 bis 6,7 Millionen erwachsene Mexikaner aus dem Land vertrieben werden. Ein andere legt nahe, dass bis zu 10 Prozent der erwachsenen Mexikaner im Alter zwischen 15 und 65 Jahren versuchen könnten, aufgrund steigender Temperaturen, Dürren und Überschwemmungen nach Norden zu emigrieren.

Darüber hinaus gibt es Argumente dafür, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Einkommensverhältnisse der Bevölkerung auf dem Lande eine illegale Einwanderung besonders fördern. Wenn Dürren Auswirkungen auf Haushalte der Bevölkerung auf dem Lande haben, ist die dringende Notwendigkeit eines regelmäßigen Einkommens durch einen festen, wenn auch schlecht bezahlten Arbeitsplatz mittels der Entsendung eines Familienmitglieds als Migrant zu erhalten, nicht mit den Anforderungen von Visumanträgen vereinbar, deren Bearbeitung Jahre dauern kann.

Menschen bleiben nicht und sterben dort, wo sie sind. Menschen wandern aus.

Dieses Problem ist nicht nur in Mexiko zu finden. Pete Smith, einer der Hauptautoren des IPCC-Berichts, formulierte es so: „Menschen bleiben nicht und sterben dort, wo sie sind. Menschen wandern aus“. Anfang dieses Sommers schrieb Nicholas Kristof in der New York Times einen packenden Artikel über eine Frau in Guatemala, die einen Ehemann verloren hat, der bei der Migration in die USA gestorben ist, und zwei Kinder, die an Unterernährung gestorben sind, die aber jetzt ihren 11-Jährigen zur Auswanderung ermutigt. „Essen wächst hier nicht mehr“, sagte sie, „Deshalb würde ich meinen Sohn nach Norden schicken“. Ihre Geschichte ist nicht die einzige. Die Zahl der Migranten aus Guatemala, El Salvador und Honduras - alle von Dürre betroffen - hat sich zwischen 2010 und 2015 verfünffacht.

Weltweit könnte das Problem noch größer sein. Das International Displacement Monitoring Center berichtet, dass seit 2008 durchschnittlich 26,4 Millionen Menschen pro Jahr durch Naturkatastrophen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Der Klimawandel wird diese Situation nicht nur verschlimmern. Verschiedene Studien schätzen, dass es bis 2050 zwischen 200 und 700 Millionen Klimaflüchtlinge geben wird.

Es ist bemerkenswert, dass die Länder, die am stärksten durch die zig Millionen Klimamigranten unter Druck geraten könnten, offenbar die Länder sind, die am entschlossensten sind, sich nicht mit den grundlegenden Problemen der illegalen Einwanderung auseinanderzusetzen.

Auch die australische Regierung macht ihre früheren Verpflichtungen zur Verringerung der CO2-Emissionen weiterhin rückgängig, und gleichzeitig fährt die Regierung eine harte Linie gegen illegale Einwanderer, die vor Hunger und Armut fliehen, indem sie sie in erniedrigenden Offshore-Haftlagern unterbringt. Wenn Australien schon über die aktuelle Einwanderungswelle besorgt ist, dann wartet ab. Der steigende Meeresspiegel dürfte sich vorzugsweise auf Hunderte von Millionen Menschen auswirken, die in armen äquatorialen Regionen leben, darunter Bangladesch, Pakistan und Indonesien. Aus deren Blickwinkel erscheint Australien besonders attraktiv.

Und in den USA leugnet Präsident Trump weiterhin die Existenz oder die voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels, und seine Regierung fährt die Bemühungen, um sie zu bekämpfen, zurück. Aber das Pentagon war sich über mindestens einen der Auswirkungen im Klaren. In ihrem Net Assessment Report von 2003 über die Auswirkungen eines plötzlichen Klimawandels auf die nationale Sicherheit haben sie eine vorausschauende Warnung ausgesprochen:

„Die Vereinigten Staaten und Australien werden wahrscheinlich schützende Befestigungen um ihre Länder bauen, weil sie über die Ressourcen und Reserven verfügen, um eine Selbstversorgung zu verwirklichen. Mit einem vielfältigen Klima für den landwirtschaftlichen Anbau, Wohlstand, Technologie und reichlich Ressourcen könnten die Vereinigten Staaten wahrscheinlich verkürzte Wachstumszyklen und raue Wetterbedingungen ohne katastrophale Verluste überstehen. Die Grenzen um das Land werden verstärkt, um unerwünschte, hungernde Einwanderer von den karibischen Inseln (ein besonders schwerwiegendes Problem), Mexiko und Südamerika aufzuhalten."

Die Bewältigung der globalen Herausforderung des Klimawandels geht zwar über die Möglichkeiten eines einzelnen Landes hinaus, aber es ist möglich, bei den Auswirkungen des Klimawandels unterstützend zu wirken. Der IPCC-Bericht bietet die Hoffnung, Hungersnöte durch eine Veränderung der Landnutzung und der Landwirtschaft weltweit zu bekämpfen. Aber während es signifikante Hinweise darauf gibt, dass die Unterstützung der Landwirte bei der Anpassung an den Klimawandel den Druck zur Auswanderung verringern wird, kürzt die Trump-Administration solche Hilfsprogramme.

Reiche Länder wie die USA oder Australien können sich möglicherweise vom Einwanderungsdruck isolieren, der durch den Klimawandel entsteht, indem sie Mauern, Gräben oder Gefangenenlager bauen - im Grunde genommen zu riesigen inversen Gefängnissen werden, die verhindern sollen, dass Menschen hereinkommen und nicht, dass sie gehen. Aber je globaler die Spannungen, die durch die Vertreibung von zig oder Hunderten von Millionen Menschen weltweit entstehen, desto schwieriger wird es sein, ihnen zu entgehen.

Ein Bericht der Columbia University ergab, dass sich bei abnehmender Niederschlagsmenge beispielsweise „das Risiko, dass ein Konflikt geringen Ausmaßes zu einem Bürgerkrieg eskaliert, im folgenden Jahr etwa verdoppelt“. Es gibt viele, die argumentiert haben, dass genau ein solches Szenario in Syrien dazu beigetragen hat, den Bürgerkrieg in diesem Staat und den Aufstieg des IS herbeizuführen. Man könnte sich auch vorstellen, wie zunehmende Spannungen, die beispielsweise in Indien und Pakistan auftreten und die jeweils über ein bedeutendes Arsenal an Atomwaffen verfügen, zu einem lokalen Krieg mit globalen Auswirkungen führen könnten.

Aber selbst wenn solche lokalen oder globalen Brände vermieden werden, könnte der Druck, an den Schutzwällen gegen eine steigende Flut von Klimamigranten festzuhalten, die modernen Demokratien leicht weiter in autokratischere Richtungen treiben. Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, obwohl der Klimawandel die Probleme in den ärmsten Regionen der Welt verschärft, werden wir wahrscheinlich ertrinken, wenn nicht durch ansteigende Meere, dann durch eine Flut anderer menschlicher Probleme.

Übersetzung: Jörg Elbe

Lawrence M. Krauss, Physiker und erfolgreicher Buchautor, ist Präsident der Origins Project Foundation und hat ausführlich zu Fragen von Wissenschaft und Gesellschaft geschrieben. Sein aktuelles Buch „Das größte Abenteuer der Menschheit“ erschien 2018.

Die Origins Project Foundation veranstaltet im Januar 2020 eine Reise mit einem Flussschiff auf dem Mekong, auf welcher Richard Dawkins als Gastredner auftritt.

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