Die freie Welt

Der sozialistische wie der nationalsozialistische Gegenentwurf zum Feudalstaat sind im vergangenen Jahrhundert gescheitert: Der Linkspopulismus ist gescheitert wie der Rechtspopulismus, und der Geist unserer freiheitlich demokratischen Institutionen hat gewonnen. Haben wir das vergessen?

Die freie Welt

Nationalsozialisten denken an die eigene Sippe. Sozialisten preisen eine internationale Utopie an. Beide bedienen sich eines Herdendenkens, das aus Urzeiten stammt. Tyrannen sind am Werk, wenn das erklärte Gute zur Selbstaufgabe zwingt: Schon vor der Aufklärung wurde festgestellt, immer die Städte und Länder blühen auf, in denen eine relative Freiheit herrscht. Freiheit ist zugleich das Produkt einer freien Gesellschaft und der Garant ihrer Produktivität. Mit der Amerikanischen Revolution entstand eine erste Republik, die auf Individualrechte baut, nicht auf Gruppenrechte. Sie ist unser Mekka, unser Jerusalem.

Weil es heute gegen die politische Korrektheit verstößt und aus den Geschichtsbüchern gelöscht werden soll: Das verlorene Paradies hat nie bestanden. Die eingeborenen Stämme Amerikas waren darauf spezialisiert, einander auszurotten. Afrika kannte die Sklaverei lange vor irgendeinem weißen Patriarchat. Das amerikanische Volk führte einen Bürgerkrieg, um die Sklaverei und das altmodische Feudalsystem der Südstaaten loszuwerden. Es ist das Versprechen der amerikanischen Verfassung, dass alle Menschen gleich erschaffen sind und das gleiche Recht besitzen, ihr Glück zu suchen. Gewiss messen wir mit zweierlei Maß, wenn wir härter über Amerika urteilen als über Russland oder das Osmanische Reich.

Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung (hundert Jahre nach dem Bürgerkrieg) war ein erneuter Versuch, das Freiheitsversprechen für alle Menschen einzulösen. Missstände wurden aber dabei zunehmend als Umverteilungsproblem und als Schuld des weißen Mannes gesehen: Eine falsche Identifikation mit der Bürgerrechtsbewegung, das ist die politische Korrektheit. Es geht nicht mehr um Bürger-Emanzipation. Im Gegenteil: Die zitierte Sorge um Minderheiten und das Dogma der Umverteilung dienen der Machtkonsolidation der Reichsten sowie der Erhaltung einer idiotischen Bürokratie—während die Mittelschicht stets abgewertet wird und die Meinungsfreiheit schrumpft.

Die islamische Welt

Das Beharren auf eine revolutionäre Verfassung zeichnet den amerikanischen Konservatismus aus. Beharren auf die Menschenrechte, die Volkssouveränität und freie Wahlen, die Trennung von Kirche und Staat, von Exekutive, Judikative und Legislative, die vierte Macht der Presse, das Petitions- und das Versammlungsrecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht sich zu bewaffnen. Es ist der Geist der Aufklärung, der Geist, der im vergangenen Jahrhundert gewonnen hat. Heute sind die Torpfosten wieder so weit nach links verschoben, dass dieser beste Werte-Konservatismus aussieht wie Rechtspopulismus.

Wie tödlich das ist, zeigt (allein in meiner Lebzeit) der Umgang mit der islamischen Welt. Als George Bush die Anschläge vom 11. September 2001 als einen Angriff auf unsere Freiheiten darstellte, wurde kaum ein Wort über das moderne Phänomen des Islamismus verloren. Die Darstellungsweise, der wir glaubten, war die Darstellungsweise der Marxisten, die sagen, wir hätten den Nahen Osten ausgebeutet, das Elend der islamischen Welt sei unsere Schuld, etc.

In Wahrheit ist Israel (zunehmend verfemt von den Linkspopulisten) das einzige Land im Nahen Osten, in dem Muslime frei sind, also Rechtssicherheit im Sinne der westlichen Menschen- und Bürgerrechte genießen. In Wahrheit ist auch der Erdölhandel ein Segen für die Region. Grund der Rückständigkeit selbst der reichsten islamischen Länder ist der Islamismus.

1936, rund fünfzehn Jahre nach dem Ende des Osmanischen Reiches, formulierte Hassan al-Banna in einem offenen Brief an den ägyptischen König die Agenda der ersten Muslimbruderschaft:

- Rückkehr zum Wort des Propheten (zurück zu einer Schriftgläubigkeit, die im Begriff war, verloren zu gehen/überwunden zu werden), Einführung und Überwachung gottesdienstlicher Pflichten

- Abschaffung des Parteienwesens (das nach westlichem Vorbild entstanden war) und Änderung der Gesetze in Übereinstimmung mit der Scharia

- Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft, Entfachung des Kampfgeistes der Jugend nach Vorgaben des Dschihad

- Zusammenarbeit der Länder des verlorenen Kalifats

Al-Banna fand eine halbe Millionen Anhänger, bis die ägyptische Regierung ihn hinrichten ließ. In ägyptischer Gefangenschaft schrieb sein Nachfolger Sayyid Qutb 1964 das Traktat „Meilensteine“, das die Agenda der Bruderschaft erweitert hat um eine Art Kriegserklärung an alle Juden und den Westen sowie das Credo, dass Nationalstaaten nichts als Meilensteine sind auf dem Weg zur islamischen Weltherrschaft.

Ein Land nach dem anderen ist seither islamisiert worden, Länder, die auf dem Weg zu einer freien Gesellschaft waren wie der Iran, Länder wie Pakistan und Indonesien, wo fernöstliche Religionen vorherrschten, Länder wie der Libanon, die ein Zufluchtsort für Christen gewesen sind.

Von fünfzig muslimischen Ländern disqualifiziert sich heute jedes einzelne als unfrei, als eine Bedrohung für die eigene Bevölkerung. Die im Westen, die den Islamismus unwissend gegen jede Kritik verteidigen, zitieren häufig die Errungenschaften aus der Blütezeit des Islam. Doch vor tausend Jahren wurden Koran und Hadithe nicht so ernst genommen wie heute.

Keinen Konflikt, an dem nichtwestliche Muslime beteiligt sind, kann man heute noch korrekt beurteilen, wenn man nicht der regressiven Urgewalt Rechnung trägt, die der moderne Islamismus ist. Dieselben Leute, die eben noch für einen EU-Beitritt der Türkei plädiert haben und jede Warnung einer Islamisierung für rechtspopulistischen Unsinn hielten, vergleichen jetzt, von heut auf morgen, die Türkei mit Nazideutschland. Diese Inkompetenz und Weltfremdheit ist atemberaubend.

Die amerikanischen Wahlen

Der Australier Julian Assange hat mit der Organisation WikiLeaks massiven Einfluss ausgeübt auf die achtundfünfzigste Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten. Da die Echtheit der enthüllten E-Mails und ihre Relevanz für das öffentliche Interesse unbestritten sind, soll uns gleichgültig sein, ob er mit der russischen Regierung in Verbindung steht (wie Hillary Clinton behauptet hat) oder nicht. Die E-Mails des DNC und des Vorsitzenden der Clinton-Kampagne John Podesta sind in der virtuellen WikiLeaks-Bibliothek zu finden. Sie bieten Anhaltspunkte für hohe Korruption und unethisches Verhalten jeder Fasson.

Zum Beispiel dafür, dass Saudi-Arabien bedeutender Sponsor des IS und der Clintons ist. Der IS und Saudi-Arabien stimmen ideologisch überein: Implementieren dieselben Regeln der Scharia und ahnden Verstöße mit grausamer Härte—genauso wie eine ganze Reihe islamischer Länder es tun, befeindet oder nicht, schiitisch oder sunnitisch, arabisch, persisch, afrikanisch, südasiatisch. Die tödliche Ideologie des Islamismus macht sie gleich, und während der IS als Terrorgruppe auftritt, nimmt Saudi-Arabien Geld in die Hand.

Dass Hillary Clinton gegen Russland wütete, anstatt die Korruptionsvorwürfe zu entkräften, die gegen sie erhoben wurden, und dass die gesamte westliche Presse ihr nach dem Mund redete, das machte sie in den Augen vieler Wähler gefährlicher als Trump.

Was bei diesen Wahlen über die „Eliten“ herausgekommen ist, hat unser Augenmerk zurück gelenkt auf die missbrauchte Architektur dieser stolzen Institutionen der freien Welt. Mit etwas Glück wird der Durst nach Gerechtigkeit nicht vom herrschenden Linkspopulismus ins andere Extrem führen, sondern einen guten Konservatismus hervorbringen, der unsere Freiheiten im neuen Jahrhundert fortbestehen lässt. In Amerika stehen die Chancen dafür allemal besser als bei uns.

Kommentare

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    Norbert Schönecker

    Ein paar historische Kommentare zu diesem interessanten Beitrag:

    "Die eingeborenen Stämme Amerikas waren darauf spezialisiert, einander auszurotten."
    - Das ist reichlich pauschalisierend. Es gab vor Kolumbus sehr, sehr viele Völker in Amerika, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Manche waren friedlich, andere kriegerisch. Manche freiheitlich, andere hatten detaillierte Vorschriften der Lebensführung. Manche hatten weitreichende Handelsbeziehungen und waren schon allein deshalb zwangsläufig weltoffener als solche, die autark gelebt haben. "Die eingeborenen Stämme Amerikas" sollten nicht als geschlossene Kultur dargestellt werden. Was hatten schon die Eskimos mit den Kariben, den Apachen oder den Anasazi gemeinsam?

    "Das amerikanische Volk führte einen Bürgerkrieg, um die Sklaverei und das altmodische Feudalsystem der Südstaaten loszuwerden."
    - Historisch leider nur eine fromme Legende. Der Grund für den Bürgerkrieg war - jedenfalls seitens Lincoln und der herrschenden Klasse der Nordstaaten - ausschließlich der, die Einheit der Union zu bewahren. Für die Sklaven oder gegen das Feudalsystem hätte Lincoln keinen einzigen Soldaten geopfert. Es ging - wie bei heutigen Kriegen - um die Rohstoffe, die durch die Abspaltung der Südstaaten verlorengegangen waren. Beweis: Zum Zeitpunkt des Beginns des Bürgerkriegs gab es in manchen Staaten der Union durchaus noch Sklaven. Der Krieg war gegen die ausgetretenen Bundesstaaten gerichtet, nicht gegen die sklavenhaltenden.

    Und dann habe ich bei der Gelegenheit noch eine Frage an die Freunde der Vernunft und Wissenschaft, auf die ich trotz langen Grübelns noch keine Antwort weiß. Vielleicht bekomme ich ja hier Ideen:
    Es geht um die Religionsfreiheit in der islamischen Welt. Über tausend Jahre lang konnten Andersgläubige (Sikhs, Hindus, Christen, Animisten, Juden, Zoroastrier, Aleviten) in muslimisch regierten Ländern bestehen. Der Christenanteil in Ägypten, Syrien oder Persien war viele Jahrhunderte lang konstant über 10%. Seit 1900 sinkt er stark, seit etwa 1970 sehr stark.
    Die Frage ist: Was ist geschehen? Warum wurden die Andersgläubigem in den gut tausend ersten Jahren muslimischer Herrschaft nicht ausgerottet, vertrieben oder assimiliert - in den letzten Jahrzehnten aber schon?
    Ich weiß wirklich keine Antwort, es ist keine Suggestivfrage, auch keine versteckte Reinwaschung des Islam.

    Folgende Antworten scheiden m.M.n. aus:
    ) technologischer Fortschritt: Gab es früher vielleicht keine Möglichkeit effizienter Verfolgung?
    Doch, die gab es. Die Geschichte ist voll davon. Man blicke nach Europa oder Nordamerika. Traurig, aber wahr.
    ) Der Islam hat sich geändert, ist fundamentalistischer geworden?
    Der Islam ist von allen großen Religionen diejenige mit dem geringsten Änderungspotenzial. Und gerade die Suren mit den radikalsten Aufrufen zur Eliminierung Andersgläubiger werden seit jeher dem späten Mohammed zugeschrieben und galten deshalb immer schon als den milderen Suren prioritär.
    ) Es gab früher für unterdrückte Minderheiten keine Möglichkeit auszuwandern?
    Die Völkerwanderungen des Frühmittelalters beweisen das Gegenteil.

    Also: Ich hoffe auf Vorschläge!

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    1. userpic
      Vít Zgažar

      Ja ... Ich lese "darauf spezialisiert..." als ironische Replik auf den Quatsch, der von den SJWs kommt. Das Wirtschaftsmodell des Südens war Grund der Sezession. Die moralische Indignation über die Sklaverei hat viel geholfen, den Norden zu mobilisieren ... Sie haben trotzdem auch recht.

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