Die ideologische Unterwanderung der Biologie

Eine beispielhafte Analyse der Angriffe auf die Naturwissenschaft.

Die ideologische Unterwanderung der Biologie

Foto: Pexels.com / Karolina Grabowska

ZUSAMMENFASSUNG: Die Biologie sieht sich einer ernsten Bedrohung durch eine „progressive“ Politik gegenüber, die die Art und Weise unserer Arbeit verändert, Bereiche der Biologie abgrenzt, die tabu sind und nicht von der Regierung finanziert oder in naturwissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht werden dürfen, vorschreibt, welche Wörter Biologen in ihren Schriften vermeiden müssen, und bestimmt, wie Biologie an Studenten gelehrt und anderen Naturwissenschaftlern und der Öffentlichkeit durch die Fach- und Publikumspresse vermittelt wird. Wir haben diesen Artikel nicht geschrieben, um zu behaupten, dass die Biologie tot ist, sondern um zu zeigen, wie die Ideologie sie vergiftet. Die Naturwissenschaft, die uns so viele Fortschritte und Erkenntnisse gebracht hat - von der Struktur der DNA bis hin zur grünen Revolution und der Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen - ist durch politische Dogmen gefährdet, die unsere grundlegende Tradition der offenen Forschung und wissenschaftlichen Kommunikation untergraben. Und weil vieles von dem, was wir diskutieren, innerhalb der akademischen Wissenschaft stattfindet, wo viele Naturwissenschaftler zu feige sind, ihre Meinung zu sagen, ist die Öffentlichkeit mit diesen Problemen weitgehend nicht vertraut. Leider könnte es schon zu spät sein, wenn sie für alle sichtbar werden.

Kulturkriege

Wir alle kennen die Kulturkriege, die progressive Linke gegen die Gemäßigten und die Rechten ausspielen. In der Vergangenheit ging es bei diesen Auseinandersetzungen um politische und soziokulturelle Fragen, und in der Naturwissenschaft waren sie weitgehend auf die Geisteswissenschaften beschränkt. Aber - abgesehen von den „soziobiologischen Kriegen“ in den siebziger Jahren und unseren immerwährenden Kämpfen gegen den Kreationismus - dachten wir Biologen immer, dass unser Fachgebiet solche Kämpfe vermeiden würde. Schließlich wäre die wissenschaftliche Wahrheit sicherlich immun gegen Angriffe oder Verzerrungen durch politische Ideologie, und die meisten von uns waren zu sehr mit der Arbeit im Labor beschäftigt, um sich in parteipolitische Streitereien einzumischen.

Wir haben uns geirrt. Naturwissenschaftler innerhalb und außerhalb der Hochschule gehörten zu den ersten, die begannen, ihr Fachgebiet politisch zu säubern, indem sie unbequeme Wahrheiten falsch darstellten oder sogar logen. Es wurden Kampagnen gestartet, um die wissenschaftliche Fachsprache von Wörtern zu befreien, die als beleidigend angesehen wurden, um sicherzustellen, dass Befunde aus Forschungsmanuskripten entfernt wurden, die Menschen, die als unterdrückt betrachtet wurden, „schaden“ könnten, und um die Finanzierung der Naturwissenschaft weg von der Forschung und hin zu sozialen Reformen zu lenken. Die amerikanische Regierung weigerte sich sogar, genetische Daten - die mit Steuergeldern gesammelt wurden - öffentlich zugänglich zu machen, wenn die Analyse dieser Daten als „stigmatisierend“ angesehen werden könnte. Mit anderen Worten: Die Naturwissenschaft - und wir sprechen hier von allen MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) - ist stark politisch geprägt, da die „progressive soziale Gerechtigkeit“ unsere eigentliche Aufgabe verdrängt: die Wahrheitsfindung.

In der Biologie waren diese Veränderungen eine Katastrophe. Durch die Verwässerung unserer Möglichkeiten, das zu untersuchen, was wir faszinierend oder wichtig finden, die Zurückhaltung von Forschungsgeldern, die Kontrolle der politischen Akzente von Manuskripten und die direkte Dämonisierung von Forschungsgebieten und Forschern, haben Ideologen ganze Forschungszweige ausgeschaltet. Dies wird das menschliche Wohlergehen beeinträchtigen, denn, wie alle Naturwissenschaftler wissen, und wie die Verbindung zwischen hitzeresistenten Bakterien und PCR-Tests zeigt, wissen wir nie, welchen Nutzen die von reiner Neugier getriebene Forschung haben kann. Aber Neugierde zu nähren hat einen ganz eigenen Wert. Schließlich werden wir nicht gesünder oder reicher, wenn wir schwarze Löcher oder den Urknall erforschen, aber es bereichert unser Leben, wenn wir davon wissen. Die Erosion der akademischen Freiheit in der Naturwissenschaft durch die fortschrittliche Ideologie schadet uns also sowohl intellektuell als auch materiell.

Obwohl die Biologie schon zu anderen Zeiten und an anderen Orten mit der Ideologie kollidiert ist (z. B. die sowjetische Lysenko-Skandal, der Kreationismus und die Anti-Vax-Bewegung), ist die gegenwärtige Situation noch schlimmer, denn sie betrifft alle naturwissenschaftlichen Bereiche. Ebenso bedauerlich ist, dass die Naturwissenschaftler selbst - mit Hilfe der Universitätsverwaltungen - zu Komplizen ihrer eigenen Maulkorbpolitik geworden sind.

Im Folgenden geben wir sechs Beispiele dafür, wie unser eigenes Gebiet - die Evolutions- und Organismenbiologie - durch Ideologie behindert oder falsch dargestellt wurde. Bei jedem Beispiel geht es um eine von Ideologen verbreitete Falschaussage, gefolgt von einer kurzen Erklärung, warum die jeweilige Aussage falsch ist. Abschließend geben wir an, welche Ideologie unserer Meinung nach hinter jeder Falschaussage steckt, und bewerten dann den Schaden, den sie für die naturwissenschaftliche Forschung, die Lehre und das öffentliche Wissenschaftsverständnis darstellt. Letztendlich ist unser Anliegen die biologische Forschung und die Entdeckung neuer Fakten, aber die Forschung ist nicht frei von gesellschaftlichem Einfluss. Sie geht Hand in Hand mit der Lehre und der öffentlichen Akzeptanz biologischer Fakten. Wenn bestimmte Forschungsbereiche beispielsweise durch die Medien stigmatisiert werden, leidet das öffentliche Verständnis, und das Interesse an der Lehre sowie an der Forschung in diesen Bereichen geht zurück. Indem sie das Interesse an der Biologie abschneidet oder behindert, beraubt uns die falsche Darstellung oder Stigmatisierung durch die Medien letztlich der Möglichkeit, die Welt zu verstehen.

Wir konzentrieren uns auf unser eigenes Fachgebiet, die Evolutionsbiologie, weil wir uns hier am meisten veranlasst sehen, es verteidigen zu müssen, aber wir fügen hinzu, dass ähnliche ideologische Konflikte in Wissenschaften wie Chemie, Physik, Mathematik und sogar Informatik häufig anzutreffen sind. In diesen anderen Bereichen geht es jedoch weniger um die Leugnung naturwissenschaftlicher Fakten als vielmehr um die Reinigung der Sprache, die Abwertung traditioneller Leistungsmaßstäbe, die Veränderung der demografischen Zusammensetzung von Naturwissenschaftlern, die drastische Veränderung der Art und Weise, wie Naturwissenschaft gelehrt wird, und die „Entkolonialisierung“ der Naturwissenschaft. Die Evolutionsbiologie ist besonders anfällig für Angriffe auf die wissenschaftliche Wahrheit, weil sie sich mit dem heikelsten Thema überhaupt beschäftigt: dem Ursprung und der Natur des Homo sapiens. Wir beginnen mit einem weit verbreiteten Irrglauben über unsere Spezies.

1. Das Geschlecht des Menschen ist keine diskrete und binäre Verteilung von Männern und Frauen, sondern ein Spektrum.

Diese Aussage, eine der häufigsten politischen Verzerrungen der Biologie (z. B. Ainsworth 2018), ist falsch, weil fast jeder Mensch auf der Erde in eine von zwei verschiedenen Kategorien fällt. Ihr biologisches Geschlecht wird einfach dadurch bestimmt, ob Ihr Körper darauf ausgelegt ist, große, unbewegliche Geschlechtszellen (Eizellen, kennzeichnend für Frauen) oder sehr kleine und bewegliche Geschlechtszellen (Spermien, kennzeichnend für Männer) zu produzieren. Sogar bei Pflanzen gibt es diese Zweiteilung, wobei die Pollen die winzigen Spermien produzieren und die Samenanlagen die großen Eier tragen. Der Größenunterschied kann enorm sein: Eine menschliche Eizelle hat beispielsweise das zehnmillionenfache Volumen eines einzelnen Spermiums. Und jede Gamete ist mit einem komplexen Fortpflanzungsapparat verbunden, der sie hervorbringt. Es sind die Träger dieser beiden Fortpflanzungssysteme, die Biologen als „die Geschlechter“ (Sexes) bezeichnen.

Da es weder bei Tieren noch bei Gefäßpflanzen andere Arten von Gameten gibt und wir auch keine Zwischenformen sehen, gibt es kein drittes Geschlecht. Zwar gibt es bei vielen Tier- und Blütenpflanzenarten Zwitter, doch vereinen diese lediglich männliche und weibliche Funktionen (und Gameten) in einem Individuum und stellen kein „drittes Geschlecht“ dar. Außerdem können Entwicklungsprobleme manchmal zu intersexuellen Menschen, einschließlich Zwittern, führen. Entwicklungsvarianten sind sehr selten, sie machen nur etwa einen von 5.600 Menschen (0,018 Prozent) aus und stellen ebenfalls kein „anderes Geschlecht“ dar. (Uns sind nur zwei Fälle von echten menschlichen Zwittern bekannt, die fruchtbar waren, aber ein Individuum war nur als Mann und das andere nur als Frau fruchtbar).

Nur bei Protisten, Pilzen und Algen finden wir mehr als zwei verschiedene Klassen von Individuen, die gleich große Gameten haben („isogam“), wobei die Individuen in der Lage sind, sich mit Mitgliedern jeder beliebigen Klasse außer ihrer eigenen zu paaren. Wenn man die Definition von Geschlechtern lockert, könnte man diese als mehrere Geschlechter betrachten, aber um Verwirrung zu vermeiden, nennen Biologen sie „Paarungstypen“.

Praktisch gesehen ist das Geschlecht also binär - nicht nur beim Menschen, sondern bei allen Tieren und Pflanzen. Und es ist binär, weil die natürliche Selektion die Entwicklung eines Binärs begünstigt hat. Im Jahr 1958 stellte der berühmte Evolutionsforscher Ronald Fisher die entscheidende Frage: „Kein praxisnaher Biologe, der sich für die sexuelle Fortpflanzung interessiert, würde sich dazu veranlasst sehen, die detaillierten Konsequenzen herauszuarbeiten, die Organismen mit drei oder mehr Geschlechtern erfahren; doch was sollte er sonst tun, wenn er verstehen will, warum die Geschlechter in Wirklichkeit immer zwei sind?“

Obwohl es nicht wirklich notwendig ist, zwei getrennte Gametentypen zu haben, um den bekannten Vorteil der sexuellen Fortpflanzung zu erhalten, ist die Evolution der sexuellen Zweiergruppe mehrfach geschehen. Sowohl biologische Beobachtungen als auch mathematische Modelle, deren schwierige Details wir nicht beachten müssen, zeigen, warum die Zahl zwei allgegenwärtig ist. Ausgehend von einer Abstammungsart mit gleich großen Gameten („Isogamie“) fördert die natürliche Auslese häufig die Aufspaltung der Population in zwei Gruppen von Individuen mit sehr unterschiedlichen Gameten („Anisogamie“) - entweder kleine und mobile oder große und unbewegliche. Auf diese Weise haben sich zwei Geschlechter herausgebildet, und fortan wird die Spezies der Invasion von Individuen mit anderen Arten von Gameten, d. h. anderen neuen Geschlechtern, widerstehen.

Die Stabilität des zweigeschlechtlichen Zustands wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Auslöser für die Entwicklung von Männchen und Weibchen von Art zu Art sehr unterschiedlich sind. Unterschiedliche Geschlechter können auf unterschiedlichen Chromosomen und ihren Genen beruhen (z. B. XX vs. XY beim Menschen, ZW vs. ZZ bei Vögeln, Individuen mit gleichen Chromosomen sind bei Säugetieren weiblich und bei Vögeln männlich), auf unterschiedlichen Aufzuchttemperaturen (Krokodile und Schildkröten), darauf, ob man einen vollen oder einen halben Chromosomensatz hat (Bienen), ob man auf ein Weibchen trifft (Meereswürmer) und auf einer Vielzahl anderer sozialer, genetischer und umweltbedingter Faktoren. Die natürliche Auslese hat unabhängig voneinander verschiedene Wege zur Entstehung der Geschlechter hervorgebracht, aber am Ende gibt es nur zwei Ziele: Männchen und Weibchen. Es handelt sich also um eine gewachsene und objektiv anerkannte Dichotomie und nicht um ein willkürliches Spektrum von Geschlechtern.

Doch trotz dieser Tatsachen ist die Geschlechterdichotomie - insbesondere beim Menschen - in letzter Zeit ideologisch motivierten Angriffen ausgesetzt. Selbst in scheinbar objektiven Diskussionen über das biologische Geschlecht (Sex) und soziale Geschlecht (Gender) wird oft behauptet, dass Individuen ihr biologisches Geschlecht bei der Geburt zugewiesen wurde (z. B. „AFAB": bei der Geburt weiblich zugewiesen), als ob dies eine willkürliche Entscheidung von Ärzten wäre - ein „soziales Konstrukt“ - und nicht eine Beobachtung der biologischen Realität. Sogar die Society for the Study of Evolution, die es eigentlich besser wissen müsste, ließ sich von ihrer Ideologie leiten und erklärte öffentlich, dass das biologische Geschlecht als ein Kontinuum zu betrachten sei. Lehrer wurden aus ihren Jobs gejagt und der Unterricht entzogen, nur weil sie erklärten, dass das menschliche Geschlecht binär ist. Wie wir noch sehen werden, beruht diese Kontroverse auf einer bewussten Vermischung einer biologischen Realität, der biologischer Geschlechter, mit einem sozialen Konstrukt, den sozialen Geschlechtern.

Die Leugnung der Geschlechterdichotomie hindert uns daran, eine der faszinierendsten Verallgemeinerungen der Biologie zu verstehen: den Unterschied zwischen Männchen und Weibchen in Verhalten und Aussehen. Die Farbe, die Verzierungen, die Größe und die Waffen der Männchen im Vergleich zu deren Fehlen bei den Weibchen - ein Unterschied, den man bei Arten wie Hirschen, Vögeln, Fischen und Robben beobachten kann - sind das Ergebnis der sexuellen Selektion: Des zuerst von Darwin vorgeschlagenen Prozesses, bei dem die Männchen miteinander um den Zugang zu den Weibchen konkurrieren. Dabei kommt es entweder zu einem direkten Wettstreit zwischen den Männchen, wie bei den Hirschen, oder die Männchen appellieren an die Vorlieben der Weibchen durch Farbe, Ornamente und Verhalten. Und diese nahezu universelle Beobachtung in der Natur ist letztlich darauf zurückzuführen, dass die Weibchen mehr in die Fortpflanzung investieren als die Männchen, angefangen bei den großen und stoffwechselintensiven Eiern.

Letztlich liegt die Last der elterlichen Fürsorge weitgehend bei den Weibchen. Da sie mit der Produktion und Aufzucht von Nachkommen beschäftigt sind, stehen sie weniger für die Paarung zur Verfügung, selbst wenn das Verhältnis von Männchen zu Weibchen 1:1 beträgt. Die sexuelle Selektion erklärt auch das Verhalten: Bei den meisten Arten - einschließlich unserer eigenen - sind Männchen promiskuitiver als Weibchen, die bei der Partnerwahl wählerisch sind. Ein Männchen braucht zur Befruchtung nur etwa einen Teelöffel Spermien, während die Weibchen nur wenige und aufwendige Eier haben, die Schwangerschaft langwierig ist und dann noch die nervtötenden Nachkommen zu versorgen sind - beim Menschen jahrelang. Geweihe, Federn, Pfauenschwänze, aufwendige männliche Paarungstänze, Vogelgesang: Diese und eine Vielzahl anderer Merkmale sind nur als evolutionäres Ergebnis unterschiedlich großer Geschlechtszellen sinnvoll.

Warum wehren sich so viele Menschen gegen das binäre Geschlecht? Weil es in ihrem ideologischen Interesse liegt, das biologische Geschlecht mit dem sozialen Geschlecht, der sozialen Identität oder der Geschlechterrolle zu verbinden. Im Gegensatz zum biologischen Geschlecht bildet das soziale Geschlecht eher ein Kontinuum (in Online-Listen werden Dutzende von Geschlechtern aufgeführt). Dennoch ist die Verteilung der sozialen Geschlechter bimodal: Die meisten Menschen entsprechen den männlichen und weiblichen Geschlechterrollen, aber es gibt viel mehr Zwischenstufen als beim biologischen Geschlecht.

Und warum verfälschen die Menschen die Wahrheit? Wir vermuten, dass einige derjenigen, deren soziales Geschlecht nicht einem der beiden biologischen Geschlechter entspricht, und ihre Verbündeten, das biologische Geschlecht neu definieren wollen, so dass es, wie das soziale Geschlecht, eher ein Kontinuum bildet. Die Abschaffung des binären biologischen Geschlechts ist zwar gut gemeint, verzerrt aber die wissenschaftlichen Fakten - und alle evolutionären Konsequenzen, die sich aus diesen Fakten ergeben - erheblich.

2. Alle verhaltensmäßigen und psychologischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Menschen sind auf die Sozialisation zurückzuführen.

Es wird oft behauptet, dass Evolution und Genetik bei diesen Unterschieden keine Rolle spielen. Dies ist die bekannte „Unbeschriebenes Blatt"-Ideologie, die behauptet, dass alle Menschen, einschließlich Männer und Frauen, mit der Neigung geboren werden, sich ähnlich zu verhalten, und dass alle Verhaltens- oder psychologischen Unterschiede, die wir zwischen Gruppen feststellen, ausschließlich auf die Sozialisation, einschließlich wirtschaftlicher oder umweltbedingter Einflüsse, zurückzuführen sind.

Für einen Biologen ist diese Art von pauschalem Unbeschriebenes-Blatt-Denken - das möglicherweise zum Teil auf den marxistischen Glauben an die unendliche Formbarkeit des Menschen zurückzuführen ist - zutiefst falsch. Zahlreiche Studien zeigen eindeutig, dass es durchschnittliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen in einer langen Liste von Verhaltensweisen gibt, die durch die Biologie beeinflusst werden, darunter sexuelle Interessen, elterliche Fürsorge, Aggression, Grad der Promiskuität, Risikobereitschaft, Interesse an Menschen und nicht an Dingen, Empathie, Ängstlichkeit, räumliche Fähigkeiten, Gewalt und Eigenschaften im Zusammenhang mit sozialen Beziehungen. Es ist wichtig zu wissen, dass es sich hier um Durchschnittswerte handelt: Es gibt viele Überschneidungen zwischen den Verteilungen von männlichen und weiblichen Verhaltensweisen, so dass einzelne Personen Merkmale aufweisen können, die häufiger beim anderen biologischen Geschlecht zu finden sind. Manche Frauen sind zum Beispiel aggressiver als der durchschnittliche Mann. Und wir müssen hinzufügen, dass die Sozialisation wahrscheinlich - vielleicht sogar maßgeblich - zu vielen Verhaltensunterschieden zwischen Männern und Frauen beiträgt.

Können wir aber behaupten, dass diese durchschnittlichen Unterschiede allein auf die Sozialisation zurückzuführen sind? Nein. Es ist wahrscheinlich, dass die durchschnittlichen Unterschiede in den oben aufgeführten Verhaltensweisen nicht nur eine biologische, sondern auch eine genetische Grundlage haben. Das heißt, es ist sicher, dass die natürliche Auslese im Laufe der Jahrmillionen dazu geführt hat, dass sich einige Verhaltensweisen von Männern und Frauen voneinander unterscheiden. Woher wissen wir das? Indem wir mehrere Kriterien heranziehen, darunter die Bewertung der allgemeinen Wahrscheinlichkeit einer adaptiven Erklärung, die Suche nach Verhaltensparallelen bei anderen Arten (insbesondere bei unseren nächsten Verwandten, den Primaten), festzustellen, ob ein Geschlechtsunterschied im Verhalten in verschiedenen menschlichen Kulturen, einschließlich der Jäger und Sammler, vorkommt, zu prüfen, ob das Verhalten durch Fortpflanzungshormone wie Testosteron beeinflusst wird, und nachzuschauen, ob das Verhalten zum erwarteten Zeitpunkt der Entwicklung auftritt. Risikobereitschaft und Aggression unter Männern sind beispielsweise im jungen Erwachsenenalter während des Höhepunkts der Fortpflanzungsaktivitäten am stärksten ausgeprägt - genau so, wie wir es erwarten, wenn es sich um Verhaltensweisen handelt, die sich entwickelt haben, um Männern zu helfen, Partner zu finden.

Doch für viele ist sogar der Hinweis auf eine biologische Grundlage für geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede ein Tabu und wird als eine Art von Frauenfeindlichkeit empfunden. Ein aktuelles Beispiel ist die Erklärung von Chelsea Conaboy in der New York Times, dass „der Mutterinstinkt ein Mythos ist, den Männer geschaffen haben“. Hier argumentiert sie, dass die bekannten Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Aufmerksamkeit und das Verhalten gegenüber ihren Kindern ausschließlich auf die Sozialisation zurückzuführen sind. Die offensichtliche Antwort der Biologie ist, dass zwar einige menschliche Gesellschaften die Last der mütterlichen Fürsorge den Frauen aufbürden, dass aber die im Vergleich zu Vätern größere Aufmerksamkeit von Müttern gegenüber ihren Kindern - ausgelöst durch Signale wie Hormone, Milchproduktion, Säuglingsweinen und den Anblick von Babys - nicht nur in jeder menschlichen Gesellschaft zu beobachten ist, sondern, was noch wichtiger ist, auch bei Tausenden anderer Tierarten, einschließlich unserer engsten Verwandten, den Primaten. Es ist bezeichnend, dass bei diesen anderen Arten der soziale Druck fehlt, der für Unbeschriebene-Blatt-Vertreter die Geschlechtsunterschiede erklärt. Es wäre in der Tat ein seltsamer Zufall, wenn Frauenfeindlichkeit und Patriarchat beim Menschen einen Sachverhalt schaffen würden, der mit dem bei unseren evolutionären Vettern identisch ist - und auch mit dem bei unseren entfernteren Verwandten.

Die falsche Vorstellung, dass Männer und Frauen in Verhalten und Psychologie biologisch identisch sind, ist eine Form des sogenannten „biologischen Egalitarismus“. Dabei handelt es sich um die Auffassung, dass alle Gruppen in wichtigen Aspekten ihrer Biologie im Wesentlichen gleich sein müssen, weil man sonst versucht sein könnte, von der Nichtidentität zur „Ungleichheit“ und von dort zu Bigotterie, Frauenfeindlichkeit und anderen diskriminierenden Verhaltensweisen überzugehen. Wie wir aber sehen werden, gibt es keinen logischen Zusammenhang zwischen dem, was wir in der Natur sehen, und der Frage, wie wir die Würde, die Rechte und die Freiheiten der verschiedenen Individuen oder Gruppen betrachten sollten. Das erste ist eine Frage der Realität, das zweite eine Frage der Ethik - wie wir Moral rational gestalten.

3. Die Evolutionspsychologie, die Erforschung der evolutionären Wurzeln des menschlichen Verhaltens, ist ein Scheinfachgebiet, das auf falschen Annahmen beruht.

Der Biologe P.Z. Myers schloss sich mehreren anderen Kritikern dieses Fachgebiets (das früher Soziobiologie genannt wurde) an, als er behauptete, dass: „Die grundlegenden Prämissen der Evo-Psych [Evolutionspsychologie] sind falsch“. Selbst Sozialpsychologen, die die Evolution an sich fast durchweg akzeptieren, sind weit weniger begeistert von der Vorstellung, dass die Evolution wichtige Aspekte der menschlichen Psychologie, der sozialen Einstellungen und Präferenzen erklärt.

Die weithin akzeptierte Ansicht von Myers ist jedoch ein Irrtum, denn die grundlegende Prämisse der Evolutionspsychologie lautet schlicht und einfach: Unser Gehirn und seine Funktionsweise - die unsere Verhaltensweisen, Vorlieben und Gedanken hervorbringen - spiegeln manchmal die natürliche Selektion wider, die auf unsere Vorfahren eingewirkt hat. Niemand bestreitet dies für unsere Körper, Palimpseste einst adaptiver Merkmale, die nicht mehr nützlich sind (Weisheitszähne, Steißbeine und vorübergehende Haarpracht bei Embryonen), aber die Gegner der Evolutionspsychologie leugnen es für unsere Verhaltensweisen. Es gibt jedoch keinen wissenschaftlichen Grund für eine solche Dualität. Warum in aller Welt sollte unser Körper Millionen von Jahren der Evolution widerspiegeln, während unser Verhalten, unsere Gedanken und unsere Psyche, die von denselben Kräften geformt wurden, irgendwie immun gegen unsere Vergangenheit sind? Dies könnte nur dann zutreffen, wenn es den menschlichen Verhaltensweisen an genetischer Variation fehlte, die eine unerlässliche Voraussetzung für die Evolution ist. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass unsere Verhaltensweisen zu den genetisch am stärksten variierenden menschlichen Merkmalen gehören!

Die „soziobiologischen Kriege“ der siebziger Jahre, die durch das gleichnamige Buch von E.O. Wilson ausgelöst wurden, werden also unter neuem Namen fortgesetzt, aber das Thema bleibt die menschliche Einzigartigkeit - die Ansicht, dass wir irgendwie nahezu frei von den evolutionären Kräften sind, die das Verhalten anderer Arten geprägt haben. Es stimmt, dass in den Anfängen der Evolutionspsychologie einige „soziale“ Forschungsarbeiten durchgeführt wurden, die zweifelhafte und nicht überprüfbare adaptive Hypothesen für unser Verhalten aufstellten, aber jetzt hat das Gebiet eine Erklärungsreife erreicht, die ernst genommen werden muss.

In der Tat erklärt die Evolutionspsychologie nach unserem besten Kenntnisstand mehrere menschliche Verhaltensweisen. Dazu gehört, warum wir Verwandte gegenüber Nicht-Verwandten bevorzugen - und nähere Verwandte gegenüber entfernteren Verwandten -, warum wir Stiefkinder häufiger misshandeln als leibliche Kinder, warum Männer aggressiver sind als Frauen, warum Männer und Frauen unterschiedlich promiskuitiv und sexuell veranlagt sind, warum Männer mehr sexuelle Eifersucht zeigen als Frauen, warum bestimmte Gesichtsausdrücke Emotionen ausdrücken, warum wir Angst vor Schlangen und Spinnen haben und Ekel vor Körperflüssigkeiten zeigen und warum wir Hunger auf Zucker und Fette haben. Einige unserer Verhaltensweisen, wie z. B. die Neigung, Dinge zu essen, die nicht mehr gesund sind, sind Merkmale, die bei unseren Vorfahren nützlich waren, heute aber nutzlos oder sogar schädlich sind.

Die ideologische Verunglimpfung der Evolutionspsychologie schottet einen großen Bereich der Forschung und Lehre ab, der die menschliche Natur betrifft, und hindert uns so daran, unsere eigene Art zu verstehen. Wie zwei Evolutionspsychologen feststellten, „verlangt unseres Wissens keine einzige Institution in den Vereinigten Staaten, die einen Abschluss verleiht, auch nur einen einzigen Kurs in Evolutionsbiologie als Teil eines Psychologiestudiums - eine erstaunliche Bildungslücke, die die Psychologie vom Rest der Biowissenschaften abkoppelt.“ Ohne dieses Wissen bleiben uns „soziale Konstrukte“ und „gesellschaftliche Erwartungen“ als einzige Quelle für unser Verhalten, Erklärungen, die die beobachteten Daten überhaupt nicht erklären können. Es versteht sich von selbst, dass es bei der Behandlung menschlicher Probleme, die mit Verhalten zu tun haben, am besten ist, möglichst umfassende Erklärungen zu haben, sowohl soziale als auch biologische.

Die Ablehnung der Evolutionspsychologie ist durch eine Ideologie des unbeschriebenen Blattes der menschlichen Natur motiviert, die den Menschen als nahezu unbegrenzt formbar ansieht, mit nur wenigen genetischen Einschränkungen für unser Verhalten. Wir haben bereits erwähnt, dass der Marxismus mit ziemlicher Sicherheit diese Haltung beeinflusst hat, die bei den Linken entstanden ist. Weitere Gründe werden in Steven Pinkers Buch Das unbeschriebene Blatt: Die moderne Leugnung der menschlichen Natur erläutert. Dazu gehört die Verachtung des biologischen Determinismus, der Glaube, dass Dinge, die erlernt werden können, wie z. B. Sprache, nicht gleichzeitig auch Fähigkeiten beinhalten können, die sich entwickelt haben, die falsche Ansicht, dass Biologie Schicksal ist (das, was vererbt wird, kann nicht geändert werden) und die pauschale Leugnung, dass die Biologie eine große Rolle im menschlichen Verhalten spielt, einschließlich der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Individuen oder Gruppen. Wie wir noch sehen werden, ist die Untersuchung genetischer Unterschiede zwischen Individuen oder Gruppen besonders tabu, da diese Arbeit angeblich Bigotterie und sogar Eugenik fördert.

4. Wir sollten es vermeiden, genetische Unterschiede im Verhalten zwischen Individuen zu untersuchen.

Die Standardannahme vieler Menschen, vor allem derjenigen, die dem „Unbeschriebene Blatt"-Ansatz anhängen, ist, dass die genetischen Unterschiede zwischen Menschen bei Merkmalen wie Bildungserfolg, IQ und ähnlichen Eigenschaften nicht untersucht werden sollten. In einigen Fällen wird sogar die Existenz genetischer Unterschiede geleugnet, obwohl verschiedene Forschungsarbeiten, wie z. B. Zwillingsstudien, eindeutige Beweise liefern. Es wird angenommen, dass solche Arbeiten unweigerlich zu einer Klassifizierung von Menschen, zur Förderung von Bigotterie und zu einer ungerechten Einteilung von Personen in verschiedene Bildungslaufbahnen führen. Doch selbst innerhalb einer einzigen ethnischen Gruppe (z. B. der amerikanischen Nachfahren der Europäer) gibt es bei praktisch jedem Merkmal, sei es körperlich oder verhaltensbezogen, eine relevante genetische Komponente. Dies gilt für Merkmale wie Körpergröße, Blutdruck, Neigung zum Rauchen oder Trinken, Neurotizismus, kognitive Fähigkeiten und Bildungsstand. Bei den beiden letztgenannten Merkmalen ist mehr als die Hälfte der Unterschiede zwischen Individuen auf Variationen in ihren Genen zurückzuführen. Es ist jedoch wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass diese Messwerte die Variation innerhalb einer Bevölkerung widerspiegeln und nichts über die Grundlage der Unterschiede zwischen Bevölkerungen oder ethnischen Gruppen aussagen.

Diese Art von Studie ist nützlicher geworden, seit die Naturwissenschaft Techniken zur Sequenzierung der DNA des gesamten Genoms einer Person entwickelt hat. Mit diesen Informationen und der Sequenzierung vieler Individuen können Sie jede variable DNA-Position (d. h. einzelne Nukleotidbasen) mit verschiedenen Merkmalen von Individuen korrelieren und feststellen, welche Teile der DNA mit der Variation eines ausgewählten Merkmals korreliert sind. Bei dieser Art von Studien (genomweite Assoziationsstudien oder GWAS) wurden beispielsweise fast 4.000 Bereiche des Genoms gefunden, die mit dem Bildungsniveau in Verbindung stehen. Faszinierenderweise sind viele dieser Gene vor allem im Gehirn aktiv. Mit Hilfe von GWAS-Studien ist es jetzt möglich, recht genaue Vorhersagen über das Aussehen, das Verhalten, die schulischen Leistungen und die Gesundheit einer Person zu treffen, indem man einfach die DNA einer Person analysiert und ihre individuellen „genetischen Risikowerte“ auf der Grundlage großer Stichproben ihrer Bevölkerung berechnet. Dies kann sogar mit fötaler DNA durchgeführt werden.

Die GWAS-Analyse bietet viele Möglichkeiten für hilfreiche Eingriffe, insbesondere die Beobachtung von Menschen hinsichtlich eines Gesundheitszustands, für dessen Entwicklung sie genetisch anfällig sind. Die Nützlichkeit von GWAS-Ergebnissen für den Bildungserfolg ist jedoch sehr viel umstrittener. Obwohl genetische Unterschiede bei vielen Aspekten dessen, was wir als „Intelligenz“ bezeichnen, eine Rolle spielen, ist es derzeit einfacher, die Perspektiven der Menschen durch Sozial- und Bildungsreformen anzugleichen als unter Einsatz von genetischen Risikowerten.

Dennoch könnte das Verständnis der genetischen Variation, die den Bildungsergebnissen zugrunde liegt, eines Tages nützlich sein. Wenn wir beispielsweise genetische Varianten entdecken, die besonders gut auf pädagogische oder soziale Maßnahmen ansprechen, könnte es möglich sein, diese Personen frühzeitig zu fördern. Diese genetischen Studien könnten auch zur Ermittlung von Umwelteinflüssen beitragen: Wenn zwei Menschen mit identischen genetischen Risikowerten ein sehr unterschiedliches Leben führen, wie unterscheidet sich dann ihr Umfeld? Aus diesem Grund lohnt sich eine solche Forschung trotz der Kontroversen.

Die meisten Menschen hätten nichts dagegen, ihre genetische Veranlagung für die Entwicklung von Krankheiten zu kennen, aber das gilt nicht für Forschungsarbeiten über Verhalten und Kognition. Der Widerstand gegen diese Studien beruht auf einer Unbeschriebene-Blatt-Sichtweise der menschlichen Natur, die jede genetische Vorherbestimmtheit ablehnt und argumentiert, dass wir genetische Einflüsse auf das Verhalten fast vollständig überwinden können. Es wird behauptet, dass genetische Studien, die über körperliche Merkmale und Krankheiten hinausgehen, mit Eugenik und ähnlichen bigotten Handlungen der Vergangenheit in Verbindung stehen.

Tatsächlich ist die Angst vor und die Abneigung gegen verhaltensgenetische Forschung so groß, dass sogar das National Institutes of Health Rassen ausschließlich als soziale Konstrukte definiert und den Zugang von Forschern zu öffentlichen, vom Steuerzahler finanzierten Datenbanken mit Informationen über die genetische Konstitution, Gesundheit, Bildung, Beruf und Einkommen anonymer Personen eingeschränkt haben. Diese Einschränkung gilt offenbar auch für Studien, die keine Unterschiede zwischen den Rassen betreffen, und so scheint es ein Versuch der US-Regierung zu sein, die Forschung über Verhaltensgenetik im Allgemeinen zu unterdrücken - insbesondere über Verhaltensweisen, die mit akademischem und sozialem Erfolg zusammenhängen.

5. „Rasse und ethnische Zugehörigkeit sind soziale Konstrukte ohne wissenschaftliche oder biologische Bedeutung“.

Dies ist der Elefant im Raum: Die Behauptung, dass es keinen empirischen Wert hat, Unterschiede zwischen Rassen, ethnischen Gruppen oder Populationen zu untersuchen. Solche Arbeiten sind das größte Tabu in der Biologie, da sie angeblich von Natur aus rassistisch und schädlich sind. Aber die Behauptung, mit der dieser Absatz überschrieben ist, ein direktes Zitat der Redakteure des Journal of the American Medical Association, ist falsch.

Bevor wir dieses heiße Eisen anfassen, möchten wir betonen, dass wir die Begriffe Ethnizität oder auch geografische Populationen dem Begriff Rasse vorziehen, da der letzte Begriff aufgrund seiner historischen Assoziation mit Rassismus einfach zu polarisierend geworden ist. Außerdem gingen die alten Rassenbezeichnungen wie weiß, schwarz und asiatisch von der irrigen Annahme aus, dass sich Rassen leicht durch einige wenige Merkmale unterscheiden, geografisch abgegrenzt sind und erhebliche genetische Unterschiede aufweisen. Tatsächlich besteht die menschliche Spezies heute aus geografisch zusammenhängenden Gruppen, die nur geringe bis bescheidene Unterschiede in der Häufigkeit der genetischen Varianten aufweisen, und es gibt Gruppen innerhalb von Gruppen: eine potenziell unbegrenzte Anzahl von „Rassen“. Dennoch weisen menschliche Populationen von Ort zu Ort genetische Unterschiede auf, und diese kleinen Unterschiede, die sich über Tausende von Genen summieren, laufen auf beträchtliche und oft diagnostische Unterschiede zwischen Populationen hinaus.

Selbst die alte und überholte Auffassung von Rasse ist nicht frei von biologischer Bedeutung. Eine Gruppe von Forschern verglich eine umfangreiche Stichprobe von Genen bei über 3600 Personen, die sich selbst als Afroamerikaner, Weiße, Ostasiaten oder Hispanoamerikaner bezeichneten. Die DNA-Analyse zeigte, dass diese Gruppen in genetische Cluster eingeteilt werden konnten, und es gab eine 99,84-prozentige Übereinstimmung zwischen dem Cluster, in den eine Person fiel, und der von ihr selbst angegebenen Rassenzugehörigkeit. Dies zeigt sicherlich, dass selbst das alte Konzept der Rasse nicht „ohne biologische Bedeutung“ ist. Das ist aber nicht überraschend, denn angesichts der eingeschränkten Bewegungsfreiheit in der Vergangenheit haben sich die menschlichen Populationen weitgehend in geografischer Isolation voneinander entwickelt - abgesehen von der „hispanischen“ Population, die erst vor kurzem beigemengt wurde und nie als Rasse galt. Wie jeder Evolutionsbiologe weiß, differenzieren sich geografisch isolierte Populationen im Laufe der Zeit genetisch, und deshalb können wir anhand von Genen gute Schätzungen darüber abgeben, woher die Populationen stammen.

Neuere Arbeiten, die sich unsere Fähigkeit zunutze machen, ganze Genome zu sequenzieren, bestätigen eine hohe Übereinstimmung zwischen der selbst identifizierten Rasse und den genetischen Gruppierungen. Eine Studie mit dreiundzwanzig ethnischen Gruppen ergab, dass diese in sieben große „Rassen/Ethnien"-Gruppen fallen, die jeweils mit einer anderen Region der Welt in Verbindung gebracht werden. Auf einer feineren Skala zeigen genetische Analysen der Europäer, dass eine Karte ihrer genetischen Zusammensetzung bemerkenswerterweise fast perfekt mit der Karte Europas selbst übereinstimmt. Tatsächlich kann die DNA der meisten Europäer ihren Geburtsort bis auf etwa 800 Kilometer genau bestimmen.

Welchen Nutzen haben solche Ethnizitätscluster? Beginnen wir mit etwas, mit dem viele Menschen vertraut sind: der Möglichkeit, aus den Genen auf die eigene Abstammung zu schließen. Wenn es keine Unterschiede zwischen den Populationen gäbe, wäre diese Aufgabe unmöglich, und es gäbe keine „Ahnenforschungsunternehmen“ wie 23andMe. Aber man braucht nicht einmal DNA-Sequenzen, um die ethnische Zugehörigkeit ziemlich genau vorherzusagen. Manchmal können auch physische Merkmale diese Aufgabe erfüllen: KI-Programme können z. B. anhand von Röntgenaufnahmen des Brustkorbs die selbst angegebene Rasse recht genau vorhersagen.

Auf breiterer Ebene hat die genetische Analyse weltweiter Populationen es uns nicht nur ermöglicht, die Geschichte der menschlichen Ausbreitung aus Afrika heraus nachzuvollziehen (es gab mehrere), sondern auch den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem H. sapiens verschiedene Gebiete der Welt kolonisiert hat. Dies wurde durch die jüngsten Techniken zur Sequenzierung menschlicher „fossiler DNA“ erleichtert. Darüber hinaus verfügen wir über fossile DNA von Gruppen wie Denisova-Menschen und Neandertalern, die in Verbindung mit modernen Daten zeigen, dass sich diese heute ausgestorbenen Gruppen in der Vergangenheit mit den Vorfahren des „modernen“ Homo sapiens fortpflanzt und zumindest einige fruchtbare Nachkommen hervorgebracht haben (die meisten von uns haben etwas Neandertaler-DNA in ihren Genomen). Obwohl die Archäologie und die Kohlenstoffdatierung dazu beigetragen haben, die Geschichte unserer Spezies zu rekonstruieren, wurden diese Methoden weitgehend durch die Sequenzierung der DNA von lebenden und vorzeitlichen Menschen ersetzt.

Außerdem sind genetische Untersuchungen von Populationen von medizinischem Wert. Eine ganze Reihe genetisch bedingter Krankheiten wird beispielsweise (wenn auch nicht zwingend) mit der ethnischen Zugehörigkeit in Verbindung gebracht: Krankheiten wie die Tay-Sachs-Krankheit, Sichelzellenanämie, Mukoviszidose und hereditäre Hämochromatose. Diese Zusammenhänge machen sowohl die Diagnose als auch die pränatale Beratung effizienter, da man sich anhand der ethnischen Zugehörigkeit auf mögliche medizinische Probleme fokussieren kann. Die Häufigkeit von Krankheiten wie Herzkrankheiten, Krebs und Diabetes unterscheidet sich ebenfalls zwischen den ethnischen Gruppen, aber diese Krankheiten haben sowohl genetische als auch umweltbedingte Ursachen, so dass bei ihrer Behandlung die Ernährung und der Lebensstil berücksichtigt werden müssen. Dennoch könnte eine genetische Analyse von Einzelpersonen und Gruppen auch bei diesen komplexen Leiden helfen. GWAS-Analysen, die auf ethnisch-spezifischen Studien beruhen, könnten beispielsweise Schätzungen des Risikos für verschiedene Krankheiten liefern, indem Säuglinge oder sogar Föten getestet werden. Wenn Sie wissen, dass Sie ein Risiko haben, können Sie durch die Kontrolle Ihres Lebensstils das Risiko verringern, im Alter ernsthaft zu erkranken.

Glücklicherweise werden allmählich GWAS-Daten für verschiedene ethnische Gruppen gesammelt, und Medizinforscher haben bereits erkannt, dass Studien über verschiedene Ethnien sowohl für das Verständnis von Krankheiten als auch für den Abbau gesundheitlicher Unterschiede von wesentlicher Bedeutung sind. Dies liegt daran, dass die genetischen Ergebnisse einer Gruppe möglicherweise nicht auf die Ergebnisse anderer Gruppen verallgemeinert werden können. Eine kürzlich durchgeführte GWAS-Analyse von Demenz entdeckte zum Beispiel, dass einige Regionen des Genoms das Risiko bei Afroamerikanern erhöhen, nicht aber bei weißen Amerikanern. Dies bedeutet, dass sich einige Gene, die künftige Demenzerkrankungen vorhersagen können, zwischen diesen Gruppen unterscheiden und dass auch mögliche Eingriffe oder Heilmethoden unterschiedlich sein könnten.

Schließlich gibt es auch forensische Gründe für die Verknüpfung von Genetik und ethnischer Zugehörigkeit. Dabei geht es um die Vorhersage des Aussehens eines Täters oder Opfers (z. B. Gesichtszüge oder Augen-, Haut- und Haarfarbe) anhand einer Blut-, Gewebe- oder Samenprobe oder, bei Verwendung vorzeitlicher DNA, um die Vorhersage des Aussehens vorzeitlicher Menschen. Wir wissen heute beispielsweise, dass einige Neandertaler blasse Haut und rotes Haar hatten und dass dunkle Haut und blaue Augen beim europäischen Homo sapiens vor einigen tausend Jahren üblich gewesen sein könnten.

Die zentrale Frage der Genetik in den Kulturkriegen betrifft jedoch die Verhaltensmerkmale verschiedener Bevölkerungsgruppen und Ethnien, wobei Intelligenzunterschiede als das am meisten tabuisierte Thema gilt. Angesichts der bewegten Geschichte dieser Studien sollte jeder Forscher vorsichtig sein, denn praktisch jedes Ergebnis, außer der weltweiten Identität von Populationen, könnte zur Untermauerung von Vorurteilen und Bigotterie verwendet werden. In der Tat hat schon das Schreiben über dieses Thema zu Sanktionen gegen viele Naturwissenschaftler geführt, die „denunziert, verleumdet, protestiert, Petitionen gegen sie eingereicht, geschlagen, getreten, gestalkt, bespuckt, zensiert, entlassen und ihrer Ehrentitel beraubt wurden.“ Ein bekanntes Beispiel ist Bo Winegard, ein außerordentlicher Professor in Ohio, der offenbar entlassen wurde, weil er lediglich die Möglichkeit ansprach, dass es Unterschiede in der Kognition zwischen ethnischen Gruppen gibt. Das ist der Grund, warum sich die meisten Biologen von diesem Thema fernhalten.

Das Tabu ist nicht die Frage, ob es beobachtbare Unterschiede im IQ und in den Lebenserfolgen zwischen den Gruppen gibt, denn diese sind bekannt und lassen sich mit standardisierten Tests leicht messen. Vielmehr geht es um die Frage, was die Ursachen für diese Unterschiede sind: Genetische Unterschiede, gesellschaftliche Probleme wie Armut, Rassismus in Vergangenheit und Gegenwart, kulturelle Unterschiede, schlechter Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, die Wechselwirkung zwischen Genen und sozialem Umfeld oder eine Kombination der oben genannten Faktoren. Zu dieser Frage wurden einige Methoden angewandt, darunter Adoptionsstudien, Analysen ethnisch gemischter Populationen und GWAS. Die Genomanalysen haben sich alle auf das Bildungsniveau konzentriert, das in hohem Maße mit dem geschätzten IQ und den Maßstäben für den Erfolg im Leben korreliert, aber sie haben sich fast ausschließlich auf weiße Nachkommen von Europäern konzentriert. Und die Vorhersagekraft dieser ethnisch weißen GWAS-Ergebnisse verschwindet fast, wenn man sie auf andere ethnische Gruppen anwendet. Der Grund für dieses Nachlassen der Vorhersagbarkeit liegt in den genetischen Unterschieden zwischen den Gruppen, einschließlich der Unterschiede in der Untergruppe der Gene, die sich auf den Bildungserfolg auswirken, der Existenz verschiedener Varianten derselben Gene, die in beiden Gruppen beteiligt sind, oder der Unterschiede zwischen den Gruppen in der Art und Weise, wie Gene und ihre Varianten miteinander und mit der Umwelt interagieren. Das Ergebnis ist, dass es nicht einfach ist, Ergebnisse von einer ethnischen Gruppe auf eine andere zu übertragen; jede Gruppe muss separat untersucht werden.

Zwei weitere Probleme erschweren die Analyse von verhaltensbezogen und kognitiven Unterschieden zwischen Gruppen. Erstens werden diese Merkmale in der Regel durch Variationen in Hunderten, wenn nicht Tausenden von Genen beeinflusst, die über das gesamte Genom verteilt sind. Zweitens sind diese Gene physisch mit anderen Genen auf Chromosomen verbunden. Insgesamt bedeutet dies, dass viele Gene für das äußere Erscheinungsbild (Farbe, Gesichtsstruktur, Haarstruktur) - also genau die Gene, die Aufschluss über die ethnische Zugehörigkeit einer Person geben - physisch mit anderen Genen verbunden sind, einschließlich der Gene für den Bildungsstand. Da Gene, die auf den Chromosomen nahe beieinander liegen, gemeinsam vererbt werden, haben wir keine Möglichkeit, die Gene, die das Aussehen beeinflussen, vollständig von denen zu trennen, die den Bildungsstand beeinflussen. Wenn die Leistungsunterschiede zwischen den Gruppen zumindest teilweise darauf zurückzuführen sind, dass die Gesellschaft Menschen, die anders aussehen, anders behandelt (z. B. durch Bigotterie und Rassismus), dann wird der gesellschaftliche Effekt, der durch die „Gene für das Aussehen“ verursacht wird, mit dem direkten Effekt der „Gene für akademische Leistungen“ vermengt.

Doch trotz der Schwierigkeit, die Auswirkungen von Genen und Umwelt zu entflechten, gibt es immer noch gesellschaftliche Vorteile, wenn man die genetischen Auswirkungen innerhalb verschiedener Gruppen versteht. Beispielsweise könnten GWAS-Studien - die für jede Ethnie getrennt durchgeführt werden - aufklären, ob sich genetische Varianten, die mit Bildungserfolgen assoziiert sind, zwischen verschiedenen Gruppen unterscheiden oder unterschiedlich auf Umwelteingriffe reagieren. Stellen Sie sich zum Beispiel ein Gen vor, dessen Varianten mit der Schilddrüsenfunktion in Verbindung gebracht werden. Stellen Sie sich weiter vor, dass Varianten dieses Gens, die die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen und Jodmangel verursachen, mit einem niedrigeren Bildungsniveau eher in Verbindung gebracht werden als Varianten mit einer höheren Ausprägung, und dass die Varianten mit niedriger Jodausprägung bei Weißen häufiger vorkommen als bei Asiaten. (Das ist nicht völlig abwegig: Jodmangel kann den IQ um ganze fünfzehn Punkte senken, und die Gene könnten beeinflussen, wie gut man auf eine jodarme Ernährung reagiert). Ein einfacher Eingriff könnte darin bestehen, dass Weiße mit DNA-Varianten mit „niedriger Expression“ eine Jodsupplementierung erhalten, nicht aber Weiße mit Varianten mit „hoher Expression“ (zu viel Jod ist toxisch). Dieses Beispiel ist nicht weit hergeholt, denn wir wissen, dass verschiedene Gruppen viele einzigartige Genformen (d. h. „private Allele“) haben, die wesentliche Auswirkungen auf das Verhalten sowie auf ihre eigenen einzigartigen Interaktionen mit der Umwelt haben könnten.

Aus diesem Beispiel sollte klar hervorgehen, dass der Grund für die Untersuchung genetischer Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen darin besteht, den Erfolg von Individuen zu steigern, deren DNA bekannt ist, und nicht darin, verschiedene Gruppen in Bezug auf das eine oder andere Merkmal zu bewerten. Um diese Förderung aber zu erreichen, müssen wir zunächst die Art der genetischen Unterschiede zwischen den Gruppen verstehen. Viele Einwände gegen diese Art von Arbeit verschwinden, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Schwerpunkt zwar auf bevölkerungsspezifischen DNA-Segmenten liegt, die mit Leistung in Verbindung gebracht werden, das Ziel aber letztlich darin besteht, jedem Einzelnen zu helfen, sein Bestes zu geben.

Unserer Ansicht nach sollte daher die Forschung über Kognition oder Bildungserfolge innerhalb und zwischen Gruppen nicht verteufelt, verboten oder automatisch von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden, und die Daten sollten öffentlich zugänglich sein. Es versteht sich von selbst, dass Naturwissenschaftler bei solchen Forschungen vorsichtig sein und sich gegen ihren Missbrauch oder ihre falsche Darstellung wehren sollten. Letztendlich lässt sich aber kaum bestreiten, dass wir in der Sozialpolitik umso erfolgreicher sein werden, je mehr wir verstehen - und dazu gehört auch die Genetik. In der Tat gibt es gute Argumente dafür, dass die Unterdrückung der IQ-Forschung oder die Gleichsetzung dieser Forschung mit Rassismus mehr schadet als nützt. Schließlich sollte politische Gleichheit ein moralisches Gebot und keine empirische Hypothese sein, und letztlich hängt der Wert eines Menschen nicht von seinem IQ oder seiner Schulbildung ab und sollte es auch nicht.

Der große Evolutionsbiologe Ernst Mayr hat es gut ausgedrückt:

Gleichheit trotz offensichtlicher Nicht-Identität ist ein etwas anspruchsvolles Konzept und erfordert eine moralische Statur, zu der viele Menschen nicht fähig zu sein scheinen. Sie leugnen vielmehr die menschliche Variabilität und setzen Gleichheit mit Identität gleich. Oder sie behaupten, dass die menschliche Spezies in der organischen Welt insofern eine Ausnahme darstellt, als nur morphologische Merkmale von den Genen gesteuert werden und alle anderen geistigen oder charakterlichen Merkmale auf „Konditionierung“ oder andere nicht genetische Faktoren zurückzuführen sind. […] Eine Ideologie, die auf solch offensichtlich falschen Voraussetzungen beruht, kann nur in die Katastrophe führen. Ihr Eintreten für die Gleichheit der Menschen beruht auf einem Anspruch auf Identität. Sobald bewiesen ist, dass diese nicht existiert, ist auch die Unterstützung für die Gleichheit verloren. (Mayr 1963)

6. Indigene „Wissensformen“ sind gleichbedeutend mit moderner Naturwissenschaft und sollten als solche respektiert und gelehrt werden.

Da indigene Völker wie die Māori in Neuseeland und die amerikanischen Ureinwohner in der Neuen Welt Opfer des Kolonialismus waren, wird ihr traditionelles Wissen oft als eine alternative Version der modernen Naturwissenschaft gepriesen - eine „Wissensart“, die sich unabhängig von der so genannten „kolonialistischen Naturwissenschaft“ entwickelt hat, aber von vielen als gleichwertig betrachtet wird. Die neuseeländische Regierung verlangt sogar, dass indigenes Wissen im Unterricht den gleichen Stellenwert hat wie die moderne Naturwissenschaft - und wie andere Fächer in der gesamten Sekundarschulbildung. Auch in Südafrika findet eine Entkolonialisierung der Biologie statt. In einem Artikel in der renommierten Zeitschrift Nature wird dazu aufgerufen, die Pharmakologie in diesem Land zu entkolonialisieren und sich auf lokale pflanzliche Heilmittel zu konzentrieren, um „den Lehrplan in lokalen Erfahrungen zu verankern“. Dies verleiht dem Lernen zwar eine einheimische Note, aber die Verankerung in der lokalen Erfahrung kann die Studenten nur von einer Ausbildung in moderner Pharmakologie ablenken.

Matauranga Māori, das Wissen der Ureinwohner Neuseelands, ist eine Mischung aus empirischem Wissen, das durch Versuch und Irrtum gewonnen wurde (einschließlich der Navigationsfähigkeiten ihrer polynesischen Vorfahren und der Methoden der Māori zur Beschaffung und zum Anbau von Nahrungsmitteln), aber auch nichtwissenschaftliche Bereiche wie Theologie, traditionelle Überlieferungen, Ideologie, Moral und Legenden umfasst. All diese Bereiche werden jedoch als gleichwertig mit den Methoden und Ergebnissen der modernen Naturwissenschaft angesehen. Māori-Gelehrte haben beispielsweise die unwahrscheinliche Behauptung aufgestellt, dass die Polynesier - die Vorfahren der Māoris - im siebten Jahrhundert als erste die Antarktis entdeckt haben. Diese Behauptung ist mit Sicherheit falsch und beruht wahrscheinlich auf einer fehlerhaften Übersetzung einer mündlichen Legende. Tatsächlich wurde die Antarktis erstmals von den Russen im Jahr 1820 gesehen. Dennoch gewährte die neuseeländische Royal Society, die renommierteste wissenschaftliche Organisation des Landes, den Māori einen Zuschuss von 660.000 Dollar, um diese falsche Geschichte zu erforschen. Es gibt auch eine Wiederbelebung der traditionellen pflanzlichen und spirituellen Heilmittel der Matauranga Māori, die das Singen als Mittel zur Heilung einschließen. Lokale Heilmittel mögen zwar gelegentlich hilfreich sein, doch werden sie fast nie nach dem Goldstandard der Medizin getestet: randomisierte kontrollierte Studien.

Indigenes Wissen umfasst in der Regel auch ein gewisses praktisches Wissen, das Beobachtungen über die örtliche Umgebung und nützliche Praktiken umfasst, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, wie im Fall der Matauranga Māori z. B. uralte Navigationsmethoden und die beste Methode zum Aalfang. Praktisches Wissen ist jedoch nicht dasselbe wie die systematische, objektive Erforschung der Natur, frei von Annahmen über Götter und Geister, die die moderne Naturwissenschaft ausmacht. Wenn man indigenes Wissen mit moderner Naturwissenschaft gleichsetzt, verwirrt man die Schüler nicht nur in Bezug darauf, was Wissen ausmacht, sondern auch in Bezug auf das Wesen der Naturwissenschaft selbst. Es stimmt, dass die moderne Naturwissenschaft in Westeuropa im siebzehnten Jahrhundert entstand, einer Zeit, in der Frauen Bildung verwehrt wurde und der Großteil der Bevölkerung weiß war. Dieser Umstand schränkte aufgrund von Vorurteilen die Möglichkeiten der Menschen stark ein, ist aber kein Grund, die Naturwissenschaft selbst - die beste Möglichkeit, anerkanntes Wissen über das Universum zu entwickeln - als „westlich“ oder kolonialistisch zu diskreditieren. („Westlich“ ist zu einer völlig falschen Bezeichnung geworden und beleidigt die vielen Menschen in anderen Ländern, die dieselbe Art von Naturwissenschaft betreiben).

Ein ähnliches Thema, das die indigene Kultur gegen die moderne Naturwissenschaft ausspielt, ist die forensische Anthropologie: die Untersuchung vorzeitlicher Gesellschaften anhand menschlicher Überreste und Artefakte. In Nordamerika beispielsweise können menschliche Überreste, je nachdem, wo sie gefunden werden, von amerikanischen Ureinwohnern als ihre eigenen beansprucht und der wissenschaftlichen Untersuchung vorenthalten werden, weil sie als vorzeitliche Mitglieder moderner indigener Gruppen betrachtet werden. In der Tat schreibt das Bundesgesetz die Rückgabe von Knochen und anderen Artefakten an die indigenen Gruppen vor, die sie beanspruchen. Die Überreste müssen ohne wissenschaftliche Untersuchung umgebettet werden, auch wenn es keine eindeutige genealogische Verbindung zwischen den menschlichen Knochen und den amerikanischen Ureinwohnern gibt, die mit dem Fundort der Überreste verbunden sind. Im Fall des Kennewick-Mannes gehörte zu den indigenen „wissenschaftlichen“ Behauptungen, die eines Oberhaupts der amerikanischen Ureinwohner, der die Behauptung, seine Vorfahren seien über die Beringstraße aus Asien gekommen, mit dieser Begründung zurückwies: „Aus unseren mündlichen Überlieferungen wissen wir, dass unser Volk seit Anbeginn der Zeit Teil dieses Landes ist“, sagt Mr. Minthorn. „Wir glauben nicht, dass unser Volk von einem anderen Kontinent hierher eingewandert ist.

Ein Opfer dieser Denkweise ist die Anthropologin Elizabeth Weiss von der San Jose State University, die 500-3000 Jahre alte Knochen aus Kalifornien untersucht. Allein für die Untersuchung dieser Überreste wurde Weiss von ihrer Universität degradiert und ihr wurde verboten, die Knochensammlung ihres Fachbereichs zu untersuchen. Aber es kommt noch schlimmer: Sie darf keine Röntgenbilder der Überreste untersuchen und nicht einmal ein Foto der Kisten zeigen, in denen sie aufbewahrt werden. Auch viele andere Universitäten, wie z. B. Berkeley, schicken Artefakte und alte Knochen zurück oder vergraben sie wieder. Das Ergebnis: wertvolle menschliche Geschichte und Anthropologie bleiben tabu, weil Überreste und Artefakte als heilig gelten. Die beste Lösung wäre natürlich, die Bestattung bis zur wissenschaftlichen Untersuchung oder DNA-Sammlung aufzuschieben. Die derzeitige Politik verhindert schlicht, dass wir etwas über unsere Vergangenheit erfahren.

Die Förderung dieser anderen Wissensformen entspringt dem Wunsch, unterdrückte Gruppen aufzuwerten, indem man einen Großteil ihrer Kultur mit der gleichen epistemischen Autorität wie die Naturwissenschaft ausstattet - eine Ansicht, die die Philosophin Molly McGrath als „Autorität des heiligen Opfers“ bezeichnet hat. In ihrer säkularen Form leitet sich diese Autorität aus postmodernen Ansichten ab, wonach die Naturwissenschaft nur eine von vielen „Arten des Wissens“ ist und die Hegemonie der Naturwissenschaft eher Macht als Leistung widerspiegelt. Dies kommt in dem Motto zum Ausdruck, das seit Jahrzehnten sowohl von den Rechten als auch von den Linken vertreten wird: „Wissenschaft ist immer politisch“.

Wie der biblische Kreationismus hat auch ein Großteil des indigenen Wissens eine wesentliche spirituelle oder theologische Komponente, die nicht auf Beweisen, sondern auf Autorität oder Offenbarung beruht. Um dieses Wissen in die moderne Naturwissenschaft einzubringen, muss man zunächst die empirische Spreu vom Weizen trennen. Das hat der konfessionslose Pastor Mike Aus gemeint, als er, nachdem er seinen Glauben aufgegeben hatte, „religiöses Wissen“ so beschrieb: „Es gibt keine verschiedenen Arten des Wissens. Es gibt Wissen und Nichtwissen, und das sind die einzigen beiden Möglichkeiten in dieser Welt.“

Radikaler Egalitarismus

Fast alle ideologisch motivierten Verfälschungen der Biologie entstammen einer einzigen Denkweise: dem radikalen Egalitarismus. Dabei handelt es sich um die Auffassung, dass die Geschlechter, verschiedene ethnische Gruppen und bis zu einem gewissen Grad auch die Individuen einer Population in Verhalten und Psychologie (wenn auch nicht im Aussehen) genetisch nahezu identisch sind und dass die meisten Verhaltensunterschiede auf die Sozialisation und andere Umwelteinflüsse zurückzuführen sind. Die Sozialisation ist beispielsweise zur Standarderklärung dafür geworden, warum es mehr Männer als Frauen in Mathematik und Physik gibt (und einen Überschuss an Frauen in der Psychologie), warum Männer aggressiver und Frauen empathischer sind, warum es Leistungsunterschiede zwischen Menschen verschiedener sozialer Schichten und Ethnien gibt und warum einige Gruppen in der Naturwissenschaft und im akademischen Bereich im Allgemeinen unterschiedlich vertreten sind. Während soziale Einflüsse diese Unterschiede sicherlich beeinflussen können, ist es angesichts der allgegenwärtigen Beweise für den genetischen Einfluss auf menschliche Unterschiede unklug, den Einfluss erblicher Faktoren von vornherein auszuschließen. Da die biologischen Daten jedoch der neumodischen Unbeschriebenes-Blatt-Ideologie widersprechen, sind ihre Verfechter gezwungen, ihr Programm gegen die Daten immun zu machen, indem sie die biologischen Fakten so verdrehen, dass sie ihren Überzeugungen entsprechen.

Biologische Gleichmacherei schadet der Naturwissenschaft in zweierlei Hinsicht. Die eine ist die Abschreckung: Die Abschreckung der Forschung, die Naturwissenschaftler davon abhält, bestimmte Probleme zu untersuchen oder zu lehren. Dies geschieht nicht durch ein direktes Verbot der Forschung, sondern dadurch, dass Lehrern oder Forschern Ängste eingeflößt werden, die sie davon abhalten, an solchen Themen zu arbeiten oder sie gar zu diskutieren. Einige wenige öffentliche Beispiele genügen, um viele andere abzuschrecken, wie z. B. das Anprangern derjenigen, die lehren, dass es beim Menschen nur zwei Geschlechter gibt (z. B. Carole Hooven in Harvard und Christy Hammer an der University of Southern Maine). Darüber hinaus können diejenigen, die Gruppenunterschiede und deren Genetik untersuchen, einfach als Sexisten, Frauenfeinde, Rassisten oder Eugeniker abgetan werden. Dies hat sich als äußerst wirkungsvoll erwiesen, denn welcher Liberale - und die meisten Biologen sind Liberale - möchte mit diesen Bezeichnungen belegt werden? Ebenso werden diejenigen, die sich weigern, die Gleichwertigkeit von moderner Naturwissenschaft und indigenem Wissen zu akzeptieren, nicht nur als rassistisch, sondern auch als kolonialistisch bezeichnet. Ist es da verwunderlich, dass sich Lehrer, Forscher und Professoren bei diesen Themen selbst zensieren?

Der andere Schaden umfasst direkte Maßnahmen: Auferlegung von Auflagen oder Bestrafung von Naturwissenschaftlern, deren Forschung zu weit von der biologischen Gleichmacherei abweicht. Die Strafen reichen von Professoren den Unterricht zu entziehen bis ihnen das Leben so schwer zu machen, dass sie gezwungen sind, die akademische Welt zu verlassen, Treue zu Unwahrheiten zu verlangen, sie direkt zu entlassen, die Einbringung von Mythologie in die Naturwissenschaft zu fordern, naturwissenschaftliche Arbeiten abzulehnen, weil ihre Ergebnisse die „Würde und Rechte aller Menschen“ nicht respektieren, Forschern öffentlich finanzierte Daten vorzuenthalten und Forschungsgelder in ideologisch abgeleitete Projekte umzuleiten (die National Institutes of Health haben diesen Plan einmal angenommen, ihn aber bald wieder aufgegeben).

Darüber hinaus, und das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, gibt es zahlreiche Angriffe auf wissenschaftliche Leistungen als überholte Methode zur Beurteilung der Naturwissenschaft oder zur Einstellung von Naturwissenschaftlern. Zunehmend werden Forderungen laut, die vor allem von der Linken kommen, die Leistungsbewertung durch „ganzheitlichere“ Systeme zu ersetzen, die die Gruppenidentität mit einbeziehen. Dies hat viele Universitäten dazu veranlasst, von angehenden Lehrkräften zu verlangen, dass sie im Rahmen ihrer Bewerbungen Erklärungen zur Vielfalt einreichen, sowie die Verpflichtung für angehende Studenten abzuschaffen, ihre Ergebnisse in standardisierten Tests wie MCATS, SAT und GRE einzureichen, und sogar Professoren zu entlassen, deren naturwissenschaftliche Kurse zu schwierig sind.

Die Naturwissenschaft unterlag schon immer der ideologischen Beeinflussung und Kontrolle, angefangen bei der Zensur Galileis durch die katholische Kirche, weil sein heliozentrisches Sonnensystem der anerkannten Theologie widersprach. Und diese Beeinflussungen kamen sowohl von den Rechten als auch von den Linken, einschließlich der Debatten über die Evolution, die Wirksamkeit von Impfstoffen, die globale Erwärmung, fluoridiertes Wasser und so weiter. Aber was jetzt passiert, ist anders. Erstens sind die jüngsten Angriffe auf die Naturwissenschaft allgemeiner als früher und betreffen nicht nur einzelne Themen, sondern erstrecken sich auf alle Bereiche. Bei den Biologiekriegen geht es zum Beispiel jetzt um viel mehr als die Tatsache der Evolution, der einzige wirkliche Kulturkampf, den wir während des größten Teils unserer Laufbahn geführt haben. Es hat sich auf das biologische Geschlecht, die Unterschiede zwischen Gruppen, die wissenschaftliche Sprache, die wir verwenden dürfen, die Behandlung biologischer Artefakte und sogar auf die Frage ausgeweitet, ob es neben der modernen Naturwissenschaft noch andere fundierte Wege gibt, etwas über die natürliche Welt zu lernen. Und natürlich werden berühmte Biologen der Vergangenheit wie Gregor Mendel, Charles Darwin und T.H. Huxley im Nachhinein als rassistisch oder sexistisch verunglimpft.

Darüber hinaus kommen die Angriffe auf die Naturwissenschaft nicht mehr nur aus der Öffentlichkeit, von religiösen Gläubigen oder politischen Behörden, sondern auch von Naturwissenschaftlern selbst. Naturwissenschaftlern, die bestimmte Forschungen für tabu halten, die die Verfügbarkeit öffentlich finanzierter Daten einschränken, die argumentieren, dass die Finanzierung von Forschung eher von Ideologie als von Leistung abhängen sollte, und die fordern, dass Forschungsarbeiten zensiert oder unterdrückt werden sollten, wenn sie Einzelpersonen oder Gruppen beleidigen könnten. Im Fall der Lysenko-Vorfalls diktierte die Sowjetunion die Verfälschung der Genetik und der Agrarwissenschaft, aber heute zwingen unsere eigenen Kollegen die Natur in das Prokrustesbett der Ideologie. Auch wenn es bei einer naturwissenschaftlichen Abweichung von der Ideologie nicht wie in Stalins Russland um Leben und Tod geht, sind Arbeitsplätze und Forschung eindeutig gefährdet.

Warum geschieht dies jetzt? Wir vermuten, dass die Veränderung des politischen Klimas in den letzten zehn Jahren, einschließlich des rasanten Aufstiegs der Identitätspolitik, dazu geführt hat, dass Naturwissenschaftler auf der Linken - auch wenn sie es gut meinen - ihr eigenes Fachgebiet nutzen, um ideologische Tugenden und die Zugehörigkeit zu einem politischen „Stamm“ zu signalisieren. Darüber hinaus wurden die naturwissenschaftlichen Fakultäten auch von der französischen Postmoderne infiziert, die in den geisteswissenschaftlichen Fakultäten allgegenwärtig ist. In Verbindung mit der Selbstzensur vieler Forscher und Lehrer, die berufliche Nachteile befürchten, stellt dies eine ernsthafte Bedrohung für die Naturwissenschaft dar.

Wie können wir also die Naturwissenschaft wieder auf ihre Hauptaufgabe zurückführen: das Verständnis der Natur und des Universums? Da der ideologische Druck größtenteils von den Naturwissenschaftlern selbst ausgeht, einschließlich derjenigen, die Fördergelder verteilen und Forschungsarbeiten beurteilen, können wir nicht darauf zählen, dass naturwissenschaftliche Argumente das Problem lösen. In der Tat ist der radikale Egalitarismus selbst eine Form des Glaubens, der sich gegen Fakten und rationale Argumente wehrt. Er ist auch ein Bekenntnis zur Gruppenzugehörigkeit. Steven Pinker erklärt, dass der Widerstand gegen die Evolution nicht die Ablehnung naturwissenschaftlicher Beweise beinhaltet, sondern vielmehr als Merkmal der Zugehörigkeit zu einer religiösen Ideologie dient, die die Evolution aus Prinzip ablehnt. Seine Erklärung gilt auch für die quasi-religiöse progressive Ideologie, die der Biologie schadet:

Sich zum Glauben an die Evolution zu bekennen ist kein Talent naturwissenschaftlicher Kompetenz, sondern eine Bestätigung der Loyalität zu einer liberalen säkularen Subkultur im Gegensatz zu einer konservativen religiösen. Im Jahr 2010 strich die National Science Foundation [NSF] den folgenden Punkt aus ihrem Test zur naturwissenschaftlichen Kompetenz: „Der Mensch, wie wir ihn heute kennen, hat sich aus früheren Tierarten entwickelt.“ Der Grund für diese Änderung war nicht, wie Naturwissenschaftler aufheulten, dass die NSF dem Druck der Kreationisten nachgegeben hatte, die Evolution aus dem naturwissenschaftlichen Kanon zu streichen. Der Grund war, dass die Korrelation zwischen dem Abschneiden bei dieser Aufgabe und jeder anderen Aufgabe im Test (wie „Ein Elektron ist kleiner als ein Atom“ und „Antibiotika töten Viren“) so gering war, dass sie im Test Platz beanspruchte, der für diagnostischere Aufgaben verwendet werden konnte. Mit anderen Worten: Der Punkt war eher ein Test der Religiosität als der naturwissenschaftlichen Kompetenz. Wurde dem Punkt der Satz „Gemäß der Evolutionstheorie“ vorangestellt, so dass das naturwissenschaftliche Verständnis von der kulturellen Zugehörigkeit getrennt wurde, antworteten religiöse und nicht-religiöse Testteilnehmer gleich.

Wenn also die Fakten das Ruder nicht herumreißen, was können wir dann tun?

Ein offensichtliches Heilmittel ist eines, das wir schon immer zur Hand hatten: eine Form des liberalen Egalitarismus und eine von biologischen Unterschieden unabhängige Moral. Wie Pinker in Das unbeschriebene Blatt (S. 340) feststellt: „Gleichheit ist nicht die empirische Behauptung, dass alle Gruppen von Menschen austauschbar sind; es ist das moralische Prinzip, dass Individuen nicht nach den durchschnittlichen Eigenschaften ihrer Gruppe beurteilt oder eingeschränkt werden sollten.“

Wir können auch immer wieder betonen, dass es die Aufgabe der Naturwissenschaftler ist, die Wahrheit zu finden, und nicht zu entscheiden, wie diese Wahrheit von der Gesellschaft genutzt werden soll. Damit soll nicht behauptet werden, dass alle Forschungen gleich wertvoll oder interessant sind, und es soll auch nicht behauptet werden, dass die Naturwissenschaft nicht auf schädliche Weise missbraucht wurde (Zyklon-B und Atomwaffen kommen mir in den Sinn). Aber angesichts der Beobachtung, dass viele Grundlagenforschungen zu Entdeckungen geführt haben, die niemals hätten vorhergesagt werden können, sollten wir es vermeiden, ganze Arbeitsbereiche zu verbieten. Wenn einige Leute naturwissenschaftliche Forschung für ideologische Zwecke verfälschen oder missbrauchen, sollten die Naturwissenschaftler selbst die Führung bei der Korrektur der Aufzeichnungen übernehmen.

Aber vielleicht liegt die ultimative Lösung in der Philosophie - in der Betonung, dass es keinen Wert hat, die Natur heranzuziehen, um zu bestimmen, welche unserer Verhaltensweisen gut, moralisch oder normal sind. Dies ist immer mit zwei bekannten Irrtümern verbunden. Der erste ist der naturalistische Fehlschluss - das berühmte Diktum, dass „sein“ gleich „sollen“ ist, oder auch „aus dem Sein folgt das Sollen“. Der zweite ist der damit zusammenhängende Fehlschluss der Berufung auf die Natur, der besagt, dass das, was natürlich ist, auch gut sein muss.

Beide Trugschlüsse führen zu denselben Fehlern. Erstens: Wenn wir unsere Politik und unsere Ethik von dem abhängig machen, was wir über die Natur wissen, dann werden unsere Politik und unsere Ethik anpassungsfähig gegenüber Veränderungen, die wir später über die Natur entdecken. So wurde beispielsweise die Beobachtung, dass weibliche Bonobos sich gegenseitig an den Genitalien reiben, um sich zu binden, als Rechtfertigung dafür benutzt, dass menschliche Homosexualität weder anstößig noch unmoralisch ist. Bonobo-Verhalten ist schließlich „natürlich“ (ähnliche gleichgeschlechtliche Verhaltensweisen sind bei vielen Tierarten bekannt und wurden zu demselben Zweck verwendet). Aber was wäre, wenn ein solches Verhalten bei keiner nichtmenschlichen Spezies beobachtet worden wäre? Oder was wäre, wenn sich die Beobachtung beim Bonobo als falsch herausstellen würde? Wäre homosexuelles Verhalten dann unmoralisch oder gar kriminell? Natürlich nicht, denn aufgeklärte Ansichten über Homosexualität beruhen nicht auf Parallelen zur Natur, sondern auf der Ethik, die uns sagt, dass einvernehmlicher Sex zwischen Erwachsenen nichts Unmoralisches ist.

Zweitens müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass viele Verhaltensweisen, die „natürlich“ sind, weil sie bei anderen Spezies vorkommen, bei unserer Spezies als abstoßend oder unmoralisch gelten würden. Dazu gehören Kindermord, Raub und Außer-Paar Kopulation. Wie einer von uns schrieb: „Wenn die Gründe für Homosexualität durch Parallelen aus der Natur gestärkt werden, dann gilt das auch für die Gründe von Kindermördern, Dieben und Ehebrechern.“ Aber wir leiten unsere Moral oder Ideologie nicht wirklich von der Natur ab. Stattdessen suchen wir uns die Verhaltensweisen anderer Arten aus, die zufällig einer Moral ähneln, die wir bereits haben. (Die Menschen tun genau dasselbe - sie ignorieren die schlechten Verhaltensweisen und loben die guten - wenn sie vorgeben, die Moral aus religiösen Texten wie der Bibel abzuleiten.)

Bei allen biologischen Irrtümern, die wir erörtert haben, geht es darum, der Natur vorgefasste Überzeugungen aufzuzwingen. Damit wird ein alter Fehlschluss in einen neuen umgewandelt, den wir die umgekehrte Berufung auf die Natur nennen. Anstatt davon auszugehen, dass das, was natürlich ist, gut sein muss, besagt dieser Fehlschluss, dass „das, was gut ist, natürlich sein muss“. Er verlangt, dass man die natürliche Welt durch die Brille der eigenen Ideologie sieht. Wenn Sie ein Gender-Aktivist sind, müssen Sie mehr als zwei biologische Geschlechter sehen. Wenn Sie ein strikter Egalitarist sind, müssen alle Gruppen verhaltensmäßig identisch und ihre Erkenntnisweisen gleich gültig sein. Und wenn Sie ein Anti-Erbgut-Aktivist sind, also ein Verfechter des Unbeschriebenen Blattes, für den genetische Unterschiede Eugenik und Rassismus fördern, dann müssen Sie der Meinung sein, dass Gene nur triviale und unbedeutende Auswirkungen auf das Verhalten von Gruppen und Individuen haben können. Diese Art von Voreingenommenheit verstößt gegen die wichtigste Regel der Naturwissenschaft, die Richard Feynman berühmt gemacht hat: „Das erste Prinzip ist, dass man sich nicht selbst täuschen darf - und man selbst ist am leichtesten zu täuschen.“

Doch die größte Gefahr besteht nicht für das Verständnis der Naturwissenschaft durch den Laien, sondern für die Naturwissenschaft selbst. Das Leitprinzip der Naturwissenschaft - und der akademischen Freiheit, von der die Naturwissenschaft abhängt - ist die Freiheit der Forschung. Diejenigen, die ganze Forschungsbereiche verbieten oder die wissenschaftliche Wahrheit aus politischen Gründen verfälschen, verletzen nicht nur diese Freiheit, sondern berauben uns auch des intellektuellen und praktischen Nutzens, der sich aus ungehinderter Grundlagenforschung ergeben könnte.

Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass das Aufzeigen dieser Punkte und die Betonung des Fehlschlusses der umgekehrten Berufung auf die Natur die Ideologie vollständig aus der Naturwissenschaft verdrängen wird. Die progressive Ideologie wird immer stärker und dringt immer weiter in alle Bereiche der Naturwissenschaft ein. Und weil sie „fortschrittlich“ ist und weil die meisten Naturwissenschaftler Liberale sind, wagen es nur wenige von uns, sich diesen Einschränkungen unserer Freiheit zu widersetzen. Wenn sich der Zeitgeist nicht ändert und die Naturwissenschaftler nicht endlich den Mut finden, sich gegen die toxischen Auswirkungen der Ideologie auf ihr Fachgebiet auszusprechen, wird die Naturwissenschaft in einigen Jahrzehnten ganz anders aussehen als heute. In der Tat ist es zweifelhaft, dass wir sie überhaupt als Naturwissenschaft erkennen würden.

Jerry Coyne ist emeritierter Professor des Department of Ecology and Evolution an der University of Chicago, wo er sich mit der Genetik der Artenbildung befasste und sich dabei auf Fruchtfliegen spezialisierte. Er schloss sein Studium am College of William and Mary ab und promovierte an der Harvard University. Neben 125 wissenschaftlichen Veröffentlichungen war Coyne Mitverfasser eines naturwissenschaftlichen Buches über sein Forschungsgebiet (Speciation) und zweier Fachbücher, Why Evolution is True und Faith versus Fact: Why Science and Religion are Incompatible. Er wurde mit einem Guggenheim-Award und dem Richard-Dawkins-Award ausgezeichnet, war Präsident der Society for the Study of Evolution und ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Luana S. Maroja ist Evolutionsbiologin und Professorin am Williams College.  Sie erwarb ihren Bachelor- und Master-Abschluss an der Federal University of Rio de Janeiro, Brasilien, und ihren Doktortitel an der Cornell University.  Sie interessiert sich für Populationsökologie, Phylogenie, Artenbildung, Populationsgenetik und Phylogeographie und hat umfangreiche Feldforschung in Brasilien, Panama und den USA betrieben. Maroja arbeitet an einer Vielzahl von Organismen, darunter kleine Säugetiere, Grillen, Schmetterlinge und Pflanzen, und hat mehr als 35 wissenschaftliche Veröffentlichungen publiziert.

Übersetzung: Jörg Elbe

Dieser Artikel ist zuerst im „Skeptical Inquirer“ erschienen, einem Magazin, das vom „Center for Inquiry“ (CFI) publiziert wird. Das CFI ist die Muttergesellschaft der Richard Dawkins Foundation.

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Kommentare

  1. userpic
    Paul A. Truttmann

    Das Problem ist nicht, dass genetische Unterschiede bestritten werden. Die Behauptung ist, dass genetische Unterschiede im Vergleich zur Sozialisation vernachlässigbar sind. Zudem: Die Plastizität des Menschen ist wahrscheinlich mit keiner anderen Tierart vergleichbar. Als physiologische Frühgeburt ist seine Biologie – oder sein Geburtszustand – einzigartig und in einem gewissen Sinne unvergleichbar. Dies ist der tiefere Grund, weswegen die Persönlichkeit eines Menschen ganz wenig durch seine genetische Ausstattung, aber enorm durch seine Sozialisation und die Zufälle des Lebens bestimmt ist. Angesichts der immensen Entwicklungsmöglichkeit vom Säugling zum Erwachsenen sind die anfänglichen genetischen Unterschiede nicht von Belang – obwohl sie da sind. Diese Gedanken stützen sich auf den Zoologen Adolf Portman und sein wegweisendes Werk, von dem ein Text mit dem Titel «Entlässt die Natur den Menschen?» überschrieben ist.

    Bisher habe ich Korrelationen zwischen genetischen Merkmalen und Persönlichkeitszügen gesehen. Aber keine Nachweise von ursächlichen Verknüpfungen zwischen genetischen Unterschieden und Persönlichkeitsmerkmalen. Diese Verknüpfungen werden zwar immer und immer wieder postuliert, aber die Genetik ist den Nachweis schuldig geblieben, so weit ich orientiert bin. Siehe z.B. die Argumentation von Nesse bezüglich Schizophrenie in Good Reasons for Bad Feelings, S.9, wonach die genetische Disposition das Risiko, an Schizophrenie zu leiden, zu weniger als 1 % erklärt.

    Die Ethik auf die Conditio humana zurück zu führen, ist für mich eine naturwissenschaftliche Argumentation. Gerade weil der Mensch so wenig durch Gene determiniert ist, sind ethische Guidelines für ein gedeihliches Zusammenleben meiner Meinung nach wichtig. Sie lassen sich aus den Bedingungen für ein Überleben als Säugling in den ersten 1'000 Tagen ableiten. Im Sinne von Philippa Foot müssten wir uns fragen: Was ist "die Natur des Guten" beim Menschen?

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    1. userpic
      Stefan Groß

      Leider ist die Behauptung „die Gene seien beim Menschen zu vernachlässigen“ genau das, nur eine Hypothese. Dafür gibt es keine empirischen oder kausalen Belege. Grade Zwillingsstudien u unterschiedliche Umwelten aber auch moderner, GWAS zeigen das Gegenteil.

      Das Problem ist aber, diese Hypothese wird als „Ground Truth“ grad in den Gender Studies (die aus den nicht empirischen Geisteswissenschaften kommen) als gegeben gesetzt. Und mit dieser Prämisse wird grad die geforderte „Causal inference“ ob oder ob nicht Genetik ursächlich eine Rolle spielt (bewußt) verhindert, aus vorauseilender Angst, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Grad im sensiblen Bereich dessen, was mit den biologischen Ursachen von zB einem Spektrum von Geschlechtsidentitätausprägungen oder Homosexualität zu tun hat. Aus Angst, man könnte wieder einer nazistischen Rassenideologie oder Eugenik Vorschub leisten. U die Wissenschaftler werden genau in diese Ecke dann gestellt, um solche Forschung zu unterbinden.
      Grade die v E.O.Wilson begründete Soziobiologie als auch von I. Eibl-Eibesfeldt begründete Humanethologie haben wertvolle Beiträge geliefert, die die evolutionären (u damit genetischen) Grundlagen menschlichen Verhaltens aufgezeigt haben und gleichzeitig die enorme Plastizität. Das ändert aber nichts an den genetischen Grundlagen, da Menschen nunmal Produkte einer Evolutionsgeschichte sind. Zum Bsp sind die grundlegenden Mechanismen u Strategien der beiden Geschlechter bei der Partnerwahl auch beim Menschen nicht anders als bei anderen Säugetieren (Female Choice), was aber kulturell bedingt ist, sind die verwendeten „Signale“ u was als „Ressourcen“ definiert ist für die Wahl. Dazu gibt es genügend auch experimentelle Belege der Evolutionspsychologie. Genetische Prädisposition gewinnt in der Medizin seit den GWAS u EWAS immer mehr an Bedeutung. Grade die GWAS haben z.B. gezeigt daß der IQ zu 50% genetisch bedingt ist. Das wollen bloß viele nicht gern hören. Weil es natürlich schöner ist anzunehmen, der Mensch hätte „die Natur“ hinter sich gelassen und überwunden und sei nur noch ein „Kulturwesen“.
      Als ausgebildeter Verhaltensbiologie kann ich nur sagen, wer wissen möchte, wie weit der Mensch nur noch ein „kulturelles Wesen“ sei, gehe im Sommer ins Freibad u beobachte das Balzverhalten der 15-30 jährigen. Dann weiß man, wieviel „Evolution“ u wieviel „Kultur“ ist.

      Das problematische an der Diskussion ist, daß empirische biologische Forschung verhindert wird, aus der Angst heraus, die Ergebnisse könnten mißbraucht werden für neue Rassenideologien, bestimmte gesellschaftliche Gruppen könnten sich vor den Kopf gestoßen fühlen oder man möchte Unrecht in der Vergangenheit irgendwie wieder gut machen. Und mit entsprechend Druck auf die Wissenschaftler u Stigmatisierung wird dann gearbeitet.

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        Andreas

        Diesen Kommentar habe ich augenrollend gelesen.
        Er steht unter einem Artikel, der ausführlich zu evidenzbasierter Wissenschaft aufruft.
        Das wischt der Kommentar direkt vom Tisch. Statt dessen wird einfach die Irrelevanz von Genen postuliert und dies pseudowissenschaftlich begründet.
        Empirische deutliche Indizien für das Gegenteil werden einfach vom Tisch gewischt: bis zum detaillierten Nachweis des Wirkzusammenhangs werden keinerlei Zweifel am eigenen Glaubensgrundsatz zugelassen.

        Das ist genau das im Artikel kritisierte Vorgehen.

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        eriwan

        guter Artikel!

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          Gerit Sonntag

          Ein wirklich guter Artikel. Ich bin entsetzt, wenn promovierte Biologen mir erklären, dass es ja inzwischen "wissenschaftlich erwiesen ist, dass das Geschlecht ein Spektrum" ist. Auch die vom Familienministerium mit 133.000€ finanzierte "Meldestelle gegen Antifeminismus" erklärt: "In der Biologie ist schon lange bekannt, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Der Blick in die Natur zeigt ein breites Spektrum an sogenannten geschlechtlichen Merkmalen, die sich nicht einfach in „männlich“ und „weiblich“ aufteilen lassen. Die Idee, dass es nur zwei Geschlechter und so etwas wie geschlechtstypische Merkmale und Eigenschaften generell gibt, ist also menschengemacht und in diesem Sinne nicht naturgegeben." Kann mal jemand dem Familienministerium und dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung Nachhilfe geben?

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