Ein soziales Konstrukt oder wissenschaftliche Realität?

Die männlich-weibliche Aufteilung in der Biologie

Ein soziales Konstrukt oder wissenschaftliche Realität?

Bild: The Poetry of Reality, Richard Dawkins

Im November 2024 veröffentlichte die Freedom from Religion Foundation (FFRF) einen unsinnigen Artikel einer ihrer Mitarbeiterinnen, Kat Grant („they, them“), mit dem Titel What is a Woman? Der unermüdliche Jerry Coyne nahm sich die Mühe, eine Erwiderung mit dem Titel Biology is not Bigotry zu schreiben, die die Co-Direktoren der FFRF zögerlich zu veröffentlichen bereit waren - allerdings mit einem Disclaimer, der klarstellte, dass der Artikel nicht ihre Ansichten repräsentiere. Ebenso spiegelte er nicht die Ansichten einiger ihrer emotional aufgeladenen junger Angestellten wider, die es heutzutage vorziehen, allgemein zu unterdrücken, statt in konstruktiver Debatte Widerspruch zu üben. Die Führungskräfte der FFRF gaben nach und entfernten Jerrys Artikel fast sofort wieder, und das, ohne ihn darüber zu informieren.

Glücklicherweise wurde Dr. Coynes Artikel inzwischen an mehreren Stellen veröffentlicht, sodass sich jeder ein eigenes Bild darüber machen kann, ob die Zensur gerechtfertigt war. Seine eigene Sichtweise zu dem Vorfall kann man auf seiner Website Why Evolution is True einsehen, z. B. hier und hier. Er, Steven Pinker und ich sind alle vom ehrenamtlichen Vorstand der FFRF zurückgetreten. Unsere Rücktrittsschreiben finden sich hier, hier und hier. Als Reaktion darauf löste die FFRF ihren ehrenamtlichen Vorstand gänzlich auf - sei es, um weitere Rücktritte zu verhindern oder aus einem anderen Grund, den ich nicht benennen möchte. Meine öffentliche Bekundung persönlicher Zuneigung zu Annie Laurie Gaylor und Dan Barker, den Leitern der FFRF, ist völlig aufrichtig. Es stimmt mich besonders traurig, dass sie sich so weit von ihrem erklärten Ziel, die Freiheit von Religion und die Trennung von Kirche und Staat zu fördern, entfernt haben. Sie scheinen zu glauben, dass der Widerstand gegen eine aggressive Trans-Ideologie notwendigerweise mit der religiösen Rechten verbunden sei. Das ist falsch. Wäre das wahr, so müsste der Rest von uns sich vorwerfen, seiner Pflicht, wissenschaftliche Wahrheiten zu verteidigen, nicht nachgekommen zu sein. Tatsächlich gibt es starken Widerstand von Feministinnen, die sich um das Wohlergehen von Frauen und Mädchen sorgen. [1] Ebenso aus den schwulen und vor allem den lesbischen Gemeinschaften - was den Mythos eines monolithischen „LGBT“ entlarvt[2]. „LGB“ bildet eine kohärente Gruppe, innerhalb derer „T“ von vielen als Eindringling betrachtet wird. Am wichtigsten aber ist der überzeugende Widerspruch aus der Biowissenschaft - und genau darum ging es letztlich in Professor Coynes zensiertem Artikel.

Die FFRF mangelt es nicht an Unterstützung. In der Tat ist unter den säkularen / atheistischen / agnostischen / skeptischen / humanistischen Gemeinschaften Amerikas das Center for Inquiry (CFI) - mit dem die Richard Dawkins Foundation for Reason and Science (RDFRS) verbunden ist - nun die einzige große Organisation, die noch eindeutig für wissenschaftliche Wahrheit einsteht.

Dieses bedauerliche Ereignis hat mich dazu veranlasst, die folgende Kritik auf meinem Substack zu veröffentlichen. Es handelt sich um einen gekürzten Auszug aus meinem Artikel Scientific Truth Sands Above Human Feelings and Politics, der von Lawrence Krauss für einen von mehreren Autoren verfassten Band über The War on Science in Auftrag gegeben wurde, der 2025 von Posthill Press erscheinen soll[3]. Der vollständige Artikel vergleicht es mit Korruption der Wissenschaft durch T. D. Lysenko im Sowjet-Russland der 1940er Jahre.

Ein soziales Konstrukt?

„I accept the Universe”
Margaret Fuller (zugeschrieben)

„Gad, she’d better“
Thomas Carlyle (zugeschrieben)

Helen Pluckrose und James Lindsay argumentieren überzeugend[4], dass der sogenannte „Postmodernismus“ die philosophische Grundlage der Auffassung bildet, wonach das biologische Geschlecht (sex) oder „Gender“ (soziale Geschlecht)eines Individuums eine Frage der persönlichen Präferenz sei und nicht der objektiven Realität. Der Physiker Alan Sokal, einer der schärfsten Kritiker der postmodernistischen Haltung gegenüber der Wissenschaft, fasste diese Auffassung wie folgt zusammen:

„So genanntes wissenschaftliches Wissen stellt in Wirklichkeit kein objektives Wissen über eine außerhalb unserer selbst existierenden Realität dar, sondern ist ein bloßes soziales Konstrukt - auf einer Ebene mit Mythen und Religionen -, das daher denselben Anspruch auf Gültigkeit hat.“

Er illustriert dies mit folgendem bemerkenswerten Zitat des Soziologen Harry Collins:

„Die natürliche Welt spielt bei der Konstruktion wissenschaftlichen Wissens eine kleine oder gar keine Rolle.“

Und ebenso erstaunlich ist das folgende Zitat eines anderen Sozialwissenschaftlers, Kenneth Gergen:

„Die Gültigkeit theoretischer Aussagen in den Wissenschaften wird in keiner Weise von faktischem Beweismaterial beeinflusst.“

Nach Ansicht dieser Sozialwissenschaftler ist die Wissenschaft nichts weiter als ein „soziales Konstrukt“.

Was ist ein soziales Konstrukt? Das perfekte Beispiel ist Geld. Ein Rechteck aus grünem Papier mit der Aufschrift „100 Dollars“ wird von den meisten Menschen als ein begehrenswertes Objekt angesehen - hundertmal begehrenswerter als ein Stück grünes Papier mit der Aufschrift „One Dollar“. Ein Rechteck aus grünem Papier ist nicht in demselben Sinn nützlich wie ein Rechteck aus Schokolade, Brot oder Leiterplatten. Ein Dollar ist nur deshalb nützlich, weil die Gesellschaft ihn als austauschbar in Dinge wie Schokolade, Brot oder Elektronik anerkennt. „Hundert Dollar“ hat außerhalb der Bedeutung, die die Gesellschaft ihm zuschreibt, keine Bedeutung. Geld ist - im Gegensatz zur Wissenschaft - tatsächlich ein soziales Konstrukt.

Die Anzahl der Tage in einem Jahr ist real, bestimmt durch die Rotation der Erde um die Sonne in Relation zur Eigenrotation der Erde. Der Kalender mit seiner willkürlichen Einteilung des Jahres in zwölf Monate ist jedoch ein soziales Konstrukt. Als klar wurde, dass der julianische Kalender in seiner Abstimmung mit der Himmelsmechanik ins Stocken geraten war, wurde er durch den gregorianischen Kalender ersetzt, der besser mit dem Umlaufzyklus der Erde übereinstimmt. Im Britischen Empire sprang der 3. September 1752 direkt zum 14. Das ist die Art von Veränderung, die man an einem sozialen Konstrukt wie dem Kalender vornehmen kann. Die menschliche Macht reicht so weit. Es mag ein Mythos sein, dass Menschen in sogenannten „Kalenderaufständen“ protestierten, weil sie glaubten, der Staat hätte ihnen elf Tage ihres Lebens geraubt. Jedenfalls ist es ein guter Scherz. Das Datum deines Todes wird von unerbittlichen Naturgesetzen bestimmt und nicht von einem bloßen sozialen Konstrukt wie dem gregorianischen oder julianischen Kalender.

Ein weiteres Zitat, das Alan Sokal benutzte, um den Postmodernismus zu veranschaulichen, stammt von Stanley Aaronowitz:

„Die Wissenschaft legitimiert sich, indem sie ihre Entdeckungen mit Macht verbindet - eine Verbindung, die bestimmt (und nicht nur beeinflusst), was als zuverlässiges Wissen zählt …“

Mit „Macht“ meinte er politische Macht. Diese Haltung veranschaulicht die anmaßende Selbstüberhöhung menschlicher Macht, die dem Menschen quasi göttliche Herrschaft über die Natur zuschreibt. Wenn Realität ein bloßes soziales Konstrukt ist, hat die Gesellschaft die Macht, die Realität zu verändern. Wie der Scherz darüber, die Gesetze der Thermodynamik gesetzlich aufzuheben, um Perpetuum mobile zu ermöglichen.

Ich würde behaupten, dass das rechtliche Deklarieren eines Mannes als Frau - nur weil er es wünscht, oder umgekehrt - viel mit dem Scherz des Perpetuum mobile und dem Kalenderaufstand gemeinsam hat. Leider ist es aber kein Scherz. In einigen Ländern ist es Gesetz. Es gibt nicht nur Männliches und Weibliches, so lautet die Behauptung. Sie sind lediglich die Extreme eines Spektrums. Wo man sich im Spektrum - als Mann, Frau oder irgendwo dazwischen - einordnet, sei allein eine Frage der persönlichen Wahl. Dies verneint die genetische Realität und beruht auf einem marxistisch anmutenden Glauben an die Formbarkeit der Natur. Ein heutzutage herrischer Lobbyismus behauptet, dein Geschlecht sei nicht genetisch festgelegt, sondern ließe sich nach Belieben verändern - manchmal sogar gesetzlich gestützt. Wenn du dich als Frau fühlst, dann bist du eine Frau. Egal, ob du ein Y-Chromosom, Hoden und Penis hast, und gleichgültig, ob du Brüste und Eierstöcke besitzt - deine männliche oder weibliche Identität ist etwas, das du für dich selbst entscheiden darfst, so einfach wie die Wahl deiner politischen Partei oder deines Lieblingsfußballteams.

Dies ist eine Doktrin, die zunehmend Einfluss gewinnt. Die American Medical Association legte 2023 einige „Best Practices for Sex and Gender Diversity in Medical Education“ fest. Medizinstudierende sollen lernen, dass sowohl Sex (biologsicher Geschlecht) als auch Gender (soziales Geschlecht) „soziale Konstruktionen“ seien. Außerdem heißt es: „Es ist angebracht, die Selbstbestimmung jedes Individuums bezüglich der Labels für Sex und Gender zu bejahen.“ Wirklich? Soll eine Generation junger Ärzte tatsächlich dahingehend ausgebildet werden, dass das biologische Geschlecht eines Patienten als Frage der individuellen Wahl und nicht als objektive anatomische und physiologische Realität verstanden wird? Sollte ich jemals auf einen Arzt treffen, der mich nach einer vollständigen Untersuchung fragt, welches Geschlecht ich habe, wäre ich geneigt, eine noch gründlichere Untersuchung zu verlangen - wenn nicht gar einen anderen Arzt.

Es gibt erfreuliche Anzeichen dafür, dass diese Modeerscheinung allmählich abklingt. Ein Beispiel ist die Schließung der berüchtigten Tavistock-Geschlechtsidentitätsklinik für Kinder im Jahr 2022. Ermutigend, wieder in Großbritannien, ist auch der Cass-Report zu Geschlechtsidentitätsdiensten für Kinder (2024).[5] In Amerika machte der sonst so verhasste Präsident Trump - als eine seiner ersten Amtshandlungen (vielleicht das einzige Gute, das er je getan hat) - die Wahrung biologischer Männlichkeit und Weiblichkeit zum Gegenstand einer Präsidentenverfügung. Ich sehe mit Freude erfolgreichen Klagen gegen Chirurgen entgegen, die - entgegen dem ersten Gelöbnis des hippokratischen Eids - die Brüste von minderjährigen Mädchen entfernt haben, nur aufgrund einer beharrlich geförderten kindlichen Überzeugung, dass ihnen bei der Geburt das falsche Geschlecht „zugewiesen“ wurde. Was bedeutet „minderjährig“, wenn nicht zu jung, um unwiderrufliche, lebensverändernde Entscheidungen zu treffen.

Zwei und nur zwei Geschlechter

Wie kann ich so sicher sein, dass es nur zwei Geschlechter gibt? Ist das nicht nur eine Frage der Meinung? Sir Ed Davey, der Vorsitzende der britischen Liberal Democrat Party, sagte, dass Frauen „ganz klar“ einen Penis haben können. Worte sind unsere Diener, nicht unsere Herrscher. Man könnte sagen: „Ich definiere eine Frau als jemanden, der sich selbst als Frau identifiziert, also kann eine Frau einen Penis haben.“[6] Das ist logisch unanfechtbar, genauso wie zu sagen: „Ich definiere ‚flach‘ als das, was ihr ‚rund‘ nennt, also ist die Welt flach.“ Ich denke, es ist klar, dass, wenn wir alle auf dieses Niveau der Sophistik absinken, der rationale Diskurs bald im Wüstensand versinken wird. Ich werde darlegen, dass die Neudefinition von „Frau“ als jemand, der einen Penis haben kann - wenn nicht gar als geradezu pervers - diesem Extrem nahekommt. Stattdessen plädiere ich für das, was ich die Universelle Biologische Definition (UBD) nenne, basierend auf der Gametengröße. Biologen verwenden die UBD als die einzige Definition, die im gesamten Tier- und Pflanzenreich sowie in der gesamten Evolutionsgeschichte anwendbar ist.

Gameten kommen in zwei grundlegend unterschiedlichen Größen vor - das Phänomen der Anisogamie. Weibliche Gameten sind viel größer als männliche, ohne jegliche Zwischenstufen, und genau so definieren Biologen weiblich und männlich. Ein menschliches Ei enthält mindestens 10.000-mal so viel Materie wie eine menschliche Samenzelle. Die UBD ist universell insofern, als sie auf alle Tiere, sowohl Wirbeltiere als auch Wirbellose, anwendbar ist. Ebenso bei allen Pflanzen, sofern man Algen nicht als Pflanzen zählt. Zugegebenermaßen produzieren nicht alle Individuen überhaupt Gameten oder dies ihr ganzes Leben lang. Arbeiterbienen sind sterile Weibchen. Wir nennen sie weiblich, weil sie das Potenzial haben, Makrogameten zu produzieren. Jede Arbeiterin hätte zur Königin werden können, wenn sie als Larve anders ernährt worden wäre - das ist ihr „Potential“. Ein menschliches männliches Baby oder ein Fötus hat das Potenzial, Mikrogameten zu produzieren, auch wenn er bisher noch keine produziert. Eine alte Frau bleibt weiblich, obwohl sie keine Ova mehr produziert.

Die UBD hat den Vorteil, dass sie neben ihrer universellen Anwendbarkeit viele diverse Fakten erklären kann - und sie beruht auf einer mächtigen und weitreichenden Theorie. Das Argument dürfte auch Ökonomen ansprechen. Wenn zwei Gameten sich vereinigen, um eine Zygote zu bilden, müssen sie gemeinsam die kostspielige Nahrung bereitstellen, die sie benötigt. In einer gerechten Welt könnte man erwarten, dass beide Elternteile jeweils die Hälfte der notwendigen Kosten tragen - ein System, das als Isogamie bekannt ist. Isogamie existiert zwar bei Tieren und Pflanzen nicht, ist aber bei einigen Mikroorganismen und Algen zu finden. Clevere mathematische Modellrechnungen, unter anderem von Geoffrey Parker der University of Liverpool[7], deuten darauf hin, dass unter plausiblen Bedingungen Isogamie instabil ist. Im Laufe der Evolution wird sie tendenziell durch ihr Gegenteil, die Anisogamie, ersetzt: zwei verschiedene Arten von Gameten, von denen einer alle ökonomischen Kosten trägt, der andere nichts weiter als DNA beisteuert.

Hier folgt eine sprachliche Darstellung des Parker-Modells zur Anisogamie: Stell dir vor, du bist ein Individuum in einem isogamen System. Wenn du etwas größere als durchschnittliche Isogameten produzierst, wird jede Zygote besser für das Überleben ausgestattet sein. Andererseits - denn es gibt nichts umsonst - kannst du dir dadurch nur weniger Zygoten leisten. Umgekehrt könntest du durch geringere Investition in die Gametengröße eine größere Anzahl von Zygoten hervorbringen, die allerdings weniger überlebensfähig wären, es sei denn, deine unterdurchschnittlich kleinen Isogameten finden auf irgendeine Weise größere Isogameten als Partner. Parker und andere entwickelten plausible Modelle, wonach sich im Laufe der Evolution bei der einen Hälfte der Individuen die Gametengröße immer weiter vergrößert, während ihre Anzahl abnimmt - diese Gameten entwickeln sich schließlich zu Eiern. Die andere Hälfte entwickelt sich in die entgegengesetzte Richtung, wobei die Gameten immer kleiner und zahlreicher werden, bis sie den winzigen Zustand von Spermien erreichen.[8] Man könnte sagen, die Spermienproduzenten beuten die Eiproduzenten aus - oder man könnte sagen, dass Eier aufgrund ihres höheren ökonomischen Wertes nicht aktiv nach Spermien suchen müssen, sondern passiv darauf warten, kontaktiert zu werden. Spermien entwickelten deshalb aktive „Außenantriebe“ (wogende Schwänze), um Eizellen aktiv zu suchen. Beide Typen - die Produzenten der Makrogameten und die der Mikrogameten - gedeihen in der Präsenz der jeweils anderen.

Die grundlegende ökonomische Ungleichheit der Anisogamie erklärt eine Vielzahl biologischer Phänomene und rechtfertigt damit meine Behauptung, dass die UBD viel erklärende Arbeit leistet. Wenn du Weibchen als Makrogametenproduzenten und Männchen als Mikrogametenproduzenten definierst, kannst du sofort folgende Fakten erklären (siehe auch jedes aktuelle Lehrbuch zur Ethologie, Soziobiologie, Verhaltensökologie oder Evolutionspsychologie):

1. Bei Säugetieren sind es die Weibchen, die den Nachwuchs austragen und Milch absondern.

2. Bei Vogelarten, in denen nur ein Geschlecht die Eier ausbrütet oder den Nachwuchs füttert, sind es fast immer die Weibchen.

3. Bei Fischarten, die lebende Junge gebären, sind es fast immer die Weibchen.

4. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht sich durch auffällige Farben präsentiert, sind es fast immer die Männchen.

5. Bei Vogelarten, in denen ein Geschlecht elaborierte oder schöne Lieder singt, ist es stets das Männchen.

6. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht um den Zugang zum anderen kämpft, sind es fast immer die Männchen.

7. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht tendenziell promiskuitiver ist als das andere, sind es fast immer die Männchen.

8. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht besonders darauf bedacht ist, unpassende Paarungen zu vermeiden, sind es in der Regel die Weibchen.

9. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht versucht, das andere zu einer Kopulation zu zwingen, sind es fast immer die Männchen, die das Erzwingen übernehmen.

10. Wenn ein Geschlecht das andere gegen Kopulationen mit Dritten bewacht, sind es fast immer die Männchen, die die Weibchen bewachen.

11. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht in einem Haremsystem zusammengefasst ist, sind es fast immer die Weibchen.

12. Polygynie ist weit häufiger als Polyandrie.

13. Wenn ein Geschlecht tendenziell früher stirbt als das andere, sind es gewöhnlich die Männchen.

14. Bei Tieren, bei denen ein Geschlecht größer ist als das andere, sind es in der Regel die Männchen.

Das ist eine Menge erklärender Arbeit[9] - wenngleich nicht alle 14 Punkte völlig unabhängig voneinander sind. In all diesen Fällen spielt die Ökonomie die zentrale Rolle: Große Gameten kosten mehr als kleine. Diese Ungleichheit wirkt sich auf vielfältige Weise aus. Große Gameten sind kostbarer, schützenswerter, wofür es sich zu kämpfen lohnt, da sie auch vor dem Verfall durch Paarungen mit der falschen Art oder dem falschen Individuum geschützt werden müssen.

Es ist keine bloße Laune oder eine persönliche Präferenz, die Biologen dazu bringt, die Geschlechter mittels der UBD zu definieren. Diese Definition ist tief in der Evolutionsgeschichte verwurzelt. Die Instabilität der Isogamie, die in extreme Anisogamie mündet, brachte von Anfang an Männchen und Weibchen hervor. Anisogamie dominiert die Fortpflanzung, die Paarungssysteme und die Sozialsysteme seit vermutlich zwei Milliarden Jahren. Alle anderen Möglichkeiten, Geschlechter zu definieren, scheitern an zahlreichen Ausnahmen. Geschlechtschromosomen kommen und gehen im Laufe der Evolution. Das wahllose Ausstoßen von Gameten ins Meer wird durch gepaarte Kopulation ersetzt und umgekehrt. Geschlechtsorgane wachsen, schrumpfen und wachsen erneut im Laufe der Äonen oder beim Übergang von einem Tierstamm zum nächsten. Manchmal kümmert sich ein Geschlecht ausschließlich um den Nachwuchs, selten das andere, oft beide oder auch keiner. Haremsysteme wechseln sich ab mit treuer Monogamie oder hemmungsloser Promiskuität. Psychologische Begleiterscheinungen der Sexualität verändern sich wie der Wind. Mitten in diesem Regenbogen an sexuellen Verhaltensweisen, elterlichen Praktiken und Rollenumkehrungen bleibt eines beständig: die Anisogamie. Ein Geschlecht produziert Gameten, die viel kleiner und viel zahlreicher sind als die des anderen. Das ist alles, was man über Geschlechtsunterschiede wissen muss, und größern Wissens bedarfst du nicht, wenn Keats seine Worte nur leicht übertrieben hätte, wäre er Evolutionsbiologe gewesen.

Es gibt einige scheinbar anomale Beispiele, die (im eigentlichen Sinn des Wortes „beweisen“) die Regel testen. Anders als bei den meisten Säugetieren sind bei gefleckten Hyänen die Weibchen größer als die Männchen und sozial dominant. Sie besitzen einen enorm vergrößerten, erigierbaren Klitoris, der kaum von einem Penis zu unterscheiden ist. Zudem haben sie falsche Hoden aus Fettgewebe. Der Anblick von scheinbar männlichen Hyänen, die gebären, hat zahlreiche Mythen über Hermaphroditismus hervorgebracht. Angesichts der Tatsache, dass so viele Rollen und Signale umgekehrt oder ambivalent sind, wie können wir überhaupt wissen, wovon wir sprechen, wenn wir in Bezug auf Hyänen die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ verwenden? Natürlich anhand der UBD.

Viele Fischarten sind Lebendgebärende. Wie oben aufgeführt, ist es in der Regel das Weibchen, das schwanger wird. Aber bei Seepferdchen ist es das Männchen. Dieses besitzt einen Bauchbeutel, in dem die befruchteten Eier gehalten werden, und es bringt die Jungen aus dem Beutel zur Welt. Wie wissen wir, dass es das Männchen ist? Könnte man das Weibchen nicht als dasjenige definieren, das schwanger wird? Das könnte man, aber dann würde die Aussage „Bei Seepferdchen wird das Weibchen schwanger“ zu einer Tautologie, die nirgendwohin führt. Die UBD führt fruchtbar zu weiteren Fragen. Es ist das Männchen - definiert durch die Gametengröße -, das schwanger wird. Das ist interessant. Es ist ungewöhnlich. Es wirft Fragen für weitere Forschung auf: Was ist es an Seepferdchen, das dazu führt, dass das mikrogametische Geschlecht schwanger wird und damit vom üblichen Muster abweicht? Mögliche Antworten werde ich hier nicht diskutieren, aber die Frage ist offensichtlich einen Blick wert - sie könnte sogar Stoff für eine Doktorarbeit bieten.

Einige Würmer und Schnecken sowie viele Pflanzen sind Zwitter. Sie sind in der Lage, sowohl Mikro- als auch Makrogameten zu produzieren. Das stellt kein Problem dar, denn die UBD lässt sich problemlos anwenden - und das Geschlecht bleibt binär. Der Regenwurm besitzt getrennte Organe, die beiden Geschlechtern entsprechend sind. Befürworter der Gender-Fluide betonen Fische wie Anemonenfische, auch als Clownfische bekannt. Diese - zusammen mit vielen anderen Kreaturen - sind sequenzielle Zwitter: Der größte, dominante Fisch in einer Gruppe Clownfische ist weiblich; stirbt sie, wird das dominante Männchen weiblich. Aber was bedeutet das überhaupt? Nach welcher Definition von männlich und weiblich? Nach der UBD ist es sehr einfach: Stirbt der dominante Eiproduzent, beginnt der größte Spermienproduzent, Eier zu produzieren.

Befürworter von „non-binär“ betonen häufig „Intersexuelle“ und zitieren dabei oft eine Zahl von 1,7 % als Häufigkeit von Intersex-Merkmalen in der menschlichen Bevölkerung. Selbst wenn diese Zahl stimmen sollte, wäre es eine lächerlich geringe Basis, um eine Ideologie aufzubauen. Und sie stimmt nicht. Sie ist um ein Vielfaches zu hoch. Diese falsche Zahl stammt von Anne Fausto-Sterling, einer Expertin für „Gender Studies“ - was auch immer das bedeuten mag. Wie Leonard Sax anmerkt[10], hat Fausto-Sterling ihre Zahl dadurch in die Höhe getrieben, dass sie Zustände wie das Klinefelter-Syndrom (XXY mit männlichen Genitalien), das Turner-Syndrom (ein X-Chromosom, kein Y, mit weiblichen Genitalien) und eine spät einsetzende kongenitale adrenale Hyperplasie mitgerechnet hat. Diese gelten nach jeder vernünftigen Definition nicht als intersexuell. Sax schätzte den tatsächlichen Anteil intersexueller Merkmale, basierend auf der Genitalanatomie, auf 0,018 %, also um zwei Größenordnungen kleiner als Fausto-Sterlings Zahl.

Fausto-Sterling verfolgte eine Agenda. Ihre Idee eines „sexuellen Kontinuum“ hatte „tiefgreifende Implikationen … unsere gegenwärtigen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit sind kulturelle Konstrukte“. Doch ein Kontinuum impliziert, dass die Häufigkeitsverteilung - selbst wenn sie bimodal ist - zumindest nicht vernachlässigbare Zwischenwerte zwischen den beiden Gipfeln aufweisen muss. In einem echten Kontinuum sollte sich dies an einem einfachen Histogramm auf einem Blatt Papier darstellen lassen. Das ist aber nicht möglich - es würde schlicht nicht passen. Wenn wir die Häufigkeit eindeutig männlicher Neugeborener mit einem der Zwillingstürme des World Trade Centers von New York und die Häufigkeit eindeutig weiblicher Neugeborener mit dem anderen Turm darstellen, dann würde die Häufigkeit intersexueller Fälle als ein mittelgroßer Hügel zwischen ihnen erscheinen. Was für ein Kontinuum! Es kommt noch schlimmer: Mein Hügel basierte auf Sax’ Schätzung von 0,018 %. Nehmen wir die UBD ernst, so ist selbst dieser Wert zu hoch. Die wahre Zahl ist null - nicht einmal ein Hügel –, denn niemand produziert Gameten mittlerer Größe, die zwischen Ei und Sperma liegen.

Die relative Gametengröße ist der einzig verlässliche Parameter, an dem sich der Unterschied zwischen männlich und weiblich in allen Tierstämmen messen lässt. Alle anderen Kriterien zur Bestimmung von Männlichkeit und Weiblichkeit scheitern an zahlreichen Ausnahmen. Vor allem solche, die auf Geschlechtschromosomen beruhen - hier gibt es nicht einmal eine verlässliche Regel, geschweige denn Ausnahmen. Bei Säugetieren bestimmt das XX/XY-Chromosomensystem das biologische Geschlecht, wobei das männliche Geschlecht ungleiche Geschlechtschromosomen aufweist. Vögel und Schmetterlinge besitzen zwar ein ähnliches System, jedoch in umgekehrter Richtung und vermutlich unabhängig voneinander entstanden. Dort tragen die Weibchen ungleiche Chromosomen. Wie wissen wir das? Könnte man nicht auch definieren, dass Männchen das Geschlecht mit ungleichen Chromosomen sind? Das könnte man, aber dann müsste man auch sagen, dass der männliche Vogel Eier legt und die Weibchen um die Männchen kämpfen - was all die 14 zuvor genannten Erklärungen zunichtemachen würde. Es ist daher weitaus besser, bei der UBD zu bleiben und zu sagen, dass Vögel Geschlechtschromosomen zur Bestimmung ihres Geschlechts verwenden - wobei dieses System unabhängig vom Säugetiersystem evolviert ist. Vögel stammen von dinosaurischen Reptilien ab, und die meisten modernen Reptilien besitzen überhaupt keine Geschlechtschromosomen. Viele Reptilien bestimmen das Geschlecht durch die Inkubationstemperatur: In manchen Fällen begünstigt eine höhere Temperatur Männchen, in anderen Fällen Weibchen, und in wieder anderen begünstigen extreme Temperaturen - hoch oder niedrig - Weibchen, während Männchen sich bei intermediären Temperaturen entwickeln. Viele Schlangen, einige Eidechsen und ein paar Schildkröten verwenden Geschlechtschromosomen, jedoch variiert dabei, welches Geschlecht ungleiche Chromosomen aufweist. Angesichts dieser Vielzahl an Variationen bleibt als einziger verlässlicher Unterschied die Gametengröße.

Die Art und Weise, wie die Geschlechter definiert werden (die UBD, universell und ohne Ausnahme), ist demnach von der Bestimmung des Geschlechts eines Individuums während der Entwicklung (variabel und weit davon entfernt, universell zu sein) getrennt. Die praktische Erkennung des Geschlechts eines Individuums ist eine dritte Frage, die von den beiden anderen zu unterscheiden ist. Bei Menschen reicht meist ein Blick auf ein Neugeborenes aus, um das Geschlecht festzustellen. Selbst wenn dies gelegentlich nicht der Fall sein sollte, bleibt die UBD unerschüttert.

Gender (Soziales Geschlecht)

Eine abgeschwächte Version der Ideologie räumt ein, dass das biologische Geschlecht binär sein mag, „Gender“ (soziales Geschlecht) es jedoch nicht ist. Der Begriff Gender tritt in den Diskurs ein und zieht einen Schleier der Verwirrung mit sich. Für Sprachwissenschaftler ist der Genus eindeutig: Es ist eine Klassifikation von Substantiven, an der sich die Kongruenz von Adjektiven und Pronomen orientiert. Französische Substantive weisen zwei Genera auf, während englische und deutsche Substantive drei Genera haben. Steven Pinker zufolge besitzt Kivonjo 15 Genera. Hätte man französische Genera einfach als A und B und englische sowie deutsche Genera als A, B und C bezeichnet, läge es nahe, dass alle Männchen dem Gender B und alle Weibchen dem Gender A[11] zugeordnet werden - was in den meisten Sprachen der Fall ist. Es ist daher praktisch, „feminine“ und „maskuline“ als Bezeichnungen für zwei der Geschlechter zu verwenden, anstelle von A und B. Diese Korrelation veranlasst dazu, den Begriff „Gender“ als einen verschleiernden Euphemismus für das biologische Geschlecht zu benutzen. Alex Byrne, in Trouble with Gender, und Kathleen Stock, in Material Girls, bemühen sich beide vergeblich, die Verwirrung um die Definition des Begriffs „Gender“ aufzulösen. Stock versucht dabei vernünftigerweise, den Begriff zu vermeiden, und ersetzt ihn durch „konkrete, klarere Begriffe, die die von mir zu einem gegebenen Zeitpunkt benötigten Aufgaben erfüllen“. Meine Reaktion auf die Verwirrung um den Begriff „Gender“ lautet: „Wozu die Mühe? Wen interessiert’s?“ Gender ist ein Begriff, den ich kaum benutzen muss - außer in der strengen grammatischen Bedeutung. Wenn man korrekt Französisch sprechen will, muss man den bevorzugten Pronomen jedes Substantivs beachten.

Die gegenwärtige Mode für Transsexualismus reiht sich in eine Reihe verwandter „woke“ Trends ein, die durch die Philosophie des Postmodernismus begünstigt werden - teils aus einem aufrichtigen Interesse an sozialer Gerechtigkeit, teils aber fehlgeleitet und wissenschaftlich uninformiert sind. Zu diesem Bündel gehört auch der Identitarismus[12] und die Auffassung, dass alternative „Wege des Wissens“ (wie etwa der weibliche Zugang zum Wissen, indigene Wissensweisen oder persönliche gelebte Erfahrung) ebenso valide seien wie die objektive Wissenschaft, wenn es darum geht, die Natur zu verstehen. Die verschiedenen Stränge wurden von Jerry Coyne und Luana Maroja (ursprünglich in Skeptical Inquirer veröffentlicht und im selben Band wie die vollständige Version dieses Papiers, herausgegeben von Lawrence Krauss, erneut veröffentlicht) übersichtlich zusammengetragen und überzeugend kritisiert.

Transsexualismus hat in keiner Weise eine notwendige Verbindung dazu, ob Geschlecht binär oder ein kontinuierliches Spektrum ist. Diejenigen von uns, die argumentieren, dass es kein Spektrum intermediärer Zustände zwischen männlich und weiblich gibt - dass Geschlecht binär ist –, sollten nicht als Bedrohung für den Transsexualismus verstanden werden. Ob es „Intersexuelle“ mit zweideutigen Genitalien oder abnormalen Geschlechtschromosomen gibt, ist irrelevant für den Transsexualismus, da sich keine Transperson als intersexuell bezeichnet. Eine Transfrau beharrt darauf, tatsächlich eine Frau und ein Transmann darauf, tatsächlich ein Mann zu sein. Keiner behauptet, Hermaphrodit zu sein. Vielmehr handelt es sich um eine psychologische Behauptung. Es wird behauptet, es gebe eine Diskrepanz zwischen dem biologischen Geschlecht einer Person und dem Gender, in dem sie sich selbst empfindet.

Es gibt viele Dimensionen, entlang derer man die menschliche Persönlichkeit messen könnte - etwa Durchsetzungsvermögen, Ehrgeiz, Empathie, Aggressivität, Egoismus, Gewissenhaftigkeit, Launenhaftigkeit, Durchhaltevermögen, Zuneigung oder Dominanz. Ein Mathematiker könnte jede Person als in einem multidimensionalen Raum positioniert betrachten, der durch diese Dimensionen definiert ist. Vielleicht existiert sogar eine psychologische Dimension von Männlichkeit/Weiblichkeit, die mehr oder weniger mit einigen der genannten Dimensionen korreliert. Trotz all der hart erkämpften feministische Fortschritte könnte man sexuelle Stereotypen als impliziten Hinweis auf eine solche Dimension anführen, etwa: „Cecil ist verweiblicht, Ros ist maskulin, Lizzy ist ein Tomboy - sie mag keine Puppen, liebt es, auf Bäume zu klettern, und spielt mit Spielzeugen auf Rädern.“

Wir können uns entlang solcher Persönlichkeitsdimensionen positionieren, einschließlich der wahrgenommenen Dimension von Männlichkeit/Weiblichkeit. Manche wünschen sich sogar, im falschen Körper geboren zu sein - anders ausgedrückt, sie fühlen sich in einem Körper des falschen Geschlechts gefangen. Das entspricht einer Art Dualismus, dem Glauben an eine Art entkörperte Seele - das wahre Ich –, die ein anderes Geschlecht oder Gender besitzt als der Körper, in dem es steckt. Wenn man zu diesem Glauben neigt, bedarf es nur wenig Bestätigung aus der umgebenden Kultur, um einen in den vollen Überzeugungszustand zu treiben. Und die heutige Kultur - Ärzte, Psychiater, Lehrer, politische Führungskräfte, Juristen und vor allem Schulfreunde[13] - gibt einen nicht unwesentlichen Anstoß. Es wird behauptet, dass das bei der Geburt „zugewiesene Geschlecht“ willkürlich sei und dass man erst durch die Selbstreflexion herausfinde, ob das wahre Ich männlich oder weiblich ist.

Ein besonders intelligenter, sensibler und bewegender Bericht darüber, wie es sich anfühlt, in einem falschen Körper gefangen zu sein, findet sich in Jan Morris’ Conundrum (1974). Als das, was sie selbst als „wahre Transsexualistin“ bezeichnete, hatte sie wenig Verständnis für „die armen Ausgestoßenen der Intersexuellen, die fehlgeleiteten Homosexuellen[14], die Transvestitinnen, die psychotischen Exhibitionistinnen, die wie bemalte Clowns durch diese Halbwelt taumeln - erbärmlich für andere und oft schrecklich für sich selbst.“

Das Gefühl, im Körper des falschen Geschlechts zu stecken, scheint eine reale psychologische Erkrankung zu sein - wenngleich viel seltener, als die gegenwärtige Mode suggeriert. Solche „Dysphoriker“ können echten seelischen Schmerz empfinden. Wenn Magersüchtige in den Spiegel schauen, sehen sie einen abgemagerten Körper, den sie als zu dick empfinden. „Gender-Dysphoriker“ schauen in den Spiegel und sehen das, was sie als die falschen Genitalien wahrnehmen. Beide verdienen Mitgefühl und Verständnis. Niemand hegt Angst vor Magersüchtigen. Warum also sollte man Angst vor Gender-Dysphorikern haben? Der Begriff „Transphobie“ ist eine gefährliche Fiktion. Ich habe schon gehört, dass „Be kind“ als Argument dafür herangezogen wird, um Behauptungen wie „Trans-Frauen sind Frauen“ zu untermauern. „Be kind“ mag ein bewundernswerter Leitsatz für ein zivilisiertes Miteinander sein, kann aber nicht als wissenschaftlicher Beweis für irgendetwas gelten. Man könnte genauso gut „Seid freundlich zu Kreationistinnen“ als Beweis dafür, dass die Welt jung sei, anführen.

Teilweise, beeinflusst von Jan Morris und auch aus bloßer Höflichkeit, ist es meine Gewohnheit, Menschen mit ihren bevorzugten Pronomen anzusprechen. Doch ich ziehe eine Grenze, wenn es um den aggressiven Slogan „Transfrauen sind Frauen“ geht, denn er ist wissenschaftlich falsch, eine regelrechte Entweihung der Sprache und - wenn man ihn wörtlich nimmt - kann er die Rechte anderer, vor allem der Frauen, verletzen. Logisch zieht er das Recht nach sich, dass Männer an Frauen-Sportveranstaltungen, in Frauenumkleideräumen, in Frauengefängnissen usw. zugelassen werden. Diese „postmoderne“ Gegenfaktualität ist so mächtig geworden, dass Zeitungen routinemäßig von „ihrem Penis“ sprechen, ohne es weiter zu hinterfragen.

„Sie wird beschuldigt, sich in vier Fällen an sexuellen Aktivitäten in Anwesenheit eines Kindes beteiligt und in zwei Fällen der Exhibition, indem sie ‚absichtlich ihren Penis entblößte, in der Absicht, dass ihn jemand sieht und dadurch Furcht oder Bedrängnis auslöst‘, schuldig gemacht zu haben.“
— Bournemouth Daily Echo, 23. Januar 2023

Sogar The Times, Großbritanniens traditionsreiche Zeitung, konnte einen Artikel (18. Januar 2023) mit diesen Worten beginnen:

„Eine Transfrau bestreitet, mit ihrem Penis zwei Frauen vergewaltigt zu haben, als sie vor dem High Court in Glasgow stand.“

Hätte der Journalist „mit seinem Penis“ gesagt, hätte The Times möglicherweise Probleme mit der Polizei wegen „Misgendering“ bekommen. Im Jahr 2020 stürmte die Humberside Police den Arbeitsplatz von Harry Miller, um ihn darauf hinzuweisen, dass einer seiner Tweets als Hassvorfall registriert wurde. Was stand in dem anstößigen Tweet? „Ich wurde bei der Geburt als Säugetier zugewiesen, aber meine Orientierung ist Fisch. Verwechsele mich nicht mit einer anderen Art.“ Für mich ein feiner Scherz - im Vergleich zur Satire von etwa Evelyn Waugh, Tom Lehrer, Ricky Gervais, Tim Minchin, Monty Python, WS Gilbert, George Orwell oder Jonathan Swift recht harmlos. Doch die britische Polizei, nahezu unfähig, einen Scherz zu verstehen, wertete diesen Tweet als „Hassvorfall“ und drohte dem Satiriker. Haben die britischen Polizeibeamten sich in Orwells Gedankenpolizei verwandelt?(15] Wird es dazu kommen? Diese Ähnlichkeit fiel dem Richter Knowles auf, vor dem der Fall von Harry Miller verhandelt wurde. „In diesem Land hatten wir nie eine Tscheka, eine Gestapo oder eine Stasi. Wir haben niemals in einer orwellianischen Gesellschaft gelebt.“ Gut gesagt, mein Herr! Ich hoffe, die Beamten der Humberside Police haben ihre Lektion gelernt. Vielleicht wird ihnen jemand geduldig erklären, was diese Sache namens Satire bedeuten soll.

Am Tag, an dem ich diesen Abschnitt ursprünglich schrieb, machte JK Rowling[16] auf eine bemerkenswerte Doppeldeutigkeit einer anderen der führenden britischen Zeitungen, des linksgerichteten Guardian, aufmerksam. Dem Bericht zufolge wurde eine „Frau“ namens Scarlet Blake verurteilt, einen Mann namens Jorge Carreno ermordet zu haben, während er am friedlichen Ufer des Flusses Cherwell in Oxford nach Hause ging. Blake hatte zuvor gefilmt und live übertragen, wie sie einer Katze einer Nachbarin tötete und sie in einem Mixer zerkleinerte. Vor Gericht erklärte sie, dass sie sich als Katze identifiziere, und zu deren Unterstützung miaute. Der Guardian berichtete durchgängig unter Verwendung der Pronomen „sie“ und „ihr“, ohne jemals zu erwähnen, dass dieser Mörder eines unschuldigen Menschen in Wirklichkeit ein Mann sei - er wurde überall als Frau bezeichnet, sogar in der Überschrift. Als die ehemalige Guardian-Schreiberin Louise Tickle sich beschwerte, änderte die Zeitung später die Online-Version der Geschichte. Sie wies darauf hin, dass Blake sich nicht einmal rechtlich transitioniert habe. Dieser Mörder und „Katzenhomogenisierer“ ist durch und durch ein Mann - rechtlich ebenso wie biologisch. Der Guardian berichtete den Mord als das Werk einer Frau, einzig weil Alan Blake sich dafür entschied, sich als Frau zu bezeichnen - so leicht, wie man sich auch als Sozialistin oder als Manchester-United-Anhängerin bezeichnen könnte. Ich vermute, sie hatten Angst, des transphoben Misgenderns beschuldigt zu werden. Oder vielleicht glaubten sie schlicht an den Aberglauben, dass das Aussprechen des magischen Zauberspruchs „Ich bin eine Frau“ einen in eine Frau verwandelt - wie ein Kürbis, der sich in Aschenputtels Kutsche verwandelt.

Besonders ärgerlich ist, dass die gewalttätigen Taten der Scarlet Blakes dieser Welt die offiziellen Kriminalstatistiken über Verbrechen von Frauen aufblähen werden. Die Journalistin Josephine Bartosch machte diesen Punkt aufmerksam[17], indem sie Richard Garside, Direktor des Centre for Crime and Justice Studies, zitierte. Über 90 % der verurteilten Mörder sind männlich. Das bedeutet, wenn ein Mord durch eine Transfrau zu den „weiblichen“ Fällen hinzugerechnet wird, verändert sich das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Mördern dramatisch stärker, als wenn derselbe Mord einem Mann zugeschrieben würde. Ich habe die tatsächlichen Zahlen durchgerechnet, und das Ergebnis war, dass sich das Verhältnis um das 15-Fache stärker ändert, wenn ein Trans-Mörder als weiblich gezählt wird, als wenn er als männlich gezählt wird. Dieser gewaltige und irreführende statistische Effekt ist eine direkte Folge davon, dass man den Slogan „Transfrauen sind Frauen“ ernst nimmt. Dieser Slogan befriedigt nicht nur harmlos die privaten emotionalen Bedürfnisse eines Individuums. Wird er ernst genommen, verzerrt er drastisch offizielle Statistiken, die als Grundlage für politische Entscheidungen dienen könnten.

Ich zitiere Sir Ed Davey, den Vorsitzenden der britischen Liberal Democrat Party, der sagte, dass eine Frau „ganz klar“ einen Penis haben könne (Daily Telegraph, 23. Mai 2023). Es tut mir leid, aber es scheint, als würden ansonsten sinnvolle und sicherlich gutmeinende politische Führungspersönlichkeiten einem einschüchternden Lobbyismus, militant agierenden Aktivistinnen und Mobbern, die jederzeit zuschlagen, nachgeben. Für so eine Selbstjustiz können sich besonders jungen Menschen begeistern. Mehrere leitende Verleger haben mir anvertraut, dass sie unter anhaltendem Druck junger Angestellter stehen, Bücher zu zensieren oder gar zu unterdrücken, die sie als „transphob“ empfinden. Hiermit möchte ich meine leise, bedauerliche Vermutung festhalten, dass selbst einige sonst respektable Wissenschaftler in einem verzweifelten Versuch, bei „den Kindern“ (vielleicht vor allem bei ihren eigenen) gut dazustehen, die Wissenschaft verraten.

Sex und Rasse: ein doppelter Standard

Wenn man darüber nachdenkt, ist es doch ziemlich erstaunlich, dass die aktuelle Mode für ein Spektrum nicht-binärer Selbstidentifikationen zunächst die sexuelle Identität und nicht die Rassenidentität erfasst hat. Die amerikanische Kultur ist morbide besessen von Rasse, gleichzeitig aber von Pronomen und sexueller Identität. Während das Geschlecht eindeutig binär ist - wenn ein Männchen mit einem Weibchen sich paart, ist der Nachwuchs entweder männlich oder weiblich, eben nicht intermediär[18], wie bei Mendels runzeligen vs. glatten Erbsen - ist die Rasse eindeutig nicht-binär. Wenn ein Schwarzer mit einer Weißen sich paart, ist der Nachwuchs in der Regel von einer intermediären Hautfarbe, im Gegensatz zu Mendels Erbsen. Das liegt daran, dass die Hautfarbe, anders als das Geschlecht, polygen vererbt wird. Doch wenn Amerikaner von einer Person sprechen, die einen weißen und einen schwarzen Elternteil hat, bezeichnen sie sie als „schwarz“.

Weil die Hautfarbe polygen vererbt wird, gibt es eine Bandbreite von Zwischenstufen in der afroamerikanischen Bevölkerung. Aber das kulturelle Label „Schwarz“ wird vererbt, als wäre es ein mendelsches dominantes Merkmal: Wenn einer deiner Elternteile schwarz ist, wird man gesellschaftlich als schwarz identifiziert. Sind einer deiner vier Großeltern schwarz, wirst du als schwarz wahrgenommen. Sind einer deiner acht Urgroßeltern schwarz, gilt das ebenso. Dies vermittelt den verwirrenden Eindruck, dass Rasse binär sei, obwohl sie in Wirklichkeit ein Kontinuum darstellt. Im Fall des Geschlechts weiß man, dass genau 50 % der Urgroßeltern - in jeder Generation - männlich und 50 % weiblich waren. Bei der Rasse hingegen gibt es eine kontinuierliche Abstufung in der amerikanischen Bevölkerung. Man könnte meinen, es wäre deshalb relativ einfach, Individuen zu erlauben, sich selbst als die Rasse zu identifizieren, in die sie sich hineingeboren fühlen - so, als wären sie „in die falsche Rasse hineingeboren“. Doch die Modeerscheinung für nicht-biologische Selbstidentifikation betrifft das Geschlecht und eindeutig nicht die Rasse. Warum? Wer sich geschlechtlich entgegen der Biologie identifiziert, erhält Sympathie und Respekt. Versucht jemand, sich analog zur Rasse zu identifizieren, wird er jedoch ausgestoßen, als wäre er in den mittelalterlichen Pranger gestellt und mit metaphorischen Tomaten beworfen. Warum dieser doppelte Standard?

Die Philosophin Rebecca Tuvel veröffentlichte 2017 einen Artikel mit dem Titel „In Defense of Transracialism“ im feministischen Philosophie-Journal Hypatia. Sie verglich den Fall von Rachel Dolezal, die sich als Angehörige einer anderen Rasse identifizierte, mit Caitlyn Jenner, einer amerikanischen Sportlerin (ehemals William Bruce Jenner), die sich als Angehörige eines anderen Geschlechts identifizierte. Die Reaktionen auf ihren Artikel waren nichts weniger als hysterisch. Die Mehrheit der assoziierten Redakteurinnen des Journals entschuldigte sich. Die Chefredakteurin trat zurück. Tuvel selbst wurde öffentlich der „epistemischen Gewalt“ bezichtigt, als verrückt, rassistisch, transphob und dumm bezeichnet und mit dem Verlust ihrer Karriere bedroht. Andere mögen versuchen, die Hysterie zu erklären - ich werde es gar nicht erst versuchen. Der doppelte Standard an sich entzieht sich meinen Erklärungen, wie oben dargelegt. Zugegeben, Dolezal hat ihre wahre Herkunft verschleiert - doch das betrifft sie als Individuum und hat nichts mit dem Prinzip zu tun. Das Prinzip lautet: Die amerikanische Kultur ermutigt dazu, das Geschlecht nach Belieben zu wählen, jedoch nicht die Rasse. Man könnte meinen, die Freiheit im einen Fall sollte auch im anderen gelten. Zumal Rasse tatsächlich ein Kontinuum ist. Der doppelte Standard, der rigoros durchgesetzt wird, mag als nachvollziehbarer Grund für Dolezals Täuschung dienen. Vielleicht log sie in der realistischen Erwartung der Behandlung, die auch Rebecca Tuvel erfuhr. „Transfrauen sind Frauen“ ist in aller Munde. Aber „Transrassische Schwarze sind Schwarze“ führt dazu, dass man als Außenseiter abgestempelt wird.

2021 lud ich meine Twitter-Follower dazu ein, über diesen seltsamen doppelten Standard zu diskutieren:

Im Jahr 2015 wurde Rachel Dolezal, eine weiße Ortsverband-Vorsitzende der NAACP, diffamiert, weil sie sich als Schwarze identifizierte. Einige Männer identifizieren sich selbst als Frauen, und einige Frauen identifizieren sich selbst als Männer. Sie werden diffamiert, wenn Sie verneinen, dass sie wortwörtlich das sind, als was sie sich identifizieren. Diskutiert.

Als langjähriger Dozent an Oxford bin ich es gewohnt, meine Seminarteilnehmer zu kontroversen Themen, kontrafaktischen Hypothesen, Gedankenexperimenten und interessanten Paradoxien zu befragen. Als ich am Ende meines Tweets „Diskutiert“ schrieb, signalisierte ich damit die Hoffnung auf eine rationale Antwort. Was ich erhielt, war das genaue Gegenteil. Die Einzelheiten sind nicht der Rede wert. Wer neugierig ist, kann einfach meinen Namen zusammen mit „American Humanist Association“ googeln.

Die Theologie des „Woke“

Diese beiden amerikanischen Obsessionen - mit Rasse und mit sexueller Selbstidentifikation - haben noch eine weitere Gemeinsamkeit. Jede besitzt ihre eigene, spezifische und detaillierte Analogie zur christlichen Theologie. Zunächst die Rasse - und das weiße Schuldbewusstsein angesichts von Sklaverei und Kolonialismus. Die Erbsünde ist eines der zentralen Elemente der christlichen Theologie. Das Christentum ist besessen von der Sünde - der Sünde als einer Art abstraktem Konstrukt, das alles Negative erklärt, sogar Krankheiten. In einer Biologiestunde an meiner Schule fragte der Lehrer nach den Ursachen von Krankheiten. Ehe jemand von uns Viren oder Bakterien, Autoimmunität oder Krebs vorschlagen konnte, meldete sich ein Junge und sagte: „Sünde.“ Sein Beitrag stieß verständlicherweise auf taube Ohren beim Lehrer. Es ist leicht zu erkennen, woher das kam. Doch die christliche Besessenheit von Sünde geht über individuelle Verfehlungen hinaus. Es genügt nicht, sich für die eigenen Verfehlungen schuldig zu fühlen - das wäre in jeder Religion oder auch in keiner verständlich. Aber Christen werden für die Sünde eines angeblichen Vorfahren verantwortlich gemacht (der, wie selbst Theologen mittlerweile zugeben, nie existierte - aber lassen wir das beiseite) und zwar weit zurückreichend, wie in Exodus: „Die Sünde der Väter soll an den Kindern und den Kindeskindern bis in die dritte und vierte Generation verfolgt werden.“ Wir werden alle in Sünde geboren. Schon aus dem Mutterleib heraus sollen wir bereits der Sünde Adams schuldig sein. Augustinus, der Hauptarchitekt dieser recht unschönen Idee, glaubte sogar, dass Adams Sünde durch den Samen weitergegeben wird. Jesus, der ohne Samen gezeugt wurde, war daher ohne Sünde. Es war theologisch notwendig, dass auch seine Mutter Maria sündenfrei blieb - weshalb sie als „unbefleckt empfangen“ gilt, was 1854 auf wunderbare Weise Papst Pius IX offenbart wurde.

Die Theologie der angeborenen Schuld wird direkt übertragen in die Modeerscheinung, dass alle Weißen automatisch rassistisch seien; alle Weißen sich schuldig fühlen müssten, weil sie weiß sind - schuldig wegen des abscheulichen Verhaltens von weißen Sklavenhaltern vergangener Jahrhunderte. Und es war in der Tat unaussprechlich abscheulich. Ein Bild vom durch wirtschaftliche Gründe engen Verladens eines Sklavenschiffs vermittelt den Horror; das Ausmaß des Leidens ist unvorstellbar. Unsere Vorfahren, die solch massive und abscheuliche Verbrechen begangen haben, müssten sich in einem ebenso massiven Ausmaß schuldig fühlen. Heute suchen wir verzweifelt nach jemandem, dem wir diesen abscheulichen Grausamkeiten anlasten können. Doch sie alle sind längst tot und nicht mehr zu belangen - ebenso wie die afrikanischen Häuptlinge, die die Sklaven verkauften, oder die arabischen Sklavenhändler in Ostafrika. Ob deine Vorfahren nun zu den Schuldigen zählen (statistisch gesehen wahrscheinlich ja) - wenn deine Haut dieselbe Farbe hat wie die ihrer - sollst du dich schuldig fühlen. Doch wir sind nicht unsere Vorfahren. Ihre Gene sind durch Samen und Eier zu uns gekommen, ihre Sünden jedoch nicht. Wir sollten entsetzt sein über ihr monströses Übel, was uns dazu bewegen sollte, uns zu verpflichten, das moderne Äquivalent dazu nicht zu begehen. Aber es gibt keinen Grund, kollektive Schuld zu empfinden, nur weil man dieselbe Hautfarbe hat wie diese alten Sklavenhalter - genauso wenig wie ein Deutscher unter 90 Jahren sich schuldig fühlen sollte wegen Hitler, ganz zu schweigen von uns, die wir derselben Spezies angehören wie dieses Monster. Menschen nach ihrer Rasse - sei es zur Schuldzuweisung oder zur Anerkennung - zu behandeln, anstatt sie als Individuen zu betrachten, war genau das, wovon Martin Luther King hoffte, dass wir uns irgendwann befreien.

„Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.  Ich habe einen Traum.“– Martin Luther King

Nicht nur ist Dr. Kings edler Traum unerfüllt. Selbst das Ziel, wenn man seinen Namen nicht nennt, gerät zunehmend unter ideologische Angriffe.

So komme ich zu meinem zweiten theologischen Vergleich: „Transsubstantiation“ und „transgender“ haben mehr gemeinsam als nur ihre ersten fünf Buchstaben. Protestanten sehen in der Eucharistie lediglich ein Symbol für den Leib und das Blut Christi, während die römisch-katholische (und, wenngleich weniger eindeutig, die orthodoxe Kirche) lehrt, dass Brot und Wein tatsächlich zu Leib und Blut werden. Der Sinn, in dem dies gemeint ist, rührt - wie so vieles in der mittelalterlichen Christenheit - von Aristoteles her, obwohl er Jesus um Jahrhunderte voraus war. Aristoteles unterschied zwischen der wahren „Substanz“ und den „Unfallseigenschaften“. In der Theologie von Thomas von Aquin und anderen behalten Brot und Wein ihre zufälligen Eigenschaften als stärkehaltige Nahrung bzw. alkoholische Flüssigkeit, doch werden sie durch den Segen eines Priesters in ihrer aristotelischen Substanz zu Leib und Blut. Daher der Begriff Transsubstantiation. Falls das für Sie keinen Sinn ergibt, macht nichts. Die Theologie ist bekannt dafür, nicht immer nachvollziehbar zu sein [19]. Mein Punkt ist, dass derselbe Stil des Geheimnisvollen extreme Transgender-Ideen durchdringt. Eine Person mag biologisch männlich sein, aber ihr Penis, ihre Hoden, ihr Y-Chromosom, ihre maskuline Statur und die bei der Geburt festgestellte Zuweisung sind lediglich aristotelische Unfallseigenschaften. Ihre wahre aristotelische Substanz ist ihr weibliches Geschlecht, das durch Selbstreflexion enthüllt wird. Es handelt sich nicht um eine bloße symbolische Veränderung des „Genders“ (eine aristotelische Akzidenz), sondern um eine tatsächliche Enthüllung des wahren Geschlechts (aristotelische Substanz), die durch diese magische Veränderung erzielt wird.

Schlussbemerkungen

Wenn Ihre Wissenschaft so schwach ist, dass Sie Ihren Gegner nur noch als „transphoben intoleranter Menschen“ oder als „TERF“ oder als „kompletten MAGA Alt-Right-Trump-Unterstützer“ beschimpfen können, haben Sie die Debatte bereits verloren[20]. Manchmal gehen die Beschimpfungen so weit, dass sie offen bedrohlich werden. Bei einer Londoner Pride-Demonstration 2023 rief „Sarah Jane“ Baker (ehemals Alan Baker) vor einer jubelnden Menge aus: „Wenn ihr eine TERF seht, haut ihr in die verdammte Fresse.“ Ich halte es nicht für übertrieben, wenn ich sage, dass solch eine Ausdrucksweise eher typisch für das Geschlecht sei, von dem „Sarah Jane“ behauptet, es hinter sich gelassen zu haben, als für das Geschlecht, dem sie beitreten möchte.

Ich habe noch nie eine anti-trans Demonstration gesehen, aber es ist möglich, dass es solche gibt, und dass dort ebenso gewalttätige Aufrufe zu finden wären. Sollte dies der Fall sein, wäre das ebenso verwerflich. Gewaltandrohungen haben in einer zivilisierten Gesellschaft keinen Platz. Doch ich möchte zwei Punkte anmerken: Zum einen müssen wir klar definieren, was wir unter Gewalt verstehen. Die „postmoderne“ Vorliebe, bestehende Wörter neu zu definieren und ihnen politisch aufgeladene Bedeutungen im Sinne von „Unterdrücker“ und „Unterdrückten“ zuzuschreiben, beschränkt sich nicht nur auf das Geschlecht. Sie wurde auch auf die Neudefinition von „Hass“ (wobei „Hassrede“ alles bedeuten kann, womit man nicht einverstanden ist) und sogar auf das Wort „Gewalt“ selbst angewandt. Der Oxford English Dictionary definiert „Gewalt“ als „die absichtliche Ausübung körperlicher Kraft gegen eine Person, gegen Eigentum etc.“ Der Begriff „körperliche Kraft“ ist hierbei ausschlaggebend. Mindestens sollte Gewalt auch die Androhung körperlicher Kraft beinhalten. Dennoch findet man im Internet Behauptungen, dass das falsche Ansprechen einer Person (Misgendering) als Gewaltakt zu werten sei. Wenn es für Sie bereits ein Gewaltakt ist, jemandem das falsche Pronomen zuzuweisen - sagen wir „er“ statt „sie“ –, dann steht Ihnen Ihre private Neudefinition zu. Aber Sie werden von jemandem, der reale körperliche Gewalt erlebt hat und weiß, was Gewalt bedeutet, kaum Gehör finden. Wenn das Wort „Gewalt“ so weit auf den bloßen Gebrauch eines Pronomen ausgedehnt wird, welchen Begriff sollen wir dann noch für brutalen Ehebruch, Vergewaltigung, Messer-, Macheten- oder Baseballschlagangriffe verwenden.

Der zweite Punkt ist: „Enthauptet Transpersonen“ wäre nicht nur schrecklich, sondern armselig - so armselig wie der Aufruf, eine TERF „in die verdammte Fresse zu schlagen“. Eine Position sollte durch rationale, evidenzgestützte Diskussionen verteidigt oder widerlegt werden. Wer eine Debatte mit Drohungen oder Beschimpfungen abbricht, signalisiert damit, dass er die Debatte verloren hat - und das auf schmachvolle Weise.

Übersetzung: Paul Friesen und Jörg Elbe

Fußnoten

[1] For example Kathleen Stock (2021) Material Girls: why reality matters for feminism; Abigail Shrier (2020) Irreversible Damage: the transgender craze seducing our daughters; Kara Dansky (2021) The Abolition of Sex: how the “transgender” agenda harms women and girls; Helen Joyce (2021) Trans :when ideology meets reality; Debra Soh (2020) The End of Gender: a feminist analysis of the politics of transgenderism.

Zum Beispiel Kathleen Stock (2021) Material Girls: Warum die Realität für den Feminismus wichtig ist; Abigail Shrier (2020) Irreversible Damage: Der Transgender-Wahn verführt unsere Töchter; Kara Dansky (2021) The Abolition of Sex: Wie die „Transgender“-Agenda Frauen und Mädchen schadet; Helen Joyce (2021) Trans :when ideology meets reality; Debra Soh (2020) The End of Gender: eine feministische Analyse der Politik des Transgenderismus.

[2] See for example Gareth Roberts’s book Gay Shame (Forum, Cork (2024).

Siehe zum Beispiel Gareth Roberts’s book Gay Shame (Forum, Cork (2024).

[3] The 39 contributors to the book include Nicholas Christakis, Maarten Boudry, Jerry Coyne, Luana Maroja, Niall Ferguson, Steven Pinker, Jordan Peterson, Alan Sokal, Gad Saad, Carole Hooven, Frances Widdowson and Peter Boghossian.

Zu den 39 Autoren des Buches gehören Nicholas Christakis, Maarten Boudry, Jerry Coyne, Luana Maroja, Niall Ferguson, Steven Pinker, Jordan Peterson, Alan Sokal, Gad Saad, Carole Hooven, Frances Widdowson und Peter Boghossian.

[4] Cynical Theories. Independent Publishers’ Group, Chicago, 2020

[5] https://cass.independent-review.uk/home/publications/final-report/

[6] https://www.independent.co.uk/tv/news/lib-dem-ed-davey-penis-woman-b2344960.html

[7] GA Parker, RR Baker & VGF Smith (1972) The origin and evolution of gametic dimorphism and the male-female phenomenon. Journal of Theoretical Biology 86, 529-553.

[8] Some aver that “sperm”, like “sheep”, takes no “s” in the plural: one sperm, many sperm. I dissent, at least in those sentences where “many” is explicitly or implicitly central to the sentence’s meaning, as in “How many sperms are crowding round that egg”. The Oxford English Dictionary allows both plurals.

Einige behaupten, dass „Sperma“, wie „Schaf“, kein „s“ im Plural braucht: ein Sperma, viele Spermien. Ich bin anderer Meinung, zumindest in den Sätzen, in denen „viele“ explizit oder implizit zentral für die Bedeutung des Satzes ist, wie in „How many sperms are crowding around that egg“. Das Oxford English Dictionary lässt beide Plurale zu.

[9] And academic explanation is not the only consideration. There are important medical aspects, as Jerry Coyne and Luana Maroja explain fully (2023, Skeptical Inquirer 47, July / August). Doctors really need to know whether a patient is male or female. Not how they “identify”, which is exactly useless. They need to know what sex the patient actually is - in the real world, not some postmodern cloudcuckooland.

Und die akademische Erklärung ist nicht die einzige Überlegung. Es gibt auch wichtige medizinische Aspekte, wie Jerry Coyne und Luana Maroja ausführlich erklären (2023, Skeptical Inquirer 47, Juli/August). Die Ärzte müssen wirklich wissen, ob ein Patient männlich oder weiblich ist. Nicht, wie sie sich „identifizieren“, was völlig nutzlos ist. Sie müssen wissen, welches Geschlecht der Patient tatsächlich hat - in der realen Welt, nicht in einem postmodernen Wolkenkuckucksheim.

[10] Leonard Sax (2002) How common is Intersex? A response to Anne Fausto-Sterling. Journal of Sex Research, 3, 174-178

[11] In German, not quite all: Das Mädchen. Auf Deutsch, nicht ganz: Das Mädchen.

[12] See Robyn Blumner’s (2022) excellent critique, “Identitarianism is Incompatible with Humanism” in Free Inquiry 42, 4. By identitarianism she means the belief that group identity is the most important thing about a person, and that justice and power must be viewed primarily on the basis of group, rather than individual, identity.

Siehe die ausgezeichnete Kritik von Robyn Blumner (2022), „Identitarianism is Incompatible with Humanism“ in Free Inquiry 42, 4. Mit Identitarismus meint sie die Überzeugung, dass die Gruppenidentität das Wichtigste an einer Person ist und dass Gerechtigkeit und Macht in erster Linie auf der Grundlage der Gruppen- und nicht der individuellen Identität betrachtet werden müssen.

[13] I was moved to read the following, in a letter from a highly intelligent American schoolgirl: “I went to a very liberal school from 4th - 7th grades. There was so much peer pressure to either be gay our trans at this school. Basically, it felt like you weren’t cool if you were heterosexual. This made me even question myself quite a few times, even though I am heterosexual. I know that this pressure can be real for so many children. Some of them may actually be gay or trans and I will definitely support that and fight for them in the end, but that’s pretty young to be labeling yourself in any permanent way in my opinion.”

Ich war sehr bewegt, als ich in einem Brief einer hochintelligenten amerikanischen Schülerin Folgendes las: „Ich ging von der 4. bis zur 7. Klasse auf eine sehr liberale Schule. An dieser Schule gab es so viel Gruppenzwang, entweder schwul oder trans zu sein. Im Grunde fühlte es sich so an, als ob man nicht cool wäre, wenn man heterosexuell ist. Das hat mich sogar dazu gebracht, mich selbst einige Male in Frage zu stellen, obwohl ich heterosexuell bin. Ich weiß, dass dieser Druck für viele Kinder sehr real sein kann. Einige von ihnen sind vielleicht tatsächlich schwul oder transsexuell, und ich werde sie auf jeden Fall unterstützen und für sie kämpfen, aber meiner Meinung nach ist es noch ziemlich jung, um sich selbst auf irgendeine Art und Weise dauerhaft zu kennzeichnen.“

[14] There’s a strong case for the view that many alleged transsexuals are actually homosexuals who have been wrongly advised. See, for example Gareth Roberts’s powerful book Gay Shame. Forum, Cork (2024).

Vieles spricht dafür, dass viele angebliche Transsexuelle in Wirklichkeit Homosexuelle sind, die falsch beraten wurden. Siehe z. B. das eindringliche Buch Gay Shame von Gareth Roberts. Forum, Cork (2024).

[15] For other examples, see https://www.spiked-online.com/2023/11/13/the-police-are-still-witch-hunting-gender-critical-women/

Für weitere Beispiele siehe https://www.spiked-online.com/2023/11/13/the-police-are-still-witch-hunting-gender-critical-women/

[16] https://twitter.com/jk_rowling/status/1762194541539430678

[17] https://www.spiked-online.com/2024/02/29/why-are-the-police-lying-about-scarlet-blakes-sex/

[18] This fact brought Darwin tantalisingly close to discovering Mendel’s Laws when he wrote, in a letter to AR Wallace, “I crossed the Painted Lady and Purpose sweetpeas, which ae very differently colour varieties, and got, even out of the same pod, both varieties perfect but none intermediate. . . . tho’ these cases are in appearance so wonderful, I do not know that they are really more so than every female in the world producing distinct male and female offspring.” Darwin noted the fact that a cross between a male and a female yields either a son or a daughter, not an intermediate (hermaphrodite), and he came close to seeing this binary quality as the model for inheritance generally.

Diese Tatsache brachte Darwin verlockend nahe an die Entdeckung der Mendelschen Gesetze heran, als er in einem Brief an AR Wallace schrieb: „Ich kreuzte die Painted Lady und die Purpose Sweetpeas, die sehr unterschiedlich gefärbte Sorten sind, und erhielt sogar aus derselben Schote beide Sorten perfekt, aber keine dazwischen. Obwohl diese Fälle so wunderbar aussehen, weiß ich nicht, ob sie wirklich so sind, als ob jedes Weibchen auf der Welt unterschiedliche männliche und weibliche Nachkommen hervorbringt.“ Darwin bemerkte die Tatsache, dass eine Kreuzung zwischen einem Männchen und einem Weibchen entweder einen Sohn oder eine Tochter hervorbringt, nicht aber einen Zwitter (Hermaphrodit), und er kam nahe daran, diese binäre Eigenschaft als Modell für die Vererbung im Allgemeinen zu betrachten.

[19] As Robert Ingersoll (“The Great Agnostic”) said, in his essay praising Spinoza,”Theology is not intended to be understood - it is only to be believed”.

Wie Robert Ingersoll („The Great Agnostic“) in seinem Essay, in dem er Spinoza lobte, sagte: „Theologie ist nicht dazu da, verstanden zu werden - sie ist nur dazu da, geglaubt zu werden“.

[20] TERF: Trans Exclusionary Radical Feminist. “MAGA”: Make America Great Again. Slogan of Donald Trump. “Alt-right”: A far-right white nationalist movement.

TERF: Radikale Feministin mit Ausgrenzungstendenzen. „MAGA": Make America Great Again. Slogan von Donald Trump. „Alt-right": Eine rechtsextreme weiße nationalistische Bewegung.

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