Die Türkei unter Erdoğan .
Der Streit um die „Extra 3“-Satire gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan schlägt hohe Wellen. Der kurze Clip, der einen bekannten Hit von Nena zu „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ abändert, sorgte für diplomatische Verstimmungen. Der deutsche Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, wurde ins türkische Außenministerium einbestellt, das seine Missgunst offen ausdrückte. Eher kontraproduktiv, denn „Extra 3“ hatte dem Präsidenten doch vorgeworfen, die Pressefreiheit einzuschränken.
Comedian Jan Böhmermann legte nach. In einem Gedicht unterhalb der Gürtellinie reihte er Beleidigung an Beleidigung. Seine Satire war nicht ernst gemeint (so weit Satire überhaupt ernst gemeint sein kann), sondern war mehr Kalkül als Provokation. Böhmermann wollte bewusst die Grenzen des Sagbaren ausloten und gab dies in seiner Sendung ja auch zu. Letztlich erreichte er das Ziel. Seine Sendung wurde aus der ZDF-Mediathek entfernt. Der öffentlich-rechtliche Sender sprang bereitwillig über das Stöckchen, das Böhmermann ihm vorhielt. Wie unsinnig die Löschung ist, zeigt sich vor allem daran, dass das Gedicht online immer noch aufrufbar ist.
Der türkische Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslioğlu, hatte sich in die Debatte eingemischt. Ihm hätten „sowohl türkisch- als auch deutschstämmige Bürger und Bürgerinnen ihre verletzten Gefühle zum Ausdruck gebracht und ihre Meinung geäußert, dass Herr Böhmermanns Video an das Rassistische grenzt.“ Kanzlerin Angela Merkel versuchte die Wogen zu glätten. Sie entschuldigte sich telefonisch beim türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu für den „bewusst verletzenden Text“ und verwies auf die Löschung aus der Mediathek.
War Böhmermanns Beitrag noch eine Meta-Satire, die völlig ohne sachliche Substanz auskommt, kritisierte der „Extra 3“-Beitrag tatsächliche Zustände. In der Türkei werden Journalisten inhaftiert, mehrfach griff die Regierung ein, um unerwünschte Nachrichten im Internet zu unterdrücken, zum Beispiel über eine Twitter-Sperre. Im Ranking der NGO Reporter ohne Grenzen nimmt die Türkei Platz 149 von 180 in der internationalen Skala der Pressefreiheit ein.
„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind“
Erdoğans Kurs kann niemanden ernstlich überraschen. Schon bald nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident im Jahr 2003 kursierte folgendes Zitat aus den 90er Jahren:
„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
Wer auf diese Äußerung verwies wurde schnell in die rassistische oder rechtspopulistische Ecke gestellt – tatsächlich lässt sich aber spätestens seit 2013 sagen, dass Erdoğan seinen Fahrplan 1:1 umgesetzt hat. Unter seiner Führung hat sich die Türkei (abgesehen von einem wirtschaftlichen Aufschwung) spürbar zurückentwickelt. In der jüngeren Vergangenheit ist der Kurdenkonflikt wieder aufgeflammt. Bei Terroranschlägen kurdischer Extremisten oder des Islamischen Staats starben im zurückliegenden Jahr ca. 200 Menschen.
Auch im Konflikt um die Region Nagorno-Karabach gießt Erdoğan fleißig Öl ins Feuer. Bei den jüngsten Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan wurden über 30 Menschen getötet. Seit dem Zerfall der Sowjetunion kamen dort ca. 30.000 Menschen ums Leben. Die Türkei sieht sich als Schutzherr der Aserbaidschaner, die als Brudervolk gelten und eine Turksprache sprechen. „Wir beten dafür, dass unsere aserbaidschanischen Brüder mit den kleinstmöglichen Verlusten die Oberhand in diesen Kämpfen gewinnen“, so Erdoğan. Er versprach das Land „bis zum Ende“ zu unterstützen.
Wie jetzt bekannt wurde, hatte die Türkei bereits zum dritten Mal in diesem Jahr den deutschen Botschafter Erdmann einbestellt. Dieser blieb aber cool. Er präsentierte eine türkische Übersetzung des Grundgesetzes und Karikaturen, die zeigen, dass auch Kanzlerin Merkel in Deutschland verspottet wird. Zuvor musste sich Erdmann Protest anhören, weil er einen Prozess gegen Journalisten beobachtet hatte und weil Sachsen-Anhalt in einer Richtlinie für Lehrer den Völkermord an den Armeniern thematisiert. Das Bundesland berührt ein sensibles Thema. Die Türkei streitet die historische Verantwortung für die Verbrechen im Osmanischen Reich ab. Die Bewegung der Jungtürken hatte während des 1. Weltkriegs bis zu 1.5 Millionen Armenier ermordet. Das Auswärtige Amt in Berlin war über die Geschehnisse im Bilde, schritt aber nicht ein, um das Osmanische Reich als Verbündeten nicht zu verärgern.
Zu einem ähnlichen Vorfall kam es 2009, als das Land Brandenburg den Völkermord im Lehrplan thematisieren wollte. Der Vorsitzende der (SPD-nahen) Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, intervenierte. Der Vorstoß übe einen „psychologischen Druck“, auf türkische Schüler aus, der sie in ihren schulischen Leistungen beeinflusse, und „gefährde den inneren Frieden“. Seine Stellungnahme klingt fast wie eine Drohung.
Die Türkei muss sich hinter deutschen Rechtsextremen wahrlich nicht verstecken
Auch die Türkisch Islamische Union, ein von Ankara gesteuerter Moscheeverband mit Sitz in Köln, hält auf ihrer Website fest, dass „die beharrliche Oktroyierung des Begriffes 'Völkermord' in Form einer einseitigen Schuldzuweisung weder zutreffend ist, noch irgendjemandem einen Nutzen bringen wird.“ Das Eingeständnis, dass es bei Deportationen von Armeniern zu „traurigen Ereignissen“ kam, sollte uns nicht beruhigen. Auch die NPD gesteht ein, dass es „Umsiedlungen“ von Juden während des Zweiten Weltkriegs gab, streitet aber die Existenz von Vernichtungslagern ab.
Die Türkei muss sich hinter deutschen Rechtsextremen wahrlich nicht verstecken. Nach dem Erdbeben 1999 mit zehntausenden Verletzten war die Türkei dringend auf Blutkonserven angewiesen, da die eigenen Reserven schnell erschöpft waren. Gesundheitsminister Osman Durmuş lehnte das Hilfsangebot des griechischen Nachbarn allerdings ab. Das türkische Blut müsse rein bleiben. Die CHP-Politikerin Canan Arıtman (also eine Sozialdemokratin) forderte 2008 den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül dazu auf, per Gentest Zweifel auszuräumen, armenische Vorfahren zu haben. Der gedankliche Schritt zum Ariernachweis ist nicht weit. 2010 stellte ein Gesetzesentwurf künstliche Befruchtungen türkischer Frauen im Ausland unter Strafe - es gelte, die „Abstammungslinien des Landes“ zu schützen.
Wer sich so positioniert, muss nicht lange auf Lob warten. Erdoğans Auftritt 2008 in Köln, wo er an an den Nationalstolz seines türkischen Publikums appelierte, wurde von der Jungen Freiheit freundlich aufgenommen. Chefredakteur Dieter Stein kommentierte den „Auftritt eines Führers“:
ein „vor Selbstbewußtsein platzendes Türkentum“ erwarte er gleichermaßen von der deutschen politischen Klasse, der es an „Religiosität, Nationalstolz, Machtbewußtsein“ mangele.
Durch ihre verfehlte Flüchtlingspolitik hat sich Kanzlerin Merkel in eine Lage manövriert, in der Erdoğan als Verhandlungspartner unverzichtbar geworden ist.
Kommentare
Solange unsre linksversiffte Gesellschaft in ihrem Toleranzwahn, behäbiger Sattheit, Dekadenz und Gleichgültigkeit verharrt, haben EXTREME leichtes Spiel.
Der Irrglaube , daß muslimisch geprägte Gesellschaften in der Mehrheit integriert werden können, ist ein weiterer Baustein zur Zerstörung Europas.
Die Hexenjagd auf Alles was sich dagegen stemmt, ist ein weiterer Beweis für die Lust am Untergang.
Dieses Gebaren hat schon mächtige Völker und Mächte hinweggefegt.
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