Eine Teilrasur des christlichen Weltbildes mit „Ockhams Rasiermesser“ (1)

„Ockhams Rasiermesser“ findet seine Anwendung in der wissenschaftlichen Methodik. Dabei sollte bei einer Auswahl von verschiedenen Möglichkeiten zur Erklärung eines Phänomens diejenige gewählt werden, die die einfachste Theorie darstellt.

Eine Teilrasur des christlichen Weltbildes mit „Ockhams Rasiermesser“ (1)

1. In der zwischenmenschlichen Kommunikation wird manchmal die Redensart verwendet: „Von nichts kommt nichts". Ein Mensch, in dessen Hirn sich das christliche Weltbild festgesetzt hat, würde den Protagonisten seines Wildbildes desavouieren, würde er diesen Satz für wahr halten, denn Der hat ja angeblich schon einmal mit einem „Nichts“ erfolgreich „gearbeitet“. Ein nachdenklicher Mensch könnte sich natürlich fragen, ob dieser Satz tatsächlich stimmt? Schnell wird er jedoch erkennen, dass, wenn der Satz stimmen würde, er gar nicht zu dessen Formulierung in der Lage wäre, weil ihm durch die ihm vermittelte „säkulare“ Bildung natürlich bekannt ist, dass seine Existenz sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass letztlich wohl ein „NICHTS“ dabei die entscheidende Rolle gespielt haben muss. Zumindest wir Menschen sind also der Beweis dafür, dass der Satz nicht stimmen kann, weil wir aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse doch letztlich alle „Produkte" sein sollen, die einem „Urzustand“ entstammen, in welchem (fast) „nichts" existierte.

2. Im „kosmologischen Modell" der Entstehung des Universums gehen die Wissenschaftler beim „Nichts" von einem Quantenvakuum aus, während im „theologischen Modell" ein „supranaturales Wesen" für die „Erschaffung" des Universums aus dem „Nichts" die tragende Rolle spielt.

3. Im Kontext der Diskussion über die Entstehung des Universums geht es, soweit ersichtlich, nur um diese beiden Modelle. Über ein drittes Modell, in dem etwa ein wirklich „absolutes, idealisiertes (philosophisches) Nichts" eine Rolle spielt, wird offensichtlich nirgends diskutiert. Vonseiten der „Klerikerkaste“ der Amtskirchen und deren Glaubensgefolgschaften sehr wahrscheinlich schon deswegen nicht, weil dann ja auch der Protagonist ihres religiösen Weltbildes wohl nicht mehr im Spiel gehalten werden könnte, es sei denn, sie würden es in religiöser Blödheit auf die Spitze treiben, und Ihn als das „absolute, idealisierte (philosophische) Nichts" interpretieren.

4. Insbesondere „Glaubens-Infizierte“ stellen manchmal staunend die Frage, warum eigentlich „etwas" existiert und warum eigentlich nicht „nichts" existiert? Hier könnte staunend zurückgefragt werden, wodurch es gerechtfertigt sein sollte, das nichts Existierendem gegenüber etwas Existierendem evtl. ein Vorrang eingeräumt werden müsste?

5. Hier sei noch erwähnt, dass Franz Grillparzer (2) irgendwo gesagt haben soll: „Das NICHTS kann man schon darum nicht denken, weil dabei immer das Denken übrigbleibt und man somit keineswegs das NICHTS gedacht, sondern nur vom Objekt abstrahiert hat“.

6. Bezüglich des „theologischen Modells" der Universumsherstellung wird von der „Klerikerkaste“ der Amtskirchen und deren Glaubensgefolgschaften behauptet, dass der „supranaturale Protagonist“ ihres Weltbildes das Universum „aus dem Nichts erschaffen" hat (3). Diese Behauptung lässt den Schluss zu, dass vor der Universumserschaffung nicht nur der „Held“ des christlichen Weltbildes, sondern auch „ein Nichts“ existiert haben muss. Hat man es im christlichen Weltbild etwa mit zwei „Urexistenzen“ mit extrem unterschiedlicher „Wertigkeit“ zu tun, ohne dass dies bisher reflektiert wurde? Existierte im religiösen Weltbild neben dem Heiligsten gleichzeitig auch das unheilige „Nichts“, was im „kosmologischen Modell" als Quantenvakuum die entscheidende Rolle spielt, oder etwa doch das oben beschriebene „absolute, idealisierte (philosophische) Nichts"?

7. In beiden Fällen taucht die Frage auf, wie das eine oder andere „Nichts“ vom „supranaturalen Protagonisten“ des christlichen Weltbildes abgegrenzt war? Wie soll man sich irgendeinen Grenzverlauf zwischen einem der beiden „Nichts“ auf der einen Seite und dem „Held“ der „Klerikerkaste“ der Amtskirchen und deren Glaubensgefolgschaften auf der anderen Seite vorstellen, wenn dieser „Held“ doch angeblich - in welchem Zustand auch immer - überall schon immer existent gewesen sein soll? Wenn der „Held“ des religiösen Weltbildes überall hin ausgedehnt existierte, kann kein „Platz“ für eines der beiden „Nichts“ vorhanden gewesen sein. Da der „Held“ des christlichen Weltbildes überall existierte, konnte nicht irgendwo gleichzeitig „ein Nichts“ existiert haben!

8. Wo also war das eine oder andere „Nichts“ verborgen, aus dem der „supranaturale Held“ angeblich das Universum erschaffen haben soll? Die Vorstellung, dass Er ein „grenzenloses Wesen“ ist, lässt es nicht zu, dass sich außerhalb von Ihm „ein Nichts“ befunden hat.

9. Wenn die „Glaubens-Infizierten“ unbedingt glauben möchten, dass ihr „Held" das Universum aus dem „Nichts“ erschaffen hat, dann müsste Er zunächst das betreffende „Nichts“ geschaffen haben, damit Er dann aus ihm das Universum hätte „produzieren" können. Woher soll ein überall existierendes „supranaturales Wesen“ ein „Nichts“ genommen haben?

10. Für die „Glaubens-Infizierten“ böte sich die Möglichkeit, dreist und unverfroren zu behaupten, dass ihr „nebulöser Held“ damals vorübergehend in einem Zustand existierte, der ein Lochmuster aufwies. Die Löcher in Ihm hätten dann das „Nichts“ gewesen sein können, aus dem Er das Universum erschaffen hat. Vorübergehend gab es dann innerhalb von Ihm Grenzverläufe zwischen Ihm und den Löchern. Oder die „Glaubens-Infizierten“ könnten die freche Behauptung aufstellen, dass ihr „Held“ damals dafür sorgte, dass er vorübergehend nicht überall existierte, so dass dadurch außerhalb von Ihm „Raum“ für „ein Nichts“ entstand. Vorübergehend existierte dann zwischen Ihm und dem „Nichts“ eine äußere Grenze. Solche Behauptungen aber ernst nehmen zu wollen, hieße, den Blödsinn auf die äußerste Spitze zu treiben.

11. Für die „Klerikerzunft“ der Amtskirchen und deren Glaubensgefolgschaften bliebe schließlich noch die „Glaubensmöglichkeit", dass ihr „Held" das Universum nicht über den Umweg des „Nichts", sondern direkt aus sich heraus (aus einem Teil von sich?) „erzeugt" hat. Dann bestünde das Universum und somit letztlich auch der Mensch aus „göttlicher Substanz“, was auch immer das sein mag. In dem Falle bestünde also für die „Glaubens-Infizierten“ eine weitere „Glaubensmöglichkeit", die beinhaltet, dass das gesamte, große und kalte Universum gewissermaßen als Teil ihres „Helden" betrachtet werden könnte. Halleluja, noch mehr „Glaubenssubstanz"!

12. Erstaunlich ist, dass die „Glaubens-Infizierten“ offensichtlich kein Problem damit haben, dass das Universum, was ihr sie liebender „Held" angeblich „erschaffen" haben soll, sich in seiner derzeit erkennbaren Beschaffenheit und in seinen erbarmungslosen Auswirkungen auf die belebte Welt in keiner Art und Weise von dem Universum unterscheidet, dessen Existenz die Kosmologen auf ein denk- und planungsunfähiges Quantenvakuum zurückführen. Für die „Glaubens-Infizierten“ stellt diese Tatsache kein Problem dar, obwohl sie doch von ihrem allmächtigen und vor allen Dingen angeblich allgütigen „Held“ die Erschaffung eines Universum hätten voraussetzen dürfen, dass in jeder Hinsicht mehr Vollkommenheit hätte aufweisen müssen als das Universum, was tatsächlich existiert. Es dürfte nicht so lebensbedrohend sein. Die Unvollkommenheit des Universums, insbesondere die viefältigen, auf seiner Beschaffenheit beruhenden lebensbedrohenden Auswirkungen, desavouieren den „Held“ der „Klerikerzunft“ der Amtskirchen und deren Glaubensgefolgschaften.

13. Da die „Klerikerzunft“ der Amtskirchen und deren Glaubensgefolgschaften irrational glauben, dass der „Held“ ihres Weltbildes die Universumsherstellung zu verantworten hat, stellt sich für sie zu allen übrigen Fragen auch die Frage, wo sich das Universum im Verhältnis zu ihrem „Superwesen" befindet oder umgekehrt? Existiert das Universum separat neben dem „Superwesen"? Dann müsste es aber zwischen beiden einen Grenzverlauf geben, was der Behauptung der „Klerikerzunft“ widersprechen würde, dass ihr „Held“ in einem grenzenlosen Zustand existiert. Existiert das Universum in Ihm oder existiert das „Superwesen" im Universum oder treffen gar alle drei „Varianten" gleichzeitig zu?

14. Es bestünde die Möglichkeit, dass das „Superwesen“ sowohl außerhalb als auch innerhalb des Universums existiert. Das hinge dann damit zusammen, dass es viele leere Räume zwischen den Materieansammlungen im Universum und in der Materie selbst gibt, in die sich das „Superwesen“ hineinquetschen könnte. Diese Möglichkeit enthält aber das Problem, dass der „Held“ der „Glaubens-Infizierten“ dann nicht mehr grenzenlos existiert. Für Gläubige wäre es wohl kein Problem, da für sie ja alles „glaubbar" ist (auch Widersprüchliches), wenn es nur einen religiösen Kontext hat, was eine sehr, sehr bedauerliche Tatsache ist, und was eine Beleidigung für den Intellekt Ungläubiger darstellen kann. In diesem Kontext wird auf den Physiker und Nobelpreisträger Prof. Steven Weinberg verwiesen. Er schreibt in seinem Buch „Der Traum von der Einheit des Universums“, 1. Auflage, S. 254: „Manche Leute haben Ansichten über Gott, die so allgemein und so dehnbar sind, daß sie unweigerlich auf Gott stoßen müssen, gleichgültig, wo sie nach ihm suchen. Da bekommt man etwa zu hören: ,Gott ist das Höhere' oder ,Gott ist unser besseres Wesen' oder ,Gott ist das Universum'. Natürlich können wir dem Wort ,Gott' wie jedem anderen Wort jede beliebige Bedeutung unterlegen. Wenn Sie behaupten wollen ,Gott ist Energie', dann können Sie Gott in einem Stück Kohle finden“.

15. Ein ehemaliges Mitglied der „katholischen Klerikerzunft“, nämlich Hans Küng, scheint besonders gut über den imaginären Protagonisten des christlichen Weltbildes informiert zu sein. Denn er meint im Bezug auf Ihn, wie Prof. Hans Albert in seinem Buch „Das Elend der Theologie. Kritische Auseinandersetzung mit Hans Küng“, Auflage 2005, S. 78, schreibt: „Gott sei in dieser Welt und diese Welt sei in Gott; er sei ,die absolut-relative, diesseitig-jenseitige, transzendet-immanente, allesumgreifend-allesdurchwaltende wirklichste Wirklichkeit im Herzen der Dinge, im Menschen, in der Menschheitsgeschichte, in der Welt“. Das ist weltfremdes, unverständliches und sinnleeres Geschwurbel, wie es sich – z. B. im Gegensatz zu Wissenschaftlern – nur sogenannte Theologen erlauben können, es in für sie typischer und dreister Art und Weise von sich zu geben, weil sie natürlich wissen, dass es niemand von ihnen erwartet, dass sie die Wahrheit oder wenigstens Plausibilität ihres für „Glauben-Infizierte“ sicher intellektuell anspruchsvoll erscheinendes Gechwurbel beweisen müssen.

16. Ein „supranaturales Wesen“, das schon immer überall existent gewesen sein soll, zudem mit grenzenlosen Fähigkeiten und Eigenschaften ausgestattet war / ist, kann als Prämisse für die Existenz des Universums vernünftigerweise nicht von der Wissenschaft akzeptiert werden, so dass eine solche Annahme solange mit „Ockhams Rasiermesser" zu bearbeiten ist, bis nur noch die wissenschaftliche Theorie übrig bleibt, nach welcher das Universum aus einem Quantenvakuum entstanden ist.

17. Es ist allemal plausibler, davon auszugehen, dass ein Quantenvakuum aus sich heraus das Universum entstehen ließ, als dass einem religiösen Wunsch nachgegeben wird zu glauben, ein wie auch immer geartetes „Superwesen" habe auf dem Umweg über ein zunächst „erschaffenes Nichts" und dann hieraus oder Es habe direkt „aus Teilen von Sich" die Universumsherstellung vorgenommen.

18. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass wir es zu tun haben mit: „einem Universum mit blinden physikalischen Kräften und genetischer Verdoppelung", in dem „werden manche Menschen verletzt, andere haben Glück, und man wird darin weder Sinn und Verstand noch irgendeine Gerechtigkeit finden. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut oder Böse steht, nichts außer blinder, erbarmungsloser Gleichgültigkeit" („Manifest des evolutionären Humanismus, Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur", 1. Auflage, S. 25 u. 26, von Dr. Michael Schmidt Salomon).

19. Mit meinen vorstehenden Ausführungen möchte ich meinen religions- und glaubenskritischen „(scharfen?) Senf" den beiden Schriften beifügen, die sich aus den nachfolgend beiden Links ergeben.

1. Ein Universum aus Nichts:
http://hpd.de/node/16345

2. Warum gibt es etwas und nicht gar nichts?:
http://derbright.blogspot.de/2007/06/warum-gibt-es-etwas-und-nicht-gar.html

Nachtrag:

Glaubens-Infizierte“ meinen, dass es einen transzendenten Überbau gibt, der aus ihrem angeblich überall anwesenden Protagonisten ihres religiösen Weltbildes besteht oder aus dem heraus ihr „Held“ Seine Herrschaft ausübt. Man könnte sich fragen, wieso die „Glaubens-Infizierten“ so kleingläubig sind und sich in ihrer „Glaubens-Fantasie“ nur auf einen transzendenten Überbau beschränken? Wo es einen solchen Überbau geben soll könnten doch auch unendlich viele andere existieren, in denen jeweils ein „Superwesen“ etwa in der Art und Weise haust, wie es supermassive schwarze Löcher in den Galaxien des Universums tun. Was hindert „Glaubens-Infizierte“ daran, ihre „Glaubens-Fantasien“ zu erweitern und z. B. auch zu glauben, dass sich ihr „Held“ irgendwann aufgrund Seiner Allmacht, die sie Ihm zuschreiben, selbst vervielfältigt und und mehrere „transzendente Filialen“ eröffnet hat?

Verweise:
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser

(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Grillparzer

(3) 54. Wie hat Gott die Welt erschaffen?:
http://www.vatican.va/archive/compendium_ccc/documents/archive_2005_compendium-ccc_ge.html

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    Richard Dawkins Stiftung für Vernunft und Wissenschaft

    Kommentar zu meinem Beitrag „Eine Teilrasur des christlichen Weltbildes mit ,Ockhams Rasiermesser' “.

    Vor längerer Zeit habe ich damit begonnen, kleine „Text-Videos“ mit Aspekten meiner Religions-, Glaubens- und Kirchenkritik zu erstellen und sie nach und nach bei YouTube hochzuladen. Dort befinden sich jetzt 13 solcher Videos (1) von mir (teilweise auch mit religions-satirischem Inhalt). Ich habe sie alle mit Musikstücken versehen, wodurch ihr Inhalt für den Leser („biologischen Gucker“ ) besser verdaulich sein könnte. Bei der Auswahl der Musikstücke konnte ich nur auf jene zugreifen, die YouTube kostenlos zur Verfügung stellt.

    Hier jetzt im folgenden Link mein obiger Beitrag als „Text-Video“ mit „YouTube-Musik“.

    Eine Teilrasur des christlichen Weltbildes mit „Ockhams Rasiermesser“:
    https://www.youtube.com/watch?v=sp7vX94cXfY

    Verweis:
    (1) https://www.youtube.com/user/Klarsichtig/videos

    Es grüßt
    Klarsicht

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