Was ist neu am neuen Atheismus? Atheismus (vom altgriechischen Wort átheos, gottlos) bezeichnet eine Weltanschauung, die eine Existenz Gottes verneint.
Atheisten gab es schon immer, doch der Atheismus selbst fand in der Epoche der Aufklärung und mit der Weiterentwicklung der Wissenschaften großen Aufschwung. Seit einigen Jahren gibt es eine Form von neuem Atheismus, einen humanistischen, philosophischen, und gleichzeitig wissenschaftlichen Atheismus, der laut und selbstbewusst auftritt und neben einer gottfreien Weltanschauung auch konkrete Rechte einfordert. Doch was denkt der neue Atheist und wie sieht seine Gedankenwelt aus?
Religion selbst und religiöser Glaube ist den Menschen nicht angeboren, sondern das Ergebnis von Erziehung und Sozialisation. Vielen Gläubigen mag der Gedanke an einen Gott Halt und Sicherheit im Leben geben. Die Gewissheit, dass ein Gott existiert, kann einen Sinn im Leben schaffen und erleichtert möglicherweise den Umgang mit Ängsten, Vergänglichkeit und dem Tod.
Für den neuen Atheisten hingegen bedeutet Glaube eine Fremdbestimmung des Einzelnen durch eine nicht beweisbare und somit unhaltbare Kraft. In ihren Augen sind deshalb Glaube und Wissenschaft nicht miteinander zu vereinbaren und Religiosität stellt für sie den blinden Glauben an Mythen und Dogmen dar.
Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, einer Denkfabrik mit dem Leitbild des evolutionären Humanismus, gilt als einer der bekanntesten neuen Atheisten Deutschlands. Er tritt vor allem für die Werte der Aufklärung, kritische Rationalität, Selbstbestimmung, Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein. Jedweder Gedanke an Gott als einen Schöpfer wird im neuen Atheismus abgelehnt. Im Zentrum steht eine Anschauung, die vom Menschen als aktiven Gestalter der Welt und dem absoluten Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen ausgeht. Zugleich gibt es eine naturalistische Komponente: In der Welt geht es mit rechten Dingen zu, kein Gott oder andere spirituelle Kräfte greifen in die Gesetzmäßigkeiten der Natur ein. Das Fundament bilden Hypothesen, die jederzeit überprüft und verändert werden können. Im Mittelpunkt steht hier also der Mensch selbst, der sich in sich selbst und nicht in einer Kraft außerhalb seines Selbst verortet hat. Ein Mensch, der seiner Vernunft und Rationalität folgt, und statt in einen Gott nun in sich selbst vertraut.
Richard Dawkins ist britischer Evolutionsbiologe und ebenfalls ein Vertreter des neuen Atheismus. In vielen populärwissenschaftlichen Werken kritisiert auch er den Dogmatismus der Religionen und des Glaubens. Hierbei stützt er sich vor allem auf die Evolutionstheorie Charles Darwins, der mit seinem Werk „Die Entstehung der Arten“ die biblische Schöpfungsgeschichte infrage stellte. Die Evolution sieht keinen intelligenten Designer des Lebens vor, sondern existiert aus sich selbst heraus. Dawkins wurde vor allem in den USA berühmt, da er sich vehement gegen den dort stetig wachsenden Fundamentalismus und Kreationismus stellt. Für ihn stehen die Wissenschaft und all ihre Errungenschaften im Mittelpunkt und im absoluten Gegensatz zum Glauben an Gott. Seit 2013 ist die Richard Dawkins Foundation auch in Deutschland aktiv. Die Stiftung appelliert an den Verstand des Menschen und verurteilt die Einmischung des religiösen Extremismus in die Wissenschaften, die Freiheit des Einzelnen und in die Menschenwürde.
Wenn für die neuen Atheisten nun Religion und Glauben ausgeschlossen sind, wie sieht es dann mit Fragen nach der Moral und dem Sinn des Lebens aus? Besinnt sich der Mensch als Atheist auf sich selbst, so kann er sich natürlich nicht auf einen allmächtigen Sinnstifter berufen. In einer vermeintlich sinnfreien Welt, die rein nach wissenschaftlichen Gesetzen funktioniert, ist der Mensch nun selbst sinnstiftend. Er sieht den Sinn des Lebens im Leben selbst. Die Frage nach Moral, nach der Unterscheidung zwischen Gut und Böse stellt sich nicht. Es gibt per se kein Gut oder Böse, nur unterschiedliche Standpunkte und Interessen. Das, was von dem einen als vermeintlich gut verstanden wird, kann für einen anderen als böse empfunden werden.
Was sind die Konsequenzen die sich logischerweise aus dem neuen Atheismus ergeben? Zunächst sicherlich die Voranbringung des Säkularismus, der mentalen Trennung von Kirche und Staat und Konzentration auf Immanenz und Verweltlichung. Die Abschaffung eines Religionsunterrichts in den Schulen und stattdessen die Fokussierung auf Ethik und Naturwissenschaften. Festigung von Fragen der Menschenrechte, die teils heute noch von den großen Religionen missachtet werden. Schließlich und endlich soll jeder Mensch sein Leben ethisch verbringen und sich mit Hilfe seines eigenen Verstandes für eine bessere, freiere und menschenwürdigere Welt einsetzen.
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Kommentare
Dieser Artikel schildert sehr treffend und ohne jede Beleidigung irgendeiner Seite den "Neuen Atheismus". Das gefällt mir.
Auch die Schwäche des Atheismus, irgendeine Ethik verbindlich (!) begründen zu können, kommt zutage.
Unklar ist mir aber genau deshalb noch, wie der Neue Atheismus Menschenrechte festigen soll. Gerade die streng darwinistische Variante des Atheismus könnte zur Auffassung führen, nur die eigenen Gene fördern zu sollen - also nur die eigene Familie, das eigene Volk oder die eigene Rasse. Das entspricht dem natürlichen Verhalten aller Lebewesen. Was spricht aus darwinistischer Sicht dagegen, dass Menschen sich verhalten sollen wie andere staatenbildende Lebewesen, z.B. wie Ameisen? Oder wie Hühner, bei denen es strenste Hackordnungen gibt?
In der Natur gibt es keine Vorbilder für Menschenrechte. Es mag gelegentlich in der Natur Beispiele für soziales Verhalten geben; viel einfacher ist es aber, Beispiele dafür zu finden, wie der Stärkere den Schwächeren verdrängt, unterdrückt oder sogar tötet. Wie will ein darwinistischer Atheist jemanden, der nach der Maxime "Vernichte Deine Konkurrenten" leben will, davon überzeugen, dass er sich "für eine bessere, freiere und menschenwürdigere Welt einsetzen" soll?
Ich stelle die Behauptung auf, dass eine atheistische Gesellschaft bestenfalls Gesetze aufstellen kann, um ein friedliches Zusammenleben von Menschen zu ermöglichen und Feinde des Friedens zu bestrafen. Aber begründen kann sie diese eigenen Gesetze nicht.
Ein atheistischer Darwinist kann beschließen, mit einem, sagen wir einmal, Sklavenhalter nichts zu tun haben zu wollen. Aber - wie der obige Artikel sehr treffend analysiert - es steht ihm nicht zu, ihn zu verurteilen. Der Sklavenhalter hat eben einen "unterschiedliche Standpunkt", und eine "Unterscheidung zwischen Gut und Böse" gibt es nicht. Und für herrschende Gruppen hat sich die Sklaverei in der Geschichte schließlich manchmal jahrhunderteland sehr bewährt, sie also nützlich - für die herrschende Klasse.
Auf diese Weise ist es sehr schwierig, weltweit verbindliche Menschenrechte zu etablieren, oder?
Ich bin gespannt auf Gegenargumente!
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Haben Sie in der Bibel mal ueber Slavenhaltung nachgelesen?
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@Norbert Schönecker,
Sie sagen: "Auch die Schwäche des Atheismus, irgendeine Ethik verbindlich (!) begründen zu können, kommt zutage."
Was meinen Sie denn mit "verbindlich"? Wollen Sie etwa behaupten, dass das Christentum schon seit 2000 Jahren eine verbindliche Ethik lehrt?
Praktisch jede Religion zeichnet sich doch dadurch aus, dass ihre "ethischen" Grundsätze beliebig sind, je nachdem, welchen Vers aus den "heiligen" Schriften man zur Stützung der eigenen Präferenz zitiert. Sind Sie für oder gegen Sklaverei? Egal, Ihre Bibel liefert "Argumente" für beide Positionen. Dass in dem christlichen aller westlichen Länder, den USA, immer noch die Todesstrafe vollsteckt wird - und vornehmlich in so genannten "bible belt", spricht doch eine deutliche Sprache: Christentum und humanstische Ethik sind unvereinbare Gegensätze.
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Hallo Herr Schönecker,
Ihr Zitat: "Auch die Schwäche des Atheismus, irgendeine Ethik verbindlich (!) begründen zu können, kommt zutage."
Da es keine objektiven Werte gibt, kann es auch keine „verbindliche Ethik“ geben.
Ebenso ist für einen Naturalisten eine Letztbegründung für moralische Normen tatsächlich unmöglich. Zu einer naturalistischen Moralbegründung gehören zunächst einmal Symmetrieprinzipien wie die Forderung der Verallgemeinerbarkeit, die Goldene Regel, Kants Kategorischer Imperativ, der Schleier der Unwissenheit oder das Prinzip der Fairness bei John Rawls, oder eine vernünftige Verteilung der Begründungslast (einer Begründung bedarf dabei nicht die Gleichbehandlung, sondern die Ungleichbehandlung). Brückenprinzipien ermöglichen einen Übergang von Fakten zu Normen (Sein-Können-Prinzip: Normen sollten befolgt werden können; über sein Können hinaus ist niemand verpflichtet). Während Symmetrieprinzipien häufig diskutiert werden, sind Natur und Rolle von Brückenprinzipien noch weitgehend unbekannt. Ihre Rolle hat zuerst Hans Albert betont. All diesen genannten naturalistischen Ethik-Ansätzen ist gemeinsam, dass sie auf metaphysische Begründungsinstanzen verzichten und deshalb eine Letztbegründung weder anstreben noch liefern.
Quelle: https://de.richarddawkins.net/articles/gott-im-fadenkreuz-eine-rezension
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