Gibt es einen Beweis, dass es keine Wunder gibt?

Ein Ereignis, das den geltenden Naturgesetzen widerspricht

Gibt es einen Beweis, dass es keine Wunder gibt?

Foto: Pixabay.com / Terranaut

Das hängt wieder davon ab, wie man Wunder definiert. Man kann vom „Wunder der Geburt“ reden, oder dem „Wunder der Technik“, was lediglich bedeutet, dass man es sich nicht erklären kann. Kann man es erklären, dann nennt man das „Entzauberung der Welt“, aus dem Wunder wurde das Erklärbare. Manche werfen es der Wissenschaft geradezu vor, die Welt zu entzaubern, aber das heißt ja nur, dass sie ihren Job gemacht hat.

Meist wird der Begriff „Wunder“ aber definiert als: Ein Ereignis, das den geltenden Naturgesetzen widerspricht. Dieser Definition liegt ein Irrtum über das Wesen der Naturgesetze zugrunde, denn Naturgesetze sind keine Gesetze, gegen die man verstoßen kann oder auch nicht. Es ist gegen das Gesetz, über eine rote Ampel zu fahren, es ist aber möglich. Genau das ist mit „Naturgesetz“ nicht gemeint. Vielmehr ist ein Naturgesetz eine Beschreibung, wie sich die Dinge tatsächlich verhalten. Es handelt sich um ein Modell der Natur, mit dem wir einerseits versuchen, die Naturgeschehnisse, die wir beobachten oder messen, zu beschreiben und zu erklären, und das uns andererseits Vorhersagen ermöglicht.

Man nehme ein Bild eines Künstlers und beschreibe es mit Worten. Die Worte bilden das Modell, mit dem wir das Bild beschreiben. Kann jetzt die Beschreibung gegen das Bild verstoßen? Ja, aber dann ist nicht das Bild falsch, sondern unsere Beschreibung. Die Beschreibung schreibt dem Bild nicht vor, wie es auszusehen hat. Es gibt demjenigen, der die Beschreibung hört, nur eine mehr oder weniger zutreffende Vorstellung und mehr oder weniger vollständige Beschreibung von dem Bild.

Genau das sind Naturgesetze: Modellhafte Beschreibungen der Natur. Sie können die Natur fehlerhaft oder unvollständig beschreiben, und wenn wir das entdecken, wird das Naturgesetz eben entsprechend korrigiert.Man müsste Wunder also eigentlich definieren als ein Ereignis, das einen Fehler in unserer Beschreibung der Natur deutlich macht. Aber das ist von denen, die über Wunder reden, nicht gemeint. Man könnte es auch definieren als Ereignis, das den Naturgesetzen scheinbar widerspricht. Das wird auch nicht gemeint, denn dann wäre jeder Zaubertrick ein Wunder. Oder man könnte es definieren als ein Ereignis, das dem bekannten Stand der Naturgesetze scheinbar oder tatsächlich widerspricht. Widerspricht es scheinbar, dann müssen wir an den Naturgesetzen nichts ändern, widerspricht es ihnen tatsächlich, so müssen wir unsere Beschreibung der Natur anpassen und verbessern.

Manchmal nennen wir auch einfach sehr unwahrscheinliche Ereignisse ein Wunder: „Das Auto kam von der Fahrbahn ab, krachte die Böschung runter und überschlug sich mehrfach. Wie durch ein Wunder wurde der Fahrer dabei nicht verletzt“. In diesem Sinne gibt es Wunder, und wir brauchen keinen Beweis ihrer Nichtexistenz, denn unwahrscheinliche Dinge passieren täglich. Auch „das Wunder der Technik“ aus dem ersten Absatz gibt es ja wirklich.

Wenn wir Wunder aber so definieren, wie es allgemein gemacht wird, etwa in den Religionen, aber auch der Esoterik, dann ergibt diese überhaupt keinen Sinn. Nur weil etwas unerklärlich ist, muss es sich nicht gleich um einen „Verstoß“ gegen die Naturgesetze handeln, denn gegen diese kann man nur „verstoßen“, wenn man ein völlig falsches Verständnis davon hat, worum es sich handelt. Wenn man also denkt, die Naturgesetze würden der Natur irgendwelche Vorschriften machen, dann kommt man zu einer solchen bereits im Ansatz falschen Definition.

In der Religion könnte man das noch halbwegs kompensieren, wenn man Wunder definiert als ein Eingreifen Gottes, bei denen der natürliche Ablauf der Dinge so manipuliert wurde, dass das Ergebnis ein anderes ist, als wenn Gott nicht eingegriffen hätte. Allerdings lässt sich so etwas nicht beweisen, weil nicht klar ist, ob es sich um ein Ereignis handelt, das lediglich auf einen Fehler in unserer Naturbetrachtung aufdeckt. Man müsste also zunächst beweisen, dass ein Wunder unmöglich ist — aber wenn es unmöglich ist, kann es auch nicht geschehen sein. Ist es geschehen, dann ist es möglich, alles was geschieht, muss auch möglich sein.

Das Problem ist, dass man im Monotheismus Gott von der Natur abgetrennt hat. Dabei meint man mit Natur eigentlich nur Dinge, die nicht von Menschen geschaffen oder manipuliert wurden. Was immer man auch als übernatürlich beschreibt, lässt sich nicht logisch konsistent definieren. Übernatürlich ist entweder ein Synonym für „Unerklärlich“ oder „Unwissenheit“, oder es ergibt nicht den geringsten Sinn.

Würde man sich auf eine sinnvolle Definition von Worten einlassen, dann ist ein Gott, der nicht zur Natur gehört, folglich etwas von Menschen Ausgedachtes, ein Produkt unserer Kultur als falsche Vorstellung von den Dingen. Oder aber, Gott gehört zur Natur, dann hat man das Problem, dass Gott die Natur erst geschaffen haben soll — auch seine eigene? Gott hat die Natur nicht geschaffen, wenn er Teil derselben wäre. Dann wäre die Definition von „Gott als dem Schöpfer der Natur“ aber falsch.

Der übernatürliche Gott ist folglich reiner Unsinn. Wer nichts von den Worten versteht, die er benutzt, der kommt auf solche absurden Ideen.

Auf einer rein sprachlich-logischen Ebene gibt es Wunder nicht, da ihre Definition in sich widersprüchlich ist — mehr Beweise braucht man nicht. Definiert man Wunder ohne die Widersprüche, dann gibt es sie tatsächlich.

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Kommentare

  1. userpic
    Norbert Schönecker

    "Wunder geschehen nicht im Widerspruch zur Natur, sondern nur im Widerspruch zu dem, was uns über die Natur bekannt ist."
    Dieser Satz stammt (wahrscheinlich) vom heiligen Augustinus, der in der Kirche als Kirchenlehrer verehrt wird. Und dieser Satz ist nicht weit weg von "Man könnte es auch definieren als Ereignis, das den Naturgesetzen scheinbar widerspricht."
    Auch bei heutigen Heiligsprechungen in der Katholischen Kirche wird nach diesem Grundsatz vorgegangen. "Wir achten darauf, ob die Entwicklung der Krankheit sich völlig von dem unterscheidet, was klinische Berichte und die Beobachtungen der behandelnden Mediziner erwarten ließen." (Quelle: https://www.vice.com/de/article/8gbp5b/was-macht-ein-wunder-aus )
    Und das Lexikon für Theologie und Krche schreibt " ... scheint es angebracht, Wunder nicht negativ als "Durchbrechung" oder "Verletzung" der Natur(gesetze) zu bestimmen ...".
    Die mehrfach vorgebrachte Behauptung des Autors "Aber das ist von denen, die über Wunder reden, nicht gemeint", stimmt also nicht. Genau so beschreiben wir Christen ein Wunder.
    Zusätzlich meinen wir Christen, in solchen Ereignissen manchmal das Wirken Gottes zu erkennen. Das ist dann aber schon nicht mehr die Beschreibung des Vorgangs, sondern dessen Interpretation.
    Die Definition von einem Wunder als "Verletzung von Naturgesetzen" stammt meines Wissens nicht aus der Kirche, sondern von David Hume, der selbst ein heftiger Religionskritiker war. Er hat also eine eigene Definition von "Wunder" erschaffen, diese dem Christentum untergeschoben und sie anschließend als als unhaltbar widerlegt. Man nennt so etwas ein Strohmann-Argument.
    Volker Dittmar hat oben selbiges unternommen. Er steht also mit David Hume in einer großen, aber in dieser Hinsicht nicht sonderlich ehrenwerten Tradition.

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    1. userpic
      Klarsicht(ig)

      Zitat:
      „Mit anderen Worten: Diejenigen, die behaupten, daß ein bestimmtes Ereignis ein Wunder im traditionellen Sinne ist, müssen dreierlei zeigen:

      Bedingung a: daß das Ereignis tatsächlich geschehen ist

      Bedingung b: daß es allen Naturgesetzen, also dem Naturverlauf widerspricht

      Bedingung c: daß Gott die Ursache dafür ist.

      Für die Bedingung a braucht man verläßliche Zeugen, und bezüglich dieses Punkts hat Hume natürlich viel zu sagen; für die Bedingung b braucht man ein vollständiges Wissen über die Welt; und für die Bedingung c braucht man ein vollständiges Wissen über die transzendente Welt.

      Solange die Bedingung b nicht erfüllt ist, kann man nicht sagen, daß ein Ereignis tatsächlich ein Wunder war. Denn es könnte mit heute noch unbekannten Naturgesetzen in Einklang stehen. Und so ist es denn auch: Was einmal als Wunder galt, etwa Sonnenfinsternisse, Donner und Blitze, Erdbeben etc. wird heute auf natürliche Weise, also mit Hilfe von Naturgesetzen erklärt; was ehemals als »wunderbar« galt, war doch nur außergewöhnlich. Falls nun die Bedingung b tatsächlich erfüllt sein sollte, das Ereignis also allen Naturgesetzen widerspricht, dann könnte es, etwa die Auferstehung Christi, noch immer von der Konkurrenz, von einem bösen Dämon etwa oder von Vishnu verursacht sein. Es muß also auch die Bedingung c erfüllt sein.

      Somit ist es erst dann vernünftig, falls Bedingung b erfüllt ist, überhaupt von einem Wunder zu sprechen. Und erst dann, wenn Bedingung c erfüllt ist, ist es vernünftig, von einem »von Gott verursachtes Wunder« zu sprechen. Diese Bedingungen sind aber, schlecht für die verschiedenen Kirchen hier, wohl erst im Jenseits erfüllt. Bis dahin können wir nicht sagen, ob ein Ereignis »ein von Gott verursachtes Wunder« war oder nicht. Also können Wunderberichte vernünftigerweise die drei gegenwärtigen Offenbarungsreligionen nicht stützen. Es wird oft gesagt, daß alle Religionen auf Wunder beruhen. Aber es läßt sich – um diesen Punkt nochmals zu wiederholen – erst dann zeigen, daß ein Ereignis ein Wunder war, wenn es ein vollständiges Wissen um die Welt gibt und gezeigt ist, daß das Ereignis allen Naturgesetzen widerspricht. Also beruhen sämtliche Religionen auf Ereignissen, von denen ihre Anhänger bloß glauben, daß sie Wunder waren. Für diesen Glauben gibt es jedoch solange keine vernünftige Basis, solange auch nur ein Naturgesetz unbekannt ist und nicht gezeigt ist, daß das Ereignis allen Naturgesetzen widerspricht. Möglicherweise werden einmal alle Ereignisse auf diese natürliche Weise erklärt werden. Bis dahin ist es vernünftig, sich des Urteils, ob ein bestimmtes Ereignis ein Wunder war oder nicht, zu enthalten – und den Angehörigen der verschiedenen Offenbarungsreligionen ebenfalls eine solche Enthaltsamkeit zu empfehlen. Erst dann, wenn die Bedingungen b und c erfüllt sind, wäre die Bedingung a aktuell. Hume hat sich zu sehr auf die letztgenannte Bedingung konzentriert. Anstatt angesichts gewonnener Einsichten in milde Euphorie zu verfallen, wie Hume dies tat, könnten religiöse Skeptiker es sich bequem machen. Sie könnten sich geruhsam zurücklehnen und einmal abwarten, bis alle Naturgesetze bekannt sind und den Theisten die Daumen drücken. Sie brauchen sich erst um die Vertrauenswürdigkeit der Zeugen zu sorgen, wenn die Bedingung b erfüllt ist, also alle Naturgesetze bekannt sind.“

      Quelle: „David Humes Wunderanalyse:
      https://religionskritik4.blogspot.com/2014/11/david-humes-wunderanalyse.html

      11. 11. 2022, 15,25 Uhr.

      Gruß von
      Klarsicht(ig)

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