Himmelsgötter für Skeptiker

Hat der Glaube an Außerirdische einen religiösen Antrieb?

Himmelsgötter für Skeptiker

Foto: pixabay.com / tombud

In Star Trek V: Am Rande des Universums trifft Kapitän James T. Kirk eine Gottheit, die ihn zu ihrem Planeten lockt, um mit der Enterprise davonzufliegen. „Wozu braucht Gott ein Raumschiff?” fragt der skeptische Kommandant. Ich sprach mit Kirk persönlich – das heißt mit William Shatner – über den Film, als ich ihn kürzlich bei einer Konferenz traf. Der ursprüngliche Handlungsverlauf des Filmes, bei dem er Regie führte, ließ die Besatzung „auf der Suche nach Gott” sein. In der Befürchtung, einige religiöse Anhänger würden Anstoß daran nehmen, dass der Allmächtige von einem Raumschiff entdeckt werden könnte, bestanden die Studiobosse darauf, dass die Gottheit ein bösartiger Außerirdischer sein müsse, der sich für seinen persönlichen Vorteil als Gott ausgibt.

Wie könnte ein Raumschiff – oder jegliche Technologie zur Erkennung natürlicher Kräfte und Objekte – einen übernatürlichen Gott entdecken, der definitionsgemäß außerhalb der Reichweite solcher Sensoren wäre? Jede nachweisbare Existenz müsste ein natürliches Wesen sein, wie entwickelt auch immer; und wie ich in dieser Kolumne argumentiert habe („Shermers letztes Gesetz“, Januar 2002): „jede hinreichend entwickelte außerirdische Intelligenz (ETI) ist von Gott nicht zu unterscheiden.“ Somit konnte Shatners Handlungsthema des Suchens nach Gott nur zu einer ETI führen, die genug entwickelt ist, um gottgleich zu erscheinen.

Vielleicht liegt hier der Antrieb nach der Suche. In seinem Buch Plurality of Worlds („Vielfalt der Welten“, Cambridge University Press) von 1982 vermutete der Wissenschaftshistoriker Steven J. Dick, dass Isaac Newtons mechanisches Universum, als es die mittelalterliche geistige Weltsicht ersetzte, eine unbelebte Leere übrigließ, die mit der modernen Suche nach ETI ausgefüllt wurde. In seinem 1995 erschienenen Buch Are We Alone? („Sind wir alleine?“, Basic Books), fragte sich der Physiker Paul Davies: „Mich interessiert eher, inwieweit die moderne Suche nach Außerirdischen im Grunde Teil einer uralten religiösen Suche ist.“ Der Historiker George Basalla machte 2006 in seinem Werk Civilized Life in the Universe  („Zivilisiertes Leben im Universum“, Oxford University Press) eine ähnliche Beobachtung: „Die Vorstellung von der Überlegenheit himmlischer Wesen ist weder neu noch wissenschaftlich. Es ist ein weitverbreiteter und alter Glaube im religiösen Denken.”

Negativer Zusammenhang zwischen Religiosität und dem Glauben an ETI 

Nun gibt es experimentelle Hinweise, welche diese Hypothese stützen, dargestellt in einem Artikel der Zeitschrift Motivation and Emotion von 2017, mit dem Titel „We Are Not Alone” („Wir sind nicht allein”), worin der Psychologe Clay Routledge und seine Mitarbeiter von der North Dakota State University einen negativen Zusammenhang zwischen Religiosität und dem Glauben an ETI fanden: Wer angibt, wenig religiös zu sein, aber ein hohes Bedürfnis nach Sinn zu haben, der glaubt eher an Außerirdische. In Studie 1 glaubten Probanden nach der Lektüre eines Essays, der „argumentierte, dass das menschliche Leben letztlich sinnlos und für den Kosmos ohne Bedeutung sei” statistisch signifikant häufiger an Außerirdische als jene, die einen Essay über die „Grenzen des Computers“ lasen.

In Studie 2 berichteten Probanden, die sich als Atheisten oder Agnostiker bezeichneten, signifikant häufiger, an Außerirdische zu glauben, als jene, die religiös (meist Christen) waren. In den Studien 3 und 4 bearbeiteten die Probanden Fragebögen zur Ermittlung der Religiosität, der Suche nach Lebenssinn, des Wohlbefindens, des Glaubens an ETI, und des Glaubens an übernatürliche Kräfte. „Weniger Sinn im Leben zu sehen sowie eine vermehrte Suche nach Sinn hingen mit mehr Glauben an ETI zusammen“, berichteten die Forscher; aber der Glaube an ETI ergab keine Korrelation mit dem Glauben an übernatürliche Kräfte oder dem Wohlbefinden.

Aus diesen Studien folgern die Autoren: „Der Glaube an ETI erfüllt eine existenzielle Funktion: im Leben einen Sinn zu erkennen. Somit sind wir der Ansicht, dass der Glaube an ETI eine ähnliche Funktion wie Religion erfüllt, ohne sich dabei von traditionellen religiösen Lehrsätzen abhängig zu machen, die einige Menschen bewusst ablehnen.“ Damit meinen sie das Übernatürliche: „An ETI zu glauben erfordert nicht, dass man an übernatürliche Kräfte oder Ursachen glaubt, die sich nicht mit einem wissenschaftlichen Weltverständnis vereinbaren lassen.“ Wenn man nicht an Gott glaubt, aber eine tiefere Bedeutung außerhalb unserer Welt sucht, so stellen sie fest, könne der Gedanke, dass wir nicht alleine im Universum sind, „Menschen das Gefühl vermitteln, dass sie Teil eines größeren und bedeutungsvolleren kosmischen Schauspiels wären.“

Da es nicht mehr Beweise für Außerirdische gibt als für Gott, muss sich jeder, der an das eine oder andere glaubt, in den bloßen Glauben flüchten, oder aber mit einem Urteil warten, bis der Beweis erbracht ist. Ich kann mir vorstellen, wie dieser für ETI, aber nicht, wie er für Gott aussehen könnte, sofern es sich bei der Gottheit nicht um eine ETI handelt, die hinreichend entwickelt ist, um göttlich zu erscheinen. Möglicherweise sieht es Kapitän Kirk in seinen abschließenden Gedanken zu Gott gegenüber dem Arzt des Raumschiffes am Ende von Star Trek V richtig: „Vielleicht ist er nicht dort draußen, Pille. Vielleicht ist er genau hier, im menschlichen Herzen.“

Übersetzung: Klaus Miehling

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Kommentare

  1. userpic
    Tom Mirkolowski

    Herr Shermer, Sie haben da einen wirklich informativen, kleinen und wirklich süßen Text zustande gebracht. Sie haben nicht nur Witz in die Angelegenheit gebracht, sondern auch logische Schlussfolgerungen mit Nachhalleffekt hinterlassen. Studien sollten zwar immer mit Vorsicht genossen werden, aber nach einigen Minuten des Innehaltens kann man Ihnen jenes, in diesem Kontext, leicht abkaufen.
    Kurzum netter Text mit geballter Wirkung.
    ~ Tom Mirkolowski

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