Doch obwohl ich Feuerwerke liebe, liebe ich auch die Tiere.
Erklärung für nicht-britische Leser: Im Jahr 1605 wurde in letzter Minute ein katholisches Komplott, das Parlament zu sprengen, vereitelt. Der Anführer des Gunpowder-Plot („Pulververschwörung“), Guy Fawkes, wird alljährlich am 5. November in Britannien auf Lagerfeuern symbolisch verbrannt, und anstelle des Schießpulvers von damals zischen und knallen Feuerwerke. Kinder lieben die „Bonfire Night“ oder „Guy-Fawkes-Night“ und sagen ein Gedicht dazu auf:
Remember, remember
The Fifth of November –
Gunpowder, treason and PLOT!
Nach meinem Tweet über meine Bedenken, welche Auswirkungen laute Feuerwerke auf nichtmenschliche Tiere haben, ersuchte mich die „Daily Mail“, einen 1200 Worte langen Artikel zu diesem Thema zu verfassen. Er erschien am „Guy-Fawkes-Day“ unter dem Titel „Die Bonfire Night dauert mittlerweile WOCHEN – und für Haustiere ist es die Hölle“.
Dies ist nun die Originalversion, wie ich sie schrieb - vor den Änderungen durch die Redakteure der Daily Mail, die meinen Schreibstil zu ihrem umformten. Amerikanische Leser können den „5. November“ gedanklich durch den „4. Juli“ ersetzen, und indische Leser durch „Divali“. Ich empfehle nicht, die „Daily Mail“-Version zu lesen, doch die Kommentare darunter sind in großer Mehrzahl ermutigend.
Am 12. Oktober 1984 legte ein provisorisches Mitglied der IRA eine Bombe im Grand Hotel, Brighton; es handelte sich um ein versuchtes Attentat auf den Premierminister. Dieses Ziel wurde verfehlt, doch es gab fünf Tote und viele Verwundete. Wollen wir ein landesweites Fest an jedem 12. Oktober, bei dem wir alle im Gedenken an dieses Ereignis Feuerwerke veranstalten? Und würde es unsere Abscheu nicht noch steigern, wenn wir im ganzen Land den Attentäter, Patrick Magee, symbolisch verbrennen würden?
In der Bonfire Night wird ein katholischer Terrorist noch früherer Tage – oder Freiheitskämpfer, wenn man es so sehen möchte – symbolisch verbrannt. Unsere „Remember remember“ – Feuerwerke dienen dem Gedenken an eine fehlgeschlagene mörderische Explosion des Jahres 1605. Ein terroristischer Bombenanschlag, wenn auch ein fehlgeschlagener, ist ein ziemlich garstiger Grund für Feierlichkeiten, weshalb ich natürlich auch den Vergleich mit dem Bombenanschlag in Brighton zog. Aber zwischen Guy Fawkes und uns liegen 400 Jahre: Genug Zeit, damit die Gedenkfeiern anstelle von schlechtem Geschmack vielmehr die Wunderlichkeit der fernen Geschichte suggerieren. Ich versuche also nicht, ein Spaßverderber zu sein.
Und ich liebe Feuerwerke. Seit ich geboren wurde. Für mich sind sie mehr ein Genuss für die Augen als für die Ohren – die spektakulären Farben, die den Himmel psychedelisch bemalen, der Lichtschein, der auf lachende Kinder mit Wunderkerzen fällt, das Surren der Feuerräder, die „Catherine Wheels“ genannt werden (auch hier hilft uns die geschichtliche Entfernung, den garstigen Ursprung dieses Namens zu vergessen). Den Reiz der lauten Knalle kann ich nicht so sehr nachvollziehen, ich nehme jedoch an, dass viele Menschen sie lieben, sonst würden die Hersteller von Feuerwerken sie nicht so konstruieren. Ich will also nicht leugnen, dass Feuerwerke, und auch die Knalle, Spaß machen, und ich habe die Bonfire Night seit meiner Kindheit viele Jahre lang genossen.
Doch obwohl ich Feuerwerke liebe, liebe ich auch die Tiere. Einschließlich der menschlichen Tiere, doch hier geht es um die nicht-menschlichen Tiere. Wie etwa unsere beiden Hunde, Tycho und Cuba, die nur zwei von Millionen im ganzen Land sind, die jedes Jahr von den erstaunlich antisozialen Dezibel der heutigen Feuerwerke terrorisiert werden. Es wäre erträglich, wenn sie nur am 5. November stattfänden. Aber im Laufe der Jahre wurde der „5. November“ unnachgiebig in beide Richtungen ausgeweitet. Anscheinend sind viele Leute zu ungeduldig, um ihre gekauften Feuerwerke für die eigentliche Nacht aufzubewahren. Oder ihnen gefiel diese Nacht so gut, dass sie nicht widerstehen können, sie noch Wochen später zu wiederholen. Und in Oxford ist die Feuerwerks-Saison überhaupt grenzenlos; sie erstreckt sich auf fast alle Wochenenden während der Universitätssemester.
Wenn es nur um Tycho und Cuba ginge, denen das Leben zur Qual gemacht wird, würde ich nicht davon sprechen. Aber als ich einen Tweet zu meinen Bedenken wegen des Lärms schrieb, waren die Reaktionen von Besitzern von Hunden, Katzen und Pferden überwältigend. Dieser subjektive Eindruck wird von wissenschaftlichen Studien bestätigt. Die tierärztliche Fachliteratur kennt mehr als 20 physiologisch messbare Stresssymptome bei Hunden, die von Feuerwerk verursacht werden. In Extremfällen führt die Angst, die Feuerwerke hervorrufen, sogar dazu, dass Hunde entgegen ihrer sonst sanftmütigen Art ihre Besitzer beißen. Schätzungen zufolge leiden ca. 50% der Hunde und 60% der Katzen an Feuerwerk-Phobie.
Und jetzt denken wir an all die wilden Tiere im ganzen Land. Und an die Rinder, die Schweine und die anderen Nutztiere. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich die wilden Tiere, die wir nicht sehen, weniger ängstigen als die Haustiere, die wir sehr wohl sehen. Eher im Gegenteil, wenn man bedenkt, dass geliebte Haustiere wie Tycho und Cuba menschliche Tröster haben, die sie besänftigen und beruhigen. Die natürliche Umgebung und stillen Nächte der wilden Tiere jedoch werden ohne jede Vorwarnung durch das akustische Äquivalent einer Schlacht aus dem ersten Weltkrieg verpestet. Da wir gerade davon reden: Unter den positiven Antworten auf meine Feuerwerks-Tweets waren solche von Kriegsveteranen, die an dem heutigen Pendant zum Schützengrabenschock des ersten Weltkriegs leiden.
Ich bin nicht für ein gänzliches Verbot von Feuerwerken
Was soll also geschehen? Ich bin nicht für ein gänzliches Verbot von Feuerwerken (wie in manchen Rechtssystemen, etwa in Nordirland während des Nordirlandkonflikts). Häufig werden zwei Kompromisse diskutiert. Erstens, Feuerwerke sollen auf gewisse Tage im Jahr beschränkt werden, wie etwa die Guy Fawkes Nacht oder Silvester. Für spezielle Anlässe – große Partys, Bälle oder dergleichen – sind individuelle Anträge nötig, ähnlich der Erlaubnis, zu speziellen Anlässen laute Musik spielen zu dürfen. Der andere Kompromiss wäre, dass nur die öffentliche Verwaltung Feuerwerke veranstalten darf, und nicht jeder x-beliebige Bürger in seinem Hinterhof. Ich möchte einen dritten Kompromiss vorschlagen, der die ersten beiden überflüssig machen würde: Visuell ansprechende Feuerwerke sind erlaubt, für Lärm gelten starke Einschränkungen. Es gibt tatsächlich leise Feuerwerke.
Obwohl die Antworten auf meine Tweets überwältigend zustimmend waren, gab es abweichende Meinungen, die sich in zwei Lager teilten und ernst genommen werden müssen. Erstens, wäre eine rechtliche Beschränkung von Feuerwerken nicht ein Eingriff in die persönlichen Freiheiten? Und zweitens, sollte das Vergnügen der Menschen nicht Vorrang vor „bloßen Tieren“ haben?
Das Argument der persönlichen Freiheiten ist oberflächlich betrachtet überzeugend. Manche Twitter-Nutzer meinten, was Leute in ihren eigenen Gärten tun – auf ihrem Privatgrund – geht niemanden etwas an, schon gar nicht den „Bevormundungsstaat“. Aber der Lärm und die Druckwellen einer lauten Explosion reichen weit über die Grenzen eines jeden Gartens hinaus. Nachbarn, die die Blitze und Farben des Feuerwerks nicht mögen, können den Vorhang vorziehen. Gegen die lauten Knalle hilft das aber nichts. Lärmbelästigung ist auf auffällig unentrinnbare Weise antisozial, deshalb ist auch die Noise Abatement Society (Lärmminderungsinitiative; Anm. d. Übers.) so notwendig.
Wie steht es um den Einwand der „bloßen Tiere“? Ist das menschliche Vergnügen nicht wichtiger als verängstigte Hunde, Katzen, Pferde, Kühe, Hasen, Mäuse, Wiesel, Dachse und Vögel? Die Anmaßung, Menschen seien wichtiger als andere Tiere, ist tief in uns verankert. Es ist ein schwieriges philosophisches Problem, und das ist nicht der richtige Ort, um näher darauf einzugehen. Nur ein paar Gedanken.
Erstens, obwohl die Denkfähigkeit und Intelligenz nicht-menschlicher Tiere unserer weit unterlegen ist, ist diese berühmte Aussage des großen Moralphilosophen Jeremy Bentham heute ebenso gültig wie 1823:
„…ein ausgewachsenes Pferd oder ein ausgewachsener Hund ist ein unvergleichlich rationaleres und auch umgänglicheres Tier als ein Kind im Alter von einem Tag, einer Woche oder auch einem Monat. Aber selbst wenn wir annehmen, es wäre genau umgekehrt, was wäre der Unterschied? Die Frage lautet nicht: Können sie logisch denken? Und auch nicht: Können sie sprechen? Sondern: Können sie leiden?“
Die Fähigkeit zu leiden – Schmerzen oder Angst zu fühlen – hängt nicht von der Vernunft oder der Intelligenz ab. Ein Einstein ist nicht mehr dazu imstande, Schmerzen oder Angst zu fühlen, wie eine Sarah Palin. Und es gibt keinen offenkundigen Grund zur Annahme, dass ein Hund oder ein Dachs weniger imstande ist, Schmerzen oder Angst zu fühlen, wie ein Mensch.
Im Fall der Angst vor Feuerwerken gibt es womöglich sogar Gründe zur Annahme des Gegenteils. Menschen verstehen, worum es sich bei Feuerwerken handelt. Menschliche Kinder können mit einer Erklärung getröstet werden: „Es ist schon gut, mein Schatz, es ist nur ein Feuerwerk, nur ein Spaß, kein Grund zur Sorge.“ Bei nicht-menschlichen Tieren geht das nicht. Alles, was man tun kann, ist, mit ihnen zu kuscheln und beruhigende Geräusche zu machen.
Seien wir keine Spaßverderber. Aber Feuerwerke sind lautlos fast ebenso reizvoll. Und unsere gegenwärtige Missachtung von Millionen empfindungsfähiger Wesen, die nicht imstande sind zu verstehen, was Feuerwerke sind, die jedoch sehr wohl gänzlich imstande sind, sie zu fürchten, ist äußerst selbstsüchtig –auch wenn dies für gewöhnlich unwissentlich geschieht.
Übersetzung: Daniela Bartl, Adrian Fellhauer
Kommentare
Bevor ich diesen Artikel las, war mir lange bewusst, dass Feuerwerke nichtmenschlichen Tieren Angst machen könnten; und ich hatte bei ein paar Gelegenheiten angesehen, wie ein mir wohlbekanntes (einem Verwandten oder Freund gehöriges) Tier einem längeren Feuerwerk mit völlig untypischer Angst reagierte. Aber, weil ich keine Haustiere besaß und die andauernden Wirkungen nicht beobachten konnte, dachte ich nicht viel mehr darüber. Die im Artikel zitierten Worte von Jeremy Bentham sind besonders treffend dafür, nicht nur den Ernst des Leidens der Tiere bei Feuerwerken sondern auch den Ernst des Leidens, besonders des menschlich verursachten Leidens, der Tiere im allgemeinen noch einmal überdenken zu lassen. Die höheren nichtmenschlichen Tiere leiden ganz offensichtlich so leicht wie wir Menschen, ungeachtet dessen, dass sie logisches Denken weniger (aber mehr als Säuglinge) benutzen und (gerade wie Säuglinge) überhaupt nicht sprechen. Vielen Dank für jenes Zitat!
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