Erinnerungen an den kenianischen Paläoanthropologen
Richard Leakey ist tot. Die Nachrufe werden seine zahlreichen Leistungen aufzählen. Ich kannte ihn nicht gut, aber die Woche, die ich 1994 als sein Gast in der Nähe von Lamu an der kenianischen Küste verbrachte, ist eine wertvolle Erinnerung, die ich versucht habe in meinem Buch A Devil's Chaplain einzufangen.
Die einnehmend schmutzige Stadt Lamu, eine der Hochburgen des Islams am Indischen Ozean, liegt auf einer Sandinsel in der Nähe des Mangrovensaums an der Küste. Das imposante Hafenviertel erinnert an Evelyn Waughs Matodi im ersten Kapitel von Schwarzes Unheil. Offene steinerne Abflüsse, grau vor Schlamm, säumen die Straßen, die für den Radverkehr zu eng sind, und schwer beladene Esel traben zielstrebig ihre unbeaufsichtigten Botengänge durch die Stadt. Skelettierte Katzen schlafen in den Sonnenlichtflecken. Schwarz verschleierte Frauen, die wie Krähen aussehen, gehen unterwürfig an den Männern vorbei, die auf der Türschwelle sitzen und die Hitze und die Fliegen hinfort parlieren. Gemäß dem Brauch jaulen die Muezzine alle vier Stunden (heutzutage werden sie auf Kassetten aufgezeichnet, die in den Minaretten versteckt sind). Nichts stört die Marabu-Störche bei ihrer einbeinigen Wache rund um den Schlachthof.
Die Leakeys sind weiße Kenianer, keine Engländer, und sie haben ihr Haus im Suaheli-Stil gebaut (im Gegensatz zum größten Teil Kenias, wo die Suaheli-Sprache eine durch den arabischen Sklavenhandel eingeführte Verkehrssprache ist). Es ist eine große, weiße, glücklicherweise kühle Kathedrale von einem Haus, mit einer gewölbten Veranda, Kacheln und Binsenmatten auf dem Boden, ohne Glas in den Fenstern, ohne heißes Wasser in den Rohren und ohne Notwendigkeit für beides. Das gesamte Obergeschoss, zu dem man über eine unregelmäßig geschnittene Außentreppe gelangt, ist ein einziger flacher Raum, der nur mit Binsenmatten, Kissen und Matratzen ausgestattet ist, völlig offen für die warmen Nachtwinde und die Fledermäuse, die am Orion vorbeifliegen. Über diesem luftigen Raum, der sich auf Stelzen erhebt, befindet sich das einzigartige Suaheli-Dach, das mit Schilfrohr auf einem hohen Aufbau aus Palmenstämmen gedeckt ist, die kunstvoll mit Schnüren zusammengehalten werden.
Richard Leakey ist ein robuster Held von einem Mann, der dem Klischee „ein großer Mann in jeder Hinsicht“ gerecht wird. Wie andere große Männer wird er von vielen geliebt, von einigen gefürchtet, und er schert sich nicht allzu sehr um die Urteile anderer. Er verlor beide Beine bei einem beinahe tödlichen Flugzeugabsturz im Jahr 1993, am Ende seiner überaus erfolgreichen Jahre im Kampf gegen Wilderer. Als Direktor des Kenya Wildlife Service verwandelte er die zuvor demoralisierten Wildhüter in eine schlagkräftige Armee mit modernen Waffen, die denen der Wilderer ebenbürtig waren, und, was noch wichtiger war, mit einem Korpsgeist und dem Willen, sie zurückzuschlagen. 1989 überredete er Präsident Moi, mehr als 2000 beschlagnahmte Stoßzähne zu verbrennen - eine einzigartige Leakeysche Meisterleistung der Öffentlichkeitsarbeit, die viel dazu beitrug, den Elfenbeinhandel zu unterbinden und den Elefanten zu retten. Doch sein internationales Ansehen, das ihm half, Gelder für seine Abteilung zu beschaffen, die andere Beamte begehrten, weckte Eifersüchteleien. Am schwersten zu verzeihen ist, dass er eindrucksvoll bewiesen hat, dass es möglich ist, eine große Behörde in Kenia effizient und ohne Korruption zu führen. Leakey musste gehen, und das tat er auch. Zufälligerweise hatte sein Flugzeug einen unerklärlichen Motorschaden, und nun schlendert er auf zwei künstlichen Beinen (mit einem Ersatzpaar, das speziell zum Schwimmen mit Flossen angefertigt wurde). Mit seiner Frau und seinen Töchtern als Besatzung fährt er wieder auf seinem Segelboot, er hat seine Pilotenlizenz schnell wiedererlangt, und seine Tatkraft lässt sich nicht unterkriegen.
Etwas an diesem humorvollen, unbeugsamen Haudegen ist für mich in einer schönen Geschichte enthalten, die er uns in Lamu erzählte. Über seine verlorenen Beine. Sie wurden ihm in Cambridge amputiert, aber er wollte sie in seinem geliebten Kenia begraben, wo sie darauf warteten, mit dem Rest von ihm vereint zu werden, wenn seine Zeit abgelaufen war. Also beantragte er die Erlaubnis, sie aus Großbritannien zu verschiffen. Die Paradebürokraten verlangten eine Sterbeurkunde. Vermutlich in dreifacher Ausfertigung. Richard machte den vielsagenden juristischen Hinweis, dass er, da er das Antragsschreiben verfasste, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch am Leben war. Daher könne er beim besten Willen keine Sterbeurkunde vorlegen. Schließlich sahen sie die Richtigkeit dieses schlagkräftigen Arguments ein und er überzeugte sie. Aber sie bestanden darauf, dass die Beine nicht in sein aufgegebenes Gepäck durften. Er musste sie in seinem Handgepäck mitnehmen. Er packte sie in eine Golftasche. Ich werde nie vergessen, wie er den Gesichtsausdruck des zuvor gelangweilten Sicherheitsbeamten nachahmte, der den Röntgenbildschirm beobachtete, als die Golftasche vorbeifuhr.
Ich habe ihn später noch einige Male gesehen, als er Oxford besuchte. Im Jahr 2004 lud ich ihn ein, die jährliche Charles-Simonyi-Vorlesung für das öffentliche Verständnis der Wissenschaft im Oxford Playhouse zu halten. Am Tag der Vorlesung ging er mit einem alten Freund außerhalb von Oxford zu einem Mittagessen in flüssiger Form. Das Mittagessen dauerte so lange, dass ich nervös wurde, als ich am Playhouse wartete, weil ich befürchtete, dass er nicht auftauchen würde. Meine Sorgen wurden nicht geringer, als er zwar kam, aber keine Notizen für seinen Vortrag dabeihatte. Meine Sorgen erwiesen sich - in hohem Maße - als unangebracht. Sein Stegreifvortrag war ein Meisterwerk, die Zuhörer waren von seinem leidenschaftlichen, gut dokumentierten Plädoyer für den Schutz der Wildtiere gefesselt, und ich sonnte mich in der stellvertretenden Ehre, ihn eingeladen zu haben.
Meine andere Erinnerung an Oxford betrifft ebenfalls ein Mittagessen. Diesmal war ich anwesend. Richard versuchte, Geld für eine Wohltätigkeitsorganisation im Bildungsbereich zu sammeln, deren Schirmherr er war. Er hatte sich an einen sehr reichen amerikanischen Industriellen gewandt, der sich aus irgendeinem Grund mit mir treffen wollte. Richard schrieb mir und fragte mich, ob ich bereit wäre, mit ihm und dem potenziellen Wohltäter, den er scherzhaft den Philosophenkönig nannte, zu Mittag zu essen. Der Philosophenkönig würde zahlen. Ich stimmte zu, vor allem, weil ich Richard wiedersehen wollte. Das Mittagessen war eine heitere Angelegenheit. Der Philosophenkönig lud Richard ein, den Wein auszusuchen. Wenn der Anflug eines Lächelns über seine Lippen kam, als er die Liste des Sommeliers überflog, habe ich es nicht bemerkt. Die erste Ahnung, dass es sich um einen typischen Leakey-Witz handelte, hatte ich, als der Philosophenkönig die Rechnung erhielt und sein Gesicht weiß wurde. Danach vertraute mir Richard den Witz an. Er hatte den teuersten Wein im Keller ausgewählt, der mehrere hundert Pfund kostete. In Anbetracht der Tatsache, dass er den Mann zu einer Spende für seine Wohltätigkeitsorganisation verleiten wollte, war dies, gelinde gesagt, ein ungewöhnlicher Ansatz zur Mittelbeschaffung. Aber es war typisch für den Mann, und ich kann immer noch sein charakteristisches Lachen hören, als er es mir erzählte.
Ich werde ihn vermissen. Die Wissenschaft der frühen Menschheitsgeschichte wird ihn vermissen. Die Elefanten und andere bedrohte Arten in Afrika würden ihn vermissen, wenn sie nur wüssten, wie viel er für sie getan hat. Ruhe in Frieden, lachender Krieger, wiedervereint mit den Beinen, die tapfer das Land deiner (und meiner) Geburt durchstreiften, ruhe in Frieden, großer Mann.
Übersetzung: Jörg Elbe
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