Auch britische Evolutionsbiologen und erfolgreiche Buchautoren sind nicht vor den Widrigkeiten des Lebens gefeit. Briefe aus Brasilien, Teil 2.
28. Mai 2015
Mittlerweile sollte ich auf dem Weg nach Los Angeles sein. Tatsächlich bin ich noch in Sao Paulo. Auf dem Weg die Gangway entlang zu meinem Flugzeug bin ich gestolpert, mit dem Kopf aufgeschlagen, zerbrach meine Brille und bemerkte Blut auf dem ganzen Boden. Muss mich an der Brille geschnitten haben.
Bedauerlicherweise (wie ich zu jener Zeit dachte), war der Passagier vor mir ein Arzt. Er warf einen Blick auf mich und sagte, dass es genäht werden müsse, und von da an war mein Schicksal besiegelt. Nichts würde die Zuständigen davon überzeugen, mich ins Flugzeug zu lassen. „Ein Arzt“ hat gesprochen. Sanitäter wurden herbeigerufen. Sie waren sehr freundlich, betonten immer wieder, dass sich sich um mich kümmern würden. Ich sagte ihnen immer wieder, dass ich nicht möchte, dass sie sich um mich kümmern, ich möchte in das Flugzeug steigen. Vergeblich. Sie verbanden mir den Kopf wie Basil Fawlty in der “Don’t mention the war”-Episode (Serie: Fawlty Towers. Staffel 1, Episode 6: „Die Deutschen kommen!“), setzten mich in einen Rollstuhl (obwohl ich durchaus in der Lage war selbst zu gehen) und nahmen mich mit in eine Art Büro, wo ich etwas warten musste.
Unterdessen hob mein Flugzeug ab.
Lichtblick: Es gelang Ihnen meinen Koffer aus dem Flugzeug zu bekommen und sie brachten ihn zu mir.
Weniger ein Lichtblick: Sie verweigerten mir ihn im Krankenwagen mitzunehmen.
Lichtblick: Letztlich überzeugte ich sie ihn doch mitnehmen zu dürfen.
Verschwommener Blick: Meine Brille war kaputt. Ich konnte nicht sehen.
Heller Lichtblick: Ich erinnerte mich, dass ich zu Hause im letzten Moment vor der Abfahrt eine alte Brille in das Etui schob. Nun kann ich also sehen.
Im Krankenhaus war ich von den kurzen Wartezeiten beeindruckt. Britische Erfahrung hatte mich auf lange Stunden des Wartens in der Notaufnahme vorbereitet, und es war schon fast Mitternacht. Aber nein, sie sahen sofort nach mir. Keine der Krankenschwestern und Sanitäter, die bei mir waren, sprachen auch nur ein Wort englisch, und ich bedauerte, dass ich nicht ein Wort portugiesisch sprach, und so fühlte ich mich hilflos in einer fremden Welt. Dann kam der Doktor und er sprach gutes Englisch. Er nähte zwei Schnitte mit fünf Stichen: zwei Stiche über der rechten Augenbraue, drei an der Stirn. Die Narkose-Injektion tat weh, aber sie erfüllte ihren Zweck, denn die Stiche taten nicht weh. Ich werde Narben behalten.
Also scheint es, als hätte ich den netten Doktor vor mir auf der Gangway verleumdet. Sieht aus, als musste es wirklich genäht werden und die Sanitäter taten recht daran, meine Bestrebungen, mich an ihnen vorbei ins Flugzeug zu drängen, zu vereiteln. Entschuldigung Doktor. Entschuldigung Sanitäter. Sie hatten Recht.
American Airlines gaben mir Gutscheine für ein Flughafenhotel, in dem ich mich jetzt befinde. Und wo ich auch morgen den ganzen Tag sein werde, Däumchen drehen, während ich darauf warte die morgige Entsprechung des Flugs von heute Nacht zu erwischen, der, bei dem ich an Bord sein sollte, jetzt vermutlich irgendwo über dem Amazonasurwald.
Glücklicherweise hat der Herr, mit dem ich morgen in Los Angeles zu Mittag essen sollte, abgesagt, weil er ins Ausland geht, sodass ich unser Mittagessen nicht verpassen werde. Doch, werde ich. Ich werde das Mittagessen mit ihm verpassen, jedoch wäre das in jedem Fall passiert. Aber es ist dennoch Glück auf eine sehr dämliche, unlogische Weise. Sehr unlogisch, aber Sie wissen, was ich meine.
ffensichtlich Zeit (zu versuchen) zu schlafen.
29. Mai 2015
Ich wachte auf, um zu festzustellen, dass ich ein blaues Auge, ein Veilchen, hatte. Ich verstand niemals recht, warum das solch ein empfindlicher Lackmustest für beinahe jede Art von Schlag in diese Region ist. Ich weiß nicht, ob es ein Zusammenhang gibt, aber bei den beiden letzten Malen als ich von einer Biene gestochen wurde, einmal in den Daumen, einmal in den Fuß, war die Haupt-Reaktion darauf, dass ein Auge zuschwoll.
Der Arzt musste gestern seine Arbeit gut gemacht haben, weil die Stiche nicht weh tun. Weniger als meine Hand, von der ich nicht einmal bemerkt hatte, dass sie blutete, als ich im Krankenhaus war.
Nun werde ich weiter lesen. Sonst habe ich nichts weiter zu tun. Ich sehe dich morgen, Los Angeles. Entschuldigung für alle verpassten Termine, und ich hoffe, dass mir der Jetlag nicht zu stark anzumerken ist, auf der Bühne im Gespräch mit Michael Shermer.
Übersetzung: David Schuy, Marc Schröpfer
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Das ist die Rache des Designergottes.
Damit sich sein größter Feind Richard eines Tages - ca. 6019 Jahre nach Schöpfung des Menschen - schwere Platzwunden zuziehen konnte, knete er dem Menschen eine rissige Haut an. Außerdem verlieh er dem Menschen die Fähigkeit zur Fehlsichtigkeit und die Erfindungsgabe, eine Brille zu konstruieren.
So konnte die Brille des Feindes Richard zerbrechen und in Kombination mit der Rissigkeit der Haut die tiefen Wunden produzieren. Außerdem gab der Designergott den Menschen ein feinfühliges Nervensystem, damit er die Schmerzen auch spüren konnte.
Leider hatte der Designergott in seiner Allwissenheit übersehen, dass die Menschen bis dahin auch Betäubungsspritze, Nadel und Faden sowie ärztliche Kunst und soziale Fürsorge entwickelt hatten. So ging die perfide Planung des Designergottes nicht auf. Richard wurde versorgt und wird bis auf einen verpassten Flieger und eine männlich-geschichtentaugliche Narbe keine bleibenden Schäden davontragen.
Damit ist zwar die Existenz des Designergottes bewiesen - aber auch dessen Dämlichkeit...
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