Wie man in Dortmund in die rechtsradikale Szene sortiert wird. Im vergangenen Jahr demonstrierte die Kunstaktion „Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ vor dem Dortmunder Rathaus.
Die Subventionierung des Ev. Kirchentages 2019 mit einem Zuschuss von 2,7 Mill. Euro aus dem Säckel der hochverschuldeten Stadt Dortmund konnten die Macher der Aktion damals nicht verhindern. Allerdings hatte die Aktion für einige von ihnen ein unerwartetes Nachspiel: Die Kirchenkritiker wurden von der Stadt Dortmund kurzerhand zu Rechtsradikalen erklärt. Zu ihrem großen Erstaunen, denn bisher hatten sie sich immer dem linken Spektrum zugeordnet.
Mit der Begründung, der Dortmunder rechtsradikalen Szene anzugehören, wurde uns die Teilnahme an einer öffentlichen Bürgerversammlung, in der die Unterbringung von Flüchtlingen vorgestellt werden sollte, untersagt. Schockerlebnis vor dem Kirchentor! Da steht man dann hilf- und fassungslos, es nicht glauben zu wollen, vor einem sogenannten Sicherheits-Sheriff eines privaten Sicherheitsdienstes:
„Sie lasse ich hier nicht rein! Personen, die der rechten Szene angehören, haben keinen Zutritt!“
So stand es auch angeschlagen im Aushangkasten an der Ev. Pauluskirche, in der die Versammlung stattfinden sollte, wie wir erst später feststellten.
Da bleibt erst mal die Luft weg!
Unter Schock sucht man in seiner Vergangenheit nach rechtsradikalen Inhalten oder Begegnungen: Kritische Polizisten, Gustav-Heinemann-Bürgerpreis, Mitbegründer der Grünen in der westf. Kleinstadt Werl, Einzug in den Rat der Stadt Werl, Fraktionssprecherin, MdB für Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Parteiaustritt nach Zustimmung der Grünen zum Jugoslawienkrieg, Gründung der Linken im Kreis Soest, Direktkandidatur zum Bundestag für die Linken in Bochum, Mitarbeit bei Religionsfrei im Revier und der Giordano Bruno Stiftung und schließlich Aktivist/in bei der Aktion „11. Gebot - Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“
Fassung behalten! Das klären wir schnell - denkt man. Der Pastor der Kirche kennt uns. Ein Journalist, bekannt als Aktivist gegen Rechts, ist in der Nähe. Wir bitten ihn, den Pastor zu verständigen. Soweit zunächst das Schockerlebnis vor dem Kirchentor.
Die Vorgeschichte
Drei Tage waren wir als Dortmunder mit der Aktion „11. Gebot“ mit der Moses-Figur durch die Dortmunder Innenstadt gezogen. Das Team vom „11. Gebot“ fand neben unserer, auch die Unterstützung von Aktivisten der Initiative „Religionsfrei im Revier", einer Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung. Dessen Vorstandsmitglied, Michael Schmidt-Salomon, den wir an den Pastor der Pauluskirche für eine abendliche Podiumsdiskussion vermittelt hatten, stieß in der Innenstadt unterstützend zur Aktion. Der Abschluss der Kampagne fand auf dem Friedensplatz vor dem Dortmunder Rathaus zum Beginn der Ratssitzung zur Finanzierung des Ev. Kirchentages statt. Aus grünen politischen Kreisen wussten wir, dass der Tagesordnungspunkt zu diesem Thema abgesetzt werden sollte.
Der „Moses“ stand mit uns und 5 weiteren Aktivisten fast allein auf dem Friedensplatz und blickte grimmig in Richtung Rathaus. Auffällig war ein starkes Polizeiaufgebot am äußeren Rand des Platzes, relativ versteckt aufstellt. Als ehemalige Polizeiexperten aus Praxis und Politik und ohne Hemmungen vor Polizeiführer lag es nahe, sich über den Hintergrund der Polizeipräsenz zu informieren. Es wurde erklärt, dass ein befürchteter Aufmarsch rechtsextremer Gruppierungen erwartet würde. Mit dieser Information konnte es nur sinnvoll sein, die Aktion mit dem „Moses“ vor dem Rathaus rechtzeitig abzubrechen und mit „Moses“ den Platz zu verlassen.
Im Rathaus verteilten wir einen offenen Brief gegen die Finanzierung des Ev. Kirchentages an den Oberbürgermeister und die Ratsmitglieder.
Sicherheitskräfte aus dem Rathaus, untersagten zunächst das Verteilen des Info-Briefes. Nachdem wir uns namentlich und mit allen politischen Funktionen und Titeln aus unserem politischen Leben bei der „Sicherheitschefin“ vorgestellt hatten, wurde die Aktion nach ihrer Rücksprache mit dem „Büro des Oberbürgermeisters“ genehmigt. Den Aktivisten des „11. Gebots“ wurde eine bildliche Dokumentation der Aktion gestattet.
Nach einem kurzen Besuch auf der rechten Seite der gut gefüllten Zuschauertribüne und der Kenntnisnahme von der Absetzung des Tagesordnungspunktes zum „Kirchentag", verließen wir das Rathaus, nicht ohne den dreifachen Segensspruch der Sternsinger mit einem „Gottlos glücklich"-Aufkleber auf dem Türschild des Rathauses zu bereichern. Der wurde allerdings von einem emotional aufgeladenen „Sicherheits-Sheriff“ sofort mit der Bemerkung entfernt, dass nur die Segenssprüche der Sternsinger auf dem Türschild erlaubt seien, da nur sie, wie er erklärte, „normal“ seien.
Während sich „Moses“ in Richtung Innenstadt zum Kaffeetrinken bewegte, gab es noch eine kurze Begrüßung auf der Rathaustreppe durch einen alten Freund aus der Polizei, der Mitglied der grünen Ratsfraktion ist. „Hallo, schön Dich hier zu treffen!“ Wir hatten uns lange nicht gesehen. Er hatte die Ratssitzung zum Wiedersehen und zur Begrüßung verlassen. Es wurde über grüne Politik und die Rechten im Rathaus gesprochen. Auf den angeblich geplanten Aufmarsch der Dortmunder Neo-Nazis angesprochen, wies er auf zwei in der Nähe auf der Rathaustreppe stehende junge Männer hin. „Da stehen zwei von denen!“ Bevor wir uns trennten, war es ein politisches, wie auch ein aus langer Berufserfahrung verinnerlichtes, Informations- und Ermittlungsbedürfnis, der Sache auf den Grund zu gehen. Einfach mal nachfragen, welche Absichten die als Neo-Nazis Bezeichneten in die Tat umzusetzen gedachten:
„Was haben Sie vor?“
„Wieso? Gar nichts, wir rauchen nur eine Zigarette“, war die freundliche Antwort.
„Mir wurde gesagt, dass Sie einen Aufmarsch planen?“
„Quatsch, die spinnen und leiden an Verfolgungswahn!“, die Antwort.
Die Beobachtung nimmt ihren Lauf!
Dass alle Mitglieder der Aktion „11. Gebot“ am Rathaus, wie die „Ermittlungen“ der Staatsanwaltschaft später ergaben, von diesem „Augenblick“ eines Sicherheitspostens im Rathaus unter Beobachtung gestellt wurden, konnte niemand ahnen, noch hätte man solches für möglich gehalten. Unter der Bezeichnung „Das Ehepaar“ wurden wir unter Observation gestellt. Das klingt nach einem schlechten Krimi und erinnert uns an die BeFa 7 K Fahndung (Beobachtende Fahndung), als in den 70er Jahren, Personen, die mit einem verdächtigen Menschen in Kontakt kamen, auch wenn es nur zufällig geschah, unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden gestellt wurden, wie es auch Heinrich Böll und weiteren 6000 Menschen geschah. Mit einer Podiumsdiskussion, mit dem von uns an den Moderator, „unserem Pastor“, vermittelten Podiumsteilnehmer Michael Schmidt-Salomon, fand die Aktion „11. Gebot“ einen spannenden Abschlussabend in der Pauluskirche. „Unser Pastor“ war uns seit Jahren aus vielen philosophischen Gesprächsrunden vertraut, darum auch die Vermittlung für die Podiumsdiskussion.
Weitere gesammelte „Erkenntnisse“?
Als in Dortmund verbliebene Aktivisten des „11. Gebots“ war es für uns selbstverständlich, die politische Diskussion zum Thema Kirchentagsfinanzierung im Rathaus zu verfolgen. Erstmalig gab es dazu bei einer Anhörung eines Vertreters der „Veranstaltung Ev. Kirchentag“ im Finanzausschuss die Gelegenheit. Wir saßen allein, als „das Ehepaar", nun unter Beobachtung, auf der rechten Tribünenseite, der ansonsten leeren Rathaustribüne. Unser Interesse galt erstens dem Thema, aber auch dem Auftreten der Rechten im Rathaus. Die vielen Berichte eines Reporters und Aktivisten „gegen Rechts“ in der Dortmunder Lokalpresse über die Dortmunder Neo-Nazi-Szene, hatten uns neugierig gemacht.
Enttäuscht wurden wir von einer kritiklos vorgetragenen Vorstellung einer Kirchentagskonzeption durch einen Vertreter des Veranstalters in Art einer Verkaufsveranstaltung, die die Parlamentarier über sich ergehen ließen. Allerdings wurde unsere Kenntnis über die Zusammensetzung des Finanzausschusses dadurch verbessert, dass wir zur Kenntnis nehmen konnten, dass Rechte dort keinen Sitz haben und uns das „Vergnügen“ Rechte im Rate live zu erleben, auf einen späteren Zeitpunkt verschieben mussten.
Die nächste Ratssitzung, bei der die finanzielle Unterstützung des Ev. Kirchentages beschlossen wurde, verbrachten wir wiederum auf der rechten Tribünenseite. Diesmal wollten wir das immer wieder beschriebene Agieren der Rechten erleben. Über die Sitzordnung hatten wir uns zuvor informiert. Wenn man die Rechten im Rathaus beobachten will, kann man das von der Tribüne (interessanterweise) nur vom rechten unteren Rand. Als wir dort Platz nehmen wollten, kam unser Freund aus der grünen Ratsfraktion aus dem Ratssaal auf die Tribüne, begrüßte uns, für alle sichtbar, nach Art der Grünen mit Umarmung und erklärte uns, wer sonst noch auf der Tribüne sitze. Wir erläuterten ihm unsere Absicht, die Rechten studieren zu wollen, um uns selbst ein Bild, unbeeinflusst von Presseberichten, machen zu können. Mit Dank für den Hinweis nahmen wir mit einem Sitz Abstand von uns persönlich unbekannten Sitznachbarn Platz. Applaudiert wurde bei verschiedenen Beiträgen von unterschiedlichen Personen auf der Gesamttribüne. Kritisiert wurde das vom Oberbürgermeister nur in Richtung der rechten Seite, so auch, als wir bei einem fundiert kritischen Beitrag zur Kirchentagsfinanzierung einer Abgeordneten der Linken zurückhaltend mit Händen im Schoß applaudierten.
Nach dem Beschluss, den Kirchentag mitzufinanzieren, verließen wir die Tribüne mit einer ironischen Bemerkung an den „Sachverständigen“ aus der Anhörung im Finanzausschuss, der ebenfalls auf der rechten Seite der Tribüne saß: „Erfolgreiche Verkaufsveranstaltung gemacht!“ Er hatte nach der für ihn erfolgreichen Abstimmung beipflichtende Blicke mit dem Oberbürgermeister ausgetauscht. Damit war das Thema für uns beendet. Dass wir noch einmal an einer Ratssitzung teilnahmen, war der Flüchtlingskrise geschuldet. Hätte uns „unser Pastor“ des philosophischen Gesprächskreises in der Pauluskirche nicht darüber informiert, dass der Gesprächskreis ausfallen müsse, da zur selben Zeit am selben Ort eine Bürgerversammlung zur Flüchtlingsunterbringung stattfände, hätten wir von der angesetzten Sondersitzung des Rates nicht unbedingt erfahren.
Nachdem uns nun die „Sitzordnung“ auf der Tribüne bekannt war, wir das Agieren der Rechten ausreichend studiert hatten, nahmen wir auf der linken Seite der vollbesetzten Tribüne Platz. Die Sitzung verlief wie gewohnt, Applaus von links und rechts der Tribüne. Pöbeleien des Oberbürgermeisters und ebensolche von den Rechten. Der Auftritt eines Rechten mit Megaphon am Redepult am Ende der Tagesordnung führte zu dessen Ausschluss von der Sitzung. Mit der Bemerkung des Oberbürgermeisters in Richtung der rechten Seite der Tribüne: „Der braune Dreck da oben, muss da weg!", kam es zur Eskalation auf der rechten Seite. Ohne vorher zur Ordnung gerufen worden zu sein, begann der Sicherheitsdienst mit der Räumung der rechten Seite der Tribüne.
Weil die Redeliste beendet war, der Verlauf und das Ergebnis der Abstimmung vorhersehbar waren und wir einen anderen Termin hatten, verließen wir die Tribüne mit der Bemerkung: „Hier wird die Demokratie abgeschafft!“. Wir werfen uns heute vor, dass wir als Humanisten die Tribüne nicht aus Protest gegen die inhumane Äußerung des Oberbürgermeisters, „der braunen Dreck", verlassen haben. Auf dem Weg zum Ausgang kamen wir unvermeidlich mit einigen jugendlichen Männern zusammen, die „geräumt“ worden waren. Sie beschwerten sich, „nichts gemacht“ zu haben. „Dann beschwert Euch", war unser Rat. Auf dem Weg zum Ausgang wurden Bildaufnahmen von uns gemacht.
Dass wir unsere Fahrräder auf der rechten Seite vom Ausgang abgestellt hatten und nach rechts davonfuhren, ist hoffentlich nicht in die „Erkenntnisse“ über uns eingeflossen, von denen der Generalstaatsanwalt später in seiner Einstellungsbegründung unserer Strafanzeige ausgeht.
Soweit die „Tatbestände“, auf die sich die Ermittlungsbehörden stützen, uns der rechtsradikalen Szene Dortmunds zuzurechnen.
Zurück zur Pauluskirche
Durch den Journalisten und Aktivisten gegen Rechts, der noch ein paar Fotos vom Geschehen um die Kirche machte, verständigt, erschien „unser Pastor“ aus der Kirche kommend. Nachdem wir ihm die Sachlage erklärt hatten, äußerte er sein Bedauern, er könne nichts für uns tun, er habe das Hausrecht abgegeben. Die dem Sicherheitsdienst unterstellten Polizeibeamten, schlossen sich der Ausschlussverfügung des Sicherheitspostens am Eingangstor zum Kirchengelände an. „Letzte Rettung“ erhofften wir uns vom grünen Ratsmitglied, der auf Handyanruf erschien und versuchte, Aufklärung über uns und die Situation zu schaffen, ohne ein positives Ergebnis für uns zu erreichen! Also blieben uns nur noch Schritte in Richtung strafrechtlicher Ermittlungen. Dazu braucht man Personalien der Beschuldigten. Angabe oder Aufnahme der Personalien durch Polizeibeamte wurden verweigert. Verschwindet, so die unausgesprochene Aufforderung an uns. Mit Freunden, mit denen wir die Versammlung besuchen wollten, zogen wir ab. Schlaflose Nächte folgten.
Öffentlichkeit schaffen! Verleumdung abwehren!
Regionale und überregionale Medien wurden informiert. Keine Reaktion! Lediglich der Dortmunder Lokalsender berichtete und kritisierte das Vorgehen und das Verhalten der Stadt Dortmund. Ein Pressesprecher der Stadt äußerte über den Sender, dass es sich in unserem Fall um ein bedauerliches Versehen gehandelt habe. Eine Entschuldigung des Oberbürgermeisters, die wir erwartet hätten, blieb aus. Die etablierten demokratischen Parteien interessierten sich nicht für das Thema, nicht für ihr Recht auf Information, nicht für die Einhaltung des Datenschutzes im Rathaus, nicht für die Kontrolle des Sicherungsdienstes noch für Teilhaberechte an Bürgerversammlungen. Also Strafanzeige wegen Verleumdung und aller sich aus dem Sachverhalt ergebenden Straftatbestände.
Die Ermittlungen wurden aufgenommen und zogen sich fast ein Jahr hin. In dieser Zeit waren die Beschuldigten (der Sicherheitsposten und die beiden Polizeibeamten) sowie „unser Pastor“ als Zeuge (in einer dünnen Vernehmung) zur Sache gehört worden. Vier Vernehmungen und Rücksprachen mit dem „Rathaus“ über fast ein Jahr auszudehnen, dürften auch ein signifikantes Qualitätsmerkmal für „erfolgreiche“ Ermittlungsarbeit sein! Als Insider möchten wir uns an dieser Stelle über Fragestellungen der vernehmenden Beamtin nicht äußern. Nur soviel, solche Vernehmungen hätten wir uns in unserer aktiven Zeit bei der Polizei nicht abzugeben getraut.
Es scheint Vorgaben der Staatsanwaltschaft gegeben zu haben, wie man aus der ersten Einstellungsverfügung entnehmen könnte. Die Vernehmung der von uns benannten Zeugen u. a. des Journalisten der örtlichen Lokalpresse und vor allem des grünen Ratsherrn, eigentlich der Kronzeuge der Angelegenheit, war nicht „veranlasst", wie die Staatsanwaltschaft schreibt. Der von dem Beschuldigten in seiner Vernehmung genannte Personenkreis aus dem Rathaus sowie die Teilnehmer an „Sicherheitsbesprechungen“ im Rathaus, die an der Observation gegen „das Ehepaar“ beteiligt oder darüber informiert waren, wurden ebenfalls nicht in das Ermittlungsverfahren einbezogen, datenschutzrechtliche Zusammenhänge nicht durchermittelt.
Einstellung des Strafverfahrens! Das (gewünschte?) logische Ergebnis?
Unterstellt die Staatsanwaltschaft bei der ersten Einstellungsverfügung noch einen entschuldbaren und den Vorsatz ausschließenden Irrtum des Beschuldigten, wird nach Beschwerde über die Verfahrenseinstellung von der Generalstaatsanwaltschaft von Erkenntnissen (!) gesprochen, die der Beschuldigte gewonnen habe, die ihn zu seiner Entscheidung, uns als Teil der Dortmunder rechten Szene zu sehen, veranlasst hätten. Und damit war das Verfahren gegen ihn einzustellen! Mit Strafe bedrohte Tatbestände, die sich auf Fantasien begründen, sind entschuldbar? Dass die „Erkenntnisse“ des Sicherheitspostens, die er offenbar zu unserer Überwachung im Rathaus an „Sicherheitskräfte“ weitergegeben hat, absurde Fantasiegebilde sind, scheint die Staatsanwaltschaft nicht zu erkennen gewillt gewesen zu sein. Es scheint auch, dass die Ermittlungen so geführt wurden und darauf abzielten, die Fantastereien des Beschuldigen als Tatsachen erscheinen zu lassen, um ihn vor Verantwortungsübernahme oder Strafe zu schützen?
Wir werden versuchen, den Verdacht der Strafvereitelung im Amt durch ein anzustrengendes Ermittlungsverfahren aufzuklären lassen. Es bleibt noch offen, welche Hintergründe zu Verhaltensweisen führten, die ein in Dortmund bisher politisch unauffällig, aber aus ihrer Vergangenheit heraus nicht uninteressiert, in Dortmund lebendes Ehepaar nach einer einmaligen öffentlichen Aktion mit dem „11. Gebot“ als potentielle rechtradikale Störer einer Bürgerversammlung zu brandmarken und ihnen demokratische Teilhaberechte zu verwehren? Niemand wird annehmen können, dass es schon präventiv erforderlich gewesen sei, uns, durch unsere persönliche Erscheinung, entweder als rechtsradikale Hooligans oder dynamische Linksautonome, als potentielle Störer einer Bürgerversammlung auszuschließen.
Welches Denken ist ursächlich? Wie kann es sein, dass ein Pastor einer Kirchengemeinde dermaßen versagt und schulterzuckend seine Hilflosigkeit eingesteht? „Das Ehepaar“ sei „nicht zufrieden“ mit ihm gewesen und habe ihn „harsch“ angegriffen, erklärt er später und nennt uns, obwohl wir uns duzen: „Das Ehepaar"! Als er vor seiner Kirche schulterzuckend, seine Hilf- und Machtlosigkeit offenbarend, seine Unterstützung verweigerte, fiel uns frei nach Detlev von Liliencrons Ballade von „Pidder Lüng“ die Zeile ein: „….Hinter des Eisernen Rücken, von der hohen Geistlichkeit, steht Jürgen, der Priester, beflissen bereit. Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken. Die Obrigkeit helf‘ ich, die Frevler zu packen…“. „Der Eiserne“ vor dem Tor der Pauluskirche, war ein „Türsteher“, dem zu folgen er bereit war.
Unsere „Unzufriedenheit“ mit solchem Verhalten versuchten wir „unserem Pastor“ so zu erklären, dass wir bei einem Rollentausch hier und in der Kirche einen Aufstand auslösen würden, um ihm die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen. Zivilcourage sollte das Stichwort sein, es war wohl ein Fremdwort! Und dass wir ihm erklärten, dass wir seinen Aushang im Infokasten an seiner Kirche über das Teilnahmeverbot an einer öffentlichen Bürgerversammlung von Menschen anderer Gesinnung oder bestimmter Zugehörigkeit für an Faschismus grenzend hielten, sei nur am Rande erwähnt. Es sei denn, man erklärt eine öffentlich angekündigte Bürgerversammlung der Stadt Dortmund zu einer Privatveranstaltung.
Objektiver und kritischer Journalismus?
Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Redakteurs einer Dortmunder Tageszeitung. Von einem Journalisten und Aktivisten „gegen Rechts“, der nicht nur für die Beschreibung des politischen Klimas in Dortmund ganz unverantwortlich ist, der für ein offenes Dortmund, für Demokratie und Meinungsfreiheit stehen will, hätten wir eine andere Reaktion erwartet, als nur „unseren Pastor“ zu verständigen. Als einer der besten Kenner der Dortmunder rechtsradikalen Szene hätte ihm auffallen können, dass hier vor der Kirchentür entweder ganz neue, ihm noch unbekannte, Rechtsradikale agieren, die eine Bürgerversammlung stören könnten, die ihm, wie ansonsten bei jeder Flatulenz der Rechten, eine Schlagzeile entlockt hätten oder, dass hier demokratische Teilhaberechte durch auf Verleumdung begründeten Ausschluss ausgehebelt werden. Das allerdings schien nicht „sein Thema“ zu sein.
Die Frage, wie nahe Journalismus, der sich ein Thema zu eigen macht, in die Nähe der Preisverleihung für den Hans-Joachim-Friedrich-Preis kommt, sparen wir uns an dieser Stelle. Bei wirklichem Interesse an Demokratie und Freiheit und an Objektivität wäre das Verhalten eines Türstehers mindestens einer journalistischen Nachfrage wert gewesenen. Nichts davon! Es gab ja nichts über Nazis zu schreiben? Dortmunds Ruf als „Hochburg der Rechten“ wird nicht zuletzt dadurch getragen, dass der zweifellos vorhandenen Szene medial besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Gefahr besteht, dass letztlich das Gegenteil von dem erreicht wird, was gewollt ist: Gib Nazis keine Chance! Dass man sich von Nazis an die Grenzen zum Faschismus treiben lassen kann, Kollateralschäden dabei unentschuldigt hinzunehmen bereit ist, zeigt auch die jüngste Absage eines Vortrages des Islamkritikers Hamed Abdel-Samad durch die Stadt Dortmund. Als feige und charakterlos bezeichnete er die Absage. Dem schließen wir uns an und meinen:
Wer aus Angst vor Rechtsradikalen zu deren Methoden greift, kniet vor ihnen nieder!
Kommentare
Ich kann Eure persönliche Betroffenheit, Kränkung und die Empörung sehr gut nachvollziehen und finde die auch absolut berechtigt.
Was für einen Aufwand Ihr betreibt, um diesen Einzelfall aufzuklären, da komme ich aber leider nicht mehr mit. Aus einer Ermittlungspanne übersensibler Sicherheitsorgane im überspitzten Sinne einen Fall für amnesty international zu machen, finde ich übertrieben.
Bei aller Nachvollziehbarkeit des Ärgers kann ich durchaus verstehen, dass für eine Strafermittlung kein hohes objektives öffentliches Interesse besteht. Strafe und Ermittlungsaufwand folgen meist auch dem Kosten-Nutzen-Prinzip. Lebt und engagiert euch doch einfach weiter. Es gibt viel Wichtiges zu tun - für Humanisten und Ermittlungsbehörden.
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