Kreationistische Thesen in der deutschen Mainstreampresse

Kreationistisches Gedankengut in einem großen deutschen Wochenmagazin

Kreationistische Thesen in der deutschen Mainstreampresse

Foto: pixabay.com

Darauf haben die Kreationisten lange hingearbeitet: Die Anerkennung der religiösen Legenden als einer der wissenschaftlichen Sicht im Prinzip gleichwertigen Geschichte vom Anfang der Menschen. Zitat:

„Der Schöpfungsbericht des Alten Testaments ist nur ein Beispiel dafür [für eine solche Geschichte] – und es gibt keinen Grund, den Mythos von Adam und Eva mit dem verächtlichen Lächeln der Wissenden abzutun. Denn viel mehr, als Geschichten über den wahrscheinlichen Verlauf der letzten paar Millionen Jahre zu erzählen, können auch Wissenschaftler nicht.“

Woher das Zitat stammt? Aus der Titelstory „Woher kommt der Mensch?“ in einer Dezember Ausgabe des Stern (Heft 51 vom 14.12.17, S. 48). Als ich vor Jahren noch ab und zu im Stern geblättert habe, galt er als links-liberal, auf jeden Fall als aufklärerisch. Und heute versteht er sich – als fünfte Kolonne religiöser Fanatiker? Im weiteren Verlauf des Artikels wird dann zugestanden, dass die Geschichten der Wissenschaftler zumeist logischer und überprüfbarer sind als die religiösen Legenden, trotzdem bleiben sie Geschichten.

Wie war das noch beim March For Science? Da demonstrierten Tausende gegen die Verwässerung des Unterschiedes zwischen gesichertem Wissen und persönlicher Meinung. Nur eine Anregung: Vielleicht sollte man beim nächsten March For Science nicht nur zum hundertsten Mal gegen die alternativen Fakten Donald Trumps Sturm laufen, sondern man könnte sich diesmal auch die kreationistische These von den „alternativen Geschichten“ vornehmen, die direkt vor unserer Haustür, in der deutschen Mainstreampresse verbreitet wird.

Kommentare

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    Norbert Schönecker

    Es gibt tatsächlich "keinen Grund, den Mythos von Adam und Eva mit dem verächtlichen Lächeln der Wissenden abzutun". Genauso, wie es keinen Grund gibt, andere Mythen oder Sagen "abzutun".
    Der Clou besteht darin zu eruieren, was der Erzähler einer Sage oder eines Mythos mitteilen will. Selten will er Geschichtsunterricht erteilen. Meistens geht es um andere Themen, wie z.B.:
    ) Schilderung des Kampfes zwischen gut und böse
    ) Sinn des Lebens
    ) Aufbegehren der Unterdrückten gegen die Mächtigen
    ) Liebe und Hass
    ) Wert der Tugenden (Klugheit, Gerechtigkeit, ...)
    ) Hoffnung auf bessere Zeiten
    Nichts davon ist zu belächeln.
    Das gilt für Sagen des deutschen Sprachraums vom Nibelungenlied bis zum Kyffhäuser ebenso wie für Märchen von Grimm bis Andersen, es gilt für die Fabeln des Äsop, und es gilt auch für die Bibel. Bei letzterer geht es meistens auch noch um Gott Jahweh und seine Beziehung zu Israel und allen anderen Menschen.
    Es gibt in der Bibel auch tatsächlich historische Berichte. Aber die Schöpfungsgeschichten gehören definitiv nicht dazu. Und das ist keine Erkenntnis der Naturwissenschaft, sondern der Literaturwissenschaft.

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      Thomas Junker

      Danke für die Ergänzung. Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass Legenden, Mythen, künstlerische Erzählungen usw. ihren eignen Wert haben und einen wichtigen Beitrag zur individuellen und kulturellen Selbstreflexion leisten. Darum ging es aber im Stern explizit nicht, sondern der Artikel referierte einige neuere Funde der Paläoanthropologie. Und in dem Zusammenhang stellte der Autor die Aussagen von Wissenschaft und Religion auf dieselbe Ebene ("Geschichten") - wie es die Kreationisten so regelmäßig tun.

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        Norbert Schönecker

        S.g. Herr Junker!
        Sie haben völlig recht: In der Paläoanthropologie gehört die Bibel weder belächelt noch wissenschaftlich ernst genommen. Sie hat dort einfach keinen Platz, ähnlich wie Exuperys "Kleiner Prinz" in der Astronomie keinen Platz hat.

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      Thomas Waschke

      Immer wieder amüsant, wie Theologen 'die Kurve kriegen'. Irgendeine Beobachtung von weiß der Herr woher, und irgendwann ist man dann bei dem, was man gerne hätte.

      Der Artikel ist an sich durchaus gut und interessant geschrieben. Aber leider musste er für bestimmte politische und theologische Positionen herhalten, was ihm eher geschadet hat.

      "stern- Reporter Frank Ochmann hat die Forschung über unseren Anfang und unser Werden besonders gepackt. Als Physiker versteht er die Sprache der Wissenschaft. Als Theologe aber kennt er auch den Überbau, die von Glauben und Fantasie gespeisten Erzählungen."

      Diese Information steht im Vorwort, nicht im Artikel bei der Charakterisierung des Autors. Man muss also schon etwas genauer hinsehen, bevor man den Braten riecht. Danke an Thomas Junker.

      "Ochmann kommt schließlich zu einer Einsicht, die alles andere als abgehoben akademisch ist. Vielmehr klingt sie wie ein Weckruf für Politik und Gesellschaft: Zum „Homo sapiens“ sind wir nicht durch das Trennende geworden, nicht durch Abspaltung und Isolation. Die Neugier aufeinander und die Bereitschaft, es miteinander zu versuchen, steckt uns vielmehr bis heute in den Genen."

      Das ist dann natürlich der Theologie geschuldet und so weit hergeholt wie die biblischen Geschichten. Im Artikel liest sich das sachlicher, und der Punkt ist, dass man Gene von anderen Menschenformen in der letzten noch existierenden Art, eben uns, findet. Fakt ist, dass man derartige Gene findet, Fakt ist, dass es Hybriden gab. Aber wie diese entstanden ist vollkommen offen. Es kann auch sein, dass die eine Gruppe von Menschen die Männer einer anderen umbrachte und die Frauen als (Sex)Sklaven hielt. Es wäre dann schon etwas weit hergeholt, das als "Neugier, und die Bereitschaft, es miteinander zu versuchen" zu bezeichnen. Aber Theologen kriegen ja immer die Kurve ...

      "Und schon sind wir zurück im Tagesgeschäft. Denn wie lange nicht wird derzeit bei uns und auch weltweit über alte und neue Grenzen gestritten. Die Evolutionsgeschichte des Menschen aber gibt einen anderen Rat: Geht aufeinander zu!"
      Oder macht es wie der IS mit den Jesiden. Das könnte man genauso aus den Daten ableiten, wenn man anders theologisch angehaucht ist.

      Das ist alles so unehrlich wie der 'Dialog' zwischen Religion und Naturwissenschaften, der üblicherweise ein 'Dialog' (kollektiver Monolog träfe es wohl besser) zwischen Theologen und Theologen, die im Zweitberuf Naturwissenschaftler sind, ist. Naturwissenschaft braucht sich nicht darum zu kümmern, was Theologen meinen, herausgefunden zu haben. Bestenfalls interessant für fromme Naturwissenschaftler. Theologie hingegen ist altmodisch, wenn sie sich nicht darüber informiert, was Stand der Naturwissenschaften ist.

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        Thomas Junker

        Das sehe ich auch so, gut beobachtet. Der Artikel hat tatsächlich nicht nur eine kreationistische Schlagseite, sondern er soll vor allem im Editorial auch im Sinne einer Multikulti-Paläofantasie ausgeschlachtet werden.

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          ChrisV

          Vielen Dank für die interessante Analyse.

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          Claudia''

          Kreationisten leugnen die Realität, und das ist schade. In der Bibel selbst (Text) steht nichts, was für oder gegen eine flache Erde spricht, gegen die Evolution oder sonstwelche modernen Erkenntnisse. Es geht echt nicht darum. Also hört auf Euch so aufzuregen und fangt an zu lesen. Selber.
          Claudia

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