„Linke“ Identitätspolitik und Rechtspopulisten

Sie ist mitverantwortlich für deren Aufstieg

„Linke“ Identitätspolitik und Rechtspopulisten

Foto: Pixabay.com / qimono

Die „linke“ Identitätspolitik hat zum Erfolg rechtspopulistischer Parteien beigetragen. Statt für Aufklärung und universelle Menschenrechte einzutreten, haben Linke das Spiel der Reaktionären gespielt, und verloren.

Was ist „linke“ Identitätspolitik?

Die „linke“ Identitätspolitik, auch „Woke“ genannt, reduziert individuelle Menschen auf ihre Zugehörigkeit zu nach oberflächlichen Kriterien definierten Gruppen. Beispielsweise „schwarze Frauen“, „Trans-Menschen“, „schwule Männer“. Die einzige Ausnahme von der Regel sind weiße Männer.

Der Grund für diese Ausnahme lautet, dass weiße Männer, vor allem „alte weiße Männer“ als die Unterdrückerklasse zählen, die sämtliche anderen willkürlich definierten Gruppen irgendwie misshandelt. Sie sollen für das Patriarchat verantwortlich sein und für sonst alle Übel der Welt, inklusive Kohle- und Atomkraft, böse Konzerne, Transfeindlichkeit und was einem sonst noch einfällt. Einige weiße Frauen wie J.K. Rowling haben inzwischen einen Ehrenplatz unter den „alten weißen Männern“ einnehmen dürfen.

Diese Comicbuch-artige, verschwörungstheoretische Denkweise teilt sich die „linke“ Identitätspolitik mit dem Klassiker des Genres, der rechten Identitätspolitik. Statt dass „die Juden“ an allem Übel der Welt schuld seien, werden die „alten weißen Männer“ als die Schurken ausgemacht.

In meinem Beitrag „Woke macht uns rassistisch“ habe ich illustriert, wie die „linke“ Identitätspolitik klingen würde, wenn sie von weißen Menschen ausginge. Ungefähr so wie die rassistischen Südstaaten-Texte des 19. Jahrhunderts.

Die Tribalisierung der Gesellschaft

Typisch für dieses Denken, werden die willkürlich definierten Gruppen als „Gemeinschaft“ („community“) fremdidentifiziert. So sollen alle Afro-Amerikaner eine „Gemeinschaft“ darstellen, auch wenn sie sich selbst gar nicht als einheitliche Gruppierung ansehen. Das dient dem Zweck, dass sich Afro-Amerikaner als Interessensgruppe verstehen und für ihre kollektiven Rechte eintreten. Ebenso werden Trans-Menschen und früher Schwule und Lesben als einheitliche Gruppierungen verstanden und nicht als Individuen, die sich gelegentlich für ein Anliegen zusammentun.

Nun ist es an sich legitim, wenn sich Gruppen von Menschen zusammentun und für ein Anliegen eintreten, das sie gemeinschaftlich betrifft. Ich mache selbst gemeinsame Sache mit der Pro-Atomkraft-Bewegung und der Pro-Gentechnik-Bewegung, wenn man die so bezeichnen möchte. Dabei ist mir aber klar, dass wir eben dieses eine Anliegen gemeinsam haben und nicht unbedingt deshalb in einer Gemeinschaft wie in einer mittelalterlichen Dorfgemeinschaft zusammenleben. Es sind eben Interessensgruppen.

Bei den identitätspolitischen Gruppierungen sieht das anders aus, diese werden absichtlich aus politischer Motivation tribalisiert, zu einheitlichen Stämmen geformt. Und wie das so ist mit Stammeskulturen, führen sie gerne Kriege gegen andere Stämme. Inzwischen haben Trans-Aktivisten einen Konflikt mit sogenannten „Terfs“, „Trans-Exclusionary Radical Feminists“. Obwohl J.K. Rowling tatsächlich nie etwas Negatives über Transmenschen gesagt hat (schlagt es gerne nach – versucht herauszufinden, was *konkret* sie gesagt haben soll), wurde sie zur Anführerin dieser spontan kreierten Gruppe an Feministen gekürt. Wenn kein feindlicher Stamm da ist, wird einer erfunden.

Linke verlieren das Spiel der Rechten

Und so hat „linke“ Identitätspolitik einen Stammeskrieg begründet, der unsere Gesellschaft prägt. Ohne die Woke-Aktivisten hätte es nur die rechte Identitätspolitik gegeben, wie sie seit dem 18. Jahrhundert besteht. Und daran erkennt man eines der Probleme: Die Rechten sind viel geübter in diesem Spiel. Wenn Linke das Spiel der Rechten spielen, werden sie verlieren.

Und so ist es nun auch. Die Wahlsiege von Trump und anderen rechten Populisten wie den Schwedendemokraten haben auch Woke-Aktivisten zu verantworten. Sie haben einen Stammeskrieg entfacht und den verlieren sie gegen den Weltmeister in Stammeskriegen. Statt für die Werte der Aufklärung einzutreten wie zuvor, haben sie die Aufklärung den alten weißen Männern zugeschrieben.

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Kommentare

  1. userpic
    Sylvia

    Im Wokeismus sind Anti-Rassismus, Feminismus, Anti-Homophobie, etc., marxistisch geprägt. Sie werden jeweils als Klassenkampf präsentiert, was sehr kontra-produktiv ist. Der Haß steigt, Rassimus, Sexismus, Homophobie, etc. nehmen zu. Das gab es nur noch wenig in westlichen Gesellschaften. Als ich anfing, als Frau zu leben, hatte ich den Eindruck, weitgehend bejubelt zu werden (jetzt aufgrund meiner ketzerischen Meinungen zum Thema immer weniger 😉 ). Es ging mir sogar sozial besser als wenn ich in der „priviligiersten Kategorie“ war. Ich habe jetzt sogar Zugang zur Arbeit! Das war als „weißer Mann“ mit Doktortitel nicht der Fall. Dabei hatte „positive Diskriminierung zugunsten unterdrückten Gruppen“ vielleicht eine Rolle gespielt: beim fast einzigen Arbeitgeber der Meteorologie (dem öffentlichen Dienst) stand auf allen Stellenausschreibungen in Deutschland, dass Frauenbewerbungen bevorzugt wurden. Aus administrativen Gründen hatte ich damals keinen Anspruch auf Hartz 4, all meine Sparnisse mussten weg, dann sagten die Tafeln ab… Mit 34 fiel ich zu meinen streng evangelikalen Eltern in Frankreich zurück, mit den entsprechenden Würdeeinbüßen: „Tja, er hat Gott aus seinem Leben verstoßen, hier sind die Konsequenzen!“ Nicht schlecht für ein „Privileg“!

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