Make GWUP Great Again

Die Skeptikerorganisation GWUP steckt in einer nie gekannten Krise

Make GWUP Great Again

Bild: Pexels.com / Polina Zimmerman

In einer Krise, die zum Teil in der Öffentlichkeit ausgetragen wird und die sich nach der letzten Mitgliederversammlung im Mai 2023 weiter zuspitzte. Leider kann ich daran nichts ändern. Nichts zu sagen würde in dieser Situation auch etwas aussagen. Also beziehe ich Stellung.

Die Krise ist übrigens nicht meine Schuld. Ich war zu der Zeit Eis essen.

Es war ein Eis mit Rocher-Pralinen und Schokosauce und Sahne, es war so um die 20 Grad draußen und da waren Blumen. Einige Kinder haben auch Eis gegessen, eines hatte eine blaue Kappe auf. Es gibt Zeugen.

Er war stets um Ausgleich bemüht

Intern habe ich die meiste Zeit an einem Interessensausgleich gearbeitet und Kompromissvorschläge gemacht. Leider gab’s von einer Seite kein Interesse an Kompromissen. Ich wollte die Organisation verlassen, doch der Vorstand stimmte mich um, weil ich offenbar irgendwie wichtig bin als geborgenes Fossil der Aufklärung und als Typ, der sich nach einem antiken Gott benannt hat.

Dann kam die Mitgliederversammlung in Frankfurt nach der Skepkon im Mai 2023. Ich hatte die bescheuerte Idee, ein Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofs zu wählen. Es war viel zu laut im Zimmer und vier Sterne haben kaum einen Vorteil gegenüber drei Sternen. Das Frühstück war aber gut.

Auf der Versammlung wagte ich mich an eine längere Wortmeldung. Ich korrigierte vor allem Fehldarstellungen und versuchte es noch einmal mit ausgleichenden Lösungen. Da ich ideologisch zu keiner der Seiten gehöre, gab es abwechselnd Beifall und Buh-Rufe.

Klingt woke. Yeah!

Klingt nicht so woke. Buh!

Klingt wieder woke. Yeah!

Verschwörungsprofis am Werk

Auch konnten wir etwas Spannendes auf der Versammlung lernen. Wer ist besonders geeignet, eine erfolgreiche Verschwörung durchzuziehen? Leute, die sich professionell mit Verschwörungstheorien befassen.

Wo das gesagt ist, sollte ich betonen, dass es keinen wortwörtlichen „Putsch“ gab, sondern nur eine manipulative und intrigante Stimmungsmache, das Hervorzaubern eines neuen Vorstandskandidaten und den Versuch, die gesamte Führungsetage auszutauschen. Halb so wild also.

Die Wahl lief formell korrekt ab und ist somit gültig, wie schon die Wahl von Donald Trump im Jahr 2016. Und ähnlich wie Trump kandidierte der neue Vorstand mit dem Anspruch, die glorreiche alte Zeit zurückbringen zu wollen. „Meine alte GWUP“. Make GWUP Great Again.

Ich fand mich auf Seiten der Progressiven wieder, die meinten, wir müssten mit der Zeit gehen und auch neue Themen von gesellschaftlicher Relevanz aufgreifen. Die manchmal „Woke“ genannte Fraktion versammelte sich hingegen um den konservativen Populisten. Ein Zweckbündnis. Diese Fraktion mag keine Kritik an Critical Studies, linker Identitätspolitik und all diesem Kram, da dies ihrer jungen Zielgruppe missfallen könnte. Wo da skeptisches Denken hineinkommt? Nirgends.

Ist Kritik an linker Identitätspolitik „alt-right“? Am Büchertisch des linken Alibri-Verlags konnte man sich vom Gegenteil überzeugen. Bild: Andreas Müller

Nun ist die GWUP-Führungsetage weniger vielfältig als zuvor. Was nicht so widersprüchlich ist, wie man meinen würde. Denn es geht bei den Beteuerungen rund um „Diversität“, die auf der Mitgliederversammlung penetrant geäußert wurden, nicht selten um Macht. Nicht um die Macht von unterprivilegierten Menschen, sondern um die Macht von deren selbsternannten Stellvertretern.

Passenderweise drehte sich ein Teil des Konflikts um den YouTube-Channel Boys of Reason. Der wird vom Sprecher des GWUP-Wissenschaftsrats moderiert. Darin unterhalten sich Akademiker und Nicht-Akademiker über verschiedene Themen wie gendergerechte Sprache, Pseudomedizin und Diversity-Training. Der harmlose, entspannte und ausgewogene Channel verführte manche Mitglieder zu erstaunlichen Zuordnungen.

Die „Alt-Right“ sind das US-amerikanische Äquivalent zu Neonazis. Wer nichts von Politik versteht, sollte wahrscheinlich sparsam mit Kommentaren dazu umgehen.

Meine 2 Cents zur Kritik an den Boys habe ich auf Twitter vermerkt:

Auch Ärger gab’s wegen einiger Artikel im Skeptiker zur Autismus-Therapieform namens „ABA“ („Applied Behavior Analysis“). Die identitären Gegner dieser Therapieform treten auf Twitter in höchstem Maße aggressiv und manipulativ auf. Ich hoffe, ich konnte alle von ihnen blocken. Die Therapieform selbst kann ich nicht einschätzen. Beurteilt daran, welche Art von Mensch sie auf welche Weise massiv ablehnt, muss sie die beste Therapieform aller Zeiten sein.

Herzen wurden gebrochen

Außerdem hatte ich bei der Skepkon Gelegenheit, wieder einmal mit meinem Verleger zu plaudern, Gunnar Schedel vom Alibri-Verlag. Ich habe auch seine Kartons herumgetragen.

Der Alibri-Verlag ist der wichtigste Verlag der deutschen Skeptikerszene. Gunnar hatte sogar das hier für den neuen Vorstand gebastelt, bevor er der Mitgliederversammlung beiwohnte. Ausgestellt auf dem Büchertisch bei der Skepkon.

Alibri-Büchertisch auf der Skepkon 2023. Bild: Alibri

Nach der Mitgliederversammlung schrieb Gunnar dann das hier:

Putsch in der GWUP – ein fataler Richtungswechsel steht bevor

Es ging halt doch um Machtpolitik und Zugang zu Ressourcen, die „Diversität“ war nicht mehr als eine Phrase.

Gunnar Schedel: „Putsch in der GWUP“, hpd.de

In der nächsten MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit, ich hatte auch schon mal was für die Zeitschrift geschrieben) möchte Gunnar näher auf die Vorgänge eingehen. „Der Text ist ein Vorabdruck eines dann ausführlicheren Artikels, der im Rahmen des Schwerpunktes ‚Wissenschaftsfeindlichkeit‘ in der nächsten MIZ erscheinen und näher auf die eingesetzten Manipulationstechniken eingehen wird.“

Wissenschaftsfeindlichkeit assoziiert mit der GWUP. Da haben manche ganze Arbeit geleistet. Könnt ihr euch dann hier bei Alibri bestellen.

Und die GWUP ist trotzdem toll

Falls es noch unklar sein sollte: Ich mag Rocher-Eis mit Schokosauce. Und ich bin auf der Seite des alten Vorstands, Armadeo Sarma, sowie auf der Seite seiner verbliebenen Leute. Die Leute, die kein Thema vom Kritizismus ausschließen möchten. Die es nicht kümmert, was externe Interessensgruppen vorgeben möchten. Und welche die Aufklärung nicht zu opfern bereit sind, um sich bei irgendwem anzubiedern.

Auch möchte ich feststellen, dass ich tolle Menschen in der GWUP kennengelernt habe. Ich bin weiterhin Sponsormitglied. Obwohl wir mitten in einem Atomkrieg leben (auch die Pro-Atomkraft-Artikel im „Skeptiker“ waren ein Teil der Auseinandersetzung), fühle ich mich in der GWUP viel wohler als in der Giordano-Bruno-Stiftung.

Ich habe ungefähr den halben Verein auf Twitter geblockt, jetzt sind nur noch die coolen Leute übrig.

Ende gut, alles gut.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Philosophie-Blog Feuerbringer.

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Kommentare

  1. userpic
    Johannes Güntert

    Ich dachte schon, dass ich der Einzige wäre, der den halben Verein geblockt hat, weil mich das alles nervt. Zudem be Du das genau richtig: auf die Mitglieder, die sich nicht mit wissenschaftlichen Titeln schmücken, wird arrogant herabgeschaut. Und die werden auch nie richtig im Verein akzeptiert. Für mich machte die Mitgliedschaft keinen Sinn mehr.

    Dabei sind es vor allem die Physiker mit den Titeln, die faktenfremd gegen z.B. Kernenergie reden und bei der „Letzten Generation“ unterstützend mitlaufen.

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