Mit Wissenschaft oder Logik nicht erklärbar

Wie erklärt man etwas ohne beides?

Mit Wissenschaft oder Logik nicht erklärbar

Foto: Pixabay.com / PIRO4D

Wenn man es sich genau überlegt, dann bedeutet erklären eines von zwei Dingen oder beides:

1. Etwas Unbekanntes auf etwas Bekanntes zurückführen.

2. Die Entstehungsgeschichte eines Sachverhalts rekapitulieren.

Beispiel für 1.: Wenn ich nicht weiß, was das Wort "Windows" auf Deutsch bedeutet, lautet die Erklärung: Das Wort Windows bedeutet Fenster. Das unbekannte Wort wird mit einem bekannten Wort übersetzt. Man kann auch sagen: Das Unbekannte wird bekannt gemacht, indem man es auf etwas Bekanntes reduziert. Wenn ich stattdessen sagen würde: Windows bedeutet 窗户, und man versteht kein chinesisch, dann erklärt man nichts damit — das Unbekannte wird mit etwas Unbekanntem übersetzt, aber das ist keine Erklärung.

Beispiel für 2.: Um zu verstehen, wie es zu den heutigen Tierarten kam, ist die Evolutionstheorie eine der möglichen Erklärungen. Hier wird die Geschichte der Entwicklung von Tieren auf bekannte Phänomene (Mutation und Selektion) zurückgeführt.

Die andere Seite derselben Medaille ist das Verstehen. Was man erklären kann, das hat man auch verstanden, wenn man etwas verstanden hat, dann kann man es auch erklären.

Ohne Logik, also die Voraussetzung von Regeln, gibt es weder Erklärungen noch kann man etwas verstehen. D. h., ohne Logik gibt es keine Erklärungen. Denn man fragt ja nach der Regel, mit der etwas Unbekanntes auf etwas Bekanntes zurückgeführt werden kann.

Neben dieser Art, etwas zu erklären, gibt es noch Pseudoerklärungen der Art:

1. Etwas Unbekanntes auf etwas Unbekanntes zurückführen. Windows bedeutet 户, wenn man beides nicht kennt, ist das keine Erklärung.

2. Etwas Bekanntes auf etwas Unbekanntes zurückführen.

Pseudoerklärungen sind oft schwer zu durchschauen. Wenn man beispielsweise fragt, warum Giraffen einen langen Hals haben, könnte man versucht sein, dies so zu erklären:

Giraffen haben einen langen Hals, weil sie damit besser an die Blätter, ihr Futter, von höheren Bäumen kommen. Das erklärt jedoch nicht wirklich, warum Giraffen einen längeren Hals haben, man weiß immer noch nicht, wie das geschah, noch, warum ihre Hälse im Laufe der Geschichte länger wurden.

Gott hat die Giraffen so designed. Das erklärt nichts, weil erstens Gott selbst unbekannt ist, und zweitens auch hier nicht das Wie erklärt wurde, noch das Warum. Gott wollte es eben so ist keine Erklärung, weil man den Willen Gottes nicht erklären kann.

Pseudoerklärungen erzeugen ein falsches Verständnis der Dinge. Das Problem ist, dass Menschen es nicht mögen, wenn man als Erklärung angibt wir wissen es nicht. Sie akzeptieren lieber Pseudoerklärungen, als sich damit abzufinden, dass wir nicht alles erklären können. Aber ein "brutales Faktum" der Welt, in der wir leben, ist der Umstand, dass wir nicht alles erklären können. Denn um alles erklären zu können müsste man alles wissen, und das ist bei uns offensichtlich nicht der Fall. Besser, man findet sich damit ab, nicht alles erklären zu können und nicht alles verstanden zu haben.

Ganz tückisch sind Pseudoerklärungen, die auf gegen Kritik immunisierten Behauptungen basieren. Kritikimmune Behauptungen kann man nicht widerlegen, nur, man kann immer ihr logisches Gegenteil auch nicht widerlegen. Würde man etwas aufgrund einer kritikimmunen Behauptung für wahr halten, weil es nicht widerlegbar ist, müsste man auf derselben Basis auch das Gegenteil akzeptieren, wenn man die Maßstäbe gleich anlegen würde. Gott hat die Hälse der Giraffen länger gemacht erklärt nichts, weil Gott ja auch das Gegenteil gewollt haben könnte, bei anderen Tieren, die auch Blätter als Futter nehmen, aber keine längeren Hälse haben.

Sobald also eine kritikimmune Aussage in einer Erklärung zu finden ist, handelt es sich um keine Erklärung, und verstanden hat man nichts. Man kann sich aber leicht vormachen, es verstanden zu haben. Um also eine Erklärung zu akzeptieren, müsste man sich fragen:

1. Sind alle benutzen Begriffe hinreichend definiert? Wenn nicht, dann hat man kein echtes Verständnis.

2. Sind alle Grundlagen erklärt worden, oder haben wir unbekannte Elemente? Ist letzteres der Fall, haben wir es nicht verstanden, zumindest nicht vollständig. Je mehr unbekannte Elemente, desto unvollständiger ist die Erklärung. Für eine vollständige Erklärung muss man alle Elemente kennen, das ist übrigens meist nur bei der Mathematik der Fall, also der Logik. Daher gibt es ohne Logik auch kein Verstehen bzw. Erklärungen.

3. Kann man die Entstehungsgeschichte (möglichst) vollständig rekapitulieren? Kennt man die wirksamen Prozesse?

4. Welche unbestätigten Hypothesen hat man? Kann man es rechtfertigen, diese vorläufig zu akzeptieren? Hat man die Anzahl dieser Hypothesen so stark minimiert, wie es nur geht (Ockhams Rasiermesser)?

5. Welche Tests kann man anwenden, um seine Hypothesen zu widerlegen? Das ist genau das, was in unwissenschaftlichen Methoden nicht gemacht wird, man kann aber leicht zeigen, dass eine Hypothese nie endgültig bestätigt/bewiesen, aber recht gut widerlegt werden kann.

Wenn also etwas mit Logik nicht erklärt werden kann, kann es weder erklärt noch verstanden werden. Man mag nun einwenden, dass Menschen sich oft irrational verhalten, und dass man dies daher nicht logisch erklären kann. Das ist jedoch falsch, denn meist gibt es eine Logik hinter dem irrationalen Verhalten, nur ist diese nicht so leicht zu sehen oder zu verstehen.

Wenn man alternative Methoden zu den Erklärungen der Wissenschaft sucht, müsste man zunächst zeigen, wie das funktionieren soll, welche Kriterien man anwendet, um Irrtümer auszuschließen oder wenigstens zu reduzieren.

Soweit ich weiß gibt es nicht viele Versuche, das zu tun. Behauptet wird immer nur, man habe eine alternative Erklärung, ohne dass die Betreffenden irgendwelche Kriterien angeben könnten, warum ihre Erklärung einer wissenschaftlichen vorzuziehen wäre. Die meisten alternativen Methoden kranken daran, dass sie nicht wirklich Systematiken kennen, falsche Ideen von richtigen Ideen zu unterscheiden. Sie bestehen oft aus Pseudoerklärungen, sie immunisieren sich gegen Kritik. Der einzige Punkt, der für sie zu sprechen scheint, ist die Tatsache, dass sie meist das menschliche Wunschdenken bedienen. Menschen neigen dazu, sehr leicht zu akzeptieren, was ihren Wünschen entspricht — und damit kann man tatsächlich das Vorhandensein alternativer Erklärungsversuche erklären.

Wie gesagt, es gibt nur wenige Versuche, so etwas wie alternative Erklärungen zu etablieren. Hegels Dialektik und der darauf aufbauende Marxismus gehört zu den wenigen Versuchen mit großem Anspruch, großem Durchsetzungsvermögen, aber sie sind am Ende gescheitert. Selbst die kommunistische Sowjetunion musste die konventionelle Logik rehabilitieren, nachdem man herausfand, dass man keine Computer bauen kann, die auf hegelscher dialektischer Logik basieren.

Die meisten alternativen Erklärungen scheitern übrigens am Münchhausen-Trilemma, denn das betrifft auch Erklärungen.

In unseren ganzen Theorien darüber, was wahr ist, verbirgt sich eine ganz tückische Falle – das macht die Seife so glitschig. Denn eine Wahrheit sollte sich stets begründen lassen. Aber sobald wir dies versuchen, landen wir in genau einem von drei Problemen – einem Trilemma. Ein Dilemma entsteht, wenn wir unweigerlich in einem von zwei Problemen landen, bei einem Trilemma handelt es sich um drei Probleme. Diese sind:

Eine unendliche Folge von Begründungen

Kleine Kinder (und große auch) können uns mit Warum?-Fragen ein Loch in den Bauch fragen. Denn nach jedem Warum und der darauf geantworteten Begründung kann auf jede Begründung wieder eine neue Frage folgen. So kann aus einer harmlosen Frage – beispielsweise »Warum ist der Himmel blau?« jede Antwort weiter hinterfragt werden. Dies geht solange, bis uns die Zeit oder die Geduld ausgeht – was immer auch zuerst geschieht. Oder bis wir auf die Ausrede verfallen »Gott war es«.

Dies nennt man einen unendlichen Regress (eine unendliche Folge) an Begründungen. Irgendwann müssen wir den – völlig willkürlich – abbrechen, denn man könnte ja noch unendlich weiter fragen, wenn man Zeit und Geduld und Antworten genug hätte.

In der Praxis können wir keine unendliche Folge durchführen, denn dazu benötigte man unendlich viel Zeit, die wir nicht haben. A können wir mit B begründen und B wiederum mit C und C wieder mit D – ohne an ein Ende zu kommen. An irgendeiner Stelle müssen wir damit aufhören. Wenn wir begründen sollten, warum wir gerade hier aufhören, landen wir erneut in einem unendlichen Regress oder in einem der beiden folgenden Probleme:

Der willkürliche Abbruch der unendlichen Folge

Diesen bezeichnet man auch als Dogmatismus. Irgendwann müssen wir einfach sagen: »Es ist eben so, basta«. Das ist sehr unbefriedigend, weil wir gerne wüssten, warum es denn nun einfach so sein soll. Aber wenn wir dies tun, dann erzeugen wir erneut eine unendliche Folge, die wir wieder nur willkürlich abbrechen können (oder wir landen in dem letzten Problem).

Logische Zirkel

Wir können auch im Kreis herum etwas begründen. Gott hat sich in der Bibel offenbart, die darum das wahre Wort Gottes ist. Woher wissen wir das? Weil die Bibel es uns so sagt. Und aus der Bibel können wir wiederum begründen, dass es einen Gott gibt, der sich offenbart, von dem wir wissen, dass die Bibel seine wahre Offenbarung ist usw. usf. Wir drehen uns ewig im Kreis. Letztlich begründet damit eine Sache sich selbst, was nicht sein kann. Nichts kann der Grund für sich selbst sein. Ein Fundament ist nicht das Fundament seiner selbst.

Ergänzung: Wie man sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht

Seinen Namen hat das Münchhausen-Trilemma daher, dass man sich wie weiland der Baron von Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann.

Dazu muss man nur die Vorläufigkeit aller Begründungen akzeptieren. Das schließt jeden Dogmatismus und jede Letztbegründung aus.

Man kann das Trilemma für jede Erklärung heranziehen. Ebenso muss man sagen, dass eine jede alternative Erklärung, die keinen Weg kennt, mit dem Trilemma (dem man nicht ausweichen kann) umzugehen, in Summe nicht viel taugen kann.

Daher kenne ich zur wissenschaftlichen Systematik und Logik keine Möglichkeit, überhaupt etwas zu erklären. Wenn also etwas nicht mit Logik oder Wissenschaft erklärt werden kann, kann es nicht erklärt werden, und man muss sich sagen: Wir wissen es nicht, wir können es nicht erklären. Nur, die Vertreter alternativer Erklärungen können es dann auch nicht!

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Kommentare

  1. userpic
    Norbert Schönecker

    Es gibt Fragen, auf die sind logische oder wissenschaftliche Antworten einfach nicht passend.
    Wenn ein Professor einen Studenten fragt, warum er hier im Hörsaal sitzt, dann ist die Antwort "Weil ich mich in diesem Raum aufhalte" (gemäß "1. Etwas Unbekanntes auf etwas Bekanntes zurückführen") wohl nicht zufriedenstellend. Auch die Erklärung, dass der Student einen Schritt vor den anderen gesetzt, dann die Stufen erklommen, den Hörsaal betreten und sich in die Bank gesetzt habe (gemäß "2. Die Entstehungsgeschichte eines Sachverhalts rekapitulieren") beantwortet die Natur der Frage nicht.
    "Weil mich das Thema interessiert", "weil ich den Stoff für die Prüfung beherrschen muss" oder "weil auch die Studentin mit dem netten Lächeln da ist" wären hingegen Antworten, die die Neugier des Professors befriedigen würden. Diese Antworten sind aber weder logisch noch entsprechen sie naturwissenschaftlichen Kriterien. Dafür passen sie aber zur Frage.

    Merke: es gibt Fragen, die nicht logischer und naturwissenschaftlicher Natur sind. Deshalb benötigen sie auch keine logischen oder naturwissenschaftlichen Antworten. Im Gegenteil: solche Antworten wären höchstens unfreiwillig komisch (siehe oben).

    Ähnliches gilt manchmal für die Frage "Warum gibt es das Universum?" oder "Warum gibt es mich?". Wenn ein Mensch, der beispielsweise gerade depressiver Stimmung ist, aufseufzt und fragt "Warum bin ich überhaupt da?", dann wird ihm ein Hinweis auf die Evolution genausowenig nützen wie ein Hinweis darauf, dass er vor 10 Minuten den Raum betreten hat. Er fragt nämlich nach dem Sinn, nicht nach einer Kausalkette.

    Darauf, ob das Universum oder das Leben einen Sinn hat, kann aber die Naturwissenschaft keine Antwort geben. Ich komme auf den Studenten vom ersten Beispiel zurück: persönliche Interessen, Berufspläne oder amouröse Hoffnungen sind der Logik oder naturwissenschaftlichen Methoden (zumindest nach aktuellem Stand) verborgen. Ebenso wie der Sinn des Lebens, sollte es einen geben.

    Trotzdem interessieren sich Menschen für Dinge wie Sinn, sie haben Interessen und Ziele und sie verlieben sich. Und sie reden darüber und schreiben Bücher darüber. Ganz ohne Logik und Naturwissenschaft. Und siehe da: ich finde das sogar gut und legitim!

    Wenn also jemand fragt, warum es die Welt gibt, dann sollte vor der Antwort nachgehakt werden, wie denn die Frage gemeint ist. Manchmal passt die Antwort mit dem Urknall und der Evolution. Manchmal aber auch nicht.

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