Moderne Moral entstammt nicht den Religionen

Richard Dawkins über die Evolution der Moral

In diesem Video beschreibt Richard Dawkins, wie wenig moderne Moral mit Religion zu tun hat, und wie die Menschheit im Lauf der Zeit durch vernünftige Diskussion und Philosophie zu besseren Moralvorstellungen gekommen ist.

Link zum Originalvideo des Kanals Dogmatic Cure: Voice of Reason: Richard Dawkins - Morality

Video mit optionalen deutschen Untertiteln erstellt von:
God Bye – Leben ohne Gott und Hokuspokus.

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    Christ

    "...moderne Moral..."
    Kann denn Moral modern (oder altmodisch) sein? Ist Moral nicht eher zeitlos? Der Dekalog ist m.E. jedenfalls zeitlos gültig; ich kenne keine frühere Quelle für die 10 Gebote als die Bibel.

    "...und wie die Menschheit im Lauf der Zeit durch vernünftige Diskussion und Philosophie zu besseren Moralvorstellungen gekommen ist."
    Und wenn hier der Heilige Geist am Werk war, ganz leise und unmerklich all die richtigen und guten Überlegungen gelenkt hat? Es gibt nicht wenige Leute - jedenfalls eine nicht vernachlässigbare Zahl -, die daran glauben.

    Der meinerseits als Wissenschafter seines Fachs sehr geschätzte Richard Dawkins scheint der Bibelauslegung, der Exegese sowie den Sinnformen alter Texte wenig wissenschaftliche Sorgfalt zu widmen. Wieso auch, der Klerus und die Gläubigen wehren sich ja doch kaum.

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      HeliosC

      Wer Steinigungen und Hinrichtungen für Apostasie für "zeitlos" hält, der hat einfach den Schuß nicht gehört.

      Der "Heilige Geist" ist hier die Kombination aus Fortentwicklung, Vernunft und Diskussionskultur.

      Das hat nichts mit "sich nicht wehren" zu tun, all diese alten Texte sind nunmehr nur von historischem Interesse. Wer ernsthaft meint, hier würde ein Gott eine "absolute Moral" vorschreiben, an dem sind ca 200 Jahre Aufklärung vorbeigegangen. Mehr kann man dazu echt nicht sagen.

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        Christ

        Ich habe von den 10 Geboten Gottes, nicht von den Strafen der Menschen geschrieben. Der Dekalog selber hat nichts mit Steinigung und Hinrichtung bei Apostasie zu tun, sondern definiert, was man nicht soll. "Sollen" aus dem guten Grund, weil es eben begründbare Ausnahmen geben kann. Es werden im Dekalog keine Strafen im Übertretungsfalle formuliert oder impliziert.

        Ich meine vice-versa, dass der Heilige Geist eben erst Vernunft sowie Diskussionskultur hervorruft und somit Fortentwicklung ermöglicht.

        Ja, ich glaube tatsächlich, dass Basisempfindungen von Moral und Ethik uns Menschen von Gott sozusagen eingegossen worden ist. Nun ist es unsere Aufgabe, Moral und Ethik ständig fortzuentwickeln und den Gegebenheiten anzupassen, was uns mal besser und mal schlechter gelingt.

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      Uwe Lehnert

      Die ersten drei Gebote stellen keine moralischen Aussagen dar. Sie dienen wohl eher einer machtorientierten Priesterschaft oder dahinterstehenden weltlichen Macht dazu, die eigene Herrschaft zu begründen. Verstehen sie sich doch gleichzeitig als Stellvertreter der höchsten Gottheit und als Hüter ihrer Weisungen.

      Schon im ersten Satz des ersten Gebots scheint Gott indirekt einzugestehen, dass er doch nicht der einzige der obersten Wesenheiten ist. Auch droht er mit dem, was wir heute Sippenhaftung nennen und zu Recht als amoralisch betrachten. Die Sünden der Väter werden bis in die vierte Generation verfolgt, so unbeteiligt und unschuldig die betroffenen Kinder und Kindeskinder auch sein mögen. Es ist übrigens von Söhnen die Rede, nicht von Töchtern, die damals von minderem Rang waren. Folgte man der Bibel, hätte sich wohl an der Geringschätzung der Frau bis heute nichts geändert.

      Auch das dritte Gebot dient unter anderem der Herrschaftssicherung. Diesen als heilig erklärten Sabbat hat eine machtbewusste Priesterschaft immer wieder auch dazu nutzen können, ihre auf Angst und Versprechen aufgebaute Herrschaft stets aufs Neue durch Betonung ihrer Rolle und Bedeutung zu festigen. Übertretungen des Sabbats wurden streng geahndet, bis hin zur Todesstrafe. Dabei soll nicht übersehen werden, dass die verbindliche Einführung des »Sonntags« einen sozialen Fortschritt darstellte, den die Menschheit bis dahin so möglicherweise nicht kannte.

      Die folgenden sieben Gebote stellen den Kern einer zu akzeptierenden Moral dar. Allerdings haben sich diese Forderungen weltweit so oder ähnlich praktisch in allen Gesellschaften herausgebildet, können also keine spezifisch biblische Originalität beanspruchen. Schon das viele Jahrhunderte vor dem Alten Testament existierende Ägyptische Totenbuch formulierte diese Forderungen. Erwähnenswert ist, dass das Tötungsverbot (5. Gebot) nur die Mitglieder des eigenen Stammes betraf. Das »Abschlachten« – ein in der Bibel viel verwendeter Begriff – von Menschen anderer Völker war selbstverständlich erlaubt, wie die vielen Kriegsberichte im Alten Testament und Aufforderungen Jahwes, sich die umliegenden Völker gewaltsam untertan zu machen, überdeutlich erkennen lassen.

      Das 10. Gebot, das inhaltlich mit dem 6. und 7. zusammenhängt, ist insofern bemerkenswert, als es die Sklaverei als eine selbstverständliche, offenbar auch von Gott nicht in Frage gestellte Ausbeutung von Menschen durch Menschen hinnimmt. Überhaupt wird in diesem Gebot die Ehefrau Sklaven, Haustieren und Sachen gleichrangig nebeneinandergestellt und wie selbstverständlich als natürlicher Besitz des Mannes bezeichnet. Von Gleichberechtigung der Geschlechter ist keine Rede. Das Sklaventum hat seinen festen Platz im damaligen Weltbild und wird offensichtlich von Gott gebilligt. Dass dies keine von mir willkürlich vorgenommene Deutung darstellt, geht zum Beispiel auch aus dem 2. Buch Mose (Exodus), Kapitel 21, Vers 2 bis 11 hervor. Dort wird ausführlich die offenbar gottgewollte Rolle des Sklaven als privates Eigentum des jeweiligen Herrn festgelegt. Auch Apostel PAULUS tritt im 1. Korinther, Kapitel 7, Vers 21f für das geduldige Ertragen des Sklavendaseins ein.

      Mit anderen Worten: Die Meinung von »Christ« ist ein typisches, unreflektiertes Ergebnis von Religions- und Konfirmandenunterricht.

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        Christ

        Bei allem Respekt für Ihre sorgfältige Interpretation: Wenn Sie den 3'000 Jahre alten Dekalog für unsere Zeit auf Basis der damaligen Denkweise und Traditionen auslegen, verstricken Sie sich in einen methodischen Widerspruch. Es wird immer wieder gefordert, dass Glaube und Kirche sich weiterentwickeln, der Aktualität und dem kognitiven Fortschritt der Menschheit anpassen sollen. Und nun drängen Sie genau diese (legitimen) Ansprüche beiseite und interpretieren die Gebote mit Hinweise auf uralte und überholte Ansichten.

        Nein, Herr Lehnert: Meine Meinung hat sich im Laufe meiner fortgeschrittenen Lebenserfahrung entwickelt und gefestigt. Vor allem halte ich mich an den Wert der Kernaussagen der Gebote für unsere Zeit. (Ihre Formulierung "unreflektiert" nehme ich Ihnen schon ein bisschen übel!)

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        Ockham

        Was ich nicht verstehe, dass R. Dawkins in dem Video kein "evolutionäres Szenario" für die Entstehung der Moral nennt. Wie könnte dieses ausgesehen haben?
        Tomasello et al. argumentieren und belegen, dass sich die Entwicklung des Menschen zu einem ultrakooperativen Wesen in zwei evolutionären Schritten vollzog. Sie nennen Ihre Theorie die Unabhängigkeitsthese.
        Im ersten Schritt ändert sich etwas in der Umwelt der Menschen, das sie dazu zwang, bei der Nahrungssuche zusammenzuarbeiten: Individuen mussten gute Kollaborateure sein, wenn sie nicht Hunger leiden wollten. Bei der Zusammenarbeit entwickelten die Individuen neue Fähigkeiten geteilter Intentionalität und neue Formen der sozialen Einbindung anderer. Wechselseitige Abhängigkeit begünstigte also Hilfsbereitschaft. Das Resultat könnte man als gemeinsame Moralität bezeichnen (NIDA-RÜMELIN 2016, S. 194 f.).
        Als moderne Menschen mit anderen Gruppen in Konkurrenz traten, hoben sie in einem zweiten Schrittihre neuen kollaborativen Fähigkeiten sowie ihre Bereitschaft zum Leben in der Gruppe im Allgemeinen auf ein noch höheres Niveau. Durch die konstante Bedrohung seitens anderer Gruppen entwickelte sich das Gruppenleben im Allgemeinen zu einer großen interdependenten Zusammenarbeit zum Zweck der Gruppenerhaltung, bei der jedes Individuum seine Rolle ausfüllen musste. In diesen größeren kulturellen Gemeinschaften mit Stammesstruktur basierten viele Interaktionen nicht auf einer gemeinsamen Historie von Individuen, sondern allein auf der Zugehörigkeit zur Gruppe. Das daraus hervorgegangene Resultat könnte man eine kollektive Moralität nennen (NIDA-RÜMELIN 2016, vgl. S. 195). Wir nehmen an, dass die zwei Schlüsselschritte in der Evolution menschlicher Kooperation - und damit auch der Moralität vor der Entstehung von Landwirtschaft und Städten und ebenso vor der Herausbildung des Rechts under organisierten Religion stattfand, nämlich in der Zeit, in der Menschen erstens obligate kollaborative Wildbeuter wurden und zweitens kulturelle Gruppen schufen, die miteinander konkurrierten (NIDA-RÜMELIN 2016, S. 195 f.).
        Quelle: NIDA-RÜMELIN, J. /HEILINGER J. C. (2016) Moral, Wissenschaft und Wahrheit. Walter de Gruyter GmbH

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