Mythen gehören nicht in den naturwissenschaftlichen Unterricht

Brief an die Royal Society of New Zealand

Mythen gehören nicht in den naturwissenschaftlichen Unterricht

Foto: Pixabay.com / pruzi

Im Juli 2021 gehörte Prof. Garth Cooper zu den Unterzeichnern eines Briefes im New Zealand Listener, der den Vorschlag kritisierte, dass die Maori-Mythologie im Schulunterricht den gleichen Stellenwert wie die Naturwissenschaften haben sollte. Dies bedeutet, dass die Mythologie der Maori, zum Beispiel deren Schöpfungsmythen, als gleichberechtigt neben den Theorien von Galileo, Newton und Darwin dargestellt werden sollen.

Gegen Prof. Cooper und einen weiteren Unterzeichner wurde seitens der Royal Society nun ein Disziplinarverfahren eingeleitet, was zu einem Ausschluss führen kann.

Der emeritierte US-amerikanische Biologe Prof. Jerry Coyne hat den Vorgang in einem ausführlichen Artikel beschrieben.

Er leitet den Artikel mit folgenden Worten ein.

Eine der unangenehmsten und schädlichsten Nebenwirkungen des Wokeism besteht darin, „andere Wissensformen“ als gleichwertig mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu betrachten. Zugegeben, man kann die Mythologie und die wissenschaftlichen „Behauptungen“ der indigenen Kulturen respektieren, von denen sich einige als wissenschaftlich gültig erwiesen haben (Chinin ist eine davon), aber ihre Wirksamkeit kann nur durch konventionelle wissenschaftliche Tests nachgewiesen werden.

In Neuseeland wird jedoch derzeit eine Kampagne durchgeführt, um die „Wissensformen“ der Maori neben der Wissenschaft im naturwissenschaftlichen Unterricht als Wissenschaft zu unterrichten, gleichberechtigt mit der modernen Wissenschaft, die ihre Wurzeln natürlich an vielen Orten hat. Der Grund dafür ist, den Maori Glaubwürdigkeit zu verleihen, nicht nur als indigenes Volk mit moralischen und rechtlichen Rechten, sondern auch, um ihre pseudowissenschaftlichen Ansichten zu validieren. Wissenschaftler, die gegen diese lächerliche Gleichstellung Einspruch erheben, werden gerade aus dem Verkehr gezogen.

Richard Dawkins hat darauf einen Brief an die Royal Society of New Zealand geschrieben, in welchem er sich auch auf Jerry Coynes Artikel bezieht.

Dr. Roger Ridley
Royal Society of New Zealand

Sehr geehrter Dr. Ridley

ich habe Jerry Coynes lange, ausführliche und faire Kritik an dem lächerlichen Vorhaben gelesen, die „Wissensformen“ der Maori in die naturwissenschaftlichen Lehrpläne Neuseelands aufzunehmen, und über das, offen gesagt erschreckende Versagen der Royal Society of New Zealand, für die Wissenschaft einzutreten - was ja schließlich die Aufgabe Ihres Verbandes ist.

Die Welt ist voll von Tausenden von Schöpfungsmythen und anderen farbenfrohen Legenden, von denen jede neben den Maori-Mythen gelehrt werden könnte. Warum die Maori-Mythen? Aus keinem besseren Grund als dem, dass die Maoris einige Jahrhunderte vor den Europäern in Neuseeland angekommen sind. Das wäre ein guter Grund, Maori-Mythologie im Anthropologieunterricht zu unterrichten. Es gibt sogar noch bessere Gründe für australische Schulen, die Mythen ihrer Ureinwohner zu lehren, die Zehntausende von Jahren vor den Europäern kamen. Oder für britische Schulen, keltische Mythen zu lehren. Oder angelsächsische Mythen. Aber keine indigenen Mythen von irgendwo auf der Welt, egal wie poetisch oder ergreifend schön, gehören in den naturwissenschaftlichen Unterricht. Der naturwissenschaftliche Unterricht ist definitiv nicht der richtige Ort, um wissenschaftliche Unwahrheiten neben echter Wissenschaft zu lehren. Kreationismus ist immer noch Blödsinn, auch wenn es indigener Blödsinn ist.

Die Royal Society of New Zealand, wie die Royal Society, deren Mitglied ich bin, soll für die Wissenschaft stehen. Keine „westliche“ Wissenschaft, keine „europäische“ Wissenschaft, keine „weiße“ Wissenschaft, keine „kolonialistische“ Wissenschaft. Einfach nur Wissenschaft. Wissenschaft ist Wissenschaft ist Wissenschaft, und es spielt keine Rolle, wer sie betreibt, wo sie betrieben wird oder in welcher „Tradition“ sie aufgewachsen ist. Echte Wissenschaft ist evidenzbasiert, nicht traditionsbasiert; sie beinhaltet Sicherheitsvorkehrungen wie Peer Review, wiederholte experimentelle Tests von Hypothesen, Doppelblindversuche, Instrumente zur Ergänzung und Validierung fehlbarer Sinne usw. Echte Wissenschaft funktioniert: Sie landet Raumfahrzeuge auf Kometen, entwickelt Impfstoffe gegen Seuchen, sagt Sonnenfinsternisse auf die Sekunde genau voraus und rekonstruiert das Leben ausgestorbener Arten, wie z. B. der tragisch vernichteten Moas.

Wenn die neuseeländische Royal Society sich nicht für die wahre Wissenschaft in Ihrem Land einsetzt, wer dann? Wofür ist der Verband sonst da? Was ist sonst der Grund für seine Existenz?

Mit aufrichtigsten Grüßen

Richard Dawkins FRS

Emeritierter Professor für Public Understanding of Science
Universität Oxford

Auf Twitter kommentierte Richard Dawkins ergänzend:

Ein ebenso dummes Argument für den Unterricht von „Wissensformen“ der Wikinger im norwegischen Wissenschaftsunterricht, von „Wissensformen“ der Druiden im britischen Naturwissenschaftsunterricht. Navajo, Kikuyu, Yanomamo „Wissensformen“ usw. Alle sind unterschiedlich. Die Wahrheiten über das Universum hängen nicht davon ab, in welchem Land man sich befindet.

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    Sonja Schmidt

    Richtig, es sollte zwar gelehrt werden, aber in einem Fach wie Kultur- und Religionsgeschichte.

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