Auf seiner US-Tour traf Richard Dawkins am 24. Mai 2017 in Washington den Biologen Jerry Coyne zu einer Diskussion.
Ich hänge am R*agan Airport in DC fest, den ich lieber bei seinem alten Namen „National Airport“ nenne. Nach Chicago-Zeit um Mittag herum werde ich zu Hause sein.
Vielleicht erinnert Sie die erste Hälfte dieses Posts an einen Beatles-Song; wenn Sie sagen können, auf welchem Album er war, gibt's Extrapunkte.
Die Veranstaltung mit Richard Dawkins gestern Abend im Lisner-Auditorium (George Washington University, 24. Mai 2017) lief gut, jedenfalls erschien es mir so. 900 Besucher, der VIP-Bereich schon vorher ausverkauft, und ich glaube, unser Gespräch war recht lehrreich, auch wenn das immer schwer zu sagen ist, wenn man von der Bühne aus das Publikum nicht sehen kann (das Scheinwerferlicht war heftig). Ich versuchte, mich auf Evolution zu konzentrieren, wenngleich ich Richard dazu bekam, etwas über den freien Willen (im dualistischen Sinne) zu sagen, nachdem er in seinem demnächst erscheinenden (und empfohlenen) Essay-Band „Science in the Soul“ folgendes schrieb:
„Nach meinen öffentlichen Reden graust es mir vor der unvermeidlichen Frage 'glauben Sie an den freien Willen' und ich nehme manchmal Zuflucht zu Christopher Hitchens typisch geistreicher Antwort, 'Ich habe keine andere Wahl'."
Naja, schlagfertig ist das, aber nicht wirklich eine Antwort, also fragte ich ihn, ob er zustimmt, dass all unsere Handlungen vorherbestimmt sind, mit Ausnahme eventueller Quantenereignisse im Gehirn. Das räumte er ein und fügte hinzu, den Kompatibilismus und andere Versuche, den freien Willen zu „retten“, nicht recht zu verstehen. Diese Aspekte vertiefte ich nicht, und so diskutierten wir kurz die Implikationen eines reinen Determinismus für Gesellschaft und Rechtssystem.
Hier, aus meinen Notizen, ein paar andere Fragen, die ich Richard stellte:
- Wie hat Ihr Leben als Wissenschaftler und das Eintauchen in die Wissenschaft Ihre Persönlichkeit und Ihre Haltung beeinflusst, was Wahrheit, Religion etc. angeht, und sind solche Effekte ein generelles Phänomen unter Wissenschaftlern?
- Beginnen wir mit Darwin – wenn er nicht existiert hätte, was wäre anders? Hätte es den Fortschritt verlangsamt, oder wären wir dennoch dort, wo wir heute sind? Gäbe es Dinge, die Leute nicht studiert hätten? (Antwort: Wallace hätte die Lücke geschlossen; ein dickes Buch wäre vielleicht zwanzig Jahre später erschienen.)
- Wenn Sie Darwin zurückholen und ihm eine Frage stellen könnten, welche wäre es? (Antwort: Warum hast du mit der Veröffentlichung von „Über die Entstehung der Arten“ so lange gewartet?)
- Wenn Sie ihm eine Sache erklären könnten, was wäre das? (Antwort: Genetik. Danach fragte ich Richard, was er sagen würde, wenn er sich auf einen Satz beschränken müsste.)
- Wenn Sie mittels eines Geräts einen Blick zurück in die Vergangenheit werfen könnten, nur für einen Tag eines bestimmten Zeitalters, und beobachten, was Sie wollen, ohne Kamera, nur mit einem Notizblock – was würden Sie sich ansehen wollen? Den Beginn des Lebens? Die Entstehung mehrzelliger Organismen? Dinosaurier? Den Ursprung unserer eigenen Art? Den Beginn der Zivilisation? Würden Sie eine Frage beantworten oder nur irgendetwas sehen wollen? (Er antwortete, dass er gern den Beginn der menschlichen Sprache miterleben würde.)
- Welches eine Missverständnis der Evolution würden Sie gern berichtigen? (Antwort: Es ist alles Zufall.)
- Glauben Sie, dass das Studium der Philosophie oder ein Rückgriff auf sie einem Wissenschaftler von Nutzen ist? (Antwort: Ja, weil Philosophen uns oft beibringen, klarer über Fragen nachzudenken, selbst über wissenschaftliche.)
All die anderen Fragen und Antworten werde ich nicht aufzählen; es waren viele. Am Ende moderierte ich die Publikumsfragen. Zu deren Abschluss sah ich ein kleines Mädchen im Gefolge seiner Mutter und konnte nicht widerstehen, sie anzusprechen, denn schon die Bibel sagt „ein kleines Kind wird sie leiten“ (sie war wohl etwa fünf Jahre alt). Sie sagte, andere Kinder an ihrer Schule würden solche wie sie, die sich für Wissenschaft interessieren, „Nerds“ nennen. Was, so fragte sie, würde Richard dazu sagen? Seine anrührende Antwort begann mit „Ich mag Nerds."
Hier ein Bild von uns während der Diskussion, von Brian Engler. Richard trägt verschiedenfarbige Socken; jemand aus dem Publikum fragte nach dem Grund. Falls Sie es nicht wissen – ich sag’s Ihnen später.
Ich trage meine Stingray-Cowboystiefel.
Jerry Coyne ist US amerikanischer Evolutionsbiologe an der University of Chicago. Er ist als Buchautor und säkularer Aktivist bekannt und betreibt den Blog „Why Evolution Is True“. Sein bekanntestes Buch ist „Faith vs. Fact“. Jerry Coyne ist auch auf Twitter aktiv.
Übersetzung: Harald Grundner
Kommentare
Mögen uns Richard Dawkins und Jerry Coyne noch lange erhalten bleiben. Die scharfen analystischen Verstände von beiden Personen werden noch dringend benötigt.
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