Ratio und Glauben

Ein offener Brief

Ratio und Glauben

Foto: Pixabay.com / PIRO4D

Lieber Gläubiger (Name bekannt),

Danke für Deine unter dem Thema Ratio und Glauben zusammengefasste persönliche und religiöse Entwicklungsgeschichte mit historischen Exkursen, Fragen nach Menschen ohne Gott, das Leben als Schicksal - Endlichkeit und Glaube und einem abschließenden Statement.

Hier unsere Antwort, die wir so gestaltet haben, dass man Dich und uns auch ohne Deinen Text verstehen kann:

Glauben! Wie kommt man da raus?

Eine Auseinandersetzung über Ratio und Glauben haben wir zunächst mit uns selbst geführt. Bevor die Fragen nach der Welt, dem Woher und dem Wohin kommen, wollten wir zunächst klären, wer sind wir, wo kommen wir her und warum ist das alles so um uns herum? So fängt es dann an. Man kommt zu Erkenntnissen, Fehlschlüssen und zu neuen Erkenntnissen. Man hat vertraut und geglaubt und merkt dann, dass man Vertrauen verschenkt hat, dass Vertrauen missbraucht wurde oder der Glaube ein Wunschdenken war. Daraus zieht man Lehren.

Aus dem Hinterfragen des eigenen Ichs und der Klärung des Umfeldes kann man sich dann an größere Felder wagen und die Fragen nach der Kulturgeschichte des Volkes, der Völker und schließlich nach dem Woher und Wohin der Menschheit, der Welt und des Universums (der Universen?) stellen. Ein Schritt nach dem anderen.

Auf diesem Weg befinden wir uns immer noch. Dabei hilft es, auch über die europäische Kulturgeschichte und über die Antike der griechisch/römischen Kulturgeschichte hinaus zurückzublicken. Würden wir nur dort unsere kultur- und religionsgeschichtlichen Wurzeln suchen, liefen wir Gefahr, in die Falle des durch das organisierte Christentum indoktrinierte „Weltbild“ zu geraten. Vor und neben Griechenland und Rom gab es auch die Kulturen/Religionen der nordischen, der afrikanischen und asiatischen Länder. Von den Religionen und Kulturen der Neuen Welt ganz zu schweigen. Denen einen angemessenen Platz in der Geschichte zu verwehren, lässt erste Ursachen von Rassismus erkennen.

Die Fragen nach dem Vergangenen helfen uns, aus Fehlern zu lernen, Irrtümer zu erkennen, aber auch Bewährtes zu bewahren, um damit unsere Gegenwart zu gestalten und unsere Zukunft und die unserer Nachkommen vorzubereiten. Gestalten müssen und wollen die ihre Gegenwart selbst.

Zur Person (Manfred Such)

Mein Leben ist mein Leben!

Ouvertüre. Dazu noch ein Zitat von Friedrich Wilhelm Weber:

„Wissen heißt, die Welt verstehen; Wissen lehrt verrauschter Zeiten und der Stunde, die da flattert, wunderliche Zeichen deuten. Und da sich die neuen Tage aus dem Schutt der alten bauen, kann ein ungetrübtes Auge rückwärts blickend vorwärtsschauen.“

Das war mein „Schulentlassungsspruch“, 1957, 8. Klasse, Patroklischule Soest.

Die Rede ist vom Wissen und nicht vom Glauben!

Ich wurde als 3. Kind, 2 ältere Schwestern, eine Schwester und ein Bruder folgten, von im katholischen Glauben getauften und indoktrinierten Eltern geboren.

Gott, die Kirche und der Teufel, die himmlischen Heerscharen mit Michael, der für Gott den Lichtträger Engel Luzifer besiegt hat, Maria, die Mutter Gottes mit Anna, der Großmutter Gottes und den Aposteln, den Jüngern, Maria Magdalena und allen Heiligen bis zu den himmlischen Tieren aus der Bibel (Löwe, Bären, Walfisch usw.) waren meine täglichen Begleiter. Besonders die sechs Jahre ältere Schwester „besorgte“ es ihren Geschwistern zu allen Jahreszeiten in dem katholischen Wallfahrtsort Werl mit Marienaltar im Mai und Rosenkranzgebeten im Oktober und mit Prozessionen. Religion das ganze Jahr! Wer zählt die christlichen Feiertage.

Heilige Messen gehörten zum Alltag und besonders an Sonn- und Feiertagen mit zusätzlichen Andachten und ewiger Anbetung. Bevor ich lesen und schreiben konnte, „feierte“ ich mit meinen Schwestern die lateinische Liturgie im Kinderzimmer. Ich als Priesterdarsteller ("den durften nur Jungen“).

Die Hölle war furchterregend, machte aber keine Angst. Die Hölle war für Protestanten vorgesehen. Wir waren ja katholisch! Wir gruselten uns daran, was denen auf ewig bevorstände.

Messdiener zu werden, war, nach dem Empfang des Leibes Christi, der „heiligmachenden Gnade“ zur Erstkommunion, selbstverständlich. Die lateinischen Gebete der Messdiener musste ich noch lernen. Die Liturgie war bekannt. Besonders liebte ich es, das Confiteor als Paar mit dem anderen Messdiener um die Wette zu beten. Wer brachte es am schnellsten zu Ende. Dem Priester möglichst viel Wasser in den Kelch mit Wein zu gießen, war eine besondere Schadensfreude. Die grundlegende Indoktrination, der geistige Missbrauch an einem Kind war abgeschlossen. „Fest soll mein Taufbund immer stehn, ich will die Kirche hören....“ Wie kommt man da noch raus?

Erste Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Religion kamen mit vielen kleinen Erlebnissen und Begebenheiten im „Glaubens- und Kirchenleben“ auf, die zu schildern, behalte ich mir für andere Gelegenheiten vor.

Ich las begeistert die für Kinder gemachte Schrift „Die Sternsinger“ und darin besonders die lustigen Erlebnisse der beiden Negerlein-Messdiener „Jumbo und Wambo“. Das war die Zeit, als in Amerika die Schwarzen den Kampf gegen Rassendiskriminierung führten.

Augustin Wibbelt, der westfälische kath. Pfarrer und Mundart-Heimatdichter aus Vorhelm bei Ahlen, hat meine Kindheit bereichert. „Waldbruders Reise in den Weltenraum“ hieß eine seiner Fortsetzungsgeschichten über einen frommen und gottesfürchtigen Eremiten, eines in einer Klause lebenden und mit den Tieren sprechenden Waldbruders, der es auf seiner Reise mit Engelsflügeln durch unser Sonnensystem bis in den Himmel und wieder zurückgeschafft hat - genau, nur bis in das Wächterstübchen an der Himmelspforte, da er noch nicht gestorben war. Dort hat er sich mit sadistischer Kometenfängerei, die als Monster eingekerkert wurden und zur Strafe am „Jüngsten Gericht“ losgelassen werden sollten, mit Petrus die Zeit vertrieben. Beim Kartenspiel war der Gehilfe Malchus der dritte Mann. Malchus war der Gehilfe der Hohen Priester dem Petrus bei der Festnahme Jesu im Garten von Getsemani das Ohr abgeschlagen hatte. Natürlich hatte Jesus es im ihm gleich wieder narbenfrei angesetzt. Die Geschichten haben mir als Kind schon geholfen, Religion als Märchen zu begreifen. Erste Wende zur Vernunft!

Festigung im Glauben

Die Zeit bei den St. Georgs Pfadfindern schmückte die Märchenreligion mit den bekannten paramilitärischen Idealen und Übungen aus, die die Jungen bei Zeltlager mit Lagerfeuer, mit Gruppenabenden mit Gesängen und mit Disziplin zum Gebet und Kirchgang begeistern halfen. Sexuelle Übergriffe wurden nicht der Pfadfinder-Bewegung oder den die Pfadfinder begleitenden Mönchsorden zugeschrieben. Der Täter war einfach nur die persönliche „Sau“, vom Teufel verführt! Für ihn wurde gebetet.

Trotzdem, alles in allem, eine schöne Zeit der Indoktrination mit herrlichen Gottesdiensten in beindruckenden Kirchenbauten, mit Ritualen und Gesängen, mit einer neuen Gemeinschaft in vollen Gotteshäusern. Darin in erster Reihe als Messdiener, Vorbeter und Sänger mitwirken zu können, war eine Freude, die Gänsehautmomente genießen ließ. Für viele war diese Zeit nach dem Krieg eine Erfahrung, ein neues Gemeinschaftsgefühl in ihren Kirchen entwickeln zu können. Die Nazigemeinschaft war zerschlagen und sollte überwunden werden. Die Besatzungstruppen, Belgier und Kanadier, blieben draußen. Sie hatten eigene Gotteshäuser.

Intermezzo:

Also sprach Zarathustra: „Ich suche mir was Neues - Baby..."

Mit dem Umzug in eine andere Stadt mit neuer Schule, neuen Lehrern, neuen Freunden und einem mächtigen Patrokli Dom in Soest begann eine neue Zeit. Der Rock 'n' Roll war erfunden. Der alte „Rider“, die Religion, war noch da, verabschiedete sich für mich zum Glück ins Belanglose. Ein paar Auftritte als Messdiener in dem Dom der ehrwürdigen Stadt nervten nur noch und wurden lästig. Ein Rundgang auf den Wällen der alten Stadtmauer passte zeitlich genau in ein Hochamt, das man besucht zu haben behauptete. Der Gang gab mir Zeit zum Meditieren, anfangs noch mit Angst, die Kirchenglocken könnten mich holen. Dass das nicht geschah, dass nichts passierte, außer frei zu sein, gab ein gutes Gefühl.

Es gab noch kath. Religionsunterricht in der Klasse. Ernst nahm den aber kaum jemand. Als ein Schüler aus dem nahegelegenen Waisenhaus (Kriegswaisenkinder) vor den Augen des Lehrers eine Bibel mit einer Axt zertrümmerte, dachte noch niemand daran, welchem Terror die Waisenkinder (es waren drei in der Klasse) in dem von Schwestern geführten Waisenhaus ausgesetzt waren. Als ein Schüler eine Bildtafel der Evolutionslehre Darwins über die Entstehung der Arten in der Klasse präsentierte, war das ein Schulskandal.

Die Jugendzeit in Soest mit Pubertät und immer auf der Suche nach was Neuem, Rock 'n' Roll und Mädchen und Eisenbahnlehre mit 14, ließen keinen Platz mehr für Religion. Der „Rider“ war verschwunden.

Lehre abgeschlossen, Eisenbahn so gut wie tot! Was Neues sollte her. Die Wehrpflicht drohte. Sie zu umgehen, war möglich. Polizei war das Zauberwort. Drei Jahre Kaserne waren auch drei Jahre mit „Himmelskomikern“, wie die Geistlichen der beiden christlichen Konfessionen zur „Religiösen Unterweisung“ und „Berufsethik“ turnusmäßig alle drei bis vier Wochen angekündigt wurden. Die Zeit bei derartigen „Unterweisungen“ konnte zur Entspannung, Rausch vom Vorabend ausschlafen und zum Stellen dummer Fragen zur Belustigung der Hundertschaft genossen werden. „Kann Gott einen Stein machen, den er selbst nicht heben kann?“ - und sonstigen Quatsch.

Mit Beginn des eigentlichen Polizeidienstes und später im Kriminaldienst begann die Auseinandersetzung mit dem Verbrechen und dem Tod in allen seinen polizeilichen Erscheinungsformen: Natürlicher, unfallbedingter, suizidaler und durch Verbrechen fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführter Tod.

Nach Fachabitur, Diplom und kriminalistisch/kriminologischen Studien, sowie Straf- und Strafprozessrecht-Studien, Sachbearbeiter für Todesermittlungsverfahren und Fachdozent für o. a. Studiengänge an verschiedenen Ausbildungsinstituten der Polizei sowie Leiter eines ländlichen Kriminalkommissariats wuchs die Kritikfähigkeit.

Rechtsstaatlich bedenkliches Handeln und staatliches Vertuschen polizeilichen und geheimdienstlichen Handelns erhöhten den Widerwillen gegen solches staatliche Handeln und gegen politische Einflussnahme auf polizeiliches Handeln.

Das Celler Loch, das Massaker von Fürstenfeldbruck, an dessen Aufklärung ich nicht unerheblich beteiligt war und viele andere rechtsstaatlich bedenkliche Vorfälle im Rahmen des Demonstrationsgeschehens der Studentenproteste der 68er und im „Deutschen Herbst“ im Zusammenhang mit dem RAF-Terror erhöhten die Kritik- und Protestbereitschaft. Das betraf auch die Religion.

In dieser gesellschaftlichen Stimmung lernte ich meine Frau kennen, mit der ich 2021 fünfzig Jahre zusammen und seit 26 Jahren verheiratet bin. Berit kommt aus einem protestantisch, toleranten Elternhaus, ostpreußischer Prägung mit norwegischen Wurzeln. Gemeinsam suchten wir, Wege aus staatlicher und religiöser Bevormundung zu finden.

Allegro furioso

Der Sturm bricht los

Georg Danzer war unser Trauzeuge und als Liedermacher vom Anfang seines Schaffens unser Begleiter und von 1991 bis zu seinem Tod am 21. 06. 2007 unser Freund.

Die 68er verschafften uns neue Freiheiten. Die sexuelle Revolution, der Feminismus, antiautoritäre Erziehung Gesellschafts- und Religionskritik waren die großen Themen. Die Wolken am Horizont einer neuen Welt, wie wir sie gerade in diesen Zeiten der Corona-Krise erleben, dürfte diese Generation vermutlich nicht gesehen haben? Der Tod der Dame als Vorstufe zur Abschaffung der Frau und des Mannes und der Familie mit der Gleichschaltung der Geschlechter und deren Abschaffung durch Vielfalt dürften das Ergebnis dieses Denkens sein, mit dem Ziel, einer globalisierten, leicht steuerbaren und überwachten Masse, als entrechtete aber bespaßte Arbeitssklaven? Wir schweifen ab!

Auf der Such nach Wahrheit und Fakten, zu denen wir uns in unserem Beruf verpflichtet fühlten, stellten sich für uns immer wieder die Fragen, warum und weshalb ist das so? Bei Fragen um die Religion und damit zur zentralen Frage nach „Gott“ haben wir uns um Antworten bei den griechischen Philosophen bemüht. Bis auf Epikur, dessen Götterbegriff uns der modernste aus dieser Zeit war, kamen wir fast ausschließlich zu dem Ergebnis, dass sich diese Philosophen und später die Theologen, Kirchenlehrer, Päpste und Priester fast ausschließlich mit der Frage nach der Existenz von Göttern oder eines Gottes beschäftigten, die/der ein reines Produkt der menschlichen Phantasie sind/ist, soweit es sich um die zahllosen bekannten Götter der Geschichte handelt. Der Gott der Juden, Christen und Muslime eingeschlossen. Von der Philosophie dieser Denker und deren Lehren über Moral und Ethik ist hier nicht die Rede!

Alle diese Denkrichtungen gehen von der tatsächlichen Existenz eines höheren Wesens aus, die jüdisch/christlichen Denker, Philosophen und Kirchenlehrer sogar von einer physischen Existenz Gottes. Nachzulesen in den Glaubensbekenntnissen dieser Religionen.

Insofern gehen alle diese Denker bei ihren Exkursen über Gott davon aus, dass es IHN gibt. Dazu kommt es dann zu geradezu lächerlichen Versuchen, IHN beweisen zu wollen. Kirchenlehrer und Päpste wollen sogar wissen, wie Gott und sein Sohn denken und was sie uns sagen wollen.

Auf die angeblichen „Gottesbeweise“ von Anselm von Canterbury bis Blaise Pascals, Pascalsche Wette, die Gott eigentlich lächerlich macht, wollen wir an dieser Stelle nicht eingehen. Siehe oben.

Sie, die „Gottesbeweiser“, wagen sich selbst an die Frage heran: „Wo war Gott in Auschwitz?“ und harren bei der für sie nicht lösbaren Frage nach der Theodizee aus mit der Hoffnung, sie lösen zu können oder kommen zu abenteuerlichen Lösungen: „Gott war mal abwesend, wollte nicht, konnte nicht, mischt sich nicht ein... usw.“ Zu sagen, Gott gibt es nicht, traut sich niemand dieser Denker. Sie erkennen nicht, oder wollen oder dürfen(?) nicht erkennen, dass man ein Phantasiegeschöpf nicht beweisen kann, weder in der Existenz noch in der Abwesenheit.

"Betrand Russels Teekanne“ fliegt immer noch durch Zeit und Raum. Betrand Russel (Warum ich kein Christ bin) und die Philosophen, Mathematiker und Psychoanalytiker der Neuzeit haben alle „Gottesbeweiser“ und „Gotteserklärer“ widerlegt und die, die dazu bereit waren, vom Gotteswahn befreit. Erich Fromm (Psychoanalyse und Religion) und insbesondere der Wissenschaftler und Evolutionsbiologe Richard Dawkins (Der Gottewahn) sowie der Astrophysiker Stephen W. Hawkins (Eine kurze Geschichte der Zeit) oder Lawrence M. Krauss (Ein Universum aus dem Nichts) haben dem Glauben eine Absage erteilt. Und mit dem Kreis der Enzyklopädisten, allen voran Denis Diderot, stimmen auch moderne Philosophen mit in den Chor der Gottesleugner ein. Versuche des Katholiken Hans Küng, den wissenschaftlichen Erkenntnissen etwas entgegenzusetzen, müssen scheitern: 2 + 2 ist nun mal 4 und darauf konsequent zu beharren, darf dann gerne als militante Rechthaberei beschimpft werden. Und von einem Dialog zwischen Religion und Wissenschaft kann in diesem Zusammenhang wohl nicht gesprochen werden. Was sollen Vernunft und Glauben auch miteinander besprechen?

Und in manche (hochkarätige) Gesellschaft von Philosophen, Kirchenlehrern und Ideologen sollte man sich besser nicht einordnen lassen. Von Luther bis zur „Theologie“ Hitlers mit mörderischem Judenhass ist es nur ein kleiner Schritt. Vom Gottesglauben zur (Religion) Ideologie der Nazis ist es ebenso ein Schritt wie, vom „gottlosen“ Marx zur Ideologie des Kommunismus - von Stalin bis zu Mao Tse-tung.

Aber lassen wir den Menschen ihren Glauben, solange sie damit nicht andere belästigen oder über ihre Organisationen andere unterdrücken, verfolgen und ermorden.

Wer in und mit seinem Glauben seine persönliche Erfüllung findet und Hoffnung auf eine Wiedergeburt oder auf ein Paradies setzt, wer an Dualismus glaubt und meint, der Geist sei ohne Körper überlebensfähig und zum „Umsteigen“ oder zur Wiedergeburt fähig (Software funktioniert ohne Hardware?) und das als gelungenen Lebensentwurf sieht, dem sei es gegönnt - warum nicht? Die Erkenntnisse und Hinweise auf Auswege aus Unwissenheit und Aberglaube, „Die Befreiung des Denkens“ (Martin Meter) muss niemand ernst nehmen.

Aber Glaube (Aberglaube) ist eben leichter zu vermitteln oder zu indoktrinieren (s.o.) als Wissen, Logik und Vernunft. Wer meint, Gott säße auf dem Beifahrersitz und gäbe nach Fahrfehlern eine neue Chance, hat vielleicht nach einem Crash bereits seine letzte Chance vertan (Theodizee). Allerdings Obskurantentum, Heimlichtuerei (das Geheimnis des Glaubens), bewusste Absonderung von anderen Menschen und Religionen sind Hinweise auf schlimme Irrwege. Jeder Glaube ist letztlich Aberglaube, es kommt immer auf die Anzahl derjenigen an, die etwas glauben. An was, ist dabei vollkommen egal! Wenn sich eine Mehrheit im Glauben versammelt und sich zudem noch organisiert, wächst die Sekte zur Religionsgemeinschaft - zur Staatsreligion!

Was bis hierher noch mit kritischer Toleranz zu ertragen war, bekommt nun mit der Hinwendung vom Glauben zur Kirche eine vollkommen ablehnende Haltung.

Abgesang:

Bertrand Russel: „Wenn man sich auf der Welt umsieht, so muss man feststellen, dass jedes bisschen Fortschritt im humanen Empfinden, jede Verbesserung der Strafgesetze, jede Maßnahme zur Verminderung der Kriege, jeder Schritt zur besseren Behandlung der farbigen Rassen oder jede Milderung der Sklaverei und jeder moralische Fortschritt auf der Erde durchweg von den organisierten Kirchen der Welt bekämpft wurde. Ich sage mit vollster Überlegung, dass die in ihren Kirchen organisierte christliche Religion der Hauptfeind des moralischen Fortschritts in der Welt war und ist."

Sie ist nicht nur der Hauptfeind des Fortschritts, sie muss sich auch den Vorwurf gefallen lassen, die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen zu haben. In „Die Kriminalgeschichte des Christentums“ belegt der Kirchenkritiker Dr. phil. Karlheinz Deschner dies in 10 Bänden auf eindrucksvolle Weise. Die Verbrechensgeschichte dieser Kirche lässt dann kaum noch glaubhaften Raum für eine sogenannte christliche Botschaft der Menschen- und Nächstenliebe. Die Geschichte präsentiert eine Organisation, die mit ihrem Heilsversprechen, mit einem Weiterleben nach dem Tod, die Menschen anzog und schließlich zu Staatsreligion wurde. Damit war die Voraussetzung geschaffen, Religion und Macht zu verbinden. Mit der Gläubigkeit der verführten Massen konnte sich diese Kirche in einer atemberaubenden Metamorphose zu einem habgierigen, menschenverachtenden Drachen wandeln, der alle Grundlagen und Versprechungen der angeblichen Lehre der Menschenliebe, die sich Christentum nennt, in Blut und Asche stampfte. Diese in der Kriminalgeschichte dokumentierte Kirche machte es sich mit allen gemein, wenn es der eigenen Machtfülle, dem Reichtum und ihrer moralischen Verkommenheit nützlich war. Sie war über Jahrhunderte die bestimmende, unterdrückende, ausbeutende Macht, die für Frieden beten ließ, während die Scheiterhaufen brannten, die im Vatikan als letzte staatliche Organisation die Sklaverei abschaffte und mit „Gott mit uns“ mit den Nazis in den Krieg zog und bis zum bitteren Ende für Hitler beten ließ. Selbst mit dem Wissen über die Gräueltaten der Nazis an den Juden und die Verfolgungen und Verbrechen am eigenen Volk sowie der Kriegsverbrechen, verschaffte diese Kirche den Tätern die Möglichkeit sich der Verantwortung durch die Flucht zu entziehen (Rattenlinien).

Wer aus der Erkenntnis der Verbrechen der Nazis den einzig möglichen Schluss des Verbots dieser Ideologie zieht, müsste diesen Schluss ebenso für diese Kirche ziehen. Sich dieser Kirche zugehörig zu erklären oder zurechnen zu lassen, dürfte politisch, moralisch und einem redlichen Denken entsprechend, nur schwer zu ertragen sein.

Diese Kirche kommt in einer goldenen Kutsche, beladen mit den Requisiten der Lüge und des Grauens. Sie stinkt schon gegen den Wind.

"Was ist von der Lehre des Christentums geblieben? Das Christentum ist – abgesehen von Sekten und pfingstlerischen Strömungen – erloschen“, schreibt der Althistoriker Egon Flaig. „Die Priester glauben nicht mehr an das Credo, das sie in den Messen sprechen lassen. Was in den Kirchen geglaubt wird, ist höchstens, dass die christlichen Dogmen Symbole sind für eine universelle menschliche Gemeinschaft. Schellings Prophezeiung ist eingetroffen: Das Christentum hat sich in einen globalisierenden Humanitarismus verwandelt, und die Kirchen sind sozialpolitische NGOs geworden.“

Sie scheinen damit ihre Macht und ihren Einfluss auf die Politik halten zu können und fördern religiös inzwischen ihre eigene Ablösung durch den Islam. Die christlichen Kirchen werden zu staatlichen Moralaposteln mit einem von der Scharia befreiten Islam als Religion der Massen!

Ausblick:

Der Traum Bertrand Russels auf ein goldenes Zeitalter, dessen Eingangsschwelle von einem Drachen namens Religion bewacht wird und den es zu töten gilt, wird sich bei der Geschichte der Menschheit mit ihren selbstgemachten Göttern kaum erfüllen. Wer weiß, wohin die Evolution die Menschheit führt? Vielleicht wird sie von der künstlichen Intelligenz vom Gotteswahn befreit?

Religionskritiker, die sich „Religionsfrei“ nennen, beschäftigen sich fast ausschließlich mit den Kirchen und deren Verbindungen zum Staat und fordern zu Recht deren Trennung. Deren Religionskritik richtet sich fast ausschließlich gegen das Christentum in Verbindung mit der Staatsmacht. Bezüglich anderer Religionen zeigt man sich zurückhaltender. Auffällig ist, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, dass diese Religionskritik überwiegend aus links/grün ideologisierten Kreisen geführt wird. Ein Tausch zwischen Religion und Ideologie dürfte nicht das Ziel solcher Religionskritik sein. Das erlebte Missverhältnis dieser „Religionsfreien“ zu Toleranz und Meinungsfreiheit sollte Warnung genug vor einem von Ideologien (rechte wie linke) geprägtem Obrigkeitsstaat sein.

Hoffnung:

Es liegt im Wesen der Evolution, Altes zu überwinden und Neues entstehen zu lassen. Darum hoffen wir, dass auch die zurzeit herrschenden(!) Religionen überwunden werden. Ob das mit Hilfe künstlicher Intelligenz möglich wird und damit auch eine auf Ratio, Gerechtigkeit, Solidarität, Selbstbestimmung und Freiheit und nicht auf Glauben aufgebaute Welt entsteht, wer kann das voraussagen?

Und denen, die sich auf den Glauben an ein höheres Wesen berufen, möchten wir frei nach Feuerbach zurufen: „Wer seinen Verstand betrügt, kann nur schwer ein ehrliches Herz haben!“

Mit hoffnungsvollem Gruß

Berit & Manfred Such

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