RDF Talk - Carsten Frerk: Kirchenrepublik Deutschland

Kirchenrepublik Deutschland? – Christlicher Lobbyismus

Ein Vortrag von Dr. Carsten Frerk

Montag, 6. August 2018 im „Haus der Wissenschaft“ in Bremen.

In seinem Vortrag zum gleichnamigen Buch „Kirchenrepublik Deutschland“ beschreibt Dr. Carsten Frerk erstmals, wie die Kirchen in Deutschland systematisch Einfluss auf die Politik nehmen. Dabei zeigt sich, dass katholische und evangelische Stellen in einer Weise in Gesetzgebungsverfahren eingebunden sind wie keine zweite zivilgesellschaftliche Kraft.

Wie stark der Einfluss der Kirchen auf die Politik ist, zeigt unlängst die Entscheidung des Parlaments zum Thema Sterbehilfe. Laut Dr. Frerk ist die Verabschiedung des „Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ 2015 nicht unwesentlich auf die enge personelle Verflechtung von Kirche und Staat in Deutschland zurückzuführen.

So lassen die Kirchen ihre Interessen Realität werden, obwohl es dafür längst keine Mehrheiten in der Bevölkerung mehr gibt. Als größte private Arbeitgeber, als größte Grundbesitzer und als Milliarden umsetzende Wirtschaftskonzerne verfolgen die Kirchen massive Eigeninteressen.

Zum Referenten:

Carsten Frerk ist Politologe und wurde durch kirchen- und religionskritische Werke bekannt. Zudem ist er Autor historischer Romane. Im Mittelpunkt seines Werks stehen Buchveröffentlichungen über die finanziellen Verflechtungen von Staat und den beiden Amtskirchen in der Bundesrepublik Deutschland. Unter anderem deshalb gilt er als Kirchen- und Religionskritiker. Carsten Frerk ist Mitglied im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung.

Das Buch: https://goo.gl/bvmQGG

Über den Autor: http://www.carstenfrerk.de/

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Kommentare

  1. userpic
    Huxley

    Tja, es gibt wohl einiges, was man aus dem fundierten Vortrag heraus betonen könnte.
    Nur ein Beispiel:
    Bei Minute 20.22, Zitat:
    „Die Kirchen – speziell die evangelische Kirche – sind im ersten Weltkrieg Kriegstreiber und schickten mit Kriegspredigten (Heldenpredigten) Zehntausende (junge Männer) in den „Heldentod“.
    Sie gehören mit anderen Organisation zu den Totengräbern der Weimarer Republik
    Sie sind Unterstützer der nationalsozialistischen Kriegsführung, speziell gegen die Sowjetunion
    Und nach dem Krieg sind sie Kollaborateure mit NS-Verbrechern, denen sie zur Flucht verhalfen.
    Aber offenbar wagte niemand dem Anspruch der Kirchen auf Mitwirkung in Politik und Staat
    Zu widersprechen.
    Das gilt – bis heute.“

    Allein dieser kleine Auszug und insbesondere der letzte Satz zeigt bereits ein Riesendilemma. Allein der massive Eingriff in die Bildungspolitik behindert aktiv das Lehren von Naturwissenschaften, was die Entwicklung eines naturalistischen Weltbilds systematisch untergräbt.
    Dies allein schon durch die Unterrichtszeit, die für Religion beansprucht wird und diejenige, die für Naturwissenschaften zur Verfügung stehen. Da schaue man sich einmal die Stundenzusammensetzungen an.
    Religion vom ersten Schuljahr bis zum Abitur durchgängig.
    Naturwissenschaften: „Sachkunde“ (als wenn’s das wäre!) o. ä. aber keineswegs einheitlich für ein oder zwei Jahre in der Grundschulen. Physik, Chemie oder Biologie im wilden Wechsel in der Mittelstufe (zwei bis vier Wochenstunden, wenn überhaupt). In der Oberstufe kann eine Naturwissenschaft (bis max. zwei) bis zum Abitur geführt werden.
    Evolutionsbiologie ist im Fach Biologie Thema im Abiturhalbjahr! Aber dies auch nur für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die Biologie bis zum Abitur führen und auch nur in den Kursen, in denen dieses Thema dann auch wirklich unterrichtet wird.
    Es ist also ganz locker möglich - und demnach die Regel in Deutschland - Abitur zu machen OHNE das geringste bisschen von Evolution verstanden zu haben, wenn man überhaupt den Begriff schon mal gehört hat.
    Gleichzeitig ist es UNMÖGLICH sich Religionsunterricht und der Lehre transzendentalen Denkens zu entziehen. Bei Religionsunterricht geht’s nur, wenn man sich aktiv weigert. Das geht allerdings nicht beliebig, denn die „Alternative“ Ethik wird nur angeboten, wenn genügend Schülerinnen und Schüler zusammenkommen. Religionsunterricht zu entgehen ist ein immenser Aufwand, wenn - wie gesagt - überhaupt möglich, UND man riskiert obendrein noch quasi in Misskredit zu geraten, wenn man ihn nicht besucht:
    „Ja, aber so ganz ohne geht das ja nicht, da weiß der ja nicht um was es im Leben geht.“
    Ach? So ganz ohne Evolutionsbiologie und naturalistische Weltsicht geht’s aber schon. Biologie ist buchstäblich die Lehre vom Leben!

    Von der moralischen Fragwürdigkeit, die im obigen Zitat aufgeworfen wird, habe ich hier noch gar nicht gesprochen, wohl aber von Lobbyismus und massiver Einflussnahme, hier nur auf die Bildungspolitik. Das umschließt sogar den Ethikunterricht. Schaut man in den Lehrplan (die Lehrpläne, denn die sind ja Ländersache, ein Schelm, wer Übles dabei denkt), stellt man fest (z. B. Hessen):
    Antike Glücksvorstellungen
    Grenzen der Glücksethik
    Sinnsetzung als aktiver Prozess
    Menschliches Streben nach Glück
    Triebkräfte menschlichen Handelns (sorry: „Triebkräfte sind hier metaphysische!)
    Menschen- und Weltbilder in den Religionen
    Glaube und Vernunft (ach?)
    Religion, Gesellschaft und Vernunft
    Fundamentalismus

    Jahrgang 12:
    Anthropologische Grundpositionen
    Medizinethik
    Menschenbilder der modernen Humanwissenschaften
    Tierethik
    Natur- und Umweltethik
    Kantische Ethik (fettgedruckt)
    Utilitarismus
    Gefühlsethik (mit Gefühl als etwas übernatürlichem versteht sich)
    Antike und moderne Tugendethik
    Verantwortungsethik

    Theorien der Gerechtigkeit
    Menschenwürde und Menschenrecht
    Schuld und Strafe
    Gewalt und Krieg
    Geltung des Rechts und Staatstheorie

    Natur und Mensch
    Technik und soziale Welt
    Wirkungen technischer Errungenschaften
    Naturbegriffe
    Grundsätze einer Technikethik

    Dies sind nur die Überschriften – genaueres unter:
    https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/kcgo-et_0.pdf

    Tatsächlich findet man unter all den religiös-, transzendental-motivierten Lehren wie, Typologie, Determinismus, Essentialismus, Teleologie an keiner Stelle ein Lernangebot, dass diese in Frage stellt.
    Im ersten Halbjahr des Jahrgangs 12 (!) das Minithema „Evolutionsbiologie“ (gelichberechtigt neben den anderen „wissenschaftlichen Weltbildern“ darunter Soziologie, die zum allergrößten Teil von Kant‘schen Vorstellungen und transzendentalen, metphysischen Kräften geprägt ist und keineswegs zu den (exakten) Wissenschaften gezählt werden kann (allein dieses Kerncurriculum verrät, dass da offensichtlich Missverständnisse herrschen – absichtlich?).
    Das für das Verständnis von Evolutionsbiologie ein vollständiger Paradigmenwechsel stattfinden muss (!), wird hier vollkommen ausgeblendet. Schülerinnen und Schüler haben keinerlei Chance zu verstehen, noch zu reflektieren.
    Dazu kommt, dass die meisten Religionslehrkräfte quasi nebenberuflich Ethik unterrichten.
    In der Tat halte ich das – und das ist ja nur der winzige Auszug aus der Bildungspolitik – für eine schwere Einflussnahme auf die möglichen Weltbilder selbst schulisch (höchst-) gebildeter junger Erwachsener.
    Wer nicht explizit nach Evolutionsbiologie NACH seiner Schulzeit sucht und deren Verständnis sich selbst aneignet hat für sein restliches Leben KEINE Ahnung, um was es dabei tatsächlich geht!
    Religion fördert zudem das Akzeptieren von kurzen Antworten. Dauert eine Antwort wesentlich länger als ein Satz, so wird impliziert, stimmt’s schon nicht.
    Dazu Ernst Mayr: A long argument!
    Dazu muss man freilich Geduld aufbringen.
    Es gibt zwar nichts zu wünschen. Wünschen würde ich mir, dass es gelänge den gewaltigen religiösen (und damit hergehend transzendentalen) Lobbyismus zu beseitigen und das Schulsystem (und freilich auch die Gesellschaft) zu verändern, in dem eine breit angelegte naturwissenschaftliche Bildung zur Grundausstattung gehört.
    Gegenwärtig geht’s schon allein wegen zur Verfügung stehenden Stundenzahl nicht, da der allergrößte Anteil religiös/transzendentale bestimmte Fächern „gehört“ inklusive Deutsch und – man höre und staune – Mathematikunterricht, denn auch der lässt sich für religiöse Zwecke missbrauchen, da die exakten, idealen, essentialistischen Beschreibungen, z. B. für einen Kreis, religiöse Sicht zu unterstützen scheinen.
    An keiner Stelle wird Essentialismus als evolutionäre erworbene Veranlagung der meisten Menschen thematisiert, so dass man sich im Trugschluss befindet (und nach dieser Schulbildung wohl fast zu 100%) Essentialismus sei einfach gesetzt und an diesem ginge nichts vorbei – peng, keine Chance Evolutionsbiologie zu verstehen!
    Die Vermittlung einer naturalistischen Weltsicht trifft man an keine Stelle an. Bestenfalls verweist man auf das dürftige naturwissenschaftliche Angebot, wobei da wiederum das Hauptanliegen zu sein scheint, Schülerinnen und Schüler für technische Studienwege verwerten zu können. Keineswegs geht es hauptsächlich darum ein naturalistisches Weltbild zu vermitteln.
    Es handelt sich nicht nur um eine frühkindliche, sondern um eine gesamtgesellschaftliche Indoktrination der Heranwachsenden.
    Ein regelrechtes „Wunder“, wer es unter diesen Bedingungen schafft Atheist und Naturalist zu werden.

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