Signal für Menschenrechte

Todesstrafe in den USA

Signal für Menschenrechte

Foto: Pixabay.com / Falkenpost

Die Regierung von US-Präsident Biden hat Hinrichtungen auf Bundesebene vorerst ausgesetzt. Justizminister Garland gab das Moratorium bekannt. Bidens Vorgänger Trump hatte Hinrichtungen erlaubt. Dessen Todesstrafen-Offensive steht für eine der tödlichsten Perioden in der Geschichte der Todesstrafe auf Bundesebene.

Mehr als 2.500 Menschen warten in den Todeszellen der US-Bundesstaaten auf ihre Hinrichtung, in den nationalen Todestrakten zusätzlich 61 Verurteilte (2020). In den USA ist die Todesstrafe – so zynisch das klingen mag – Teil des politischen Arsenals, mit dem die Glaubenskriege ausgetragen werden. Das Recht des Staates, ein schweres Verbrechen mit der Hinrichtung des Täters zu sühnen – daran scheidet sich das liberale vom konservativen Amerika.

Kurz vor Ende seiner Amtszeit hatte sich Trump noch einmal als konsequente Hardliner: Künftig sollten neben dem Tod durch die Giftspritze auch andere Methoden der Hinrichtung wie Erschießungen, den elektrischen Stuhl oder den Einsatz von tödlichem Gas erlaubt sein. Und Trump hatte die Wiedereinführung von Hinrichtungen auf Bundesebene durchgesetzt, nachdem es dort seit 2003 keine Hinrichtung mehr gegeben hatte. Die Todesstrafe war seitdem zwar weiter verhängt, aber nicht vollstreckt worden. Der Rechtsstreit um die Wiederaufnahme der Hinrichtungen hatte sich bis vor das Oberste Gericht in Washington gezogen, die Trump-Regierung setzte sich schließlich durch. Die ersten drei Exekutionen waren daraufhin im Juli 2020 in einem Bundesgefängnis in Terre Haute im Staat Indiana per Giftspritze durchgeführt worden.

Trump war immer ein glühender Verfechter der Todesstrafe, hier unterschied er sich nicht von seinen republikanischen Ex-Kollegen. George W. Bush, einer seiner Vorgänger, ließ während seiner Wahlkampfkampagne gar einst verlauten, er befürworte die Todesstrafe, »weil ich glaube, dass sie Leben retten kann«. Eine bizarre Logik, die auch heute noch den meisten in der Republikanischen Partei als Leitsatz dient. Dabei zeigen Studien, dass die Androhung von Todesstrafe keinerlei abschreckende Wirkung hat. Tatsache ist: Trumps Hinrichtungs-Offensive markierte eine der tödlichsten Perioden in der Geschichte der Todesstrafe auf Bundesebene seit mindestens 1927.

Nun hat die Regierung von US-Präsident Biden die Hinrichtungen auf Bundesebene vorerst wieder ausgesetzt und ein Moratorium für Hinrichtungen auf Bundesebene beschlossen. Wie Justizminister Merrick Garland mitteilte, werden in den Bundesgefängnissen so lange keine Todesurteile mehr vollstreckt bis eine Überprüfung seines Ministeriums abgeschlossen ist. Es gebe »ernsthafte Bedenken« gegen die Vollstreckung der Todesstrafe, schrieb Garland in einem Vermerk. Er ordnete an, die von der Trump-Regierung durchgesetzten Veränderungen der Richtlinien für Hinrichtungen zu überprüfen. Unter anderem soll untersucht werden, ob die in der Giftspritze verwendete Substanz Pentobarbital mit hohem Risiko Schmerzen und Qualen verursacht. Zudem sollen Vorschriften geprüft werden, die Hinrichtungen beschleunigen sollten. Auch die neu eingeführte Möglichkeit, bei Exekutionen auf Methoden und Personal der Bundesstaaten zurückgreifen zu können, soll auf den Prüfstand kommen. Auch verwies er auf mögliche »Willkür«, die überproportionale Betroffenheit von Schwarzen und die »beunruhigende« Zahl von Fehlurteilen. Das Justizministerium müsse sicherstellen, dass die Bundesjustiz jeden Menschen verfassungsgemäß und gesetzeskonform, aber auch fair und menschlich behandele, erklärte Garland.

Heftige Debatten: Pro und Contra

Insgesamt ist die Todesstrafe in den USA auf dem Rückzug. Das hat vielerorts mit einer sich wandelnden öffentlichen Meinung zu tun, aber auch mit den zunehmenden Schwierigkeiten, die nötigen Stoffe für die Giftspritze zu beschaffen. Zudem führen Todesstrafen-Urteile meist zu langwierigen – und vor allem kostspieligen – Rechtsstreitigkeiten. Wenn also ein wachsender Teil der Amerikaner über Sinn und Legitimation der Todesstrafe nachdenkt, mag das auch mit der Einsicht zu tun haben, dass das gesamte Hinrichtungssystem zukünftig kaum mehr finanzierbar ist. Indes: die Mehrheit, beinahe 60 Prozent der Erwachsenen in den Vereinigten Staaten befürworten nach wie vor die Todesstrafe, davon 27 Prozent sogar nachdrücklich, wie eine aktuelle Befragung des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center ergab.

Die Forderung nach einer Abschaffung der Todesstrafe löst in den Vereinigten Staaten immer wieder heftige Debatten aus. In diesem Zusammenhang ist eine zweite aktuelle Pew-Studie interessant: je nach Religion und Weltanschauung gibt es erhebliche Unterschiede in der Zustimmung oder Ablehnung der Todesstrafe. So sprechen sich 65 Prozent der AtheistInnen und 57 Prozent der AgnostikerInnen in den USA gegen die Todesstrafe nach einem Schuldspruch wegen Mord aus. Hingegen sprechen sich 75 Prozent der weißen evangelikalen ProtestantInnen und 73 Prozent der weißen ProtestantInnen ohne evangelikalen Hintergrund für Hinrichtungen aus. Bei den hispanische KatholikInnen sind es 61 Prozent, bei den Befragten ohne konkrete weltanschauliche Verortung („nothing in particular“) 63 Prozent. Etwas geringere Zustimmungswert zeigen sich bei den Schwarzen ProtestantInnen. 50 Prozent sind dafür, 47 Prozent dagegen.

Gegner der Todesstrafe verweisen häufig auf die Gefahr, dass Unschuldige hingerichtet werden – ein Risiko, das nun ebenfalls durch das Justizministerium überprüft werden soll. Wie zu erwarten, finden derartige Bedenken in den befürwortenden Gruppen geringes Gehör. 30 Prozent der weißen evangelikale ProtestantInnen halten die Sicherheitsmaßnahmen für angemessen, bei den atheistischen Befragten sind es nur 10 Prozent, bei den agnostischen 11 Prozent. Unter den weltanschaulich nicht Festgelegten zeigt sich ein Zustimmungswert von 20 Prozent.

Die USA – das zeigen beide Studien – haben noch einen langen Weg vor sich, von einer Kultur der Vergeltung hin zu einer humanen Zivilgesellschaft. Immerhin: Garlands Moratorium ist ein ermutigendes Signal nach der düsteren Trump-Ära.

Anmerkung

https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/06/15/unlike-other-u-s-religious-groups-most-atheists-and-agnostics-oppose-the-death-penalty/

Helmut Ortner, Jahrgang 1950, hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien veröffentlicht, u.a. Der Hinrichter - Roland Freisler, Mörder im Dienste Hitlers, Der einsame Attentäter - Georg Elser und Fremde Feinde - Der Justizfall Sacco & Vanzetti, sowie Ohne Gnade und EXIT - Warum wir weniger Religion brauchen – Eine Abrechnung (Paperback).

Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt. Helmut Ortner ist Mitglied bei Amnesty International und im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung.

Sein neues Buch Widerstreit – Über Macht, Wahn und Widerstand“ erschien im Mai 2021.

Am 3. November 2021 stellt Helmut Ortner sein Buch als Gast der Richard Dawkins Foundation in Bremen vor.

Kommentare

  1. userpic
    Rom

    Eine Kultur der "Menschenrechte" hat meines Erachtens keinen so großartigen Moralischen Vorteil gegenüber einer Vergeltungskultur solange die Grundlage der Menschenrechte auf einem Rechtssystem basiert welches als Ziel die Erhaltung der Staatsautorität und nicht wirklich der Gerechtigkeit hat. Dieses Ziel verfolgt auch nicht das Vergeltungssystem der USA was es noch schlimmer macht. Als Gerechtigkeit wird in beiden Systemen das Einsperren von Individuen in Käfige verkauft um ihren Willen was teilweise für einen Freiheitsliebenden Menschen schlimmer als der Tod ist. Der Tod so schlimm er auch ist, ist schnell vorbei. Diese Folter kann sich Jahrzehnte hinziehen. Und nein ich bin kein Befürworter staatlicher Tötungen. Zu dem offensichtlichem moralischen Mangel dieser Systeme kommen zusätzlich die Tatsachen welche sich Juristen aus Bequemlichkeit und Schutz der eigenen Interessen zurechtbiegen damit alles schön funktioniert. Erstens: Solange es Lobbyismus gibt kann man nicht von einem demokratischen Gesetzgebungsprozess sprechen und somit fehlt jedem verabschiedetem Gesetz eigentlich die Legitimation. Und zweitens: Wird aus gleichem Grund behauptet dass alle Grundrechte gleich sind was eine Unverschämtheit ist, den das Grundrecht auf Freiheit welches so gerne mit Füssen getreten wird ist das wichtigste von allen. Und das haben Generationen vor uns mit Blut erkauft und bewiesen.
    Für den Staat ist es natürlich praktisch. Die Indoktrination seit der Kindheit dass Vergeltung an sich verwerflich ist hat eine Geistige Kastration zur Folge und schaft angenehme Bürger die sich nicht wehren.

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