Der Anstieg der Atheisten
In den letzten Jahren ist viel über den Anstieg der „Keine“-Personen geschrieben worden, die bei Umfragen zur Religionszugehörigkeit das Kästchen für „keine“ ankreuzen. Eine Harris-Umfrage von 2250 amerikanischen Erwachsenen im Jahr 2013 ergab zum Beispiel, dass 23 Prozent aller Amerikaner die Religion aufgegeben haben. Eine Umfrage des Pew Research Center im Jahr 2015 ergab, dass 34 bis 36 Prozent der Millennials (die nach 1980 geborenen) „Keine“ sind, bestätigte damit die 23 Prozent Darstellung und ergänzte, dass dies ein dramatischer Anstieg seit 2007 war, als nur 16 Prozent der Amerikaner sagten, sie seien mit keiner Religion verbunden. In Rohzahlen bedeutet dies einen Anstieg von 36,6 Millionen auf 55,8 Millionen „Keine“. Obwohl sie weit hinter den 71 Prozent der Amerikaner zurückbleiben, die sich in der Pew-Umfrage als Christen identifizierten, sind sie immer noch ein bedeutende Wählergruppe, weit größer als Juden (4,7 Millionen), Muslime (2,2 Millionen) und Buddhisten (1,7 Millionen) zusammen (8,6 Millionen) und vergleichbar mit politisch mächtigen christlichen Sekten wie der Evangelikalen (25,4 Prozent) und Katholiken (20,8 Prozent).
Diese Verschiebung weg von der Dominanz einer bestimmten Religion ist gut für eine säkulare Gesellschaft, dessen Regierung so aufgebaut ist, dass sie Sammelbecken der Macht davon abhält, größer zu werden und auf das Privatleben der Menschen überzugreifen. Aber es ist wichtig zu beachten, dass diese „Keine“ nicht unbedingt Atheisten sind. Viele haben sich von den Mainstream-Religionen in spirituelle New-Age-Bewegungen verwandelt, wie eine Umfrage von 2017 zeigt, die einen Anstieg von 19 Prozent im Jahr 2012 auf 27 Prozent im Jahr 2017 bei denjenigen, die „spirituell, aber nicht religiös“ angaben, verzeichnet. Von dieser Gruppe bezeichneten nur 37 Prozent ihre religiöse Identität als atheistisch, agnostisch oder „nichts Besonderes“.
Selbst unter Atheisten und Agnostikern kann sich der Glaube an Dinge, die normalerweise mit religiösem Glauben in Verbindung gebracht werden, durch Risse im materialistischen Damm schlängeln. Eine Umfrage des Austin Institute for the Study of Family and Culture im Jahr 2014 an 15738 Amerikanern ergab beispielsweise, dass von den 13,2 Prozent, die sich Atheist oder Agnostiker nannten, 32 Prozent die Frage „Glauben Sie, es gibt ein Leben oder eine Art bewusste Existenz nach dem Tod“ bejahten? Aha? Noch weniger passt, dass 6 Prozent dieser Atheisten und Agnostiker auch sagten, dass sie an die leibliche Auferstehung der Toten glaubten. Also, wie Jesus.
Was passiert hier? Die Umfragen fragten nicht danach, aber ich vermute stark, dass viele dieser Ungläubigen entweder New Age Vorstellungen von der Fortsetzung des Bewusstseins ohne Gehirn über eine Art „morphische Resonanz“ oder ein Quantenfeld (oder ähnliches) annehmen oder hoffen, dass die Wissenschaft bald das Klonen, die Kryonik, das Hochladen von Gedanken oder die transhumanistische Fähigkeit, uns in Cyber-Mensch-Hybride zu verwandeln, beherrschen wird. Wie ich in meinem Buch Heavens on Earth erkläre, bin ich gegenüber all diesen Ideen skeptisch, aber ich verstehe die Anziehungskraft. Und diese Quelle der Anziehungskraft wird mit fortschreitender Wissenschaft in diesen Bereichen immer stärker werden - vor allem, wenn die Zahl der Atheisten steigt.
In einem Beitrag in der Januar-Ausgabe 2018 der Zeitschrift Social Psychological and Personality Science mit dem Titel „How Many Atheists Are There?“, behaupten Will M. Gervais und Maxine B. Najle, beide Psychologen an der Universität von Kentucky, dass es weitaus mehr Atheisten geben könnte, als von Meinungsforschern ermittelt wird, weil „sozialer Druck, der Religiosität begünstigt, gepaart mit einem Stigma gegen religiösen Unglauben [...], Menschen, die privat nicht an Gott glauben, dazu bringen könnte, sich sogar in anonymen Fragebögen dennoch als Gläubige darzustellen“.
Um dieses Problem der Eigenangaben zu umgehen, verwendeten die Psychologen eine sogenannte nicht zuordnende Zähltechnik, die zuvor für die Schätzung der Größe anderer unterbewerteter Gruppen, wie der LGBTQ-Gemeinschaft, verifiziert wurde. Sie beauftragten YouGov mit der Durchführung von zwei Umfragen bei jeweils 2000 amerikanischen Erwachsenen, insgesamt 4000 Probanden, und baten die Teilnehmer, anzugeben, wie viele unverfängliche bzw. problematische Aussagen auf einer Liste für sie zutreffen. Die Forscher verwendeten dann eine Bayessche Wahrscheinlichkeitsschätzung, um ihre Ergebnisse mit ähnlichen Gallup- und Pew-Umfragen von jeweils 2000 amerikanischen Erwachsenen zu vergleichen. Aus dieser Analyse schätzten sie mit 93 Prozent Sicherheit, dass irgendwo zwischen 17 und 35 Prozent der Amerikaner Atheisten sind, mit einer „glaubwürdigsten indirekten Schätzung“ von 26 Prozent.
Wenn das stimmt, bedeutet es, dass es mehr als 64 Millionen amerikanische Atheisten gibt, eine enorme Anzahl, die kein Politiker ignorieren kann. Wenn sich diese Trends fortsetzen, sollten wir zudem über die tiefer gehenden Auswirkungen darauf, wie Menschen einen Sinn im Leben finden, nachdenken, da der Einfluss der traditionellen Quelle schwindet. Und wir sollten weiter daran arbeiten, dass unsere Moral und Werte auf der Grundlage tragfähiger säkularer Quellen wie Vernunft und Wissenschaft basieren.
Übersetzung: Jörg Elbe
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