Lenken Debatten und Abstimmungen über Burka & Co. nicht von wichtigeren Themen ab?
Es mag den einen oder anderen Leser, der meine Texte bereits kennt und über meine überaus kritische Haltung gegenüber dem Islam Bescheid weiß, überraschend klingen, wenn er erfährt, dass ich gegen die Eidgenössische Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» gestimmt habe, die am 29. November 2009 vom Volk und von den Ständen angenommen wurde (57,5 % der Abstimmenden und 19,5 Stände von insgesamt 23 Standesstimmen der Schweizer Kantone). Der Hauptgrund meiner Opposition gegen diese Initiative war, dass sie aus meiner Sicht in erster Linie den Zweck verfolgte, Muslime pauschal zu diskriminieren, zu stigmatisieren und vor allem um ihnen einen gehörigen Schuss vor dem Bug zu verpassen. Es waren insbesondere viele anti-albanische Ressentiments – sprich solche gegen die größte muslimische Minderheit in der Schweiz – hinter dieser Volksinitiative, die mindestens gemäß meiner eigenen Wahrnehmung rassistisch motiviert waren. Bereits aus diesem Grund wollte ich diese Initiative nicht unterstützen. Ein weiterer Grund für meine Ablehnung dieses Volksbegehrens war aber auch die Tatsache, dass die Bauwerke des Islam ganz objektiv betrachtet wohl eines der unproblematischsten Aspekte dieser Religion darstellen. Deshalb war bereits der Nutzen der Initiative für mich nicht erkennbar. Hinzu kam, dass gerade islamische Prachtbauten wie etwa das Taj Mahal (mit seinen vier Minaretten!) sogar zur Kulturgeschichte der gesamten Menschheit gehören. Selbstverständlich konnte man dem entgegensetzen, dass das Taj Mahal nur in Indien schön sei und nicht unbedingt ins Alpenpanoramabild passe, was unstrittig ist. Darüber hinaus ging es bei den Minaretten in der Schweiz auch nicht um Bauwerke, die jemals eine Chance erhielten, auf die UNESCO-Liste zu kommen. Was mich aber solchen Einwänden zum Trotz bei dieser Minarettdebatte damals furchtbar nervte, war einerseits diese vorerwähnte bewusste Diskriminierung von Ausländern und andererseits diese Fokussierung auf Bauwerke, als ob es im Islam keine anderen Probleme geben würde. «Mina-rette sich wer kann! » dachten damals wohl einige, obwohl in der Schweiz ganze drei Minarette standen.
Das Volk hat aber gesprochen und war gegen den Bau von Minaretten. Das Abstimmungsergebnis war für Schweizer Verhältnisse durchaus deutlich, zumal die überwiegende Mehrheit der eingereichten Volksinitiativen in der Regel nicht angenommen werden, weil die Hürden dazu relativ hoch sind. Jedenfalls akzeptierte und respektierte ich den demokratischen Entscheid des Souveräns und tue das heute noch, obwohl ich es als Jurist nach wie vor äußerst unschön finde, dass wir das Ergebnis eines Schildbürgerstreichs, das nicht das Geringste mit der von mir viel kritisierten Scharia zu tun hat, nun in unserer Verfassung haben. Das soll bitte nicht so verstanden werden, dass ich den unbegrenzten Bau von Minaretten befürwortet hätte oder gerade heute ein Bedürfnis darin erkenne, dass die Verfassungsbestimmung wieder aufgehoben werden sollte. Man hätte damals aber nicht gleich die Bundesverfassung ändern müssen, in der nun steht, dass der Bau von Minaretten verboten ist, was einen extrem kleinlichen Eindruck hinterlässt. Bauvorschriften auf deutlich tieferer gesetzgeberischer Ebene hätten bei Bedarf völlig gereicht.
Besonderheit der Volksinitiative
Es gibt viele Dinge, die man aus diesem Abstimmungsergebnis herauslesen kann, zumal das Abstimmungsverhalten der Schweizer Bevölkerung bei Volksinitiativen sich nicht immer und nicht nur auf die eigentliche Sachfrage fokussiert. Das hat mit der Besonderheit der Volksinitiative zu tun, mit der Schweizerinnen und Schweizer bei gewissen Sachfragen oft nur ein gesellschaftspolitisches Zeichen setzen wollen. Sicherlich kann aus dem Ergebnis mindestens eine gewisse Verunsicherung der Bevölkerung gegenüber dem Islam interpretiert werden. Es ist aber auch sehr wahrscheinlich, dass viele Schweizerinnen und Schweizer mit ihrem Ja ein ganz generelles Statement gegenüber dem Islam abgeben wollten. Dass ein solches Bedürfnis bei der Bevölkerung besteht und dieses durchaus auch legitim ist, ist unstrittig. Es kann jedoch nichts Vernünftiges dabei herauskommen, wenn man ein solches Statement über ein Minarettverbot abgibt, weil dieses Thema inhaltsleer ist und die in der Scharia vorhandenen Probleme überhaupt nicht anspricht.
Letztes Jahr – also etliche Jahre und unzählige islamistische Terroranschläge nach der Minarettinitiative – beschäftigte das Sommerloch-Thema Burka und Burkini die aufgewühlte europäische Allgemeinheit. In der Schweiz war von den gleichen Kreisen, die bereits hinter der Minarettinitiative standen, eine neue Volksinitiative lanciert worden. Dass es einmal mehr – also wie bei der Minarettinitiative – um eine Stellvertreterdiskussion handelt, wird bei diesem Volksbegehren, bei dem die Unterschriftensammlung noch nicht abgeschlossen ist, daraus deutlich, dass es sich nicht etwa um eine Anti-Burka-Initiative handelt, sondern dass sie ein allgemeines Verhüllungsverbot aufstellen will. Mit anderen Worten haben wir es mit dem gleichen Muster zu tun, bei dem eine inhaltliche Diskussion über den Islam und insbesondere über die Scharia mindestens auf der Ebene des Verfassungstextes vermieden wird. Stattdessen konzentriert man sich lieber auf Objekte wie Bauwerke und Kleidungsstücke, d.h. auf Äusserlichkeiten, die als störend empfunden werden und führt dazu noch Stellvertreterdiskussionen.
Was mich bei dieser Debatte allerdings mehr stört als die unsinnige Forderung, die Ganzverhüllung zu verbieten, weil dies in der Schweiz nicht wirklich ein akutes Problem darstellt, sind die Hauptargumente der Burka-Beschützer, worunter sich sogar Frauen befinden, die beim Burka-Tragen-Dürfen einen Ausdruck individueller Freiheit erkennen. In ihren Argumenten ist immer wieder von Freiwilligkeit des Burkatragens die Rede und von ähnlichem Unsinn. Mich überrascht und verärgert diese Haltung wesentlich mehr als diejenige der „Burka-Gegner“. Deshalb habe ich in der Vergangenheit bei Diskussionen über dieses Thema dennoch immer gegen die Burka argumentiert und werde dies auch in der Zukunft wohl nicht ändern. Ich möchte vielleicht noch präzisieren: Ich habe vielmehr gegen die Leute argumentiert, welche die Burka mit einem falsch verstandenen Grundrechtsverständnis und mit Hinweisen auf unsere liberale Gesellschaftsordnung zu verteidigen versuchten.
Stellvertreterdiskussionen
Nichtsdestotrotz kann man nicht bestreiten, dass diese Debatten über die Burka und den Niqab, auch jene, die ich geführt habe, mindestens im Zusammenhang mit der Schweiz verschwendete Energie sind. Es sind Stellvertreterdiskussionen, die nichts bringen und zielen nicht auf das Hauptproblem, namentlich auf die in der Scharia verankerte Rechts- und Gesellschaftsordnung, die sich mit den westlichen Werten und Gepflogenheiten nicht vereinbaren lässt. Es war ein Fehler, dass im Westen über Jahre hinweg weite Teile der Scharia stillschweigend und kulturrelativistisch hingenommen wurden, so dass sich Parallelgesellschaften entwickeln konnten. Das Ergebnis dieser Scharia-Toleranz sieht man heute etwa bei den AKP-Anhängern in Deutschland, die ihr ganzes Leben in diesem Land verbracht und dort die Schulbildung genossen haben, heute hinter einem größenwahnsinnigen islamo-faschistischen Diktator stehen, der die Republik abschaffen und einen islamischen Gottesstaat errichten will. Vielleicht ist es an der Zeit zu erkennen, wohin ein liberaler Umgang mit der Scharia führt.
Meines Erachtens ist es zwingend notwendig, dass europäische Staaten sich Islamgesetze geben, in denen sie klar definieren, welchen Islam sie wollen und welche Aspekte und Teile des Islam sie klar nicht wollen. Mit anderen Worten müssen Muslimen gegenüber autoritativ Vorgaben gemacht werden, welche Eigenschaften und Gepflogenheiten ihrer Religion, die namentlich die Scharia betrifft, unerwünscht sind. Diese Forderung mag als überaus autoritär daherkommen und manche würden sagen, solche Maßnahmen seien mit der Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren. Das trifft sicherlich zu, aber Verfassungen lassen sich ändern. Ferner sei auf die Tatsache hinzuweisen, dass in islamisch geprägten Länder so etwas wie Zivilisation, wie sie insbesondere in den Fünfzigern bis zu den Siebzigern bestand, nur durch staatliche Kontrolle der Religion, d.h. durch einen gewissen staatlichen Zwang möglich war. Sobald dieser Zwang wegfiel und die Scharia sich schrankenlos verbreiten und ihre ganze Wirkung entfalten konnte, geschah genau das, was wir heute in der Türkei beobachten können, sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Das Ergebnis einer solchen schrankenlosen Scharia-Gewährleistung ist entweder eine Scharia-Parallelgesellschaft oder – dort, wo die entsprechenden Bevölkerungsmehrheiten vorhanden sind – ein islamischer Gottesstaat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Europäer grosse Lust darauf haben, bei solchen Entwicklungen schweigend zuzuschauen.
Wie soll das gehen?
Zunächst braucht es einen Verfassungsauftrag für ein entsprechendes Gesetz, das die Scharia weitestgehend auf kultische Bedürfnisse und den Islam ganz generell auf rein spirituelle Inhalte einschränkt. Der in der Scharia verankerte Rassismus mit Wert von Muslimen und Unwert von Nichtmuslimen, der islamische Antisemitismus, die permanente Herabsetzung der Christen, weil sie Jesus und dessen wahre Natur angeblich falsch verstanden hätten, Diskriminierung und Tötung von Homosexuellen, die unterirdisch primitiven Konzepte über die gesellschaftliche Rolle der Frau, ihre Rolle in der Familie, ihre klare Schlechterstellung vor dem Recht, die sexistische islamische Kleiderordnung, wobei ich insbesondere auch das islamische Kopftuch meine, arrangierte Ehen, Zwangsverheiratungen, Genitalverstümmelungen, die Überordnung der Scharia gegenüber dem staatlichen Recht im Allgemeinen und vieles mehr haben keinen Platz in unserer offenen und liberalen Gesellschaft. Diejenigen, die denken, dass diese Art von Lebensführung eben auch zu einer multikulturellen Gesellschaft gehöre und die Toleranz der Scharia unserem liberalen Grundverständnis entsprechen müsse, haben nicht erkannt, dass die Scharia genau dieses liberale Grundverständnis bedroht.
Europäer und Europa haben jedenfalls keinerlei Interesse daran, dass die problematischen Gehalte des Islam, die es nun einmal gibt, von denen ich vorhin nur einige wenige aufgezählt habe, mir nichts dir nichts noch weiterverbreitet und immer in extremeren Formen gelebt werden. Grundrechte und Menschenrechte wurden nicht geschaffen, um für die theokratische Gesellschaftsordnung der Scharia der Wegbereiter zu sein. Jene, die sie einst verfassten, hatten sicherlich keine Scharia-Parallelgesellschaften vor den Augen. Grundrechte sind dazu da, um den Menschen zu befreien und zu emanzipieren, um eigenverantwortliche und freie Bürger hervorzubringen und sicher nicht um eine Gesellschaftsordnung zu gewährleisten, in der sich Menschen wie Roboter nach den Vorgaben eines angeblich heiligen Buches verhalten und versuchen, das Beispiel und die erfundenen Charaktereigenschaften eines Propheten, die teilweise primitiver und unterirdischer nicht sein können, zu kopieren.
Es ist an der Zeit, die Nebenschauplätze der Minarette und der Burkas zu verlassen, die entsprechenden Stellvertreterdiskussionen zu beenden und endlich Tacheles zu reden.
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