Unehrliche Ein-Tages-Fliegen

Kommentar zu Ungarns Gesetz über die sexuelle Aufklärung, die Illumination von Stadien und den LGBT-Lobbyismus

Unehrliche Ein-Tages-Fliegen

Foto: Pixabay.com / SatyaPrem

Als bekennender Homosexueller lässt mich keinesfalls kalt, was derzeit in Ungarn geschieht. Die dortige Regierung driftet immer weiter nach rechts ab – und verschärft dabei ihre menschenunwürdige Sicht auf LGBTIQ-Menschen. Wenngleich Orban behauptet, man wolle mit dem neuen Gesetz die Entscheidungsfreiheit der Eltern stärken, selbstständig über die Erziehungsinhalte befinden zu können, liegt dem Verbot von Aufklärung junger Menschen über die Homo-, Bi- und Transsexualität ein dem weltoffenen Gedanken der Europäischen Union massiv zuwiderlaufendes Bild von der Vielfalt sexueller Orientierung zugrunde.

Gleichsam kritisiere ich als Schwuler ganz bewusst meine eigene „Community“, die mit einem ständigen Aktionismus den Eindruck erweckt, als wolle man Homosexuelle schlussendlich besserstellen als den Rest der Gesellschaft. Während Sahra Wagenknecht vom Problem einer zunehmenden Identitätspolitik spricht, warne ich vor der Ausdifferenzierung immer weiterer Partikularinteressen. Ein Land sollte sich nicht als Zusammenschluss vieler Minderheiten verstehen, sondern einen Zustand von Gleichstellung anstreben, der die Unterteilung in Minoritäten überhaupt nicht mehr nötig macht – und den Gemeinsinn in den Mittelpunkt seines Handelns stellt.

Der Lobbyismus der LGBT-Bewegung ist für mich manches Mal beschämend, weil durchaus die Wahrnehmung entstehen kann, in Deutschland würden sexuell Andersdenkende in wesentlichen Grundrechten benachteiligt. Gerade politisch wurde in den vergangenen Jahren ein derartiger Fortschritt in der Anerkennung des geschlechtlichen Pluralismus erzielt, dass es nahezu peinlich wirkt, wenn der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) für die letzte Sitzungswoche des Bundestages in dieser Legislaturperiode erneut attestiert, dass man in der Gleichberechtigung nicht weitergekommen sei. 

Pure Symbolpolitik

esonders zweifelnd betrachte ich deshalb auch die pure Symbolpolitik dieser Tage, wenn nicht nur der Streit um die Illumination des Münchener Stadions auf den Gipfel getrieben wird, sondern plötzlich auch Fernsehsender und Zeitungen ihre Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben erkennen – und demonstrativ ihre Logos oder Cover in bunte Farben eintauchen. Letztlich wird die zweifelsohne fortbestehende Diskriminierung von Homosexuellen, Intersexuellen und Transgendern – die eben vornehmlich nicht in unzureichenden Gesetzen, vielmehr aber im zivilgesellschaftlichen Alltag existiert – keinen Deut weniger werden, wenn wir für einen Tag unseren Respekt für ihren Lebensstil entdecken.

Ich lobe mir stattdessen den klar sichtbar gewordenen und praktischen Protest vieler katholischer Priester aus den letzten Wochen, die nicht nur Zeichen gesetzt, sondern mit Taten dafür gesorgt haben, dass der vatikanische Aufruf gegen die Segnung schwul-lesbischer Paare zumindest in Deutschland bei vielen Geistlichen nicht auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Sie haben ihr Gewissen über die Anordnung der Kirche gestellt und in Gottesdiensten bewusst die Würde des Menschen über das Dogma aus Rom gestellt. Solch ein Akt sagt mehr als tausende Regenbogenfahnen an Rathäusern, die eben nicht darüber hinwegtäuschen können, dass sich offenkundig viele Fans und Fußballer bis heute nicht trauen, gegen eine ungarntreue UEFA aufzubegehren.

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