Verehrte Leser...

...das Thema „Gendern“ hat im Jahr 2021 an Fahrt aufgenommen.

Verehrte Leser...

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Der „heute Journal“-Moderator Claus Kleber überrascht im ZDF mit dem Ausdruck „Wähler“ – Sprechpause – „innen“, die Stadt Köln spricht von „Einwohnenden“ und „Bürger*innen“ und Gerichte sollen entscheiden, ob Autokonzerne von ihren Mitarbeitern verlangen können, dass diese gegenüber Kunden von „Kund*innen“ sprechen.

Was hat es mit dem Phänomen des Genderns auf sich? In diesem Artikel gebe ich zunächst einen Überblick über das Konzept des Genderns und erkläre, warum immer mehr Menschen glauben, dass wir alle „geschlechtergerecht“ schreiben und sprechen sollten, bevor ich anhand zahlreicher Argumente erläutere, warum ich den Vorgang des Genderns für unnötig und gar für schädlich halte.

Was ist „Gendern“?

Mit Sicherheit sind Sie schon das ein oder andere Mal über Formulierungen wie „Wähler*innen“, „SchülerInnen“ oder „Lehrer:innen“ gestolpert. „Was zum Henker machen diese Satzzeichen mitten im Wort?“, mögen Sie sich gedacht haben.

„Gendern“ (zu Deutsch etwa: „geschlechtern“) möchte alle denkbaren Geschlechter sprachlich sichtbar machen.

Grundlagen der deutschen Grammatik

Zugrunde liegt das sogenannte grammatische Geschlecht („Genus“, Mehrzahl: „Genera“), das ein jedes Substantiv männlich, weiblich oder sächlich macht. Wir verwenden einen Artikel (der/die/das), um es zu artikulieren.

Im Englischen gibt es so ein grammatisches Geschlecht in weitaus weniger Fällen. Das Wörterbuch listet nicht etwa „DER Apfel“, sondern einfach nur: „apple“. Es gibt keinen spezifischen Artikel für „apple“, nur dann, wenn das Wort in einen Satz eingebunden und gezählt wird („an apple“, „the apple is green“).

Wann immer wir im Deutschen einen falschen Artikel verwenden, brechen wir das Regelwerk der Grammatik, machen den Satz „ungrammatisch“. Das ist im Einzelfall nicht weiter schlimm; fragt uns ein portugiesischer Urlauber nach „eine gute Restaurant“, lächeln wir und erklären ihm freundlich den Weg zum besten Gastronomen. Wir wissen aber, dass „Restaurant“ nicht weiblich, sondern sächlich ist; ein Lehrer würde den Fehler in der Klausur als Grammatikfehler anstreichen.

Menschen, die nicht muttersprachlich deutsch sprechen, tun sich mit dem Erlernen und Zuordnen der Artikel schwer, weil dieser Vorgang keiner nachvollziehbaren Logik folgt. Warum heißt es das Messer, der Löffel und die Gabel? Warum ist es der Wasserturm, aber das Wasser? Warum ist es das Brikett, aber der Brief?

Viele Herleitungen ergeben sich aus den Endungen: „-anz“-Endungen sind meistens weiblich (die Brillanz, die Toleranz, die Akzeptanz), „-uss“-Endungen sind fast immer männlich (der Kuss, der Stuss, der Fluss). Aber es gibt viele Ausnahmen und Fremdsprachler scheitern regelmäßig daran, sich für jedes Substantiv das passende Verb zu merken.

Solange wir bei unverfänglichen Bezeichnungen bleiben, ist das grammatische Geschlecht für Muttersprachler kein Problem. „Die Sprache“ ist weiblich, „das Boot“ sächlich und „der Stein“ männlich.

Was aber ist mit Begriffen, die in ihrer konkreten Ausprägung Männer wie auch Frauen bezeichnen können?

Worte wie „Kind“ oder „Mitglied“ umschiffen dieses Problem; Kinder und Mitglieder können männlich oder weiblich sein.

Wenn das Genus ins Spiel kommt

Was aber ist mit dem Lehrer, dem Wähler oder dem Schüler? Hier gibt es immer auch das weibliche Pendant, die Lehrerin und die Schülerin – und dennoch sprechen wir im Allgemeinen vom „Lehrer“ oder den vielen „Lehrern“, auch dann, wenn wir Frauen meinen – ja sogar dann, wenn wir mehrheitlich Frauen meinen.

 „-in“ ist das Movierungssuffix, das sich im Laufe der letzten Jahrhunderte entwickelt hat und anzeigt, dass konkret eine Frau gemeint ist. „Der Lehrer“ bildet zwar immer noch den Oberbegriff, und viele Frauen, die in der DDR als Lehrerin gearbeitet haben, bezeichnen sich bis heute selbst als „Lehrer“; aber standardsprachlich sprechen wir von „Lehrerin“, wenn wir eine Frau meinen, die als Lehrperson fungiert.

So weit, so gut – nur im Zweifel benutzen wir das Maskulinum generisch, also flächendeckend, immer dann, wenn wir keine konkrete Aussage treffen möchten. Wann immer wir von einer Gruppe sprechen, von der wiederum niemand, alle oder einzelne gemeint sind, verwenden wir den Oberbegriff im Maskulinum.

Solche Generika gibt es auch in anderen Wortarten, etwa bei Pronomen wie „jeder“ oder auch bei Zeiten: Statt „Morgen werde ich mit Fridolin ins Kino gehen“ sagen wir: „Morgen gehe ich mit Fridolin ins Kino“.

Meinen wir jedoch einen Menschen, der eine bestimmte Rolle ausführt, gibt es häufig beide Formen – eine männliche und eine weibliche: Wir kennen den Bäcker, den Lehrer, den Schüler und den Wähler – aber auch die Bäckerin, die Lehrerin, die Schülerin und die Wählerin.

Das „generische Maskulinum“ entpuppte sich als effektive Lösung. „Aber treten da nicht häufig Missverständnisse auf?“, könnte man einwenden. Nur gelegentlich bis gar nicht! Unsere Sprache lebt im Verständnis wesentlich vom Kontext; wir lassen uns von Homonymen, Synonymen und anderen Ambiguitäten durch die Sprache begleiten, und stießen nur in absoluten Ausnahmen an Grenzen.

Warum Gender-Befürworter das Gendern als notwendig erachten

Eine kleine Gruppe an Feministen haben im letzten Drittel des 20. Jahrhundert damit begonnen, die explizite Nichtnennung der femininen Formen zu problematisieren. Ihre These ist: „Solange die weibliche Managerin nicht explizit gemeinsam mit dem männlichen Manager genannt wird, ist sie sprachlich nicht sichtbar.“

Und mehr noch: „Solange die Managerin nicht sprachlich abgebildet wird, müssen wir davon ausgehen, dass sie auch gesellschaftlich ‚verschwindet‘, keine ‚Lobby‘ besitzt, keine Aufmerksamkeit bekommt. Im schlimmsten Fall wird es auch in fünfzig Jahren immer noch mehr Manager als Managerinnen geben, ganz einfach deshalb, weil Mangerinnen sprachlich so gut wie gar nicht vorkommen. Woher soll etwa ein junges Mädchen wissen, dass es auch weibliche Manager gibt? Es muss ihr durch die sprachliche Abbildung gezeigt werden!“

Feministen bringen Alltagsbeispiele, um das zuhörende Publikum auf ihre These einzustimmen: „Was ist, wenn ich dich etwa nach deinem Lieblingsmusiker frage? Wer geht dir durch den Kopf? Billie Eilish etwa, oder Madonna? Vermutlich nicht, oder? In der ersten Sekunde hast du bestimmt an einen Mann gedacht!“

Der uneingearbeitete Zuhörer fühlt sich von den Thesen überrollt und nickt. „Kann hinkommen“, vermag er zu denken – und spricht der Gender-Bewegung eine Legitimation zu.

Hier aber spielt der Verstand den ersten Streich. Denn wenn explizit nach einem Musiker gefragt wird, kann es durchaus sein, dass wir zunächst an Männer denken. Der Kontext fehlt. Und außerdem gibt es mehr Männer als Frauen, die sich in der Musikbranche etabliert haben: „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, erklärt der Feminist, „denn es gibt ja wohl nicht weniger Frauen als Männer in der Musiker-Branche, weil Frauen weniger talentiert wären. Die Repräsentation fehlt! Und die beginnt nun mal bei der Sprache, denn Sprache beeinflusst das Denken!“

An der Stelle sind viele Laien überzeugt; es klingt logisch. Wenn wir gute Menschen sein wollen – und das wollen wir doch! – müssen wir eine Gesellschaft herbeiführen, in der alle zu gleichen Teilen repräsentiert und sichtbar ist. Erst dann ist wahre Chancengleichheit und Gleichberechtigung gegeben!

Der erste Bruch in der Argumentation

Wenn es doch so ist, dass vielen jungen Frauen durch die Sprache „gezeigt“ werden muss, dass sie auch Politikerin, Managerin oder Chefin werden können – wie kann es dann sein, dass wir in vielen Berufen bereits einen Frauenüberschuss haben, ganz ohne Gendern? Viele Universitäten etwa bestätigen, dass sie in den Studiengängen „Humanmedizin“ oder „Zahnmedizin“ und teilweise auch in Bereichen der Rechtswissenschaft mehr Frauen als Männer haben, die sich bewerben und einen Studienplatz erhalten. Dies wäre laut Gender-Theorie nicht möglich, weil vor zehn bis 20 Jahren immer nur überall von „Ärzten“ oder „Juristen“ und „Anwälten“ gesprochen wurde – weniger von „Ärztinnen und Ärzten“ et cetera. Das erkenne ich als den ersten Bruch in der Argumentation.

Wie geschieht Gendern?

Gender-Elemente können auf unterschiedliche Weise in die Sprache hineingebracht werden.

Eine beliebte Methode ist die Umschiffung des angenommenen Problems, indem entweder beide Formen genannt („Lehrerinnen und Lehrer“) oder Formulierungen verwandt werden, die ohne grammatisches Geschlecht daherkommen. „Personen“ oder „Menschen“ sind Worte, die in der konkreten Ausprägung männlich oder weiblich sein können; ebenfalls unterteilt die „-nd“-Form, also das Gerundium, nicht in männlich oder weiblich. Statt „die Lehrer“ wird also „die Lehrenden“ gesagt. Dies verwässert zwar die Bedeutung, schließlich ist ein Lehrender etwas anderes als ein Lehrer, soll aber geschlechtergerecht sein.

Noch mehr Irritation bis gar Wut und Ablehnung lösen Satzzeichen aus, die mitten in die Wörter hineinplatziert werden, wie etwa das Sternchen, der Unterstrich oder der Doppelpunkt: Schüler*innen, Lehrer_innen, Wähler:innen.

Die Irritation ist durchaus gewollt; der Leser soll in seinem Lesefluss unterbrochen werden, stutzen und sich daran erinnern, dass es mehr als „nur“ das eine (männliche) Geschlecht gibt. Dies halten Gender-Befürworter für einen guten Weg, die Kette der Sichtbarkeit in Gang zu setzen.

Das Sternchen nimmt eine Sonderstellung ein, weil nur dieses Zeichen die unendliche Vielfalt der Geschlechter abbildet. Innerhalb der Gender-Szene gehört es zum kleinen Einmaleins davon auszugehen, dass es neben dem biologischen auch das „soziale“ Geschlecht gibt, das „Gender“, im Vergleich zum „Sex“. Gender-Befürworter kämpfen dafür, dass vorrangig dieses zur Unterscheidung herangezogen wird, nicht (mehr) das biologische Geschlecht. Dieses Konzept erlaubt unendlich viele Geschlechter, nicht mehr die binäre Geschlechterordnung (männlich/weiblich) – sondern jeder kann alles sein, was er möchte, er kann sich einem bereits bestehenden Gender unterordnen oder ein Neues erfinden. Und nur das Sternchen achtet all diese vielfältigen Gender-Geschlechter.

Das Konzept des frei wählbaren „Gender“ wird an anderer Stelle diskutiert; wir machen hier nun weiter mit Argumenten gegen das Gendern innerhalb der deutschen Sprache.

Argumente gegen das Gendern

Grundlage aller Gender-Gedanken ist die Sapir-Whorf-Hypothese, nach der die Sprache das Denken bestimmt: Nur, wenn wir das sprachliche Rüstzeug haben, können wir bestimmte Gedanken denken. Auf den ersten Blick wirkt das logisch – es gab aber unter Linguisten viel Kritik an dieser These.

Eine konkrete Kritik bezieht sich auf die Geschlechterrollen innerhalb einer Gesellschaft. Gendern soll alle Geschlechter „sichtbar“ machen und gesellschaftliche Rollenbilder aufbrechen. Diese orientieren sich aber nicht, anders als behauptet, an der Sprache – und der beste Beleg dafür sind Länder, in denen Sprachen gesprochen werden, die von Haus aus keine grammatischen Geschlechter kennen. Diese befinden sich bereits im „perfekt-gegenderten Endzustand“, den, den sich Gender-Befürworter wünschen. Wäre das, was die These besagt, wahr, würde man in diesen Ländern tatsächlich (gleich) viele weibliche Führungskräfte oder Manager sehen; sehen wir aber nicht.

Konkret sei das Türkische angeführt, oder das Persische, weil es in diesen Sprachen kein grammatisches Geschlecht gibt. Es ist also nicht möglich, in weiblich oder männlich zu unterteilen, es gibt nicht „Lehrerin“ und „Lehrer“, sondern nur jeweils einen Begriff. Und trotzdem sehen wir in beiden Ländern, in denen diese Sprachen jeweils gesprochen werden, keine andere Rollenverteilung als in deutschsprachigen Ländern.

Besteht hier etwa keine Relation, argumentieren Gender-Verfechter ins Blaue hinein? Macht man sich auf die Suche nach anderen Sprachen, so erkennen wir auch hier, dass die These „geschlechtergerechte Sprache = geschlechtergerechte Gesellschaft“ nicht aufgeht: Das Finnische kennt kein grammatisches Geschlecht, das Chinesische nicht; im afrikanischen Supyire gibt es fünf Genera, das australische Ngan’gityemerri hält 15 (!) bereit. Trotzdem liegt in all diesen Territorien keine signifikant andere Rollenverteilung vor. Im Ungarischen gibt es ebenfalls kein grammatisches Geschlecht, dort genießen Frauen in ihrer gesellschaftlichen Rolle jedoch Vorteile; ein Überbleibsel der Sowjetunion, da sozialistisch geprägte Gesellschaften auch die Frauen stärker in ihre Berufe mit einbezogen haben.

Aber gehen wir einen Schritt zurück. Gibt es überhaupt eine semantische Notwendigkeit für das Gendern? Nach meinem Dafürhalten nicht. Das Wort „Lehrer“ beschreibt in erster Linie den Oberbegriff, ein abstraktes Konzept und gibt lediglich im Kontext einen Hinweis auf das Geschlechtsteil des Menschen in der konkreten Ausprägung.

Ähnlich generisch wird etwa „DER Vogel“ benannt, „DER Widersacher“, „DIE Fachkraft“, „DIE Vertretung“ oder „DIE Person“. Was ist mit dem Engel? Ein Engel kann mir ein Lehrer sein – und ist der Engel, der als Lehrperson agiert, nun weiblich oder männlich, also ein Lehrer oder eine Lehrerin?

Die Beispiele verdeutlichen: Wir meinen mit dem generischen Maskulinum nicht explizit Männer, sondern gar kein konkretes Geschlecht. Es geht vielmehr um die dahinterstehende Idee, das Konzept. Verwirrung entsteht durch das Suffix „-in“, mit dem wir explizit einen weiblichen Menschen meinen; erst jetzt markiert das sogenannte Movierungssuffix das konkrete Geschlecht. Aus der bloßen Existenz des „-in“ ergibt sich für Gender-Befürworter die Notwendigkeit, diese Form ständig mitzunennen. Das ist aber nicht nötig; das generische Maskulinum deckt im Zweifel alles und jeden (oder keinen) ab.

Vielleicht stutzten Sie gerade; es deckt „niemanden“ ab? Ja – genau! Im Plural deckt das generische Maskulinum ab, was gemeint sein könnte – auch dann, wenn niemand gemeint ist. Ein Beispiel verdeutlicht den Punkt: „Von den Mitarbeitern jener Firma war kein einziger ein Mann.“ Hier wäre ein „Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern […]“ oder „Mitarbeiter*innen“ falsch, da eben nicht alle Geschlechter gemeint waren, sondern gar keines. Es ist die unmarkierte Form, die lediglich das generische Maskulinum abzubilden vermag.

Wenn überhaupt sollten sich Männer beschweren, die keine eigene Form haben; Frauen haben für ausschließlich weibliche Gruppen eine eigene Form („-innen“), während Männer sich ihre Form mit gemischtgeschlechtlichen Gruppen teilen müssen: Das Wort „Lehrer“ wird generisch verwandt. Dass es Generika auch in anderen Wortarten gibt, habe ich weiter oben angerissen.

Nachdem die These des „durch das Sichtbarmachen ändert sich die gesellschaftliche Stellung“ widerlegt wurde und damit „abgeräumt“ ist, führe ich weitere Argumente gegen das Gendern an:

- Nicht umsonst gibt es in englischsprachigen Ländern in vielen Kneipen die Regel, dass nicht über Politik oder Religion geredet werden dürfe. Politik spaltet nämlich – und die wenigsten Barbetreiber möchten angetrunkene Menschen in ihren Lokalitäten, die sich über Politik streiten. Es gehört also zum guten Ton und feinen Umgang, dem anderen Menschen seine politische Haltung nicht ins Gesicht zu schreien.

Wer gendert, tut dies allerdings und bricht diese Regel. Er bürdet seinem Gegenüber seine dominierende politische Haltung auf.

„Aber man kann doch anhand des Gender-Vorgangs nicht sagen, wie jemand politisch tickt!“, könnte entgegnet werden.

Dazu zwei einfache Testfragen: Ist jemand, der gendert, unpolitisch? Vermutlich nicht, denn er würde nicht gendern, wenn er sich nicht mit den Hintergründen befasst hätte, die fast immer einen politischen Bezug aufweisen.

Die daran sich anknüpfende Frage: In welchem politischen Spektrum befinden sich jene, die gendern? Die Frage ist eindeutig zu beantworten: Links!

Politisch links zu sein ist nicht ehrenrührig oder schlimm; aber jemandem ungefragt aufzudrücken, links zu sein und einer (Gender-)Ideologie zu folgen, kann zu Dissonanzen führen, die nicht sein müssen. Wer gendert, teilt seinem Gegenüber unterschwellig mit: „Guten Tag – ich stehe links der politischen Mitte!“

- Gendern spaltet, weil es die Verwendung der Sprache moralisch auflädt. Da der Grundgedanke des Genderns ist, inkludierend wirken zu wollen, müssen sich diejenigen, die nicht gendern, dem Verdacht ausgesetzt fühlen, bewusst ausgrenzen zu wollen. Das könnte in den allermeisten Fällen zwar falscher nicht sein – die Dissonanz bleibt: Wer nicht gendert, sortiert sich automatisch in das Töpfchen derjenigen, die nicht inkludieren.

- Gendern lässt die Sprecher anhand des Gebrauches der Gender-Elemente in die Kategorie der vermeintlich „Guten“ (weil fortschrittlich) oder „Bösen“ (weil rückständig) fallen. Wem nutzt eine solche moralische Aufladung?

- Sprache wird eine Verantwortung aufgebürdet, der sie nicht gerecht werden kann. Sprache kann nicht für Gerechtigkeit sorgen, da sie nur ein Werkzeug ist, ähnlich wie ein Hammer, der je nach Einsatz helfen oder töten kann: Entscheidend ist die Geisteshaltung des Anwenders. Ein Hammer ist nicht böse oder verletzend – und Sprache ist es auch nicht.

Auf dieses Argument antworten Gender-Verteidiger häufig, dass Sprache sehr wohl verletzend sein könne, unter anderem durch den Gebrauch unlauterer Vokabeln. Das „N-Wort“ etwa sei rassistisch und sein Gebrauch in den allermeisten Fällen verletzend.

Das ist nur bedingt richtig. Ein Wort, sprachwissenschaftlich nur eine Ansammlung an Lexemen (und Buchstaben), kann nicht inhärent rassistisch sein.

Selbstverständlich kann ein Wort im Falle der Anwendung als Waffe fungieren und verletzend wirken – beim N-Wort würde da wohl jeder zustimmen, weshalb wir dieses hier auch nicht ausschreiben. Ich als Autor respektiere den gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir das Wort nicht verwenden wollen und ich glaube, dass ich Menschen damit helfe, die sich beim bloßen Anblick des Wortes verletzt fühlen könnten.

Ein derartiger Konsens muss sich aber über Jahre hinweg entwickeln und breit debattiert werden – und darf nicht einfach von einer bestimmten politischen Richtung „festgelegt“ werden. Genau das tun Gender-Verfechter, indem sie pauschal annehmen, dass ein Wort wie „Arbeiter“ pauschal alle Frauen exkludieren würde.

Mein Appell: Wann immer wir Veränderungen wollen, müssen wir an die Menschen herantreten und nicht an die Sprache. Sprache kann uns als Werkzeug helfen, ja, aber einzelnen Wörtern zu unterstellen, sie würden x oder y bewirken, überhöht, was sie zu leisten imstande ist. Es bedarf immer des Kontextes, der Intention des Senders und der Interpretation des Empfängers.

- Meine Beobachtung ist, dass Menschen, die gendern, in anderen Themenbereichen gerne auf „die Wissenschaft“ verweisen, wenn es etwa um das Thema Klimaschutz oder das Corona-Virus geht. Beim Gendern blenden sie dann jedoch urplötzlich (sprach-)wissenschaftliche Einlassungen aus; ein Doppelstandard?

- Doppelpunkte, Sterne oder Konstruktionen wie „LehrerInnen“ sind auf der Ebene der Ästhetik nicht tragbar. Wir stellen uns vor, eine kleine Gruppe an Spaniern würde auf die Idee kommen, das Gleiche bei ihrer Sprache zu machen, plötzlich also von „la c*er:ve_za“ sprechen – wir würden sie vermutlich für verrückt erklären.

- Gendern sexualisiert die Sprache. Geschlechter-Ungleichheiten, die eigentlich abgebaut werden sollen, werden durch den Fokus auf Gender-Elemente zementiert, das Problem verschärft.

„Aber wir denken doch vornehmlich an Männer, wenn...“

Gender-Befürworter behaupten, es wäre wissenschaftlich belegt, dass wir bei Formulierungen wie „die Ärzte stehen in der Ecke“ oder „die Manager sind auf einer Tagung“ vornehmlich an Männer denken.

Ich glaube, dass das höchstens dann der Fall ist, wenn es sich in dem Kontext tatsächlich um männerdominierte Branchen handelt. Die Managertagung wäre tatsächlich männlich geprägt - was aber wäre mit einer Tagung, auf der Erzieher, Make-Up-Designer und Grundschullehrer zugegen wären? Hier wären die allermeisten Menschen vermutlich weiblich.

Darüber hinaus gibt es keinen Beleg dafür, dass wir bei „die Ärzte“ vornehmlich an Männer denken; Derartiges lässt sich auch nicht seriös erheben. Wir alle können den Selbstversuch wagen: Denken Sie doch mal an eine Gruppe von Ärzten, die auf dem Hof eines Krankenhauses stehen! Könnten Sie sagen, welches Geschlecht die Beteiligten aufweisen?

Vermutlich nicht; wenn Sie denken wie ich, stellen Sie sich ein undefinierbares Knäuel an Menschen vor, oder, nicht mal an Menschen – ein „Knäuel“ einfach. Die Gruppe besteht nicht aus Individuen, schon gar nicht aus Männern oder Frauen – und schon gar nicht aus NUR Männern oder NUR Frauen!

Es gab Versuche, das Denken zu erheben; das sind die berüchtigten „Studien“, die Gender-Verteidiger gerne anführen. Diese Experimente müssen jedoch genauer betrachtet werden; für meine Begriffe waren sie bereits in ihrem Aufbau höchst zweifelhaft:

Erstens wurden sie nicht von Sprachwissenschaftlern durchgeführt, sondern von fachfremden Personen, die zugleich allesamt aus dem „Gender-Milieu“ kamen, also Psychologie, Soziologie oder eben „Gender Studies“ studieren, was eine thematische Vor-Beeinflussung wahrscheinlich macht.

Außerdem bestand der Aufbau all dieser Untersuchungen stets daraus, dass der geringen Anzahl an Probanden (meist kaum über 100) Texte vorgelegt wurden, die sie zu lesen hatten. Im Anschluss gab es eine Ankreuz-Umfrage, in der die Probanden angeben mussten, an welche Geschlechter sie dachten, als sie bestimmte Wörter lasen: Kamen ihnen eher Männer oder eher Frauen in den Sinn?

Bereits der grob beschriebene Versuchsaufbau legt den Verdacht nah, dass hier nicht ergebnisoffen geforscht wurde, sondern bestätigt werden sollte, was für Gender-Verfechter bereits im Voraus klar war. Außerdem wurde erneut außer Acht gelassen, dass wir im „normalen Leben“ stets im Kontext kommunizieren. Wenn ich bei einer Untersuchung mitmache, in der „geschlechtergerechte Sprache“ thematisiert wird, bin ich auf das Thema entsprechend sensibilisiert und komme mitunter ins Grübeln an Stellen, die mich im „normalen Leben“ niemals beschäftigt hätten.

Eine derart geringe Anzahl an Probanden reicht überdies nicht aus, um zu ermitteln, wie über 100 Millionen (!) Mitglieder der deutschen Sprachgemeinschaft denken.

- Oft bringen Gender-Befürworter das „Gefühl“ als Argument. „Klara fühlt sich von Formulierung x nicht inkludiert – dann ändern wir doch einfach die Sprache!“ Wie sich jemand fühlt, kann sich jedoch innerhalb weniger Sekunden ändern. Derart subjektive Gefühlsanwandlungen taugen nicht als Grundlage dafür, über 2.000 Jahre organisch gewachsene Grammatiken zu modifizieren.

Wir konstruieren ein Beispiel: Maria fühlt sich von „die Studenten“ nicht angesprochen und hätte gerne, dass die Hochschule fortan „die Studierenden“ sagt. Die Hochschule folgt ihrem Wunsch und investiert eine Million Euro, um alle Schilder und die Aufschrift der Holzfassade auf dem Studentenwerk in „Studierendenwerk“ umzubenennen.

Was aber wäre, wenn Maria sich einen Tag später doch wieder von „die Studenten“ angesprochen fühlen würde?

Oder aber, wenn ihr die Bezeichnung „die Studierenden“ nicht mehr reichen würde und sie stattdessen ein neues Wort erfände? Sollte dann alles wieder geändert werden?

Und was ist eigentlich, wenn sich Marias Kommilitonin Klara von „die Studenten“ durchaus angesprochen fühlt und keine Notwendigkeit sieht, etwas zu ändern? Warum zählt Marias Gefühl mehr als Klaras?

Das Spiel lässt sich ewig weiterführen und es wird klar: Wie sich jemand fühlt, ist der Sprache egal. Gingen wir nach Gefühlen, könnten wir jeden Tag neue Formen einführen. Eine Mehrheit aller Nichtmännlichen fühlte sich in den letzten Jahrhunderten auf deutschem Boden von den bisherigen Formen angesprochen – warum zählt deren „Gefühl“ nicht oder weniger?

- Grammatiken bringen eine Regelstruktur mit. Ein Satz wie: „Habe es ?gefahren“ wäre ungrammatisch, weil die erforderliche Regelstruktur nicht eingehalten wird. Was aber ist mit dem Gendern? Welche Maßstäbe gelten da? Ich erkenne immer nur Gutdünken und nichts, was der Würde einer Grammatik entspräche. In der Praxis stoßen wir an Grenzen, da sich viele Worte nicht annehmbar gendern lassen und Gendernde sich nicht einig darüber sind, wie man korrekt gendert. Worte wie ‚Franzose‘ oder ‚Jude‘ oder Komposita wie ‚Arzttermin‘, ‚Kanzleramt‘ oder ‚Bürgermeister‘ scheinen nicht genderbar. Was ist mit der ‚Ingenieursleistung‘ oder ‚Bauernhöfen‘?

- Grammatiken lassen sich nicht beliebig verbiegen. Gender-Verfechter behaupten, Sprache befände sich im Wandel. Das stimmt zwar, wenn - und die Erfüllung dieser Bedingung ist wichtig - alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft mehr oder weniger „mitziehen“. Beim Gendern lässt sich dieser Konsens nicht beobachten; im Gegenteil. Zum Sommer eines jeden Jahres werden Umfragen veröffentlicht, die belegen, dass sich eine Mehrheit (bis zu 70 %) gegen das Gendern ausspricht und diesen Vorgang für überflüssig hält. Die grundsätzliche Grammatik ändert sich kaum bis gar nicht. Deutschsprachige Bücher aus dem Jahr 1807 lassen sich heute immer noch gut verstehen; es ist also irrig, so zu tun, als würde sich Sprache fast jeden Monat in total skurille Richtungen entwickeln. Sprachwandel orientiert sich überdies an einer wirtschaftlichen Linie; übernommen wird, was Sprache einfacher macht, was logisch erscheint und in der Anwendung eingängig wirkt. Sprache lässt sich nicht gezielt oder auf Befehl verändern, schon gar nicht, wenn über 70 % der Sprechenden dagegen sind.

Einzelne Vokabeln lassen sich nicht „mal eben“ einschleusen: 1999 ließ der Duden per Ausschreibung ein Wort für „nicht mehr durstig“ finden, den Sieger („sitt“) verwendet heutzutage niemand. Auch harmlos wirkende Anglizismen wie „chillen“ schaffen es nicht in den Wortschatz der meisten Deutschen – und dieses Wort hat nun beileibe nicht so viel Gegenwehr erfahren wie etwa der Genderstern.

„Ihr könnt doch einfach nicht gendern!“

Einige Gender-Befürworter beschwichtigen, indem sie behaupten, dass jeder sprechen und schreiben könne, wie er möchte. Das stimmt nicht ganz. Ja - niemand bekommt einen „Strafzettel“, wenn er nicht gendert, auch wenn der geneigte Leser sich wundern würde, was er unter dem Schlagwort „Bill C-16“ alles über die Google-Suche erspähen kann.

Aber in deutschsprachigen Ländern gibt es kein „Gesetz“, das einen verpflichten würde, zu gendern. Dennoch: Es ist überliefert, dass Hochschulen bereits Punktabzüge für das „Nicht-Gendern“ haben walten lassen, dass immer mehr Stadtverwaltungen und Kommunen das Gendern in offiziellen Briefen vorschreiben und dass immer mehr Unternehmen intern das Gendern vorgeben, um nicht rückständig zu wirken.

In den allermeisten Fällen müssen wir also davon ausgehen, dass nicht aus Überzeugung gegendert wird, sondern aus Angst vor Sanktionen, meist sozialer Natur. Ob das ein schlagendes Argument für vermeintlichen „Fortschritt“ sein kann?

Was bleibt?

Liebe Leser – sprechen Sie weiterhin bedenkenlos von „Lehrern“ oder „Schülern“ oder „Verkäufern“. Mit jeder Verwendung meinen Sie nicht nur Männer, sondern alle Menschen und Sachen, die gemeint sein könnten: Frauen, Mädchen, Tiere, Kinder, Männer, Jungs, Tiere, Außerirdische, Fabelwesen, das generische Maskulinum bringt alles mit und deckt alles ab, was Sie benötigen.

Den Gender-Verfechtern könnte man charakterliche Größe attestieren, wenn sie ihren Versuch abbrechen würden. Sie treiben unter dem Missbrauch des Begriffs „Sprachwandel“ eine Ideologie voran, die überflüssig ist und nicht zur Zusammenführung der Gesellschaft taugt.

Mit sich reden lassen Gender-Verfechter übrigens ungern; schnell fallen Schimpfworte und Schmähungen. Seltsam, dass diejenigen, die behaupten, Toleranz zu atmen, bei abweichender Geisteshaltung plötzlich gar nicht mehr so offen sind.

In Achtung

Kurt Jocher

Kommentare

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    Dr.med.Klaus Beinroth

    Ein wunderbarer Artikel, der mir sehr aus dem Herzen spricht. Da merkt man auch die Fachkenntnis, was die deutsche Grammatik angeht.
    Leider habe ich den Eindruck, dass sich in unserer Gesellschaft gerade die junge Generation ziemlich wenig für diese Problematik interessiert. Wahrscheinlich liegt es bereits schon an den Lehrern in der Schule von denen die meisten einer gewissen politischen Richtung angehören. Aber gerade unsere Lehrer sollten die deutsche Sprache richtig vermitteln.

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      matthias freyberg

      Dank an den Autor für diese erhellenden und souverän vorgetragenen Punkte zum Gendern.

      Ich selbst empfinde das Gendern als übergriffige Zumutung. Wer wagt es mir vorzuschreiben, wie ich reden soll?

      Gendern verschandelt die deutsche Sprache. Ganz abgesehen davon, dass sie nicht leisten kann, was ihre fehlgeleiteten Protagonisten sich erhoffen.

      Dreist kommen ihre Protagonisten daher: stetige Wiederholung wirkt - das ist bekannt. Frau Gerster hat das in einem interview unverblümt ausgedrückt: die Leute werden sich schon dran gewöhnen. Was nichts anderes bedeutet als: entweder sie glauben es am Ende aufgrund der ständigen Wiederholungen oder sie unterwerfen sich und leben mit der Schere im Kopf.

      Manche Firmen benutzen es in der irrigen Annahme, sich dadurch Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die Ersten werden die Letzten sein ........

      Wer nicht gendert outet sich – angeblich - als rückwärtsgewandt und sieht sich unversehens intellektuell und menschlich in der Defensive. Es ist gewissermaßen das Kopftuch der vermeintlich Progressiven. Das Spiel mit sozialen Ängsten ist perfide, spaltet und vergiftet.

      Teilweise kommt das gendern harmlos daher: es ist doch nur ein Akt der Höflichkeit und Freundlichkeit - was soll die Aufregung? Nichts könnte verfehlter sein als eine solche Einschätzung. Das gendern ist eingebettet in weitreichende und verfehlte Ansichten zu Identität und Gesellschaft, die in den identity politics kulminieren.

      Es ist unfassbar, dass mit dem gendern unaufklärerische, unwissenschaftliche und ideologische Positionen an Universäten gestützt werden und humanistische „think tanks“ wie die Giordano Bruno Stiftung hier mitgehen. Von den Behörden ganz zu schweigen.

      Nur Lämmer schweigen.....

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        René Edward Knupfer

        Ein grosses Bravo dem Autor !

        Der wie ein Krebsgeschwür um sich greifenden Gender-Gaga-Manie muss energisch entgegengetreten werden !
        Sprachverhunzung ist keine Bagatelle !

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          Anja Böttcher

          Inhaltlich stimme ja dem Beitrag voll und ganz zu - könnte sogar, als Germanist, noch eine ganze Menge hinzufügen.

          Aber ein Hinweis dann doch: Es geht jeder den Genderisten auf den Leim, der den unsinnigen Ausdruck des "generischen Maskulinums" (dito die Entsprechung zu "Femininum") verwendet. Maskulinum und Femininum sind Begriffe der Grammatik, das Gegensatzpaar "generisch" versus "spezifisch" jedoch der Pragmatik. Sie bezeichnen somit eine ganz andere Sprachebene.

          Das nämlich, was die Genderisten so unsinnig ideologisieren, ist das Nomen Agentis, d.h. ein mit dem Personalsuffix "-er" gebildetes Substantiv, (Bäcker, Lehrer etc), das nun einmal ein Maskulinum ist - ebenso wie das Nomen Instrumentalis, welches einen zu einer Handlung verwendeten Gegenstand bezeichnet (Bohrer, Staubsauger, Wasserkocher). Dass es sich bei der Endung "-er" um eine der ältesten Substantivendungen handelt, die aber keineswegs grundsätzlich mit dem Maskulinum einhergeht, erkennt man an den ältesten Verwandtschaftsbezeichungen wie Va-ter, Mut-ter, Bru-der, Schwes-ter.

          Auch ist das Nomen Agentis in seiner ursprünglichen generischen Verwendung keineswegs unmarkiert, sondern sexusindifferent markiert. Seine Markierung verliert es nur, wenn es spezifisch verwendet wird (der Bäcker Maier) oder ihm die mit dem Movierungssuffix "in" versehene markierte Form vorangeht (Bäckerinnen und Bäcker). Diese bedeutet soviel wie "die weiblichen aus der Gruppe der Bäcker und alle übrigen Bäcker - würde somit auch jeden dem Bäckerberuf Angehörigen bezeichnen, der sich nicht in den Geschlechterdualismus von Mann und Frau einordnen möchte.

          Übrigens hat der Ursprung der Genera im Indogermanischen überhaupt nichts mit Geschlechtlichkeit zu tun. Das, was wir heute Maskulinum nennen, ist das älteste und ursprünglich nur im Subjekt verwendete Genus Utrum. Es bezeichnete einen Akteur - und damit etwas Belebtes. In einem weiteren Schritt aber entwickelte sich ein weiteres Genus für ein meist unbelebtes Objekt, das Nicht-Utrum, ergo Ne-utrum. Im Skandinavischen gibt es immer noch ausschließlich die Genera Utrum und Neutrum. Und weil das Neutrum lange nur Objekte betraf, sind in allen indogermanischen Sprachen, die ein Neutrum kennen, Nominativ und Akkusativ des Neutrums formal gleich.

          Während zu Beginn das Neutrum nur im Singular vorkam, bildete sich langfristig ein Plural heraus, aus dem sich eine neues Genus entwickelte, nämlich die Abstracta. Aus ihm entstand das Femininum. Abstracta sind zum Beispiel die Freude, die Wut, die Weisheit, die Wärme usw. Sie wurden oft als Frauennamen verwendet. Ein Teil der Utrumformen, die als Defaultform zunächst alle Personen bezeichnete, wurden in das neue Genus der Abstracta ausgelagert. In den nachlateinischen romanischen Sprachen verschmolzen Neutrum und Femininum so vollkommen miteinander, dass nur zwei Genera übrigblieben: das Femininum und das Maskulinum.

          Doch sofern eine semantische Restbedeutung im Genus liegt, so ist dies keiner, der biologische Geschlechtlichkeit betrifft, sondern das Gegensatzpaar des Aktiven/Belebten und Passiven/Unbelebten.

          Die ideologischen Insinuationen der Genderisten gehen somit an der Realität der deutschen Sprache meilenweit vorbei. Ihre künstlichen Gebilde sind Gesslerhüte, die eine zeitlang jeder August im vermachteten öffentlichen Kommunikationsraum grüßen muss, will er die Anfeindungen einer kleinen aggressiven Minderheit vermeiden. Doch sie sind so vollständig an den Bauprinzipien der deutschen Sprache vorbeikonstruiert, dass sie sich nicht halten können. Wer ein Rückgrat hat, wird sie nicht verwenden.

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            Meinrad Locher

            Hallo Anja Böttcher

            Ihr Beitrag ist einer der besten auf dieser Website seit langem. Herzlichen Dank für diese wirklich aufschlussreichen Erklärungen!

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            Christian

            Es ist wohl fehlerhaft zu denken, der Zuzug weiblicher Studentinnen im Bereich der Rechtswissenschaften und anderen Studiengängen ging von alleine vonstatten. In den letzten 20 Jahren wurde permanent verdeutlicht, dass Frauen auch Berufe anstreben können, welche dem Rollenbild nicht entsprechen. Es ging nicht von alleine, sondern durch mediale Aufmerksamkeit bezüglich der Thematik.

            Bei einem Stellenangebot, in welchem explizit nach “Mechanikern“ gefragt wird, werden viele Frauen eventuell diesen Berufszweig nicht anstreben, da sie sich nicht angesprochen fühlen. Und den Lehrberuf weniger Menschen zugänglich zu machen sollte nicht Ziel einer Gesellschaft sein, denn so wie akademische Ausbildung nötig ist für die Gesellschaft werden auch stets handwerkliche Fähigkeiten von Nöten sein. Frauen sollen sich in allen Bereichen angesprochen fühlen.

            Der Aufwand des Gendersterns ist ohnehin ein geringer und ich sehe durchaus den Nutzen darin.

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              Anja Böttcher

              Den Beruf des Mechanikers streben auch nicht mehr Mädchen an, wenn die Ausschreibungen mit Doppelformen oder Schrägstrichen deutlich machen, dass auch webiliche Bewerber willkommen sind. Auch haben Medien kaum Einfluss auf die Berufswahl junger Leute.

              Wer eine gleichmäßige Aufteilung von Männern und Frauen in allen Berufssparten möchte, muss wohl zum realsozialistischen Modell zurückkehren, in dem der Staat jungen Menschen die Berufsausbildung vorschreibt.

              In Norwegen, das zuvor als egalitärstes Land Europas galt, wurden alle Genderinstitute dichtgemacht, nachdem sich zeigte, dass mit zunehmender politischer Gleichheit (konsequente Frauenförderquote nach dem Gleischstellungsgesetz von 1973) die Berufswahl erst recht klischeehaft nach Geschlechtern auseinanderdriftete. Man findet den Bericht über die Untersuchungen Harald Eias unter dem Begriff "Gender-Paradoxon".

              Und was Lehrer betrifft - die generische Verwendung des Nomen Agentis, eines Maskulinum, hat nicht verhindern können, dass männliche Lehrer im deutschen Schulsystem eine aussterbende Spezies zu werden drohen. Es bedarf also definitiv keiner sogenannten "weiblichen Formen", um Frauen mit einer Annonce "anzusprechen". Es muss sich schlicht nur um den Beruf handeln, den sie auch machen wollen.

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                G.S.

                So ein Unsinn darf nicht unwidersprochen bleiben!
                Schon im ersten Satz ist von weiblichen Studentinnen die Rede, so als ob es auch männliche Studentinnen gäbe.
                Darüber hinaus glaubt Christian , dass der Anteil der weiblichen Studenten in „männlichen“ Studienfächern nur deshalb größer wurde, weil in den letzten 20 Jahren Mädchen darauf hingewiesen wurden, dass sie auch einen „männlichen“ Beruf ergreifen dürften. Dass das ein Irrglaube ist, zeigen die Beispiele aus der Vergangenheit: Als ich vor 55 Jahren anfing zu arbeiten, war unter den 11 Mathematikern in meiner Abteilung immerhin schon eine Frau. Als ich vor 20 Jahren aufhörte zu arbeiten, gab es unter den inzwischen mehr als 50 Mathematikern schon genauso viele weibliche wie männliche Kollegen.
                Aber der Trend setzte schon viel früher ein. Schließlich gab es schon zu meiner Schulzeit sehr viele weibliche Lehrer, obwohl auch der Lehrerberuf früher nur vereinzelt von Frauen ausgeübt worden war. Inzwischen – und nicht erst seit 20 Jahren – ist der Anteil der männlichen Lehrer sehr klein geworden (was inzwischen zwar als Problem für Jungs erkannt worden ist, wofür aber keine Lösung in Sicht ist, da ja vor allem Mädchen gefördert werden sollen). Und wie steht es mit den Ärztinnen? Davon gibt es inzwischen auch sehr viele, die ihre Ausbildung vor mehr als 20 Jahren begonnen haben. Auch bei den Richtern und Rechtsanwälten gab es schon vor 20 Jahren eine ähnliche Entwicklung. Wenn man mal davon absieht, dass Frauen keine katholische Priesterweihe empfangen dürfen, üben inzwischen auch viele Frauen im theologischen Bereich ehemals „männliche“ Berufe aus.
                Die genannten Beispiele stammen zwar alle aus dem akademischen Bereich, aber der Trend, dass Frauen einen ehemals „männlichen“ Beruf ergreifen, setzt sich auch auf andere Bereiche fort – möglicherweise sogar angeregt durch die Beispiele aus dem akademischen Bereich. Kauffrauen gibt es auch schon seit mehr als 20 Jahren. Beim Handwerk ist die Entwicklung – zumindest in einigen Berufen – noch nicht so weit fortgeschritten. Ich glaube daher, dass die Bezeichnung „männlicher“ Beruf oder „weiblicher“ Beruf die Berufswahl der Kinder immer weniger beeinflussen wird (auch ehemals ausschließlich „weibliche“ Berufe und Tätigkeiten wie Krankenschwester, Kindergärtnerin, Hebamme, Hausfrau werden – oft unter anderem Namen – inzwischen auch von Männern ausgeübt). Und ich bezweifle, dass Frauen – ebenso wenig wie Männer – in einem Beruf glücklich sein können, den sie gewählt haben, weil man ihn ihnen angepriesen hat, nicht aber weil sie sich dazu berufen gefühlt haben.
                Was hat das alles mit Gendern zu tun? Ebenso wie versucht wird, mit medialer Aufmerksamkeit zu erreichen, dass mehr Mädchen „männliche“ Berufe ergreifen, so wird ebenfalls versucht, mit medialer Aufmerksamkeit den Frauen zu suggerieren, dass sie bei Berufs-, Funktions- und Gruppenbezeichnungen nicht mitgemeint und dadurch unterdrückt seien, wenn diese Bezeichnungen ein männliches grammatisches Geschlecht haben. Diejenigen, die meinen, durch eine veränderte Sprache dieser erfundenen Unterdrückung entgegenzuwirken, haben offenbar keine Ahnung von unserer Sprache (siehe den obigen Kommentar von Anja Böttcher) oder von den verheerenden Auswirkungen, die sie mit ihren Sprachveränderungen letztendlich bewirken (siehe den am 17. August 2021 auf dieser Seite erschienen Artikel „Die Inkohärenz der Gender-Ideologie“ von Michael Robillard).

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                Christian

                Es gehört dazu, dass widersprochen wird, so regen wir die Diskussion an.

                Da hier nun mehrere Themen gefallen sind antworte ich auf diese in unbestimmter Reihenfolge.

                Es stehen nämlich gerade Aussage gegen Aussage bezüglich der Berufswahl, hier der des Mechanikers und ob sich Frauen angesprochen fühlen würden.

                Anja gibt ein klares “nein“, ich gebe ein klares “ja“. Meine Begründung für die Bejahung ist, dass, so lange auch nur die Möglichkeit besteht, dass sich eine Person aufgrund eines Wortlautes exkludiert fühlen könnte, der Einsatz neuer sprachlicher Gegebenheiten lohnen kann.

                Am Besten wäre vermutlich eine sächliche Sprache - weder die Verwendung des Maskulinums noch des Femininums.

                Ein weiteres häufiges Argument gegen das Gendern stellt die Verschandelung der deutschen Sprache dar. An der Stelle will ich an die Rechtschreibreform erinnern. Diese war ebenso unbeliebt in der Gesellschaft, heute spricht niemand darüber.

                Zu Norwegen möchte ich daran erinnern, dass dort Frauenquoten üblich sind. Um Gleichstellung zu ermöglichen wird permanent daran gearbeitet.

                Die Konvention zur Gleichstellung der Frau, auch Frauenrechtskonvention umgangssprachlich genannt wurde in mehreren EU Ländern ratifiziert. Daher Anja bin ich der Meinung, dass bestimmte Regulierungen nützlich sind.

                Lieber G.S.

                Ich tituliere ihren Beitrag nicht als Unsinn. Davon hat der Diskurs keine Mehrwert, doch verstehe ich, dass dieses Thema auch Emotionen erweckt.

                Ihrem Beitrag entsprechend will ich anmerken, dass es erfreulich ist, dass zu jener Zeit viele Frauen tätig waren in der Mathematik.

                Doch wenn Sie Statistiken, ich persönlich bin Österreicher, weswegen ich die Statistik Austria verwende, betrachten werden sie sehen, dass Frauen, wie in vielen Ländern, die größte Gruppe an Studierenden darstellt.

                Doch in MINT Fächern sind sie weitestgehend unterpräsent. Diese stellen gleichzeitig jedoch meist jene Fächer dar, welche ein höheres Gehalt ermöglichen. Es ist stets Entscheidung des Individuums im Rahmen soziolökonomischer Gegebenheiten, welche Richtung gewählt wird. Doch es scheint, dass hier noch immer zu wenig Gleichstellung vorherrscht.

                Ich bin überzeugt, dass für echte Gleichstellung auch noch wesentlich mehr getan werden muss als eine sprachliche Anpassung. An der Stelle will ich an den “Womens Day Off“ erinnern in Island, ein Event mit großer Wirkung.

                Doch ist sprachliche Anpassung ein erster Schritt um alle Personen geschlechtsfrei und dadurch neutral anzusprechen.

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                  Lilith

                  Welch unendliche Zeit haben die Diskussionen über Gendern verschlungen!
                  Und noch lange keine Ende - statt dessen eine stete Verhärtung beider Positionen.

                  Mädchen ergreifen keine Männerberufe, weil sie nicht wissen, daß das möglich wäre?
                  Wer von den akademisch gebildeten Diskutanten glaubt dieses Argument selbst?

                  Tatsache ist leider, daß junge Frauen mit besten Voraussetzungen bei einer Bewerbung um die Ausbildung als Tischler, Gärtner, Mechatroniker, Tierfbauarbeiter oder Müllwerker kaum eine Chance bekommen und statt dessen in die schlecht bezahlten, aber physisch wie phsychsisch anspruchsvolleren Berufe wie Altenpflegerin, Supermarktkassiererin oder Kindergärtnerin abgedrängt werden, an deren Berufsanforderungen junge Männer eher scheitern. Bei der Leitung von Pflegeeinrichtungen, Märkten und anderen Firmen, in denen weibliche Angestellte überwiegen, dominieren seltsamerweise die Herren - kein Unterschied zwischen Handwerk und Universität.

                  Warum bekommt eine MTA (früher Arzthelferin) trotz hochqualifizierter Ausbildung und hoher Verantwortung nur einen Teil des Einkommens eines Trockenbauers?
                  Man spricht seit Jahren vom Pflegenotstand, doch warum können manche Pflegende von ihrem Einkommen trotz Schichtarbeit und nur zwei bis vier freien Tagen im Monat bei Vollzeit ihren Lebensunterhalt nicht decken? Ist es nicht das ureigenste Gesetz des Marktes - alles was knapp ist, verteuert sich?
                  (Die Erklärung hierfür liegt in der Privatisierung des Gesundheitswesen und der Profitgier der Akteure, allen voran der "christlichen" Arbeitgeber, denen jeder unbesetzte Arbeitsplatz noch mehr Gewinn bringt.)

                  Also, ich finde, es gäbe genügend wirkliche Probleme zwischen den Geschlechtern zu lösen.
                  Ein schlauer Einbrecher wirft den Hunden ein paar Knochen vor, die können sich dann so lange mit Gendersternchen, Schrägstrichen und Doppelpunkten beschäftigen, bis die Bude ausgeräumt ist.

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                    Alexander

                    Kurzer Hinweis zur Sache: Manchmal lohnt es sich sogar, die taz zu lesen! ;)

                    https://taz.de/Gendern-als-Ausschlusskriterium/!5782080/

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                      Christian

                      Lillith, im Bereich der Wahrnehmung der Menschen stellt sich hier nicht mehr die Frage, ob das Gendern einen Einfluss auf hat oder nicht, es ist bereits mit mehreren Studien beforscht und erwiesen.

                      Man hat beispielsweise Männer und Frauen befragt, ob sie einen Schauspieler kennen - daraufhin wurden natürlich hauptsächlich männliche Personen genannt.

                      Das generische Maskulinum schützt nicht vor der Chance, übersehen zu werden.

                      Und zu der Sache, dass akademische Personen dies nicht so sehen würden:

                      Ich beschäftige mich als Akademiker mit der Marginalisierung von Menschen. Und insbesondere in bildungsfernen Schichten ist festzustellen, dass das Ergreifen eines dem rollentypisch nicht entsprechenden Berufes häufig vor kommt. Der Gedanke, anders zu handeln wird zumeist nicht gefasst.

                      Es ist definitiv nur eine kleine Veränderung im Leben der Menschen, gendergerecht zu schreiben.

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                        Alexander

                        @Christian: Wenn ich in einem Text auf Gender-Neusprech stoße, dann breche ich die Lektüre sofort ab! Portale, die generell in diesem defekten Deutsch verfasst sind, rufe ich nicht mehr auf. Fernsehsendungen, die bei diesem Irrsinn mitziehen, schaue ich mir nicht mehr an. Und Parteien, mich auf ihren Webseiten als "Genoss" ansprechen (denn das "innen" trifft nun einmal nicht auf mich zu!), die wähle ich nicht! (Wie gerade erst bei der Bundestagswahl geschehen)

                        Und das alles ist für mich nicht verhandelbar!

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