Wer bist du?

Erinnerungen, Perspektiven und das Selbst

Wer bist du?

Foto: pixabay.com

The Discovery ist ein 2017 von Netflix produzierter Film, in welchem Robert Redford einen Wissenschaftler spielt, der beweist, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. „Sobald der Körper stirbt, verlässt uns ein Teil des Bewusstseins und reist auf eine neue Ebene“, erklärt der Wissenschaftler, unterstützt von seinem Apparat, der, wie es eine andere Filmfigur ausdrückt, „Gehirnwellen misst, die auf einer subatomaren Ebene den Körper nach dem Tod verlassen.”

Diese Idee ist nicht allzu weit von einer Theorie entfernt, die Quantenbewusstsein genannt wird, propagiert von etlichen Persönlichkeiten, vom Physiker Roger Penrose bis zum Arzt Deepak Chopra. Einige Varianten der Theorie behaupten, dass unser Geist nicht nur das Produkt unseres Gehirns ist, und dass Bewusstsein getrennt von Materie existiert, so dass der Tod unseres Körpers nicht das Ende unserer bewussten Existenz darstellt. Da dies das Thema meines nächsten Buches ist, Heavens on Earth: The Scientific Search for the Afterlife, Immortality, and Utopia [Himmel auf der Erde: Die wissenschaftliche Suche nach Leben nach dem Tod, Unsterblichkeit und Utopie] (Henry Holt, 2018), sprach der Film eine Reihe von Problemen an, die ich bei all diesen Konzepten festgestellt habe; wissenschaftliche wie religiöse.

Erstens, ist da die Annahme, dass unsere Identität in unseren Erinnerungen liegt, von denen man glaubt, dass sie fortwährend in unserem Gehirn aufgezeichnet werden: Wenn sie in einen Computer übertragen oder dupliziert und in einen wiederbelebten Körper oder eine Seele implantiert werden könnten, würden wir wiederhergestellt. Aber das ist nicht die Art, wie Erinnerung funktioniert. Erinnerung ist nicht wie ein Videorekorder, der die Vergangenheit auf einem Bildschirm in Ihrem Geist abspielen kann. Erinnerung ist ein fortwährend verarbeitet werdender und fließender Vorgang, der ganz und gar davon abhängt, dass die Nervenzellen in unserem Gehirn funktionieren. Gewiss, wenn Sie einschlafen und am nächsten Morgen erwachen, oder wenn Sie sich für eine Operation einer Narkose unterziehen und nach Stunden wieder zu sich kommen, kehren Ihre Erinnerungen zurück, wie sie das sogar nach sogenannter schwerer Hypothermie und Kreislaufstillstand tun. Bei dieser Prozedur wird das Gehirn eines Patienten bis auf 10 Grad Celsius abgekühlt, wodurch die elektrische Aktivität der Nervenzellen zum Stillstand kommt – und das lässt darauf schließen, dass Langzeit-Erinnerungen statisch gespeichert werden. Aber dies kann nicht geschehen, wenn Ihr Gehirn stirbt. Deshalb muss eine Reanimation auch so kurz nach einem Herzanfall oder Ertrinken ausgeführt werden: Wenn es dem Gehirn an sauerstoffreichem Blut mangelt, sterben die Neuronen zusammen mit den Erinnerungen, die in ihnen gespeichert sind.

Zweitens, gibt es die Vermutung, dass ein Kopieren des Konnektoms Ihres Gehirns – das Diagramm seiner neuronalen Verknüpfungen – und seine Eingabe in einen Computer (wie es manche Wissenschaftler vorschlagen), oder die Auferstehung Ihres Körpers in einem weiteren Leben (wie es sich viele Religionen vorstellen), dazu führen, dass Sie in einem Labor beziehungsweise im Himmel wie nach einem langen Schlaf erwachen. Doch eine Kopie Ihrer Erinnerungen, Ihres Geistes oder sogar Ihrer Seele wären nicht Sie. Es wäre eine Kopie von Ihnen, nicht anders als ein Zwilling; und kein Zwilling schaut auf seinen Bruder oder ihre Schwester und denkt: „Da bin ich.“ Weder eine Kopie noch eine Auferstehung kann Sie auf einer anderen Ebene der Existenz wiederherstellen.

Drittens, ist Ihre einmalige Identität mehr als nur Ihre intakten Erinnerungen; sie ist auch Ihre persönliche Perspektive. Der Neurowissenschaftler Kenneth Hayworth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Howard Hughes Medical Institute und Präsident der Brain Preservation Foundation [Stiftung für die Konservierung von Gehirnen], unterteilte diese Einheit in das MEM-Selbst [von „memory“ = Erinnerung] und das POV-Selbst [von „point of view“ = Perspektive]. Er glaubt, dass wenn ein vollständiges MEM-Selbst in einen Computer übertragen wird (oder, einmal angenommen, im Himmel aufersteht), das POV-Selbst erwachen wird. Dem stimme ich nicht zu. Wenn dies ohne den Tod der Person geschähe, gäbe es zwei Erinnerungs-Selbst, jedes mit seinem eigenen POV-Selbst, welche die Welt mit ihren jeweils eigenen Augen betrachten. Von diesem Zeitpunkt an würden beide unterschiedliche Lebenswege gehen und dabei unterschiedliche Erinnerungen aufzeichnen, basierend auf unterschiedlichen Erfahrungen. „Sie“ würden nicht plötzlich zwei POVs haben. Würden Sie sterben, so gäbe es keinen bekannten Mechanismus, durch den Ihr POV-Selbst von Ihrem Gehirn in einen Computer (oder einen auferstandenen Körper) übertragen werden könnte. Ein POV hängt völlig von der Kontinuität des Selbst ab, von einem Augenblick zum nächsten; auch dann, wenn diese Kontinuität durch Schlaf oder Narkose unterbrochen wird. Der Tod ist ein andauernder Bruch der Kontinuität, und Ihr persönliches POV kann nicht von Ihrem Gehirn in ein anderes Medium übertragen werden; weder jetzt noch später.

Wenn das auch deprimierend klingt, so ist es doch genau das Gegenteil. Das Bewusstsein unserer Sterblichkeit ist ermutigend, denn es bedeutet, dass jeder Augenblick, jeder Tag und jede Beziehung zählt. Mit der Welt und mit anderen fühlenden Wesen zu interagieren, gibt dem Leben einen Sinn und Bedeutung. Jeder von uns ist einmalig in der Welt und in der Geschichte, geographisch und chronologisch. Unsere Genome und Konnektome können nicht vervielfältigt werden; somit sind wir Individuen, ausgestattet mit dem Bewusstsein unserer Sterblichkeit und der Selbsterkenntnis dessen, was dies bedeutet. Und was bedeutet es? Das Leben ist keine vorübergehende Etappe vor der großen Show danach – es ist unsere persönliche Bühne im Schauspiel des Kosmos im Hier und Jetzt.

Übersetzung: Klaus Miehling, Jörg Elbe

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Kommentare

  1. userpic
    Hans Albers

    "...so dass der Tod unseres Körpers nicht das Ende unserer bewussten Existenz darstellt."

    Quantenbewusstsein ? Das heisst doch das hier entweder Transzendenz oder Metaphysik oder beides bei den Atheisten Einzug halten. Ganz ohne scheint es doch nicht zu gehen :-).

    Wenn das nicht der Beginn einer wundervollen Freundschaft zwischen Atheismus und Religion sein könnte dann weiß ich es auch nicht :-)

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      Kalle Simon

      Da gibt es keine Metaphysik.
      Nur weil der Film eine Quantenebene öffnet, um so eine Art "Unsterblichkeit der Seele" zu propagieren, heißt es nicht, dass diese in dieser Form existiert. Die Prämisse kann wahr sein, muss es aber nicht. Da es keine Anschauung einer Seele gibt, geschweige denn einen hinreichenden Begriff von "Unsterblichkeit", wird es sehr schwer beides als Prämissen ohne empirische Grundlage zu nutzen.
      Für ein Gedankenspiel reicht es jedoch allemal.

      Die Zweifel im Beitrag finde ich berechtigt, da sie auf die Probleme eines solchen Quantenbewusstseins eingehen.

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        Tobias Claren

        Was sind das eigentlich für "Wissenschaftler" die meinen dass wenn man alle Neuronen etc. eines Gehirns 1:1 in einem Computer oder sogar einer Maschine abbildet, dass dies dann der Mensch sein müsste dessen Hirn da kopiert wurde.
        Das ist die Radikal einfache Aussage derer, die von einem absolut materiellen Bewusstsein ausgehen. Das ist ja eine Sache, aber es ist irrational bzw. unlogisch.
        Das funktioniert einfach nicht.
        Wenn Ich diese Kopie einschalten kann, wenn die Person tot ist, dann kann Ich das auch schon zu Lebzeiten. Wenn ich will auch 10 Kopien.
        Aber wie sollten zwei "Ich" zugleich existieren? Das ist ein rein logischer BEWEIS dafür dass das Bewusstsein, euer "Ich"-Bewusstsein eben NICHT einfach nur durch die "Zahnräder im Gehirn" entstehen kann...

        Und wenn die Person 50 Jahre "eingefroren" wäre, und dann wiederbelebt werden KÖNNTE (die Annahme der Cryo-Aktivisten) müsste ihr "Ich" längst woanders sein.

        ECHTER Skeptizismus ist super, ABER z.B. der Spruch mit den außerordentlichen Behauptungen die außerordentliche Beweise bräuchten ist unzulässig.
        Auch dass hier das Ergebnis eines Experimentes von den Experimentatoren abhängen kann, spricht NICHT gegen Experimente und Auswertung.
        In der Psychologie sind die Zielobjekte wie auch die Wissenschaftler Individuen.
        Und bei angenommenen "Seelen" ist es nicht anders, genau so wie auch theoretische noch unbekannte Unterschiede der Hirne von Experimentatoren mit mehr Erfolg existieren können.

        Wenn sich Universitäten wie Wissenschaftler trauen würden Experimente wie das von 1971 bei Belling und Lee in England durch zu führen:
        vtf.de/p73_1.shtml
        Das waren seriöse Wissenschaftler die sogar vorher noch sicher verkündeten es müsse sich um "Radiodurchschläge" handeln.
        Man beachte ihre Aussagen danach:
        Das Problem ist, Wissenschaftler haben Angst davor sich damit den Ruf zu ruinieren.
        Auch 50.000 Deutsche Mark waren nicht wenig für die Bitte an 11 Universitäten dieses Phänomen zu untersuchen. Eine Uni meldete sich, sagte dann aber doch aus Angst um ihr Image ab...
        Diese Ignoranz sorgt dafür dass sich Neurologen und Philosophen etc. auf Kongressen zum Bewusstsein und seiner Ursache treffen, und da labern, und labern, und labern, obwohl sie ein hartes Experiment zur Verfügung hätten, mit dem Sie einen Beweis erbringen können.
        Der Wiener Hans Luksch hat mit Hilfe der Methode mindestens 5 (die Bekannten mit Namen der Opfer etc.) Mordfälle aufgeklärt.
        Man kann ja unterstellen "das ist nur reingehört, Pareidolie", aber wenn der verständliche Angaben zu Namen etc. hat, und sich dann raus stellt dass diese Person auf die es vorher keinerlei Hinweis gab Schuld ist... Oder man an einem benannten Ort die Leiche findet?

        Es ist einfach und billig was die Möglichkeit von Experimenten angeht...

        Aber bitte nicht mit Tricks die zum Ziel haben sollen nichts zu finden.
        Da wäre z.B. ein Tonband nachts in der leeren Uni laufen zu lassen.
        Denn das ist bösartig und ignoriert ganz bewusst den Punkt, dass die angenommenen Stimmen sich ganz bewusst zu einem Experimentator begeben der sie ruft.
        Dort Einfluss auf das Aufnahmegerät nehmen.
        Es ist auch wissenschaftlich unzulässig irgendwelche Details oder die Existenz eines Phänomen selbst vorher als "Unsinn" abzutun und darauf basierend zu behaupten es wäre widerlegt.
        Den hier geschilderten unseriösen maliziösen Methoden will ja wohl niemand zustimmen: www.debunkingskeptics.com

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