Wer ist humorvoller? - Der Gläubige oder der Wissenschaftler?

Zum Humor gehört das lockere Eingeständnis von Unwissenheit. Wenn es einen selbst betrifft, wenn man also von anderen aufgezeigt bekommt, dass man sich in einer Situation mangels Hintergrundwissen komisch verhalten hat. Das Verhalten passt dann oft nicht zu dem Verhalten, das man in der Situation eigentlich erwartet hätte. Man hat Humor, wenn man eingesteht, dass man sich tatsächlich komisch verhalten hat. Und hinterher darüber lachen, zumindest darüber schmunzeln kann.
 Wenn es andere betrifft, so gehört zum Humor Verständnis für die Unwissenheit der anderen. Wenn wir bei anderen solche Situationen entdecken und darüber lachen, so zeigen wir Humor: Wir verzeihen dem Anderen sein Fehlverhalten, wir entdecken etwas Neues, eine neue Konstellation von Situation und Verhalten. Allerdings muss sich dieses Fehlverhalten in gewissen Grenzen bewegen. Man muss noch darüber lachen können. Wenn Dritte durch dieses Fehlverhalten Schaden leiden, so ist dies nicht unbedingt humorvoll.
 Aber selbst hier gibt es eine Extremform des Humors: die Schadenfreude. Die Schadenfreudigen lachen in der Regel nicht, aber sie freuen sich über den Schaden eines Anderen, zum Beispiel eines Konkurrenten oder Nebenbuhlers.
 Mit der Religion ist es nun so beschaffen, dass die Regeln und Grenzen des Verhaltens stärker festgelegt sind. Der Humor und das Lachen stellen dagegen die Regeln und Grenzen infrage. Die Religion lebt von Regeln und Dogmen, von Geboten und Verboten. So lässt sich mit Menschen, die einer etablierten Religion anhängen, zwar in Alltagssituationen in der Regel lachen, aber der religiös erzogene Mensch hat gewöhnlich die Grenzen seiner Religion immer im Hinterkopf. Er muss in einer Situation beurteilen, ob er aus Sicht seines Glaubens überhaupt lachen darf, steht also gewissermaßen unter dem Zwang eines Filters. So ist es auch kein Wunder, wenn in Religionsgemeinschaften selbst der Humor und das Lachen durch Rituale kanalisiert werden. Dort gibt es dann Feste der Fröhlichkeit, bei denen die Gläubigen diesen Filter eine Zeitlang ablegen können und nicht Angst davor haben müssen, Grenzen zu überschreiten, die ja ansonsten allseits bekannt sind. Schwerlich wird man unter ihnen Anhänger des sogenannten schwarzen Humors finden, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie Spaß daran haben, Grenzen des Humors auszuloten und zuweilen zu überschreiten.
 Was ist denn der Faust anderes als Erkenntnisgewinn aus dem Dialog weißer und schwarzer Mächte? Der Faust ist ein Dialog zwischen einem Wissenschaftler und dem Grenzüberschreiter Mephisto, nicht zwischen einem Gläubigen und dem Teufel. Es gibt eine enge Verbindung von Humor und Wissen beziehungsweise Unwissenheit. Oft zeigt sich auch bei näherer Betrachtung, dass die Situation gar nicht so humorvoll ist, sondern dass sich derjenige, über den man gelacht hat, in gewisser Hinsicht, nämlich aus seiner nur ihm zur Verfügung stehenden Perspektive und gemäß seines Wissensstandes, durchaus angemessen verhalten hat.
 Da aber so der Humor und das Lachen auch wichtige Quellen der Weisheit sind, nimmt es nicht wunder, dass es um das Wissen und die Weisheit der Anhänger etablierter Religionen nicht immer gut bestellt ist. Denn es kommt ja nicht zu einer dynamischen Erweiterung von Regeln und Dogmen, deren inhärente Eigenschaft Starrheit ist. Aber daraus ergibt sich auch der alte traditionelle Gegensatz von Wissenschaft und Religion.
 Wer har nun mehr Humor? Der Glaubende oder der Wissende? Der Glaubende hat offensichtlich größere Grenzen. Der Wissende kann sein Wissen durch Humor erweitern. Er fordert den Dialog heraus. Er hat nichts zu verlieren, er kann nur gewinnen, nämlich an Wissen. Der Glaubende kann seinen Glauben verlieren. Wodurch? – Durch Wissen. Wenn er sich allerdings durch den Wissenden nicht überzeugen lässt oder nicht überzeugen lassen will, hat er in der Tat verloren. Er hat dann zwar weiter seinen Glauben, aber er bleibt allein. Nicht ganz allein, er bleibt natürlich mit Gleichgläubigen vereint. Allerdings ohne wahren Dialog, nur in stetiger Bestätigung des schon bekannten Glaubens.

Kommentare

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    Franz Wolf

    Es ist traurig, aber es stimmt. Gäbe es einen Gott, und er würde die larmoyanten und gedankenlosen Zeremonien dieser sogenannten Gläubigen sehen, er würde schallend lachen. Er würde sich totlachen...

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      Mario Gruber

      Die Atheisten müssen bei dem ganzen Blödsinn auch noch zuschauen, da gibt es nichts zu lachen. Aber wir haben dafür den Alkohol und die Ironie!

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        Nico Groß

        Die Fragestellung ist leider schon inkorrekt.
        Gläubiger oder Wissenschaftler, damit schließen Sie aus, dass ein gläubiger Mensch ein Wissenschaftler sein kann. Doch was ist mit Max Planck, Galileo Galilei, Werner Heisenberg, Isaac Newton, Carl Friedrich Gauß, Johannes Keppler, Blaise Pascal, Kurt Gödel, Albert Einstein... sie waren alle gläubig und Sie wollen doch nicht behaupten, dass sie keine Wissenschaftler waren.

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