Franz-Josef Jung, der frühere Bundesverteidigungsminister, ist neben Volker Kauder innerhalb der Union wohl einer der bekanntesten und lautstärksten Vertreter einer Politik, die Christenverfolgung bekämpft.
Immer wieder tritt Jung mit Forderungen nach mehr Härte gegen diejenigen auf, die Christen diskriminieren, unterdrücken oder ihnen Gewalt zufügen. An sich ist das ein durchaus lobenswertes Engagement, denn der Schutz der Religionsfreiheit ist eine bedeutende Aufgabe, auf die wir gerade in einem demokratischen Rechtsstaat besonderes Augenmerk legen müssen. Daher verwundert es auch nicht, dass Jung mittlerweile nicht nur die Verfolgung der Christen in fernen Ländern kritisiert, sondern immer öfter auch im eigenen Land. Aktuell haben es ihm die Flüchtlinge christlichen Glaubens angetan, die aus Teilen Afrikas, aber besonders auch aus Syrien und dem Irak geflohen sind – und dort bereits als Minderheit oft schwerem Schicksal ausgeliefert waren. Nun müssen sie, wie gerade auch evangelikale Hilfswerke und Gemeinden wiederkehrend verlautbaren lassen, in deutschen Asylbewerberheimen die Gängelung durch Flüchtlinge anderer religiöser Überzeugung fürchten, insbesondere wohl von Muslimen.
Entsprechend formulierte Jung in einer Pressemitteilung am 17. Oktober 2016:
"Wer Christen und religiöse Minderheiten in Flüchtlingsunterkünften angreift, hat seine Zukunft bei uns in Deutschland verwirkt und muss gehen! Es kann nicht sein, dass Konflikte und Vorurteile aus den Herkunftsländern weiter bei uns ausgelebt werden. Die Opfer müssen vor jenen geschützt werden, die sich nicht an die Spielregeln unseres Zusammenlebens halten wollen“.
Mittlerweile ist man wohl auch in der CDU/CSU dazu übergegangen, vermehrt von „religiösen Minderheiten“ zu sprechen. Christen stehen aber weiterhin im Vordergrund. Doch wissen wir tatsächlich, was in unseren Asylbewerberheimen geschieht? Sind es tatsächlich vornehmlich die Christen, die dort unter Druck gesetzt werden? Und was meint Jung mit einer „religiösen Minderheit“? Fasst er darunter auch Atheisten zusammen? Von ihnen wissen wir, dass sie weltweit ebenso zu einer großen Gruppe derjenigen gehören, die aufgrund ihrer Überzeugungen um ihr Leben bangen müssen.
Dass die CDU ein Jahr vor der Bundestagswahl ihr „C“ wieder schärfen will, das zeigen nicht nur die Einlassungen von Dr. Jung. Da empfiehlt uns die Kanzlerin das Auswendiglernen von christlichen Weihnachtslieder, die von der Blockflöte begleitet unter dem Tannenbaum gesungen werden sollen. Und da wird im Zuge der „Leitkultur“ immer wieder von unseren christlichen Werten und Traditionen gesprochen. Wahrscheinlich bedauern Angela Merkel und ihr Team bereits, dass es Sigmar Gabriel war, der nach einem evangelischen Pfarrer als Staatsoberhaupt eine evangelische Bischöfin a.D. als Nachfolgerin vorgeschlagen hat, und womöglich reiben sich die Christdemokraten die Hände, wenn passend zum Reformationsjahr vielleicht doch der Ethik-Lehrer der Nation, Prof. Huber, letztlich ins Schloss Bellevue einziehen könnte. Hauptsache christlich. Wer denkt schon daran, das Wort „humanistisch“ oder gar „säkular“ in den Mund zu nehmen, pfui!
Offensichtliche Klientelpolitik
Verfolgt werden die Konfessionsfreien bei uns zwar seltener, aber ignoriert. Man kann sich durchaus fragen, was schlimmer ist. Wenn stets das Leid der Christen betont wird, die um ihre Freiheiten kämpfen müssen, dann ist es eine pure Naivität und ein bewusstes Ausblenden der Realität, dass Atheisten gleichsam hierzulande noch um grundlegende Rechte zu ringen haben. Um Mitsprache, um Anerkennung und um Gleichberechtigung. Auch ein christlicher Politiker ist verpflichtet, sich unabhängig seines Bekenntnisses für die Belange aller Menschen ohne Unterschiede einzusetzen. Jung und Kollegen gelingt das bisher kaum. Ihre Fokussierung zeigt auch jetzt erneut, dass sie offensichtliche Klientelpolitik betreiben, ohne dabei das Grundgesetz nochmals in aller Deutlichkeit gelesen zu haben. Kann man von der CDU erwarten, ein Statement für Säkulare abzugeben? Ein Votum für einen freidenkerischen Bundespräsidenten, der dies genauso selbstverständlich betont wie Joachim Gauck seine protestantische Herkunft?
Wahrscheinlich müssen wir uns aber weniger über Politiker wundern, die mit der weltanschaulichen Realität hier in Deutschland offenkundige Probleme haben. Da fordern viele einen Muslim im höchsten Staatsamt. Nicht verwerflich, viel eher symbolträchtig, aber kaum konsequent. Denn die Zahl derjenigen, die weder der katholischen, der evangelischen Konfession, noch dem Islam angehören, kratzt an der Mehrheitsmarke. Und kaum jemanden interessiert das. Da weint man denen nach, die scharenweise die Kirche verlassen, anstatt zu respektieren, dass die Religionsfreiheit auch bedeutet, sich unbeeinflusst für einen Glauben entscheiden zu können – und mit diesem dann gleichsam wertgeschätzt zu werden wie die, die mehr oder weniger überzeugt den religiösen Institutionen die Stange halten. Die Präsenz der Gottfreien, der Humanisten oder der Zweifelnden bleibt letztendlich aber gering, ihr Selbstbewusstsein ist offenbar nicht einmal groß genug, um politisch auf ihre Benachteiligung aufmerksam machen zu können und mit Rückgrat für die eigenen Ideale zu werben, die nicht nur in Flüchtlingsheimen alltäglichen Anfeindungen ausgesetzt sind. „Wer säkular denkende Menschen in Deutschland unberücksichtigt lässt, muss gehen“, so sollte Jungs Aussage eigentlich heißen. „Gehen“ – aus der Verantwortung, ob in Politik oder Gesellschaft.
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