Wie Religionen zu gesellschaftlichen Krebsgeschwüren entarten können

Das Wort am Karfreitag

Wie Religionen zu gesellschaftlichen Krebsgeschwüren entarten können

Foto: Pixabay.com / Ri_Ya

In Berlin soll laut Koalitionsvertrag der Religionsunterricht in der Schule wieder als Unterrichtsfach eingeführt werden. Es lohnt sich, den Gedanken der Wiedereinführung des Religionsunterrichts in Berlin näher zu betrachten und sich umzuschauen, was diese Ideologien des behaupteten Friedens weltweit so anrichten.

Ein geradezu entlarvendes Beispiel bietet - neben dem heutigen Iran - schon immer, aber derzeit besonders die Altstadt von Jerusalem. Es gibt dort ein muslimisches, ein christliches, ein jüdisches und ein armenisches Viertel. Was diese Religionen voneinander halten, ist jetzt, wo sich zusätzlich auch noch Feierlichkeiten, nämlich das christliche Osterfest und der muslimische Ramadan, überschneiden, sehr gut, geradezu wie in einem Vergrößerungsglas, zu beobachten.

Es muss hier nicht wiederholt werden, was uns die täglichen Nachrichten in Rundfunk und Fernsehen an Berichten bieten. Eine Religion schlägt auf die andere ein, denn jede ist von der absoluten und alleinigen Wahrheit der eigenen Lehre überzeugt und beansprucht demgemäß die heiligen Stätten je für sich. Mir zeigt die Art und Weise, wie diese Religionen praktiziert werden, dass sie dort inzwischen geradezu zu gesellschaftlichen Krebsgeschwüren entartet sind. Dass im Hintergrund fundamentalistisch denkende Regierungen und weitere ebenso dogmatisch orientierte Gruppierungen lauern und die Anhänger ihrer jeweiligen Glaubenslehre wiederum in ihrem Sinne instrumentalisieren, ist natürlich nicht neu.

Entartete Religionen zu bekämpfen, ist ebenso schwer und in vielen Fällen ebenso vergeblich wie bei Menschen der Krebs. Erst mit dem Tod eines Menschen erlischt oft genug erst das unheilvolle Wirken dieser Geißel der Menschheit. Religionen, verkörpert durch ihre Anhänger, wie sie derzeit zum Beispiel in Jerusalem aufeinanderprallen, zeigen in ihrem Verhalten zueinander, dass ihre Lehren inzwischen nicht mehr sind als nur noch mörderische Waffen im Kampf gegeneinander. Ähnlich wie so mancher Krebs bei Menschen sein zerstörerisches Werk erst beendet, wenn es diesen Menschen nicht mehr gibt, so muss man wohl annehmen, dass diese entartete Form praktizierter Religion erst mit dem Ableben der sie exekutierenden Menschen sein gebührendes Ende findet.

Wer meint, dass er sein Bekenntnis zu einem dieser bloß behaupteten Götter so ausleben sollte, wie es sich in Jerusalem zeigt, sollte sein eigenes Leben seinem verehrten Wesen opfern - erst dann dürfte Ruhe und Frieden einkehren! Es wäre ein mutiger Schritt, der ja in Einzelfällen tatsächlich erfolgt. Auf diese Einsicht fundamentalistisch denkender Menschen, die die Erlösung der Menschheit nur in der eigenen Lehre sehen, in ihrer Mehrheit zu hoffen, dürfte allerdings vergeblich sein.

Mag sein, dass Christen inzwischen etwas zurückhaltender geworden sind. In früheren Jahrhunderten kannte etwa im Zuge der Kreuzzüge ihre Verachtung anderer Religionen und ihre Zerstörungswut keine Grenzen. Die Zahl der menschlichen Opfer ging jeweils in die Abertausende. Die behaupteten Götter der beteiligten Religionen schauten offenbar nur interessiert von oben herab zu. Die Wirkung ihrer angeblichen Barmherzigkeit und Friedensliebe, wie sie in ihren religiösen Texten niedergelegt sind, war jedenfalls nicht zu erkennen. Achtung gebührt halt stets nur dem Anhänger des eigenen Glaubens.

Gegen eine privat gelebte Religion, die sich auf die spirituelle Komponente beschränkt, ist nichts einzuwenden. Aus Gründen des sozialen Friedens kennt unsere Gesellschaftsform dafür das Grundrecht der Religionsfreiheit.

Univ.-Prof. Dr. Uwe Lehnert ist emeritierter Professor für Bildungsinformatik und Bildungsorganisation, der an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie tätig war.

Bekannt geworden ist er vor allem durch sein Buch „Warum ich kein Christ sein will“. Im Oktober 2018 erschien die 7., vollst. überarb. Auflage, Hardcover, 490  S. im Tectum-Verlag Baden-Baden (innerhalb der Nomos Verlagsgesellschaft).

Webseite: http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/

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