Evolutionärer Humanismus
Ich bin vor ein paar Wochen aus dem Förderkreis der Giordano Bruno Stiftung ausgetreten. Die Stiftung verbreitet weiterhin ein irrationales Sammelsurium aus Ideen mit linksradikalen, biologistischen und antitheistischen Einflüssen. Das hat der Essay „Wir glauben an den Menschen …“ von MSS anlässlich des 100.-jährigen Geburtstags des Evolutionären Humanismus nun wieder deutlich gemacht.
Es ist fast so, als würde die GBS die C.K. Chesterton zugeschriebene Aussage beweisen wollen: „Wenn Menschen nicht mehr an Gott glauben, dann glauben sie nicht an nichts. Sie glauben an alles.“
Der Evolutionäre Humanismus wurde stark von zwei Büchern beeinflusst, die beide denselben philosophischen Fehler begehen: „Ethik: Ursprung und Entwicklung der Sitten“ des Anarchisten Pjotr Kropotkin und „Essays of a Biologist“ des Evolutionsbiologen Julian Huxley, beide 1923 veröffentlicht. Kropotkin widerspricht mit seinem Buch den Sozialdarwinisten seiner Zeit und beschreibt Kooperation zum gegenseitigen Vorteil, die „gegenseitige Hilfe“ im Tier- und Menschenreich.
Sein-Sollen-Fehlschluss überall
Das Problem: Man kann Sollen nicht aus dem Sein, keine normativen Aussagen aus deskriptiven Beobachtungen ableiten. Insofern ist es gleichgültig für die Ethik, ob die Evolution besser als Überleben der Stärksten oder Überleben der Kooperativsten verstanden werden kann. Wenn Kropotkin eine Ethik aus der Evolution ableitet, begeht er denselben philosophischen Fehler wie die Sozialdarwinisten.
Julian Huxley war ein Eugeniker, der sich dafür einsetzte, dass „die wenigen niedrigsten und degeneriertesten Arten (von Menschen) so gut wie ausgelöscht werden.“ Konkret mittels Geburtenkontrolle und Sterilisierung. (Hubback D. „Julian Huxley and eugenics.“ 1989. In Keynes M. and Harrison G. A. (eds) Evolutionary Studies: A Centenary Celebration of the Life of Julian Huxley. Macmillan, London.). Das ist die Art von Sache, die dabei herauskommen kann, wenn man ethische Normen aus der Evolution folgert. In erster Linie war Huxley aber für seinen säkularen Humanismus bekannt. Keine Ahnung, wie der zur Eugenik passen soll.
Abseits davon ist die GBS-Denkweise von linksliberalen Ideen beeinflusst. Die GBS setzt sich für ein sehr weitgehendes Recht auf Abtreibung und Sterbehilfe ein und begründet das insbesondere mit individueller Freiheit. Allerdings: Nicht zuletzt treiben Frauen ab, die sich ökonomisch nicht in der Lage sehen, sich um ein Kind zu kümmern, und alte Menschen nehmen Sterbehilfe auch dann in Anspruch, wenn ihr soziales Umfeld kein hinreichendes Interesse an ihrem Weiterleben hat. Daraus ergibt sich ein eugenischer Effekt. Das ist der GBS wahrscheinlich nicht einmal bewusst.
Schließlich greift die Stiftung bereitwillig gesellschaftliche Trends auf und hält die für ethischen Fortschritt. Viele der von Abtreibung und Sterbehilfe Betroffenen leiden nur darum, weil die Gemeinschaft nicht für sie da ist. Nun kann man dieses Problem lösen, indem man ihre Kinder umbringt. Die andere Lösung ist es, für sie da zu sein. Welche Entscheidung unsere rücksichtslos egoistische Gesellschaft trifft und wie sie diese Entscheidung rationalisiert, das lässt sich leicht erraten. Warum Ayn Rand als ausdrückliche Egoistin ein weitgehendes Recht auf Abtreibung befürwortete, ist leicht zu erkennen. Warum man da als Humanist mitmachen muss, erschließt sich mir nicht. Und nein: Abtreibung und Sterbehilfe kann man auch aus rationalen, philosophischen Gründen kritisch sehen, das hat nichts mit Religion zu tun.
Ich selbst halte Abtreibung und Sterbehilfe für komplexe Themen, die eine Rechteabwägung erfordern. Wie der Philosoph Michael Huemer schrieb: „Falls Ihnen das Thema Abtreibung sehr einfach und offensichtlich erscheint, dann sind Sie wahrscheinlich ein dogmatischer Ideologe und Ihre Ideologie hält sie davon ab, diese sehr subtile, komplexe Frage zu würdigen.“
Wenn ihr jetzt meint, die Befürchtungen gegenüber Sterbehilfe wären längst widerlegt: In Kanada hatte sich der 54-jährige Amir Farsoud Ende 2022 für Sterbehilfe entschieden. Er ist nicht totkrank, er könnte noch lange leben. Ihm stand lediglich bevor, ohne Geld auf der Straße zu landen. In einem Interview mit der City News sagte er: „Ich will nicht sterben. Aber ich will noch weniger auf der Straße landen, als ich nicht sterben möchte.“ Inzwischen wurde sein Leben durch ein Hilfsprogramm gerettet, andere werden vielleicht die Option „Sterbehilfe“ wählen. Siehe zum Thema auch das Buch: Assisted Suicide: The Liberal, Humanist Case Against Legalisation (Amazon-Partnerlink) von Kevin Yuill.
Eine „neue Religion“ der Wissenschaft
Huxley schreibt in „Essays of a Biologist„, dass wir eine neue „Religion“ auf Grundlage der „wissenschaftlichen Denkweise“ entwickeln sollen. Das ist wieder der Sein-Sollen-Fehlschluss. Mit der wissenschaftlichen Denkweise können wir nur Dinge untersuchen und beschreiben, wir können damit keine Normen aufstellen.
Es gebe nur Materie, schreibt Huxley, der Geist sei emergent aus dieser entstanden und nun könne der Geist die Materie formen. Keine Ahnung, was das bedeuten soll. Entweder, es gibt nur Materie, oder es gibt Materie und Geist. Wenn es nur Materie gibt, dann wirkt Materie auf Materie und nicht auf einen Geist, den es ja nicht gibt. Und der Geist kann schon gar nicht kausal auf die Materie wirken. Ich denke als Substanzdualist, dass der Geist kausal auf die Materie wirken kann. Aber warum sollte ein Materialist so etwas glauben?
„Denn die Evolution hat nicht nur Konkurrenzdenken, Streit um Ressourcen oder gar einen „Krieg aller gegen alle“ hervorgebracht, sondern auch Mitgefühl, Liebe, Hilfsbereitschaft und Kooperation“, schreibt MSS. Gehen wir davon aus, dass dies deskriptiv zutrifft. Auf welcher Grundlage entscheiden wir uns für Mitgefühl, Liebe, Hilfsbereitschaft und Kooperation und gegen Konkurrenzdenken, Streit um Ressourcen und einen Krieg aller gegen alle? Gibt es etwa eine von der Evolution unabhängige Ethik, die uns erlaubt, diese Entscheidung zu treffen? Oder rollt MSS einen Würfel und schaut, was dabei herauskommt?
Nun soll sich der Mensch nicht „prinzipiell“, sondern nur „graduell“ von Tieren (oder den anderen Tieren) unterscheiden. Allerdings kann nur der Mensch über Moral reflektieren, auch wenn wir bei Tieren Vorformen der Moral beobachten können. Kein Tier kann annähernd auf unserem Abstraktionsgrad operieren und auf diese Weise Kunst, Architektur, Philosophie, Wissenschaft oder eine kooperative Zivilisation entwickeln. Das kann man „graduell“ nennen, das kann man „prinzipiell“ nennen, es ist eines wie das andere, es sind irgendwelche undefinierten, auf Assoziationen beruhenden Begriffe, die man sonstwie propagandistisch in den Raum werfen kann. An den Fakten ändert es nichts.
Wandel ohne Einsicht
Der Evolutionäre Humanismus habe den „eigenen Wandel“ zum Programm erhoben, weil „menschliche Erkenntnis fehleranfällig und korrekturbedürftig ist“. Nun wissen wir schon seit David Hume (1711-76) vom Sein-Sollen-Fehlschluss. Möchte man mit der Erkenntnis fortschreiten, sollte man diesen Fehlschluss wahrscheinlich nicht an mehreren Stellen in sein Weltbild einbauen.
Schließlich kann man auch willkürliche Dogmen aufstellen. Das tut MSS bei seiner „Humanistischen Basis-Setzung“, seinem ethischen Dogma. Es klingt an dieser Stelle wieder an: „Evolutionäre Humanisten vertrauen darauf, dass Menschen das Potenzial besitzen, bessere, gerechtere und freiere Lebensverhältnisse zu schaffen, als wir sie heute vorfinden.“
Hier ist die ursprüngliche Formulierung. Tut mir leid für die schwer zu lesende Großschreibung, die ist von MSS übernommen:
Die Humanistische Basis-Setzung (HBS) ALLE MENSCHEN (ungeachtet welcher Gruppe sie angehören – auch die kommenden Generationen werden hier mit einbezogen!) SIND GLEICHBERECHTIGT UND FREI IN IHREM STREBEN, IHRE INDIVIDUELLEN VORSTELLUNGEN VOM GUTEN LEBEN IM DIESSEITS ZU VER-WIRKLICHEN, SOFERN DADURCH NICHT DIE GLEICHBERECHTIGTEN INTERESSEN ANDERER IN MITLEIDENSCHAFT GEZOGEN WERDEN, UND ES IST DIE UNAUFKÜNDBARE AUFGABE EINES JEDEN MENSCHEN MIT ALLEN ZUR VERFÜGUNG STEHENDEN KRÄFTEN DAZU BEIZUTRAGEN, DASS MÖGLICHST WENIGEN (IM IDEALFALL: NIEMANDEM) DIE INANSPRUCHNAHME DIESES FUNDAMENTALEN RECHTS VERSAGT BLEIBT.
Michael Schmidt-Salomon: Erkenntnis aus Engagement.
http://www.schmidt-salomon.de/erk4.htm
Es gibt keine „Axiome“ in der Ethik. Ethische Axiome sind Dogmen. Die Ethik der GBS unterscheidet sich durch ihre dogmatische Fundierung in keiner Weise von der katholischen Ethik. Oder von einigen Begründungen der rechtslibertären Ethik, die viele auf einem axiomatischen Nichtangriffsprinzip aufbauen. Oder von der objektivistischen Ethik, die ich einmal vertrat. Ich hatte die Humanistische Basis-Setzung in einem YouTube-Vortrag entsprechend kritisiert.
Schließlich bringt MSS noch einen weiteren verworrenen Denker in den Mix hinein: Albert Schweitzer, laut dem wir nur Leben sind, „das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Schweitzer dachte das wortwörtlich: „Gut ist der Mensch nur, wenn ihm das Leben schlechthin, das der Pflanze und das des Tieres wie das des Menschen heilig ist und er sich ihm überall, wo es in Not ist, helfend hingibt.“ Wäre uns das Leben von Pflanzen so heilig wie das von Menschen, dann dürften wir keine Pflanzen essen, wie wir keine Menschen essen dürfen. Und dann würden alle Menschen verhungern. Was nicht sonderlich humanistisch klingt.
Zu den antitheistischen Mythen rund um die böse Kirche, die Wissenschaftler und Philosophen verfolgt haben soll und der Wissenschaft feindlich gesonnen gewesen sein soll, über das finstere Mittelalter und Feiertage, die angeblich nicht christlich seien, habe ich mich schon in einem anderen Beitrag geäußert: Die Mythen der Neuen Atheisten. Hier noch einige Fachliteratur zu diesem Thema (jeweils Amazon-Partnerlinks):
- David C. Lindberg: The Beginnings of Western Science: The European Scientific Tradition in Philosophical, Religious, and Institutional Context, Prehistory to A.D. 1450, Second Edition
- Edward Grant: The Foundations of Modern Science in the Middle Ages: Their Religious, Institutional and Intellectual Contexts (Cambridge Studies in the History of Science)
- James Hannan: God’s Philosophers: How the Medieval World Laid the Foundations of Modern Science
- Nathan Johnstone: The New Atheism, Myth, and History: The Black Legends of Contemporary Anti-Religion
- Ronald L. Numbers: Galileo Goes to Jail and Other Myths about Science and Religion
- Seb Falk: The Light Ages: The Surprising Story of Medieval Science
Fazit: Wir brauchen keine atheistische Religion
Der Evolutionäre Humanismus ist ein verworrenes Konzept in der Tradition linker Utopien. Er hat kein philosophisches Fundament und beruht an mehreren Stellen auf dogmatischen Setzungen und dem Sein-Sollen-Fehlschluss. Die GBS verbreitet zudem antitheistische Mythen, die nicht wahrer sind als religiöse Mythen. Die „neue Religion“ (Julian Huxley) ist noch irrationaler als die alten Religionen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Philosophie-Blog Feuerbringer.
Kommentare
S.g. Herr Müller!
Herzlichen Dank für diesen Beitrag, besonders für den Link zu den "Mythen der Neuen Atheisten", die zu den überaus lesenswerten Artikeln von Tim O`Neill weiterverlinken.
Wohl wissend, dass wir immer noch höchst unterschiedliche Glaubensvorstellungen haben, kann ich Ihnen meinen tiefen Respekt vor Ihrer intellektuellen Ehrlichkeit und Ihrem aufrichtigen Charakter bezeugen. Es gehört viel dazu, die Wahrheit über den persönlichen Stolz zu stellen.
Also: Danke!
Antworten
Hallo Herr Schönecker, Sie schreiben von "intellektueller Ehrlichkeit" und "aufrichtigem Charakter" und über die Tugend, die "Wahrheit über den persönlichen Stolz zu stellen".
Aber sagen Sie als Pfarrer Ihrer Gemeinde wirklich die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass alle Ihre Gebete und Segnungen wirkungslos und Ihre Versprechungen gelogen sind. Den Mitgliedern ihrer Gemeinde, darunter Kinder, lügen Sie direkt ins Gesicht.
Sie gaukeln den Menschen vor, Sie hätten einen besonderen Zugang zu Gott, aber das ist nicht wahr.
Von Ihrer "intellektuellen Ehrlichkeit" konnte ich bislang nichts bemerken, denn sobald man nachfragt, wechseln Sie das Thema, tischen einen Haufen Scheinargumente auf und vermeiden jede Prüfung — eben genau das, was man allgemein als unredlich einstuft.
Es geht Ihnen keineswegs um Wahrheit, denn sonst hätten Sie überprüft, ob Ihre Gebete und Segnungen überhaupt eine Wirkung haben. Stattdessen lassen Sie sich von ihrer Gemeinde bewundern für eine Fähigkeit, die Sie nicht haben. Das nennt man Scharlatanerie. Sobald Ihre Gemeinde untersuchen würde, was von Ihrem sonntäglichen Gewäsch tatsächlich wahr ist, müssten Sie die Gemeinde wechseln. Das wissen Sie ganz genau.
In dem Artikel geht es um die Frage, anhand welcher Maßstäbe wir unsere Gesellschaft in Zukunft gestalten wollen. Diese Frage stellt sich nur deswegen, weil die Leute den alten Scheiß der Kirchen nicht mehr glauben. Die Debatte über die ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft gibt es nur deswegen, weil die Leute erkannt haben, dass sie von den Kirchen und ihren Priestern betrogen wurden. Sie, Herr Schönecker, denken vielleicht, dass Sie bei dieser Debatte hilfreich wären, aber das ist ein Irrtum. Wir sind eben höfliche Leute, und deswegen lassen wir Priester höflich ausreden, aber niemand gibt noch einen Pfifferling darauf, was sie sagen.
Ziehen Sie erstmal Ihre Kutte aus und sagen Sie Ihrer Gemeinde die Wahrheit über Ihre Zauberkräfte. Danach machen Sie den Schaden gut, den Sie angerichtet haben und entschuldigen sich bei denen, die Sie angelogen haben. Und danach hört man Ihnen vielleicht wieder zu.
Antworten
Mein Glaube hat mir in meinem Leben sehr geholfen. Das ist meine streng subjektive Wahrnehmung.
Viele in meiner Gemeinde haben die Erfahrung, dass ihnen meine Gebete und Sakramente helfen. Das ist deren streng subjektive Wahrnehmung.
Schlimmstenfalls erleben wir alle einen Placebo-Effekt. Aber soll ich den jetzt zerstören, nur weil ich keine wissenschaftlichen Beweise erbringen kann? Wem wäre damit geholfen? Ganz sicher wäre damit geschadet.
Und dann gibt es ja immerhin noch die Möglichkeit, dass es wirklich Gottes Geist ist, der mir hilft.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich tatsächlich glaube, was ich predige. Zu sagen, dass das alles nicht stimmt, wäre subjektiv eine Lüge. Und lügen will ich nicht.
Hallo Herr Schönecker, wie viele Menschen in Ihrer Gemeinde haben denn die Erfahrung gemacht, dass Ihre Gebete eine hilfreiche Wirkung entfaltet haben? Können Sie mir bitte, zusätzlich zur Nennung der Zahl, drei konkrete Adressen nennen, damit ich es überprüfen kann?
Worin genau bestand die hilfreiche Wirkung, und was wäre ohne die hilfreiche Wirkung passiert? Und woher wollen Sie wissen, was ohne die hilfreiche Segnung passiert wäre? Können Sie etwa hellsehen?
Handelt es sich um Wirkungen, die alttäglich sind und deswegen nicht zwingend übersinnliche Ursachen haben müssen? Beispielsweise "Entspannung" oder ein "Wohlgefühl"?
Falls der Heilige Geist bei Ihrer Tätigkeit hilft, wieso hat er dann Papst Franziskus blamiert, als er vor aller Öffentlichkeit die Corona-Pandemie beenden wollte? Wenn Sie offensichtlich einen besseren Draht zum Heiligen Geist haben als der Papst, warum ernennt man Sie nicht sofort zum Papst? Haben Sie Papst Franziskus von Ihren Wundern berichtet?
Wenn der Heilige Geist für die wundersamen Dinge sorgt: Sind Sie dann nicht überflüssig? Oder schafft es der Heilige Geist nicht alleine? Kam es schon vor, dass der Heilige Geist etwas sehr Heiliges tun wollte, aber Sie hatten keine Zeit?
Kann ich Ihre Schilderung einer »streng subjektiven Wahrnehmung« so verstehen, dass keinerlei objektive Wirkung feststellbar war? Eine Segnung verspricht ja eine objektive Wirkung. Wenn es keine objektive Wirkung gab, dann hätten die Gläubigen nicht bekommen, was ihnen versprochen wurde, und das wäre Betrug.
Sie betonen, dass Sie den Schmarrn tatsächlich selber glauben. Das spielt jedoch für mein Urteil keine Rolle. Goebbels hat seine Thesen ebenfalls geglaubt. Das kann also kein Kriterium sein. Ein Kriterium wäre eher, ob man von jemandem erwarten kann, dass er in der Lage ist, sein Behauptungen zu prüfen; und falls ja, ob er es getan hat. Beispielsweise kann sich Papst Benedikt mit seinem Homosexuellen-Wahn nicht damit herausreden, dass er es geglaubt hat. Sondern ihm standen alle Möglichkeiten offen, seine krausen Thesen zu prüfen. Aber er hat es nicht getan. Deswegen ist er für das Leid verantwortlich, dass er diesen Menschen zugefügt hat. Das alleine zählt. Was er glaubt, spielt keine Rolle. Das sind nur Ausreden.
Mich interessiert deshalb ausschließlich, ob die objektiven Tatsachen zusammenpassen mit dem, was Sie und die Kirche den Leuten versprechen. Im Moment ist es unbestreitbar, dass Sie und die Kirche sehr viel versprechen, aber nichts halten. Das ist Betrug.
Erstens wird Ihnen ja wohl klar sein, dass ich keine Adressen weitergebe. Sie wissen ohnehin, wo ich tätig bin. Kommen Sie einfach und fragen Sie ein paar Leute. Oder machen Sie das bei Ihnen in der Nähe. Gehen Sie, am besten wochentags, in eine beliebige Kirche und fragen sie die Gläubigen, ob es ihrem Leben hilft, wenn sie von einem Priester gesegnet werden.
Zweitens führe ich keine Statistiken und frage nicht nach jedem Gottesdienst, wem es jetzt besser geht als vorher. Das fände ich einigermaßen lächerlich. Auch Musiker fragen nicht nach jedem Konzert, wie es den Besuchern gefallen hat. So etwas merkt man. Ich sehe es an den Gesichtern. Und manchmal höre ich es auch ausdrücklich.
"Handelt es sich um Wirkungen, die alltäglich sind und deswegen nicht zwingend übersinnliche Ursachen haben müssen?"
- meistens ja.
Wenn der Heilige Geist für die wundersamen Dinge sorgt: Sind Sie dann nicht überflüssig? Oder schafft es der Heilige Geist nicht alleine?
- Gott hat sich laut Bibel entschlossen, den Menschen Verantwortung aufzutragen. Das ist eine theologische Frage, die Sie ohnehin nicht ernst nehmen, deshalb erübrigt sich eine Diskussion darüber.
"Kam es schon vor, dass der Heilige Geist etwas sehr Heiliges tun wollte, aber Sie hatten keine Zeit?"
- wahrscheinlich schon. Dann war ich Schuld daran, dass etwas sehr Heiliges nicht geschehen ist.
"Kann ich Ihre Schilderung einer »streng subjektiven Wahrnehmung« so verstehen, dass keinerlei objektive Wirkung feststellbar war?"
- was mich selbst betrifft: ja. Dass ich seit meiner Wallfahrt nach Lourdes 2002 kein einziges Mal mehr zwanghafte Suizidgedanken habe, vorher jedoch 25 Jahre lang sehr oft, und in den15 Jahren vor der Wallfahrt meist mehrmals täglich und sehr massiv, ist objektiv einfach nicht feststellbar. Aber ich weiß es. Und die Menschen, mit denen ich darüber gesprochen habe, können es mir nur glauben, da sie weder Gedanken noch Gefühle lesen können. Deshalb: subjektiv.
"Eine Segnung verspricht ja eine objektive Wirkung."
- Ja. Bereits Entspannung ist ja eine objektive Wirkung. Bei den Sakramenten (z.B. Beichte) ist die Hauptwirkung hingegen rein übernatürlich und deshalb per definitionem für uns nicht messbar. Die Gläubigen wissen das. Und sie wissen auch, dass ich ebenfalls keinerlei naturwissenschaftliche Beweise für eine Wirksamkeit habe. Deshalb ist es kein Betrug.
Hallo Herr Schönecker, selbstverständlich ist es Betrug. Ihre These, es könne kein Betrug sein, weil Sie keine Beweise für eine Wirkung hätten, ist bizarr. Das Fehlen von Beweisen ist ja der Grund für den Verdachts des Betrugs. Denn Beweise könnten sehr leicht erbracht werden.
Die Segnung hat laut Bibel sehr konkrete positive Wirkungen. Entspannung wird dort aber nicht genannt. Auch in den einschlägigen katholischen Lexika oder in Wikipedia ist nicht von Entspannung die Rede. Die Rede ist stattdessen von Schutz vor Unglück, welches gleichzeitig ungesegneten Menschen widerfährt: Hungersnöte, Dürre, geringe Ernte, Krankheiten, Armut, fehlende Nachkommen, Niederlagen bei Kriegen. Die Rede ist außerdem von messbarem und vergleichbarem Glück in Form von Wohlstand, Gesundheit, einer besseren Ernte und zahlreicheren Nachkommen. Es ist die Rede von einem klar sichtbarem Unterschied zwischen gesegneten und nicht gesegneten Menschen. Zudem wird versprochen, dass die ganze Sippe davon profitiert.
Diese Versprechungen werden von der Bibel, der Kirche und von Ihnen persönlich gemacht, aber nicht gehalten. Das ist objektiv Betrug.
Sie schreiben, die Besucher eines Konzerts würden auch nicht gefragt, ob es ihnen gefallen hat und trotzdem würde man es ihnen ansehen. Es geht hier allerdings nicht darum, ob Ihre Zaubershow jemandem gefallen hat. Sondern es geht darum, ob die versprochene Wirkung der Segnung eintrat. Das ist nicht der Fall.
Es geht auch nicht darum, Leute aus Ihrer Gemeine nach deren Meinung zu befragen. Sondern es geht darum, Leute nach objektiven Beweisen für die Wirkung Ihrer Zauberei zu fragen und diese anschließend zu überprüfen. Ich kann gut damit leben, keine Adressen von Ihnen genannt zu bekommen. Es liegt ja an Ihnen, sich zu verteidigen.
Sie schreiben, der Heilige Geist hätte hier und da etwas Heiliges tun wollen, aber Sie hatten keine Zeit zur Mitwirkung, und deswegen blieb das Wunder unerledigt. Nach meiner Ansicht sind das Anzeichen für eine Psychose. Wahnhafte Gedanken (etwa Liebesgefühle gegenüber Märchenwesen oder Allmachtsgefühle oder ausgeprägter Devotismus oder eine krude Beschäftigung mit Sexualorganen) sind häufig berichtete Eigenschaften von Priestern. So häufig, dass es geradezu ein Klischee ist.
Ihre Geschichte mit Lourdes überzeugt mich nicht. Nirgends in der Bibel oder im Katechismus steht, dass man nach Lourdes fahren muss, um die versprochene Wirkung der Segnung zu erhalten. Außerdem ist es ein weiteres Ablenkungsmanöver. Denn auf dem Prüfstand steht nicht die Wirkung von Lourdes, sondern die Wirkung Ihrer Segnungen. Selbst wenn Lourdes beweisbar kein Betrug wäre, würde Ihnen das nicht helfen.
Ein Segen ist keine magische Handlung.
Der tiefste Zweck eines Segens ist es, Gottes Willen zu erkennen und sich mit ihm zu vereinen.
Sie schreiben:"Es ist die Rede von einem klar sichtbaren Unterschied zwischen gesegneten und nicht gesegneten Menschen."
Naja. Was messbare Erfolge betrifft, bestreite ich das. In der Bergpredigt heißt es: "Gott lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte."
Der gesegnete Mensch freut sich dankbar über gutes Wetter und findet bei Katastrophen die Kraft, anderen und sich selbst zu helfen. Das ist der Unterschied, den der (z.B. Wetter-) Segen ausmacht. Wie wollen Sie den mit naturwissenschaftlichen Methoden messen?
Im Wettersegen bitte ich zwar Gott zugegebenermaßen auch darum, dass er Hagel und so fernhält - aber das ist nicht das, warauf es ankommt. Ob meine Bitte erhört wird, kann ich nicht versprechen.
Da ich nicht nur Christ, sondern auch katholisch bin, ist die Bibel nicht meine einzige Quelle. Wir haben u.a. auch das Beispiel der Heiligen. Auffallend viele von denen hatten nach rein menschlichen Maßstäben kein gutes Leben. Viele waren lange schwer krank. Dennoch gelten sie als besonders gesegnet. Ihre Hypothese, dass Segen (zumindest statistisch) etwas messbar Positives (z.B. Gesundheit) bewirkt, ist also aus katholischer Sicht nicht haltbar. Die Heiligkeit der Heiligen ist nicht daran erkennbar, dass sie ein erfolgreiches Leben und viel Glück hätten (mit Gesundheit, gutem Wetter, vielen Kindern u.s.w.). Ihre Heiligkeit und ihr Gesegnet-Sein zeigt sich daran, dass sie sich nicht entmutigen ließen und sie in der Nachfolge Jesu auch in Unglück, Krankheit und Anfeindungen ihren Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe bewahrt haben.
Und jetzt versuchen Sie mal, die Wirkung dieses Segens zu messen. Das geht einfach nicht.
Hallo Herr Schönecker, die Wirkung des Segens braucht zwischen uns nicht diskutiert zu werden, weil es in der Bibel und in den einschlägigen katholische Lexika definiert wird.
In dem Zitat aus der Bergpredigt geht es nicht um Segnungen, sondern darum, die Feindesliebe zu begründen — nämlich damit, dass die Sonne auch für die Bösen scheine. Diesem Vorbild sollen die Zuhörer der Bergpredigt nacheifern. Es sagt überhaupt nicht, dass eine Segnung darüber hinaus wirkungslos wäre oder keine Unterscheidung möglich wäre. Jesus spricht sogar davon, dass es den Gläubigen und Gesegneten möglich wäre, auf Schlangen und Skorpione zu treten, ohne dass es ihnen schaden würde (Lk 10,19).
Aber selbst wenn es zuträfe, dass eine Unterscheidung nicht möglich wäre: Dann wäre Ihre Segnung eben objektiv wirkungslos — und das ist genau der Verdacht, den ich hier äußere.
Sie fragen mich, wie ich die Wirkung eines „Wettersegens“ messen wolle. Ich messe ihn, indem ich prüfe, ob ungünstige Wetterbedingungen vorkommen, die der Segen eigentlich vermeiden soll.
Sie schreiben, Sie könnten nicht versprechen, ob Ihr Segen für gutes Wetter erhöht wird oder nicht. Aber Ihrer Gemeinde suggerieren Sie etwas anderes. Und in der Bibel steht es ebenfalls anders. Ich denke, jemanden, der Auskunft gibt über seinen „Wettersegen“ darf man ruhig öffentlich als Betrüger verdächtigen, ohne dass es polemisch wäre, selbst wenn er einräumt, er könne die Wirksamkeit nicht in jedem Fall versprechen.
Ihr Hinweis auf das prekäre Leben mancher Heiliger ist ein weiterer Betrugsversuch. Das Leben der Heiligen steht nicht zur Debatte. Zur Debatte steht das Leben derjenigen Menschen, die Sie segnen.
Sie wissen natürlich, dass es sich bei den Heiligenlegenden um Erfindungen handelt. Vermutlich sagen Sie Ihren Schäfchen auch darüber nicht die Wahrheit.
Sie verwechseln einen Segen mit einem Zauberspruch.
Ein Segen bewirkt aber vorwiegend etwas Anderes. Er macht Menschen heilig.
Und wenn ich ein Ding segne, dann soll der Umgang des Menschen mit diesem Ding die Heiligkeit des Menschen vergrößern.
Und damit sind wir auch bei den Heiligen.
Manche Heiligenlegenden sind zweifellos erfunden (z.B. der Heilige Georg, bei dem ist es eindeutig).
Über andere Heilige haben wir ganz ausgezeichnete Biographien. Vor allem natürlich über die Heiligen, die in den letzten 200 Jahren gelebt haben
Also:
Ein Segen vergrößert die Heiligkeit des Menschen.
Er macht stark in Bedrängnis.
Er stärkt den Glauben.
Er vermehrt die Hoffnung.
Er entzündet die Liebe.
Meine Gemeinde weiß das. Sie weiß, dass ein Segen kein Zauberspruch ist.
Meine Gemeinde kennt sich auch in der Bibel und in den Heiligenlegenden recht gut aus und weiß, wie es den Jüngern ergangen ist, die zweifellos (wenn auch nicht ausdrücklich mit diesem Wort) von Jesus gesegnet worden sind. Die meisten wurden getötet. Aber sie blieben stark im Glauben und haben ihren Peinigern vergeben.
Genau DIESE Wirkung erwarten die gebildeten unter den Gläubigen (also die meisten). Und genau diese Wirkung predige ich auch.
(Ja, bei den Aposteln sind ein paar historisch fragwürdige Legenden dabei, aber als Vorbilder, und seien es literarische, haben sie für uns Relevanz).
Vergessen Sie das Gerücht, dass ein priesterlicher Segen vorrangig der Gesundheit oder gutem Wetter oder beruflichem Erfolg dient. Das geschieht nur dann, wenn es gerade zu Gottes Plan passt.
Wenn der Segen wirkt, dann lebt der Mensch eher wie Therese von Lisieux, Bernadette Soubirous oder Maximilian Kolbe (historisch gut greifbare heilige, extra für Sie). Treu, gläubig und liebevoll trotz allen Leides.
Wie Jesus.
Hallo Herr Schönecker, ich hatte Ihnen ja bereits mitgeteilt, dass mich Ihre private Neu-Definition des Segens nicht interessiert. Für mich gelten die einschlägigen katholischen Lexika, die Bibel und Wikipedia. Bei Ihrem weiteren Text kann ich keinen Zusammenhang mit meinem Posting erkennen.
Seit Sie Auskunft gaben über Ihre Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen, erscheinen Ihre Äußerungen insgesamt in einem anderen Licht.
Hallo Herr Dyck!
Der Schlusssegen,den https://www.maria-laach.de/laacher-messbuch/ für die aktuelle Sonntagsmesse (6. Sonntag im Jahreskreis) vorschlägt lautet:
"Gott, unser Vater, segne euch mit allem Segen des Himmels, damit ihr rein und heilig lebt vor seinem Angesicht.
Er lehre euch durch das Wort der Wahrheit; er bilde euer Herz nach dem Evangelium Christi und gebe euch Anteil an seiner Herrlichkeit.
Er schenke euch jene brüderliche Liebe, an der die Welt die Jünger Christi erkennen soll.
Das gewähre euch der dreieinige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist."
Das ist der feierliche Schlusssegen "Im Jahreskreis VI" im offiziellen Messbuch des Römisch Katholischen Ritus.
Der beinhaltet genau das, was ich Ihnen beschrieben habe:
) das reine und heilige Leben
) die Bildung des Herzens nach dem Evangelium Christi
) die Liebe
Wenn Sie schon mir nicht glauben, dass ich die christliche Vorstellung eines Segens vertrete, dann glauben Sie es hoffentlich dem Messbuch der Katholischen Kirche.
Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen auch die anderen Feierlichen Schlusssegen schicken. Im Grunde steht immer dasselbe drin. Viel über Stärkung von Glaube und Liebe, nichts über weltliche Güter.
Dem Beitrag von Andreas Müller kann nicht zugestimmt werden. Dass sich Herr Schönecker, der vom christlichen Glauben her argumentiert, darüber gefreut hat, verwundert mich natürlich nicht.
Dass sich heute aus dem Sein nicht unmittelbar das Sollen ableiten lässt, ist richtig. Die Evolution hat es dennoch geschafft, moralische Prinzipien entstehen zu lassen, also aus dem Sein ein Sollen werden zu lassen.
Es sind zwei Prinzipien, die die Wurzeln sozialen und letztlich moralischen Verhaltens bilden: die Kooperation und die Empathie, das Mitleidenkönnen. Es haben eben nur jene in Gruppen lebenden Tiere auf Dauer überlebt, die kooperierten, zum Beispiel beim futterbeschaffenden Jagen oder bei der gemeinsamen Feindabwehr, und zugleich jene, die helfendes Mitleid zeigten mit einem Stammesgenossen, der in Not geraten war und Hilfe benötigte. Aus diesem sich evolutionär entwickelten, also natürlich (durch Auslese!) entstandenen Verhalten, das das Überleben eines Stammes begünstigte, ging im Laufe der biologischen Evolution über unsere tierischen Vorfahren bis zu uns Menschen letztlich ein soziales, das Leben in einer Gesellschaft regelndes Verhalten hervor, das wir heute mit dem Etikett Moral versehen.
Bemerkenswert ist doch, dass die Evolution, der man meist nur erbarmungs- und gnadenloses Auslesen des Schwächeren unterstellt, im Prozess der Moralbildung ein geradezu »menschliches« Gesicht zeigt. Sie brachte auch Barmherzigkeit, Mitmenschlichkeit, Solidarität und andere positiv bewertete Verhaltensweisen hervor. Nicht weil hier etwa ein »kosmisches Ethos« wirksam wurde oder ein Gott eingriff, sondern weil diese sich als Prinzipien erwiesen, die der jeweiligen Gesellschaft und damit dem Individuum eine größere Überlebenschance boten.
Hier zwei wegweisende Autoren zum Thema:
Frans de Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote. Moral ist älter als Religion. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2015
Michael Tomasello: Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
Antworten
S.g. Herr Lehnert!
Mal ganz ohne religiöse Dimension: die ausschließliche Betonung der Empathie und Kooperation im Zusammenleben gruppenbildender Tiere ist eine Verzerrung.
Zum einen gilt die Kooperation oft genug nur innerhalb der Gruppe, während es gegenüber anderen, konkurrierenden Gruppen sofortigen Kampf gibt. Beispiel: Ameisen.
Zum anderen gibt es auch innerhalb von Gruppen heftige Kämpfe, die blutig, mit Vertreibung oder sogar tödlich enden. Am häufigsten sind das Kämpfe der Rangordnung oder (damit oft zusammenhängend) Kämpfe der Männchen um Weibchen, zum Beispiel bei den durchaus sozialen Wölfen, aber auch bei den uns näher verwandten Pavianen.
Andererseits kommt es auch vor, dass innerhalb einer Gruppe Waisenkinder adoptiert werden, dass Futter geteilt wird, dass es Dankbarkeit gibt - was wir eben als "soziales Verhalten" betrachten. Manchmal sogar gegenüber Individuen aus anderen Gruppen.
Wenn ich mir jetzt die Natur zum Vorbild nehme: warum dann die Kooperation, nicht aber die Rangordnungskämpfe? Warum die Empathie, nicht aber den Krieg? Sowohl Empathie als auch Krieg, sowohl Kooperation als auch blutige Rangordnungskämpfe sind Erfolgsmodelle der Evolution. Sonst hätten sie ja nicht überlebt.
Übrigens hat sogar die großartige Jane Goodall erkennen müssen, dass die lange Zeit als friedlich geltenden Schimpansen Kriege führen.
Wenn wir Menschen das nicht wollen, dann können wir uns also nicht auf die Evolution berufen. Die dauert nämlich bei Ameisen, Schimpansen und Menschen auf den Tag genau gleich lange (in Generationen, was evolutionsbiologisch sinnvoller ist, bei Ameisen sogar deutlich länger).
Da Sie sicher nicht auf das religiöse Konzept von Gut und Böse zurückgreifen wollen, bleibt Ihnen aber noch, den Vorrang der Kooperation mit dem Verstand und der Erfahrung aus der Weltgeschichte zu begründen. Das erscheint mir erfolgversprechender. Und dann können wir weiterhin die friedliche Koexistenz fortsetzen. Darauf kommt es ja letztlich an.
Antworten
Lieber Herr Schönecker, Sie werden es nicht schaffen, mir ihre religiöse Sicht zu vermitteln.
Interessant ist doch, dass weltweit die gleichen Regeln gelten: Du sollst nicht töten, Du sollst nicht stehlen, Du sollst nicht lügen - völlig unabhängig von jeder Religion! (Außer beim Islam - da ist die Lüge geheiligt, wenn sie denn der Verbreitung dieser Lehre dient!).
Die Religionen haben sich vielmehr an das "angehängt", was die Evolution hervorgebracht hat. Und da keiner erklären konnte, woher die Moral kommt, auch Kant war da ratlos und schloss daraus, dass es einen Gott geben müsste, blieb nur ein überirdisches Wesen als Erklärung übrig. Erst mit Darwin wurde klar, dass es eine andere Erklärung gab.
Antworten
Es ging und geht mir momentan nicht darum, eine religiöse Erklärung zu vermitteln. Es geht mir darum aufzuzeigen, dass Darwin zur Erklärung von "Es ist gut, anderen Menschen zu helfen" genauso taugt wie zur Erklärung von "Es ist gut, Mitglieder konkurrierender Gruppen zu töten" oder "Es ist völlig normal, Nebenbuhler aggressiv zu bekämpfen".
Die Regeln "du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht ehebrechen" galten übrigens, soweit wir das wissen, während des Großteils der Menschheitsgeschichte nur innerhalb der eigenen Sippe. Die Tötung von Feinden war oft sogar ein Teil des Mannbarkeitsrituals. Sie Solidarität auf die ganze Menschheit auszudehnen war m. E. keine Leistung der Evolution, sondern eine des menschlichen Geistes, und diese Leistung ist noch nicht einmal abgeschlossen. Feinde - vor allem Fremde - zu berauben und zu töten gilt bei manchen nach wie vor als legitim, manchmal sogar als Pflicht. Wir erleben es, heute wie in der gesamten Menschheitsgeschichte und in der Geschichte vieler sozialer Tierarten (von staatenbildenden Tierarten ganz zu schweigen).
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Lieber Herr Schönecker,
Ihre verschiedenen Antworten zeigen, dass Sie sich noch nie ernsthaft mit der Evolutionstheorie befasst haben. Der Grund ist natürlich, dass Sie ahnen, dass sich die christliche Lehre und die Darwinschen Einsichten absolut widersprechen. Der Mensch ist nicht in einem göttlich beabsichtigten Akt erschaffen worden, sondern hat sich aus dem Tierreich über verschiedene Stufen voraffenartiger Wesen entwickelt. Die größte genetische Nähe haben wir heute zu den Schimpansen. Der Kasseler Evolutionsbiologe Professor Ulrich Kutschera weist auf die hohe genetische Übereinstimmung zwischen Mensch und Schimpanse hin, die interessanterweise zeige, dass der Mensch mit den afrikanischen Affen (Schimpansen, Gorilla) näher verwandt sei als diese mit dem südwestasiatischen Orang-Utan. Diese weitgehende genetische Übereinstimmung zwischen Mensch und Schimpanse hängt – wie man zu Recht vermuten darf – mit dem gemeinsamen Vorfahren zusammen, der vor etwa sechs Millionen Jahren in Afrika lebte.
Die DARWINsche Evolutionstheorie war in den Augen der Kirche Teufelswerk, wurde schließlich aber im Jahr 1996 von der katholischen Kirche als wissenschaftliche Erklärung für die Entwicklung der Arten und letztlich des Menschen anerkannt. Diese Anerkennung erfolgte allerdings nur unter der Bedingung, dass Gott die Entwicklung auf den Menschen als Ziel gelenkt und ihm im Gegensatz zum Tier eine unsterbliche Seele verliehen habe. Aber hier liegt eben der Fehler der Gegner der Evolutionstheorie: Die Evolution ist nicht gelenkt worden, sie ist zufallsgesteuert abgelaufen. Durch das Prinzip Auslese ist dennoch etwas »Funktionierendes« und sich stetig Verbesserndes dabei entstanden.
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Lieber Herr Lehnert,
ich glaube, dass ich die Evolutionstheorie recht gut verstanden habe.
Und was Sie im letzten Posting über diese Theorie schreiben, stimmt auch alles. Nichts davon bestreite ich.
Ja, die nähesten Verwandten des Menschen sind die Primaten. Deshalb habe ich ja auch weiter oben geschrieben "bei den uns näher verwandten Pavianen".
Also:
Wir Menschen sind per Evolution entstanden.
Auch unser Hormonhaushalt und damit ein beachtlicher Teil unseres Verhaltens ist per Evolution entstanden. Er dürfte anscheinend für unser Überleben geeignet sein.
Auch unsere Instinkte und damit ein Teil unseres Sozialverhaltens sind per Evolution entstanden und dürften deshalb für unser Überleben geeignet sein.
Unsere Empathie ist per Evolution entstanden - anscheinend schon, bevor es den Homo Sapiens gab, denn gerade Schimpansen habe diese Fähigkeit auch.
Aber auch das typisch männliche Dominanzverhalten (mit Hackordnung und Kampf um das Weibchen) ist per Evolution entstanden. Auch das liegt nämlich in der genetischen Programmierung unserer Hormone, und wir haben es mit den anderen Primaten gemeinsam.
Ist Ihrer Meinung nach davon irgendetwas wissenschaftlich falsch?
Warum es nun richtig sein soll, die Empathie zu fördern, hingegen das männliche Dominanzverhalten zu unterdrücken, lässt sich aus der Evolution nicht ableiten. Sie hat uns beides mitgegeben und sagt nicht dazu, was gut oder schlecht ist. Sie wartet nur ab, was langfristig das Überleben fördert. Und ganz offensichtlich sind Rang- und Revierkämpfe durchaus Erfolgskonzepte der Natur. Sonst gäbe es sie ja nicht seit Millionen von Jahren.
Um festzustellen, was wir GUT finden - Krieg und brutale Hackordnungen oder doch Empathie und weltweite Solidarität - brauchen wir unseren menschlichen Geist. Sie können auch Verstand dazu sagen. Produkte der Evolution sind sie alle gleichermaßen.
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Lieber Herr Schönecker, was Sie zur Evolutionstheorie sagen und daran für richtig halten, dem kann ich zustimmen. Um so verwunderter bin ich, dass Sie daraus nicht die einzig logische Konsequenz ziehen:
Denn wenn ich von der Richtigkeit der Evolutionstheorie überzeugt bin, welchen Anlass sollte ich dann haben, einer etwa dreitausend Jahre alten biblischen Legende Glauben zu schenken, dass ich mein Dasein und meine Bedeutung in dieser Welt einem separaten Schöpfungsakt verdanke? Für mich gibt es nicht die geringsten Hinweise, dass der Mensch außerhalb der biologischen Gesetze stünde und er zu seiner Erklärung außernatürlicher, überirdischer Kräfte bedürfte. Ein an die Mitwirkung Gottes Glaubender wie Sie müsste nachweisen, dass ohne die Hypothese Gott die Entstehung der Artenvielfalt und des Menschen nicht möglich ist.
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S.g. Herr Lehnert!
Die Artenvielfalt ist ohne Gott ohne weiteres erklärbar.
Füt die ursprüngiche Entstehung des Lebens haben die Naturwissenschaften bis jetzt noch keine schlüssige Entstehung. Wohlgemerkt: bis jetzt! Vielleicht kommt das noch.
Es gibt aber auch ein paar Fragen, auf die die Physik stößt, die sie grundsätzlich nicht beantworten kann - das heißt, diese Fragen wird die Physik NIE beantworten können. Zum Beispiel: warum sind die Naturgesetze genau so, wie sie sind? Und warum gibt es überhaupt etwas, und nicht nichts? (Das sind nicht meine Gedanken, sondern die des österreichischen Nobelpreisträgers 2022 Anton Zeilinger).
Aber auch das ist kein Gottesbeweis. Diese grundsätzlich offenen Fragen lassen lediglich einen vernünftigen Denkraum für Gott. Ob in Wirklichkeit hier Gott gewirkt hat, oder mehrere Götter, ob diese Dinge durch ein Multiversum oder durch ein kosmisches Prinzip oder was auch immer zurückzuführen sind, das werden wir mit naturwissenschaftlichen Methoden nie beantworten können.
Ich persönlich begründe meinen Glauben am liebsten so:
Ich glaube daran, dass es einen echten Unterschied zwischen gut und böse gibt. Und, wie oben beschrieben: die Evolutionstheorie bietet keinerlei Anhaltspunkte für gut und böse.
Wenn ich aber glaube, dass der Mensch nicht selbst entscheidet (oder jedenfalls nicht entscheiden darf), was gut und böse ist, dann muss jemand anderer diese Kategorien aufgestellt haben. Und den nenne ich Gott.
Aber das ist keine naturwissenschaftliche Kategorie und deshalb auch kein Beweis, der naturwissenschaftlichen Kriterien entspricht.
Zurück zu ihrem letzten Satz:
Die Hypothese "Gott" ist zur Entstehung der Artenvielfalt samt Gott nicht nötig.
Aber die Naturwissenschaften erklären halt auch nicht alles, was für uns wichtig ist. Und das werden sie auch nie tun.
Und, ganz zuletzt: ich glaube an Gott. Aber ich weiß auch nicht über ihn bescheid, wie ich über Zellkerne oder Supernovae bescheid weiß. Und damit bin ich völlig zufrieden.
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Gott als Urheber einer Moral ist leider seit Jahrtausenden schlüssig widerlegt. Es ist in sich widersprüchlich. Und weil es seit Jahrtausenden widerlegt ist, ist es unredlich, das Argument heute noch zu nennen, in der heimlichen Absicht, dass die Zuhörer nichts merken. (Euthyphron-Dilemma)
Selbst wenn Gott der Urheber einer Moral wäre, bliebe völlig uneinsichtig, warum ich nicht ebenfalls der Urheber einer Moral sein könnte, und warum seine Moral mehr wert wäre als meine. Wenn Sie darauf entgegnen, dass Gott nunmal Gott wäre, und ich nur ein einfacher Bürger, dann beweist das nur, dass es Ihnen überhaupt nicht auf die Moral ankommt, sondern darauf, wer sie verkündet. Moral hat aber nichts damit zu tun, wer sie verkündet.
Herr Schönecker, Ihre philosophisch klingenden Quatschargumente sollen nur davon ablenken, dass das Christentum und ihre Priester selbst nach zweitausend Jahren keine belastbaren Einsichten über Moral vorzuweisen haben, obwohl sie den ganzen Tag das Gegenteil erzählen. Nirgends spüren die Menschen den Betrug so deutlich wie bei den Vorträgen der Priester über Moral. Über Jahrhunderte haben sich die Priester sonntags über die schlechte Moral der Gläubigen empört, und werktags haben sie sich vollgestopft mit Brathuhn und Pudding. Mehr steckt nicht dahinter.
Auch Ihre Redewendungen wie »und das nenne ich Gott« sollen nur kaschieren, dass das Christentum sehr klar definiert, was und wer Gott ist. Niemand erwartet eine neuartige Definition von Ihnen, denn sie wurde bereits verbindlich gegeben. Was Gott tut und anordnet, ist in der Bibel nachzulesen. Dabei erweist sich Gott als großer Dummkopf, und seine Moral ist die eines Tyrannen.
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Also, Herr Dyck, Sie haben anscheinend sehr selektiv gelesen, was ich geschrieben habe. Sonst wäre Ihnen sicher aufgefallen, dass ich nirgends behauptet habe, dass nur Gott die Quelle einer Moral sein könnte.
In meinem erster Kommentar habe ich geschrieben "... bleibt Ihnen aber noch, den Vorrang der Kooperation mit dem Verstand und der Erfahrung aus der Weltgeschichte zu begründen. Das erscheint mir erfolgversprechender."
Aus meinem zweiten Kommentar:"Die Solidarität auf die ganze Menschheit auszudehnen war m. E. keine Leistung der Evolution, sondern eine des menschlichen Geistes." (Tippfehler zu Beginn ausgebessert).
Aus meinem dritten Kommentar: "Um festzustellen, was wir GUT finden - Krieg und brutale Hackordnungen oder doch Empathie und weltweite Solidarität - brauchen wir unseren menschlichen Geist. Sie können auch Verstand dazu sagen."
Wenn Sie so etwas haben, können Sie also durchaus "ebenfalls der Urheber einer Moral" sein. Ich habe Ihnen das nie abgesprochen - ganz im Gegenteil.
Gott ist bis dahin noch gar nicht vorgekommen. Erst in meinem vierten Kommentar habe ich ihn dann erwähnt, weil Herr Lehnert ihn ins Spiel gebracht hatte. Bis dahin habe ich nur meine streng rationale Meinung wiedergegeben, dass der menschliche Verstand als Quelle der Moral geeigneter ist als die Evolution. Weil nämlich die Evolution auch Verhaltensweisen generiert, die wir üblicherweise als sehr unmoralisch betrachten. Das ist ein Thema, das sich gerade auf einer Seite, die sich der "Vernunft & Wissenschaft" verschrieben hat, durchaus besprechen ließe - auch ohne Gott.
Und jetzt sagen Sie mir bitte einmal, welche meiner Argumente zugunsten des menschlichen Verstandes "Quatschargumente" waren.
Anscheinend sind Sie und Herr Lehnert an Diskussionen über Gott (und in Ihrem Fall an der Beleidung der gesamten Priesterschaft) aber mehr interessiert als am Thema Vernunft. Oder Sie halten es für unmöglich, mit einem Priester über etwas Anderes zu sprechen. Das ist aber ein Irrum.
Übrigens: die Redewendung "und das nenne ich Gott" ist den fünf Wegen des Thomas von Aquin entlehnt, die meistens fälschlich als Gottesbeweise bezeichnet werden.
Hallo Herr Schönecker,
eben das meinte ich: Dass Thomas von Aquin einfach definiert, was Gott ist. Das ist aber kein redlicher Beitrag dazu, Gott zu erkennen und etwas über ihn herauszufinden. Am Ende kann jeder definieren, was er will. Es hat keine Bedeutung.
Diese ach-so-philosophisch klingenden Täuschungsmanöver meinte ich mit dem Wort »Quatschargumente«. Dazu gehört auch, längst widerlegte Fehlschlüsse immer und immer wieder neu ins Gespräch zu bringen. Dazu gehört der Fehlschluss von Gott als Urheber einer Moral. Dazu gehört Ihre These, dass der Mensch nicht entscheiden darf, was gut und böse ist (woah!), woraus angeblich folgen soll, dass ein Gott diese Kategorien aufgestellt haben muss. Nichts davon folgt einer schlüssigen Argumentationskette, sondern es sind lediglich zusammenhanglose Behauptungen und Definitionen — wie bei Thomas von Aquin.
Ebenso bedeutungslos ist, was irgendein Priester "für Gott hält". Ich finde das geradezu dreist: Die Menschen mussten sich den Quark zweitausend Jahre lang anhören, meist gegen ihren Willen, und von der Kanzel herab. Es ist nach so langer Zeit der unerwünschten Belehrungen nicht unhöflich, einem Priester mitzuteilen, dass er seine Weisheiten über Gott entweder kurz und knapp beweisen oder für sich behalten soll. Nach all dem Leid, den Priester und Kirchen allein damit gerechtfertigt haben, dass sie angeblich exakt wüssten, wer/was Gott ist und was er will — nach dieser enormen Katastrophe jetzt zu kommen und zu sagen, hey, ich hab' mir gerade überlegt, was Gott ist — das ist ja schon beinahe menschenverachtend.
Natürlich sagt man es dem Priester vor Ort nicht so deutlich, denn wir sind ja höfliche Leute. Aber es gibt auch Priester, bei denen die Worte nicht deutlich genug sein können. Beispielsweise, wenn ein Priester tief einatmet, um einen ermüdenden Vortrag über Moral und Thomas von Aquin zu beginnen. Das ist der Moment, zu dem man Priestern mitteilen muss, dass ihre moralischen Belehrungen nicht erwünscht sind.
Bei keinem anderen Thema haben Kirchen und Priester die Menschen derart übel hereingelegt wie bei der Moral. Dass die Kirchen nichts vom Urknall wussten, wird man ihnen verzeihen. Aber dass die Kirchen eine "Moral" predigten (und heute noch predigen), die allem widerspricht, was gerechte Menschen als moralisch empfinden, und dass sie es gnadenlos durchgesetzt haben, werden die Menschen nicht verzeihen. Denn die Unmoral der Bibel, die Unmoral der christlichen Lehre und die Unmoral der gelebten kirchlichen Tradition hätten durchaus erkannt werden können.
Diese Wunden sind noch frisch. Sie sind daher ein wichtiger Teil der Konstellation, in der Moraldebatten heute stattfinden. Ein Priester kann daran nicht teilnehmen, als hätte es diese Vorgeschichte nicht gegeben. Sondern es ist allen Teilnehmern bewusst, dass die Priester zu jenen gehören, die eine Moral lehrten und durchsetzten, die heute nicht nur als unmoralisch, sondern als kriminell gilt.
Die Bibel und der katholische Katechismus sind kriminelle Schriften. Jene Leute, die sie verfassten oder bis heute predigen haben uns zum Thema Moral nichts mitzuteilen.
Herr Dyck,
Meinen Sie wirklich, dass jeder Mensch selbst bestimmen darf, was gut und was böse ist? Verbrecher hören das sicher gerne.
Aber anscheinend meinen Sie das ohnehin nicht, denn die christliche Moral halten Sie ja für falsch ("Unmoral"). Andererseits quittieren Sie es, wenn ich so etwas sage, mit eine "Woah". Komisch.
Ich selbst finde jedenfalls, dass man nicht einfach selbst bestimmen darf, was gut und böse ist,sondern es erlernen oder erkennen muss. Und wie ich mehrmals geschrieben habe, ist dazu der Verstand völlig ausreichend. Ein Glaube an Gott ist dazu nicht notwendig, wie die Geschichte hinreichend bewiesen hat. Hoffentlich war das jetzt endlich deutlich genug.
Ich habe geschrieben, dass ich für mich persönlich an einen Urheber von gut und böse glaube, den ich Gott nenne. Jetzt würde mich mal interessieren, warum Sie (wenn überhaupt) es als gut bezeichnen würden, mit hilfsbedürftigen Menschen Mitleid zu empfinden, hingegen als böse (falls Sie dieses Wort verwenden), die eigene Macht rücksichtslos für sich selbst auszunützen. Beides sind schließlich evolutionäre Erfolgsrezepte. Deshalb halte ich die Evolution für keine geeignete Quelle der Moral, was die ganze Zeit mein Thema war (und das des Herren Lehnert) und was Sie offensichtlich sehr falsch finden.
Was ich außerdem noch gerne wüsste:
Was stört sie wirklich?
Dass ich die Evolution als Quelle der Moral für ungeeignet halte?
Oder dass ich mich überhaupt zum Thema Moral äußere, obwohl ich katholischer Priester bin?
Kurzer Exkurs:
"Dass die Kirchen nichts vom Urknall wussten, wird man ihnen verzeihen."
Googeln Sie mal kurz, wer die Urknalltheorie aufgestellt hat und was man diesem genialen Physiker dann vorgehalten hat. Ist lustig.
Hallo Herr Schönecker,
die Urknalltheorie wurde zwar von einem Priester anhand der Formeln von Albert Einstein errechnet und vorgeschlagen. Aber eben nicht anhand theologischer Schlussfolgerungen. Und deswegen können Theologen es nicht als grandiosen Erfolg für sich verbuchen. Bleiben Sie doch mal beim Thema.
Sie stellen den Sachverhalt bez. der Urheberschaft von »Gut und Böse« falsch dar. Es ist ein Unterschied, ob man feststellt, dass zufällig Gott der Urheber der besten Version von Gut/Böse war; oder ob man sagt, WEIL Gott der Urheber war, MUSS die von ihm postulierte Version von Gut/Böse die beste Version sein. Der Katholizismus behauptet die zweite Variante: WEIL Gott der Urheber war, MUSS seine Version von Gut/Böse optimal sein. Das ist jedoch ein Zirkelschluss und daher falsch. Außerdem ist seine Version von Gut/Böse kriminell. Wer sich heute danach richtet, landet im Knast und anschließend in Verwahrung.
Gut/Böse hat keinen „Urheber“. Die Begriffe suggerieren Objektivität wo keine vorhanden ist. Sie sind als absolute Begriffe wertlos. Ein Löwe, der gerade eine Antilope zerreißt, hat sicherlich eine andere Idee von Gut/Böse als die Antilope. Die angebliche Absolutheit ist nur eins der vielen Betrugsmanöver der Kirchen und der Priester, um die Unterwerfung der Gläubigen zu organisieren.
Gott als Urheber von Moral ist logisch unsinnig, weil es impliziert, dass er in seiner Entscheidung frei gewesen wäre und folglich jeden Mumpitz als Gut/Böse hätte ausrufen können. Wenn er sich jedoch an bestimmten sinnvollen Maßstäben orientieren musste, dann können wir uns direkt mit diesen Maßstäben befassen und brauchen Gott nicht weiter zu beachten.
Sie fragen, ob Evolution eine gute Quelle für Moral sein kann. Diese Frage legt bereits eine falsche Fährte. Theologen suchen gerne nach Begründungen, warum man sich einer Sache unterwerfen müsse. Außerdem präsentieren Theologen gerne Dichotomien, bei denen man sich zwischen zwei Optionen entscheiden muss. Auf der Waagschale liegen also die Grausamkeit der Evolution und die Weisheit Gottes. Welchem der beiden soll man sich unterwerfen?
Selbstverständlich ist unser Moralempfinden ein Ergebnis der Evolution. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns diesem Ergebnis unterwerfen müssten. Wir verstehen zwar, warum wir intuitiv skeptisch werden, wenn wir hören, dass ein Mann sein junge Familie verlässt. Denn das hat uns die Evolution einprogrammiert. Aber wir sind klug genug, uns nach den Umständen zu erkundigen und unser Urteil danach zu revidieren.
Folglich kommt neben Evolution und Gott eine dritte Version hinzu: Unser Verstand, unsere Erfahrung, unsere Experimente, vor allem aber unsere Bewertung anhand unseres Wohlbefindens und unsere Bereitschaft, daraufhin Korrekturen vorzunehmen. Insofern ist die Frage nach Gott oder Evolution nicht sonderlich interessant, weil beide nur den Startpunkt darstellen können. Von diesem Startpunkt aus geht es auf die Reise, und es liegt an uns, das Beste für uns daraus zu machen. Die abrahamitischen Religionen sind auf dieser Reise grandios gescheitert, und sie haben dabei alles in den Abgrund gerissen, was sie zu greifen bekamen.
Wer Gott nicht als Startpunkt sondern als Endpunkt versteht, der begeht nach meiner Ansicht einen sehr törichten Fehler, weswegen diese Idee mittlerweile auch auf enormen Widerstand stößt.
Sie fragen, ob es mich stört, dass Sie die Evolution als Quelle der Moral für ungeeignet halten. Mich stört, dass Sie den Sachverhalt falsch darstellen. Niemand, der auf die evolutionären Wurzeln der Moral hinweist, hat je vorgeschlagen, sie gleichzeitig als Gesetzbuch für unsere heutige Moral zu verwenden.
Sie fragen, ob es mich stört, dass Sie sich als katholischer Priester über Moral äußern. Ja, das stört mich, aber natürlich bin ich uneingeschränkt dafür, dass Sie sich frei äußern können. Mit nichts verlieren die Kirchen so effektiv ihre Mitglieder wie mit ihrem Geschwätz über Moral. Daher bin ich gerne bereit, ausführlich über die christliche Moral zu debattieren.
"Folglich kommt neben Evolution und Gott eine dritte Version hinzu: Unser Verstand, unsere Erfahrung, unsere Experimente, vor allem aber unsere Bewertung anhand unseres Wohlbefindens und unsere Bereitschaft, daraufhin Korrekturen vorzunehmen."
Das sage ich doch die ganze Zeit! In jedem einzelnen Kommentar!
Nehmen wir an, alle Argumente des Artikels seien richtig. Oder nehmen wir an, sie seien allesamt falsch. Oder nehmen wir an, sie seien zwar alle richtig, ich wäre aber nicht imstande, dies einzusehen. Was folgt dann daraus?
Kann ein Argument die Kraft haben, mich zu etwas zu verpflichten? Vielleicht geht es nicht nur um Sein und Sollen, sondern auch darum, ob das Sollen durchgesetzt werden kann. Habe ich vielleicht das Recht, ein zutreffendes Argument einfach nicht einzusehen?
Das enorme Bemühen, das richtige Argument zu finden, scheint mir im Zusammenhang zu stehen mit der Erwartung, andere darauf festnageln zu können, sobald die Richtigkeit bewiesen wäre. Und vielleicht liegt hier der eigentliche Fehler?
Mich kümmert es nicht, wer in dieser Debatte Recht hat. Sondern mich kümmert, wie wir möglichst ein schönes Leben haben, jeder nach seinen Vorstellungen. Wenn mir jemand klipp und klar nachwiese, dass es schädlich wäre für die Gesellschaft, meiner alten Nachbarin die Einkaufstüten in den fünften Stock zu tragen, weil es die natürliche Auslese behindere, dann würde ich es trotzdem tun.
Insofern ist es mir einerlei, ob die GBS links oder mitte-links oder utopisch ist, und ob sie ihre Anliegen widerspruchsfrei herleiten kann. Wichtiger finde ich, ob ihre Ziele einen Fortschritt für die Qualität unseres (Zusammen-) Lebens bedeuten, im Großen und Ganzen. Der Einfluss der GBS ist ohnehin so begrenzt, dass man sich um spitzfindige Spezialfälle nicht zu kümmern braucht, jedenfalls nicht derzeit.
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Bisher hatte ich noch keine Probleme mit irgendeinem Gott. Ärger gibt es bloß mit Religiösen, die mir ihre Gottesvorstellungen aufs Auge drücken wollen. Atheistische Religiöse wären sicherlich genau so eine Pest wie theistische.
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Geschätzter Herr Schönecker
Ich meine, aus Ihrer Argumentation herauslesen zu können, dass Sie die Evolution durchaus als eine wissenschaftlich korrekte Theorie halten, aber als ein inhärenter "Mechanismus" der Schöpfung. Diesen Gedanken finde ich berückend; ein bisschen Win-Win für Gläubige und Atheisten. Deshalb können Christen durchaus auf rein wissenschaftlicher Basis über die Evolution diskutieren, wenn uns nicht laufend Atheisten am Glauben festzunageln versuchten. Vermutlich hat sich auch Lemaître von rein wissenschaftlichen Überlegungen leiten lassen.
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Sehr geehrter Herr Locher!
So ist es.
Besonders als Österreicher ist es mir eine Freude, dem Nobelpreisträger für Physik 2022, Anton Zeilinger, zuzuhören, der überhaupt kein Problem mit einem Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaft auf Augenhöhe hat.
https://www.youtube.com/watch?v=Qs6KDOLwMYg
Zu Lemaitre:
Er hat sich sowohl gegen die Vorwürfe antitheistischer Wissenschaftler als auch gegen die Vereinnahmung des Papstes gewehrt. Sein Modell des Urknalls war und ist Naturwissenschaft, weiter nichts.
Kurios finde ich dabei, dass die Urknalltheorie zuerst als Versuch gedeutet wurde, den Schöpfergott wieder in die Naturwissenschaft einzuführen, und heute oft als Beweis GEGEN denselben Schöpfergott angeführt wird.
Schönen Abend!
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Lieber Herr Schönecker,
mal auf die ganz aktuelle Situation bezogen: Das Erdbeben in der Türkei und in Syrien: Ist das der allmächtige und allgütige Gott, ist das Allah, der Allerbarmer, die hier – so es diese beiden höchsten Wesen überhaupt gibt – vielleicht nur interessiert von oben zugeschaut haben, was da „unten“ geschieht? Denn eingegriffen oder gar von vornherein verhindert haben sie diese mörderische Naturgewalt nicht.
Was ist mit einem kleinen Kind, das kaum gelebt hat und nun durch die Trümmer eines erdbebengeschüttelten Hauses qualvoll zu Tode kommt? Hat es schon so gesündigt, dass ihm dieses Schicksal zurecht ereilte? Könnte es überhaupt so sein, dass genau diejenigen, die hier mehr oder weniger grausam zu Tode kamen, genau jene sind, die nach Ihrer religiösen Auffassung hier ihre wohlverdiente Strafe bekommen haben?
Ich glaube nicht nur mich würde interessieren, wie Sie das aktuelle Geschehen in der Türkei und im Norden von Syrien mit Ihrem Bild von Gott vereinbaren können.
Ist Ihnen übrigens bekannt, das sehr viele Juden – eine genaue Zahl ist mir nicht bekannt, aber es müssen Millionen sein – nach den Geschehnissen im Dritten Reich ihren Glauben an einen Gott, der ihnen Schutz und Trost verheißen hat, verloren haben?
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Lieber Herr Lehnert!
Da Sie immer sehr fair und tatsächlich interessiert sind, will ich auf diese komplette off-topic-Frage eingehen.
Aber Sie werden nicht wirklich zufrieden sein. Ich bin es auch nicht ganz. Die Theodizee-Frage ist tatsächlich schwierig.
Ich habe für mich persönlich eine brauchbare Antwort gefunden, als meine Großmutter nach mehreren Jahren im Pflegeheim gestorben ist. Sie hatte mit weit über 80 Jahren einen Oberschenkelhalsbruch, kam dann ins Spital. Dort hat sich herausgestellt, dass das nicht operierbar ist und sie nicht mehr gehen kann. Daraufhin kam sie in ein Pflegeheim.
Dort war sie unglücklich. Sie hatte zwar täglich Besuch von der Familie, aber sie konnte nichts mehr tun und hatte Schmerzen vom Liegen. Schließlich hat sie ihren Geist weitgehend abgeschaltet und wurde dement. Jahrelang. Das hatte den Vorteil, dass sie nicht mehr unglücklich war.
Trotzdem ist mir ihr Satz aus den ersten Jahren ihres Aufenthalts in Erinnerung: wozu lebe ich noch?
Erst nach ihrem Tod habe ich eine Antwort gefunden, die zumindest mich selbst zufriedenstellt:
In den Jahren, als meine Oma gelitten hat, hat meine Familie mehr zusammengehalten als je zuvor. Es gab eine Einteilung, wer wann bei ihr ist. Wenn jemand verhindert war, hat er Ersatz gesucht. Wir haben also zusammengearbeitet. Wir haben genau das gemacht, was meiner Oma immer am wichtigsten war: zusammenhalten.
Ich weiß genau: dafür, dass die Familie zusammenhält, hätte meine Oma jedes persönliche Opfer auf sich genommen.
Und jetzt versuche ich das zu verallgemeinern:
Leid kann dazu führen, dass Menschen zusammenhalten. Leid kann das besser bewerkstelligen als jede schöne Feier oder jeder schöne Urlaub. Ich weiß zwar nicht, warum das so ist, aber es entspricht meiner Erfahrung und der vieler anderer. Wer gemeinsam intensiv gelitten hat und vor allem (wichtig!), wer gemeinsam versucht hat, das Leid durchzustehen und zu überwinden, hält zusammen. Das gilt übrigens auch für die KZs, weil Sie die angesprochen haben.
Die Erklärung für das Leid, die für mich passt, ist also: Gott lässt Leid zu, damit Menschen lernen zusammenzuhalten.
Ich weiß nicht, warum das nur auf diese grausliche Art erlernbar ist. Mir wäre es auch lieber, echten Zusammenhalt mit der Feier einer Party zu schaffen als mit dem verzweifelten und oft erfolglosen Graben nach Überlebenden unter Trümmern. Und ich werde mich hüten, einer Mutter, deren Kind verstorben ist, mit dieser Weisheit zu kommen. Die braucht keine Erklärung, sondern nur jemanden, der bei ihr bleibt und ihre Trauer mit ihr aushält.
Aber ich weiß auch, dass meine Bindung gerade zu den Menschen am stärksten ist, die in schweren Zeiten bei mir waren, während so manche lustigen Partyfreunde mir eigentlich recht fern stehen. Lang im Nachhinein kann ich dann sogar für manche schwere Zeit dankbar sein - weil sie mir einen Freund beschert hat. (Meine schweren Zeiten sind zum Glück nicht mit der Erdbebenkatostrophe vergleichbar).
Meine Hoffnung ist, dass wir im Himmel dann so weit getröstet werden, dass wir sogar auf die ganz schweren Zeiten zurückblicken können und sagen: hier haben wir Menschlichkeit und Zusammenhalt gelernt, Empathie und Solidarität.
Nebenbei: deshalb wird auch jesus am Kreuz dargestellt, und nicht etwa bei der Hochzeit von Kana.
Warum das nur auf die ganz harte Tour erlernbar ist, weiß ich nicht.
Was die Kinder nach ihrer Auferstehung zu Gott sagen, wenn sie feststellen müssen, dass sie für diesen Lernprozess ungefragt geopfert worden sind, weiß ich auch nicht.
Und was mit den Menschen geschieht, die durch ihr Leid nicht etwa lernen, sondern nur verbittert werden, weiß ich auch nicht.
Deshalb ist meine Antwort nicht einmal für mich selbst völlig zufriedenstellend, für Sie wahrscheinlich erst recht nicht.
Aber ich vertraue darauf, dass ich irgendwann einmal Antworten bekommen werde.
Schönes Wochenende!
Antworten
Inwieweit stärkt es den Zusammenhalt einer Familie, wenn alle außer dem Vater von einstürzenden Betonblöcken zerquetscht wurden? Es ist dann niemand mehr da, mit dem er zusammenhalten könnte.
Was ist mit einem kleinen Jungen, der nicht nur seine Familie, sondern auch seine zwei Beine verlor? Mit wem soll er nun zusammenhalten? Ich habe einen solchen Jungen gestern im TV gesehen. Noch nichtmal die schmierigsten Pfaffen haben es bisher gewagt, ihre üblichen Kommentare zu verbreiten, denn das Leid ist diesmal zu groß und der Betrug an den Gläubigen zu offensichtlich.
Ein Bergungshelfer hat berichtet, dass man in den eingestürzten Räumen verblüffend häufig ganze Familien findet, die sich im selben Raum befanden, anstatt sich auf die Räume zu verteilen. Er erklärte es damit, dass die Eltern beim Beginn des Erdbebens in das Kinderzimmer gerannt seien, um sich dort über ihre Kinder zu werfen, um sie mit ihren Körpern zu schützen. Dann hat Gottes gerechtes Erdbeben sie brutal erschlagen — angeblich um ihren Zusammenhalt zu fördern.
Herr Schönecker, bitte nehmen Sie meine größtmögliche Abscheu vor Ihrem Glauben und Ihren Thesen zur Kenntnis, und gestatten Sie mir auch einen Hinweis auf das schurkische Element Ihrer bizarren Predigten. Ich denke, tiefer kann ein Mensch moralisch nicht sinken. Die Eiseskälte Ihrer Erklärungen schockiert mich.
Der ganze Zweck Ihrer Erklärungen liegt darin, die Menschen zum braven Stillhalten aufzufordern, wo doch offene Revolte und Verweigerung angezeigt wären. Es geht Ihnen überhaupt nicht um die Menschen, sondern allein darin, Ihren Gott von aller Schuld reinzuwaschen, weil Sie sich davon einen persönlichen Vorteil erhoffen. Das Leid der anderen nehmen Sie in Kauf. Das ist ekelhaft.
Wenn es sich um eine Lehrstunde über Zusammenhalt handelt, und wenn Gott keinen besseren Weg sieht, als ganze Landstriche zu zerschlagen und unsere Kinder zu ermorden, dann ist dieser Gott ein Dummkopf und Verbrecher. Zu behaupten, dieser üble Tyrann hätte uns etwas über Liebe und Zusammenhalt zu sagen (ausgerechnet!), ist offensichtlich unsinnig.
Gott hat überhaupt nicht das Recht, in das Leben der Menschen einzugreifen. Wer das denkt, der sieht den Menschen als rechtlosen Sklaven eines Tyrannengottes. Am Ende suggerieren Sie noch, die Menschen müssten dankbar sein für die liebevolle Lehrstunde Gottes über Zusammenhalt und Mitgefühl. Krankhafter Devotismus ist eine bekannte Eigenschaft von Priestern.
Sehen Sie Herr Dyck, deshalb habe ich Herrn Lehnert auf seine off-topic-Frage geantwortet. Weil er erstens verucht, mich zu verstehen (was ihm anscheinend auch gelungen ist), und weil er es anschließend aushält, dass es andere Meinungen gibt als seine.
Sie hingegen versuchen offensichtlich, mich misszuverstehen. Vielleicht, um anschließend meinen Glauben verabscheuen zu können.
Aber ein letztes Mal will ich versuchen, Missverständnisse aufzuklären.
1) Wie sich zeigt, löst das Erdbeben eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Weltweit. Über alle nationalen und religiösen Grenzen hinweg. Der "kleine Junge, der nicht nur seine Familie, sondern auch seine zwei Beine verlor", löst Empathie aus, die Rassenhass und Religionsfeindschaft überwindet.
Das ist für den kleinen Jungen momentan überhaupt kein Trost, er wurde ja nicht einmal gefragt, ob er dafür seine Beine und seine Familie opfern will. Das habe ich ich auch in meinem ersten Posting so geschrieben. Aber die Menschheit macht dadurch Fortschritte.
Warum das zu diesem Wahnsinnspreis geschehen muss, weiß ich nicht. Auch nicht, ob es den Preis wert ist. Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es.
Und der Zweck, den Sie mir unterstellen, ist falsch und boshaft. Ich will wirklich, dass die Menschen lernen, weltweit zusammenhalten, über die Grenzen von Nationen, Geschlechtern und Religionen hinweg.
Vielleicht verstehen Sie es jetzt. Vielleicht glauben Sie es mir sogar.
Aber da Sie anscheinend gezählte sieben Mal übersehen haben, dass ich den Verstand als Quelle von Moral empfehle, habe ich Zweifel. Sie haben mir ja weiter oben "Folglich kommt neben Evolution und Gott eine dritte Version hinzu: Unser Verstand, unsere Erfahrung, ..." als scheinbare Gegenthese zu meiner angeblichen Vorstellung präsentiert. Vielleicht, weil es nicht in Ihr Bild eines Katholischen Priesters passt, dass er den Verstand empfiehlt. Naja, meine Hoffnung ist inzwischen recht gering, aber nicht bei Null.
Hallo Herr Schönecker, ich denke, dass jemand kein moralischer Mensch sein kann, der sich einem Gott unterwirft, der unsere Kinder ermordet. Der Eindruck verstärkt sich, wenn Sie anderen Menschen diese Unterwerfung ebenfalls empfehlen; und noch mehr, wenn Sie darin sogar Ihre Lebensaufgabe sehen.
Wenn es eine gute Tat wäre, Kinder und unschuldige Erwachsene zu ermorden, sofern dadurch Hilfsbereitschaft und Mitgefühl gefördert werden, dann würden wir auch die Attentäter von 9/11 feiern. Denn fraglos sind die Menschen aufgrund dieses bestialischen Anschlag näher zusammen gerückt. Tatsächlich halten wir es aber für eines der schlimmsten Attentate aller Zeiten.
Jeder Vierjährige versteht intuitiv, warum König Nero ein schlechter Mensch war, wenn er (wie die Legende sagt) ganz Rom in Flammen untergehen ließ, weil er darüber ein trauriges Lied komponieren wollte. Jeder versteht sofort die absurde Unverhältnismäßigkeit der Mittel. Es würde auch niemand daran zweifeln, dass er verrückt war.
Wir würden König Nero auch dann für übergeschnappt halten, wenn er anstelle des traurigen Lieds zum Ziel hatte, dass die Menschen eine praktische "Lehrstunde in Mitgefühl" erhalten; oder wenn er behauptet hätte, nur so mache die Menschheit Fortschritte. Niemand würde daran zweifeln, dass so jemand einfach eine Schraube locker hat.
Irgendwie ist bei Ihnen und Ihrem Gott wohl ebenfalls eine Schraube locker.
Dass der Preis ein Wahnsinnspreis ist und ich nicht verstehe, warum Gott das so eingerichtet hat, habe ich ohnehin geschrieben.
Es ist lediglich für mich ein Trost zu wissen, dass das Leid wenigstens irgendeinen Sinn hat. Erfreulicherweise hat mit Herr Lehnert aus rein evolutionärer Sicht (ohne jeden Gottesbezug) hier zugestimmt.
Und zusätzlich habe ich die Hoffnung, dass Gott als Herr über Leben und Tod in der Ewigkeit sogar das größte Leid trösten kann. Das unterscheidet ihn von der Nero-Legende.
Zuvorletzt: diese meine Sicht über das Theodizee-Problem ist meine persönliche Sicht und (anders als beim Thema "Segen") nicht die offizielle Lehre der Kirche.
Zuletzt: da Sie jetzt auch zu Beleidigungen übergehen und die Antwort auf die Erdbeben-Frage ohnehin nur an Herrn Lehnert gerichtet war, ist, was mich betrifft, diese Unterhaltung beendet.
Alles Gute!
Hallo Herr Schönecker, es ist nicht meine Absicht, Sie persönlich zu beleidigen. Die Vermischung von Amt und Person ist eine selbst gewählte Marotte der Priester. Ich bewerte nur, was Sie hier als Priester äußern, und ich orientiere mich dabei an allgemein üblichen Maßstäben.
Nach allgemeinen Maßstäben hat jemand, der die Ermordung unserer Kinder als sinnvoll einstuft, selbstverständlich eine Schraube locker. Der Eindruck verstärkt sich durch Ihre Behauptung, Sie könnten das Wetter beeinflussen. Das ist keine Polemik, sondern eine allgemein übliche Einschätzung.
Es ist unmöglich, Ihre vielen unsinnigen Behauptungen zur Evolution einzeln zu diskutieren. Ihre These, das Leid der Opfer in Türkei und Syrien hätte evolutionär einen Sinn, ist völlig abwegig. Evolution kennt keinen Sinn, wenn man das Wort „Sinn“ in der theologischen Bedeutung versteht, nämlich als ein Zustreben zu einem zuvor definierten Ziel. Sie jubeln darüber, dass Herr Lehnert Ihnen in diesem Punkt zugestimmt hätte; aber vielleicht handelt es sich um ein Missverständnis.
Aber der eigentliche Konflikt liegt woanders. Dass Sie von der Evolutionslehre kaum etwas verstehen, wird man Ihnen nicht vorwerfen. Der Vorwurf zielt auf ihre moralischen Schlussfolgerungen.
Selbst wenn es einen vorgegebenen Sinn geben würde, würde es nicht automatisch bedeuten, dass wir uns als Menschen diesem Sinn beugen müssten. Wenn es Gesellschaften gäbe, die ihre Kranken der natürlichen Auslese überliessen, könnten sie es durchaus plausibel begründen. Die Frage ist jedoch, ob wir unser dieser Moral anschließen, oder ob wir uns eine andere Moral ausdenken. Darin sind wir frei.
Es gehört zu den Betrugsmanövern der Priester, den Gläubigen zu suggerieren, dass ein von Gott vorgegebener Sinn auch befolgt werden müsste. Das ist aber nicht der Fall. Es sei denn, es kommt Gewalt ins Spiel. Und dann ginge es nicht um Sinn, sondern um Gewalt. Der angebliche „Sinn“ ist nur ein Trick, um einen hübschen Vorhang über die Gewalttätigkeit der christlichen Ideologie zu werfen.
Es geht also nicht darum, einen Sinn zu erkennen (oder sich einzubilden), sondern darum, ob man sich diesem Sinn unterwirft. Daran werden Sie gemessen. Deswegen ist Ihr Gefasel über den angeblichen Sinn der Evolution nur eine Ihrer vielen Nebelkerzen. Denn nicht der Sinn oder die Evolution stehen zur Debatte, sondern Ihre Unterwerfung und Ihre täglichen Bemühungen, andere Leute in diese Ideologie hinein zu tricksen.
Sie könnten sich durchaus entscheiden zur Revolte gegen diesen Gott, mit dem Ziel, solche Morde in Zukunft zu verhindern. Aber das tun Sie nicht. In der Abwägung entscheiden Sie sich für Gott. Und das macht Sie in meinen Augen zu einem unmoralischen Menschen, der seine Würde und Selbstachtung einem tyrannischen Gott opfert.
Sie können deswegen auch nicht auf den Respekt der Gesellschaft hoffen. Die Gesellschaft respektiert Sie nur, weil sie von Ihren bizarren Ansichten nichts ahnt.
Sie schreiben, Gott könne hoffentlich alles Leid trösten, und deswegen wäre der Vergleich mit Nero unpassend. Zur Debatte steht aber nicht, ob Gott jemanden trösten kann. Sondern zur Debatte steht, ob Gott das Recht hat, unsere Kinder zu ermorden. Nero hätte das Recht zum Mord auch dann nicht, wenn er anschließend alle trösten könnte.
Ihre Lehre (und die der Kirche) besteht darin, dass Gott jederzeit das Recht hätte, beliebige Menschen zu töten, sogar Kinder. Er muss sich offenbar auch nicht erklären, sondern er kann die Menschen im Ungewissen darüber lassen, wem die Strafe galt, und wofür, und ob es überhaupt eine Strafe war oder eine Lehrstunde in Mitgefühl. (Letzteres sind Ihre eigenen Worte.)
Sie behaupten, Gott hätte das Recht, kleine Kinder zu ermorden, indem er sie durch Betonblöcke zerquetscht. Manche davon mussten tagelang leiden, bis sie in bitterer Kälte elend zugrunde gegangen sind. Sie, Herr Schönecker, sagen uns, dass Gott das Recht dazu hat.
Und nachdem Gott diese monströse Tat begangen hat, stehen Sie auf seiner Seite. Meine Hypothese, dass es sich hier um einen krankhaften Devotismus handeln könnte, ist keineswegs aus der Luft gegriffen.
Es gibt ein paar Dinge, die Ihnen die Menschen gerne verzeihen, beispielsweise Ihren Glauben an eine Märchenfigur. Aber es gibt andere Dinge, die die Menschen niemals verzeihen werden. Beispielsweise wenn Kindern etwas angetan wird. Das ist die rote Linie, die niemand übertreten darf, weder Sie noch Ihr Gott. Wer sich an unseren Kindern vergreift, der ist ausgeschlossen aus unserer Gemeinschaft.
Lieber Herr Schönecker,
Sie schreiben: „Leid kann dazu führen, dass Menschen zusammenhalten. Leid kann das besser bewerkstelligen als jede schöne Feier oder jeder schöne Urlaub. Ich weiß zwar nicht, warum das so ist, aber es entspricht meiner Erfahrung und der vieler anderer.“
An anderer Stelle: „Die Erklärung für das Leid, die für mich passt, ist also: Gott lässt Leid zu, damit Menschen lernen zusammenzuhalten.“
Und dann: „Warum das nur auf die ganz harte Tour erlernbar ist, weiß ich nicht.“
Meine Antwort: Die Evolutionstheorie erklärt uns das. Ich habe das ja weiter oben schon mal ausgeführt: Die Wurzeln unseres moralischen Verhaltens sind die Kooperation und die Empathie. Beide Prinzipien führten schon im Reich der sich entwickelnden Säugetiere dazu, dass ein Stamm, der diesen Prinzipien – die letztlich durch Mutation entstanden sind – folgte, eine deutlich höhere Überlebensrate aufwies als ein Stamm von Individuen, die dieses nicht taten.
Nochmal zur Erinnerung: Gemeinsames Jagen und gemeinsame Feindabwehr (Kooperation!) waren erfolgreicher bzw. effektiver als Einzelkampf. Ein Stamm, der sich um Individuen kümmerte (Empathie: Leiden des Anderen wahrnehmen und empfinden können!), die in Not geraten waren, wies ebenfalls eine höhere Überlebensrate auf. Denn dieses Prinzip gilt ja gegenseitig.
Dieses Verhalten hatte zunächst nichts mit Moral zu tun. Es handelte sich um ein zweckmäßiges Verhalten zugunsten einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit. Letztlich führte dieses Verhalten aber zu einem sozial erwünschten Verhalten, das wir Menschen heute Moral nennen.
Ihre persönliche Beobachtung bzw. Deutung eines solchen Verhaltens ist also nicht falsch. Ich meine nur, dass die Erklärung, die Ihnen zum Teil nicht erkennbar ist, schlicht und einfach die Evolutionstheorie liefert. (Die Sie ja auch anerkennen!)
Auch Ihnen ein schönes Wochenende!
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Lieber Herr Lehnert!
Ich teile diesmal Ihre Sichtweise weitgehend. Empathie wirkt sich stärkend und nützlich auf eine Gemeinschaft aus.
Die Beobachtung, dass das Wort "Empathie" das Leid beinhaltet, finde ich sehr treffend.
Wir sind uns also darin einig, dass die Evolution die Empathie und die konstruktive Zusammenarbeit hervorgebracht hat.
Wir sind uns vermutlich auch darin einig, dass die Evolution auch Kampf um Ressourcen, um Sexualpartner und sogar Krieg hervorgebracht hat.
Ganz sicher sind wir uns darin einig, dass für uns Menschen Empathie und Zusammenarbeit wünschenswerter ist als Kampf und Krieg.
Für diesen letzten Satz brauchen wir aber den Verstand (der seinerseits wieder ein Produkt der Evolution ist). Die Evolution gibt da keine Empfehlung.
Passt das für Sie?
Danke, dass Sie meine Äußerung zur Theodizee zur Kenntnis genommen haben, ohne auf die offensichtlichen Schwachpunkte einzuhacken. Ich weiß das zu schätzen.
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Lieber Herr Schönecker,
ein Kompliment muss man Ihnen unbedingt machen. Sie gehen auf Argumente ein und bringen - wie wenige Diskussionspartner - die Größe auf, auch ein Argument zu akzeptieren. Zudem sind Sie in der Lage, was auch eher selten ist, eigene Schwächen und Ratlosigkeiten einzugestehen. Das imponiert mir.
Früher hatte ich beruflich öfter in Wien zu tun. Jetzt nachberuflich besuche ich Wien eher selten. Wenn es denn doch mal wieder dazu kommt, vielleicht ergibt sich die Gelegenheit zu einer persönlichen Begegnung, schließlich diskutieren wir ja schon seit einigen Jahren miteinander. Ich bin - Sie werden es vielleicht gar nicht glauben - auch mit evangelischen Pfarrern befreundet. Sie sind aber ähnlich gesprächsbereit und offen für Gespräche, die an die Grundlagen der eigenen Überzeugung rütteln. Selbst muss man natürlich auch bereit sein, Schwächen und nicht ganz zu Ende gedachte eigene Positionen infrage stellen zu lassen. Es mag vielleicht "Altersmilde" sein, dass ich dazu heute auch eher bereit bin.
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Danke, Herr Lehnert, für das Kompliment.
Sie selbst haben bei in letzter Zeit bei mir einige Vorurteile, die sich bei mir im Lauf der Jahre beim hpd und hier gegen Atheisten aufgebaut haben, wieder abgebaut (sind damit aber zum Glück nicht der einzige).
Ein Treffen in Wien würde mich freuen.
Mit bestem Dank, freundlichen Grüßen und einem Servus
Norbert Schönecker
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